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1. Vorwort | |||
Der Hauptgrund für das Schreiben dieses Buches waren jahrzehntelange Mangelerlebnisse. Trotz einer großen Bibliothek und dem Sammeln aller einschlägiger Arbeiten, konnte nie eine befriedigende Antwort darauf gefunden werden,
Diese Arbeit wendet sich hauptsächlich an den kunstinteressierten Liebhaber. Für den Fachmann geht sie nicht ausreichend auf die einzelnen Details ein, bleibt sie immer noch zu oberflächlich und für den Wissenschaftler ist sie zu wenig quellenorientiert. Dabei tritt besonders das Problem auf, dass niemand mehr in voller Breite eine Grundlagenforschung leisten kann und deshalb selber viele Aussagen bewusst oder unbewusst unüberprüft übernehmen muss, und diese Aussagen dann, selbst wenn sie falsch sind, durch die gesamte Literatur sich ziehen. Der ideologisch verbrämte Bauerngarten ist ein solches Beispiel (gemeint ist fast immer der Bürgergarten der 1. Hälfte des 19. Jhrdts). Dieses Buch will dem durchschnittlichen Garten- und Kunstinteressierten nur ein allgemeines Orientierungsgerüst geben, wenn er sich in einem Kunstwerk oder einem Kulturdenkmal Garten aufhält. Es möchte neugierig machen, Anregungen bieten, Diskussionen auslösen und auf engem Raum möglichst viele Informationen vermitteln. Da die Stofffülle anders kaum zu bewältigen ist, sind viele Kapitel lexikalisch knapp gehalten und um ihren Orientierungswert zu erhöhen, wurden sie inhaltlich und optisch stark strukturiert. Diese Form haben besonders Schüler geliebt, wenn sie sich auf Prüfungen vorbereiteten. Dieses Buch will bewusst kein "coffeetablebook" sein, dass als reich bebildertes Verlegenheitsgeschenk in den Bücherschrank wandert, um dort nie wieder angesehen zu werden. Seine Aufgabe sieht es darin, ein neues Gartenbewusstsein zu schaffen, das das bestehende ergänzt und anregt, ihm eine neue Orientierung bietet. Eine Voraussetzung dafür ist eine neue Diskussion in der Öffentlichkeit. Erreicht soll sie werden durch eine vermehrte Diskussion gartenkünstlerischer Fragen, bzw. eine verstärkte Sensibilisierung der kunstinteressierten Bevölkerung. In der Würzburger Schloßarchitektur hätte man z.B. eine solche Stilfälschung wie sie durch die Rosenbeete im Schlossparterre erfolgte, bei einem größeren Stilverständnis der Besucher nicht gewagt. Alle Kunstverständigen hätten dagegen weltweit protestiert. Diskutiert müsste auch die Erneuerung des Heidelberger Schlossgartens (Hortus Palatinus) werden, dessen ursprüngliche Pläne noch alle vorhanden sind und dessen bauliche Grundanlagen nach weitgehend stehen. Einst einer der bedeutendsten manieristischen Gärten Europas (als achtes "Weltwunder" beschrieben), ist es nicht einzusehen, weshalb sein kulturhistorischer Wert geringer sein sollte als der des Kölner Domes oder der Dresdener Frauenkirche. Keine Gartenschau kann für den Berufsstand auch nur eine annähernd große Ausstrahlung haben wie die Wiedererschaffung dieses Gartens. Das Kapitel "Nationalsozialismus" führte bei manchen Erstlesern des Manuskriptes zur Ablehnung. Es wurde Befangenheit unterstellt und verlangt, dass nach Hinweisen auf ideologische Überformungen, der Naturgarten, Bauerngarten und die Kriterien der Pflanzenverwendung besondern hervorgehoben werden. Die geforderten Kapitel gab es aber bereits. Dabei sind das Problem des Nationalsozialismus (für die Gartenwelt gab es ihn kaum, da er bis zum Kriege nur sechs Jahre bestand) nicht die Bauern- und Naturgärten gewesen, sondern die Art der nachfolgenden Verwissenschaftlichung, um die eigene Betroffenheit besser verdrängen zu können. In keinem anderen Land der Welt ist die Gartenkunst als Kunstdisziplin so aus dem Bewusstsein der Menschen gedrängt worden wie in Deutschland. Dafür muss es Ursachen geben. Das Ergebnis einer Diskussion um die Gartenkunst im Nationalsozialismus ist eine Diskussion um eine Ergänzung der Ingenieurwissenschaft Gartengestaltung um die Gartenkunst. Die Ausführungen dazu, sollen nur die Notwendigkeit einer solchen Diskussion begründen. Oft wird gesagt, dass die Gartenkunst als Kunstdisziplin im Augenblick ihrer Vergärtnerung unterging. Man kann aber auch sagen, dass damit erst ihre eigentliche Zeit begann. Erst jetzt kam es zur Vereinigung von Kultur (= Stil) und Natur unter der entscheidenden Erweiterung des Naturfaktors um das Element Pflanze. Unser Problem dabei ist, dass die Pflanze heute weitgehend nur als ein Dekorations- und nicht als ein Stilmittel eingesetzt wird, d.h. als gärtnerisches und nicht als Kunstelement. Während die Architektur ihre Kunstwerke in Räume hineinstellt, ist die Gartenkunst die Disziplin, die erst die Räume dafür schafft. Sie ist die Raumkunst schlechthin. Einer der Gründe, weshalb sich heute immer wieder Künstler aus anderen Disziplinen in ihr versuchen. Nie hat es eine saubere Abgrenzung gegeben, was Gartenkunst überhaupt ist. In früheren Zeiten zählte man alles zu ihr, was keinen Nutzgartencharakter besaß. Später sprach man dann lieber von Kulturdenkmälern, Gartendenkmälern, historischen Gärten oder Gartenerbe. Dadurch wurde man unangreifbar. Doch hinterließ dies immer ein unbefriedigendes Gefühl. Innerhalb der Architektur gab es kaum eine vergleichbare Diskussion. Niemand dürfte dem Kölner Dom oder heute dem "Jüdischem Museum" in Berlin seinen Kunstcharakter absprechen, d.h., dass es dort eine Differenzierung gibt. Niemand im Bereich der Architektur käme auf die Idee eine gewöhnliche Garage dagegen als ein Kunstwerk zu sehen ( was sie unter bestimmten Umständen durchaus sein könnte). In der Gartenkunst ist die Situation vergleichbar. Genauso wenig wie jedes Wohnhaus ist auch nicht jeder Garten ein Kunstwerk. Um ein solches zu sein, müsste er zwei Bedingungen erfüllen:
So gesehen, ist die Gartenkunst eine der anspruchvollsten Disziplinen unter den Künsten. Dies gilt sowohl für ihre Erstellung wie auch für deren Betrachtung.
Das Denken in Stilkategorien führt oft zu Verallgemeinerungen und sogar zu subjektiver Überbewertung ein-zelner Kriterien und damit zu Verfälschungen. Doch ist es für den Durchschnittsmenschen die einzige Möglichkeit einer geistigen Teilnahme an der Geschichte der Gartenkunst. Erst eine mögliche Orientierung erlaubt einen Dialog und damit auch eine tatsächliche soziale Aufwertung der Gartenkunst. Eine Beschränkung auf eine kleine Gruppe von Wissenden sichert diesen zwar eine gewisse Stellung, doch eine Stellung, die sozial kaum einen Wert besitz (Was man kaum empfindet, da man unter sich bleibt). Auch die Gartenkunst braucht ein allgemein bekanntes Orientierungsgerüst, wenn sie nicht ein Spezialgebiet für wahrscheinlich weniger als hundert Personen sein will. Die allgemeine Unkenntnis ihrer Gestaltungselemente sichert diesem Kreis zwar einen relativ unanfechtbaren Expertenstatus, aber einen Expertenstatus der sozialen Bedeutungslosigkeit. In unseren heutigen Gärten ist das Gespür für "Stil" weitgehend verloren gegangen. Die Verwendung von Pflanzen ist dafür nicht verantwortlich. Verantwortlich ist dafür eher unsere allgemeine Unsicherheit gegenüber der modernen Kunst wie auch gegenüber der Natur. Je weniger wir selber in ihr arbeiten, um so fremder stehen wir ihr gegenüber und um so mehr sind wir auf allgemeine Orientierungshilfen angewiesen. Da wir die Kompliziertheit unserer kulturellen Zusammenhänge kaum noch durchschauen, nutzen wir oft quasiwissenschaftliche Antworten als Hilfen. Esoterische Angebote durchziehen die gesamte Gartenliteratur unserer Gegenwart. Ein Auszug aus den Schriften Rudolf Steiners mag für die Extreme, die sich dahinter verbergen, als Beispiel dienen. Ohne einen Konsens in unserer Einstellung gegenüber der Natur, die ihre Grundlagen in der europäischen Kultur hat, geraten wir in eine Welt gestalterischer Beliebigkeit. Dies mag im ersten Augenblick positiv erscheinen, da es einem in der Arbeit eine grenzenlose Freiheit suggeriert. Doch dieser Freiheit fehlt die soziale Anerkennung aus der das Individuum in unserer Kultur über eine Bestätigung sich selber findet. Eine konsenslose Arbeit ist in der Regel nicht dialogfähig. Es scheint so zu sein, dass Menschen verschiedene archetypische Zugangsweisen zu Gärten besitzen, z.B. eine mehr rationale, die klare Strukturen bevorzugt und der Welt kritisch gegenübersteht oder eine sinnlich- emotionale, die der Umwelt mehr ganzheitlich gegenübertritt und die ihren Schwerpunkt in einem Gefühl und metaphysischem Umweltbezug hat. Beide Seiten haben in der Geschichte der Kultur verschieden stark dominiert. Je nach persönlicher Veranlagung besitzt der einzelne damit auch einen unterschiedlichen Zugang zu den Stilen. Bei Marie-Luise Gothein z.B. ist immer wieder ihr geringer Zugang zum Landschaftsgarten zu beobachten.Dieser archetypisch verschiedene Naturbezug ließ sich schon bei den alten Klosteranlagen beobachten. Es schien Mönche zu gegeben zu haben, die als Aufenthaltsort Höhen mit weiten Ausblicken bevorzugt haben (Benediktiner) und andere, die die Geborgenheit eines Tales vorzogen (Zisterzienser). Bei den Römern war es Lucull, der seine Villa auf dem Pincio errichtete und Sallust, der die seine im Tale baute. Landschaftsgärten erfordern ein eigenes Auge, wenn sie dem Betrachter nicht langweilig erscheinen sollen. Hinter der besonderen Anordnung der Bäume, der Blickschneisen und der Ausblicke verbirgt sich eine besondere ästhetische Sehweise, die in früheren Zeiten die gesamte bildenden Kunst beherrscht hat. Sie drückte eine eigene Befindlichkeit aus, die auszudrücken Menschen ihr ganzes Leben gewidmet und ihr Vermögen geopfert haben. Die bekanntesten unter ihnen waren wohl Beckford in England und Fürst Pückler in Deutschland. So wie wir auch heute bestimmte Bilder "sehen" lernen müssen, gilt dies auch für die Stile der Gartenkunst. Für das Sehen einer modernen Gartenstils fehlt uns ein brauchbares Orientierungskonzept, um sie als Kunst, als einen kulturellen Wert unserer Zeit überhaupt sehen zu können. Wie man überhaupt immer wieder feststellen kann, dass man über sehr viele Dinge sehr viel weiß, während andere, selbstverständliche völlig im Unklaren geblieben sind. Man weiß z.B. bis heute noch nicht die tatsächlichen Funktionen der riesigen kaiserlichen Gärten in Rom. Über die beiden bekanntesten Gärten der Antike wissen wir so gut wie gar nichts. Sowohl der in der Bibel genannte Garten Eden, das Vorbild unserer Paradiesvorstellungen, wie auch die hängenden Gärten von Babylon erweisen sich bei näherer Betrachtung als Mythen ohne einen fassbaren Hintergrund. Jede kunstgeschichtliche Betrachtung ist das Ergebnis eines Blickwinkels, vorbereitet und begrenzt durch die Filter der Kultur aus der der Betrachtende kommt. Das Problem der heutigen Gartenkunst in Deutschland ist, dass sie in der Bevölkerung als Kunstdisziplin weitgehend aus derem Bewusstsein geraten ist. In einer Welt, in der sie keine Orientierungskriterien mehr besitzt, versucht sie sich gar nicht erst hineinzubegeben, bzw. leugnet deren Existenz. Es ist eine Katastrophe, dass auch der gärtnerische Berufsstand hier nicht weiter sieht. Die Mehrzahl der Bevölkerung kennt einen Garten nur als eine öffentliche Grünanlage oder als Hausgarten. Beide in der Regel auf keinem gestalterisch und geistig anspruchsvollen Niveau. Eine tiefer gehende öffentliche Diskussion findet nicht statt. Aber gerade auf eine solche Diskussion kommt es an. Vielleicht benötigen wir dafür einen neuen "Naturbegriff", der von der ganzen Gesellschaft getragen wird. Vielleicht befinden wir uns auf der Suche nach ihm und die funktionale Geschlossenheit unserer westlichen Zivilisation mit ihren negativen Folgen und dem Zwang auf sie zu reagieren, wird ihn erzwingen. Es ist damit zu rechnen, dass die Gartenkunst dann wieder als bewusste, geistige und gestalterische Naturformung eines Tages wieder eine Schlüsselstellung zukommen wird. Keine Kultur kann auf Utopien verzichten. Es ist zu erwarten, dass es auch in Zukunft der Garten sein wird, eine solche liefern kann. Kunst ist heute das individuelle, weitgehend handwerkliche Umsetzen einer inneren Wahrnehmung. Kaum ein anderer Bereich eignet sich dafür besser als der Garten. |