10. Der arabisch-islamische Garten (orientalische, maurische, sizilianische Garten) |
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Von größter Bedeutung für die europäische Gartenkunst wurden die islamischen Gärten in Sizilien und Andalusien. Einerseits fußten sie auf persisch-römischen Traditionen. Viele der islamischen Länder befanden sich in Gebieten, die früher zum Römischen Reich gehört, bzw. unter dessen kulturellem Einfluss gestanden haben. Diese vorislamischen Gärten waren traditionell Stätten des Vergnügens gewesen. Andererseits waren sie eine Umsetzung der Koranbeschreibungen des Paradieses als Garten im Koran:
"Und den, welcher an Allah glaubt und rechtschaffen handelt, wird er in Gärten führen, welche Wasserläufe durchströmen, und ewig soll er in diesen Gärten bleiben" (66.Sure,12. Vers). Der Garten wurde damit zum wichtigsten Symbol für das Ziel des irdischen Lebens: das Paradies. Als frühere Stätte des Vergnügens wurde er zu einer heiligen Vision. Zu diesen historischen und religiösen Hintergründen kamen die geographischen hinzu. Die Araber waren einst ein Wüstenvolk gewesen. Das Ideal, das sie ihrer Umwelt abzutrotzen versuchten, besaß Wasser und Schatten. Es war eine baumbestandene, wasserbesitzende Oase, die ganz auf ihre Lebensbedingungen ausgerichtet war. Dabei übernahmen sie den viergestalteten Garten (Chahar bagh) als archaische Grundform, die sich schon 730 v.Chr. in Asien, Europa und Afrika nachweisen lässt. Wir kennen dieses "kosmische" Kreuz hauptsächlich aus den frühen persischen und späten römischen Gärten. In Spanien entwickelten sich nach seiner maurischen Zeit die kreuzförmige Gestaltung der "patios de Cruceros", in den christlichen Klöstern in römischer Tradition die Höfe der Kreuzgänge. Es wurde abgewandelt zum Grundmuster aller formaler Gärten. Die häufige Beschreibung des Paradiesgartens in den Suren führte zu konkreten Vorstellungen über sein Aussehen. Zu seinen Elementen gehörte:
"So seht das Bild des Paradieses, das den Gottesfürchtigen verheißen ist: In diesem fließen Ströme von Wasser, das nie verdirbt; Ströme von Milch, deren Geschmack sich nie ändert; Ströme von Wein, löblich für die Trinkenden..... Dort werden sie alle Arten von Früchten und Vergebung von ihrem Herrn erhalten" (47. Sure, 16. Vers). Der Garten des Korans ist ein Garten der sinnlichen Freuden. Er ist immer gleichbleibend mit:
Sizilien wurde vom 9.-11. Jh. von sarazenischen Emiren beherrscht, die prächtige Gärten besessen haben sollen. Aus ihrer Heimat hatten sie eine hochentwickelte Wasserbautechnik mitgebracht. Als die Normannen sie besiegt hatten (1091), übernahmen sie teilweise deren hochstehende Kultur. Wir wissen aus der Literatur, welchen großen Eindruck die Gärten der Besiegten auf die Sieger gemacht haben. Bekannt ist, dass es in den sarazenisch-normannischen Gärten
Bekannter als die sizilianischen Gärten sind die in Andalusien. Um 880 brachten die maurischen Eroberer die orientalische Gartenkunst nach Spanien. Um 950 errichtete der Kalif Abderraman III. bei Cordoba eine Medina (Palaststadt), die er nach seiner Geliebten Azzahra nannte. Sie war eine Mischung prächtiger Bauten und Gärten mit Wasserspielen, Springbrunnen und Gartenpavillons. Aus feinen Düsen berieselte das Wasser die Marmorböden und hielt sie feucht. Siebzig Jahre später wurde der Palast von islamischen Fundamentalisten zerstört. Um 976 n.Chr. wurde in Cordoba im Hof der Moschee der "Garten der Orangenbäume" angelegt (122 x 60 m). Er ist heute wahrscheinlich der älteste Garten Europas. Ursprünglich pflanzte man die Palmenreihen (heute Orangenbäume) als Fortsetzung der Säulengänge (heute ist dies wegen der Querwände nicht mehr erkennbar). In dem Garten stehen heute noch drei Brunnen. Der Inbegriff maurischer Gärten sind die Anlagen in Granada. Kein anderes Bauwerk der moslemischen Welt besitzt die Pracht und architektonische Ausgewogenheit der Alhambra (Kala al hamra = Rote Burg). Sie ist ein lockeres Gefüge von Gebäuden und Gartenhöfen (Patios) auf einem Hügel. Von den früheren Gartenhöfen sind heute nur noch vier erhalten:
In Sevilla ist der Garten des Alcazars (des Schlosses) die größte Anlage (16 ha), die noch an die maurische Zeit erinnert. Bereits in seinen Anfängen im 12. Jh. angelegt, wurde er während der Renaissance überformt. Der Garten besteht aus einer Folge von Höfen, die von Arkaden umgeben sind. In ihrer Mitte befindet sich jeweils ein Wasserbecken. Der Anlage fehlt die früher typische Verbindung von Palast und Garten. Er gilt allgemein als ein Musterbeispiel für den Mudejar-Stil (einer Verbindung von maurischen und christlichen Stilelementen). Aus dem Maurischen stammen die umgebenden Mauern, die erhöhten Wege, die Springbrunnen und Fliesen und die typischen Pflanzen wie Zypressen, Orangenbäume und Palmen und darunter Jasmin, Oleander und Rosen. Auch sieht man hier noch über den Wegekreuzen die "glorieta" (entwickelt aus den persischen Zypressenpavillons, die in einem Kreis stehend oben zusammengebunden und dann entsprechend geschnitten wurden). Berühmte islamische Gärten gab es aber auch in Bagdad, in Ägypten, Marokko und Istanbul. Gesandte berichteten von ihnen. Im 15. und 16. Jh. vereinigten die Mongolen nach ihren Eroberungszügen ihre Kultur mit den persischen Traditionen (aus dieser Zeit besitzen wir die schönen Gartenminiaturen). Eine Verbindung zu diesen Gärten stellen auch die islamischen Gartenteppiche her, die letztlich die Abbildung eines solchen Gartens darstellen: In der Mitte das Wasserbecken, die Vierteilung durch Kanäle, Untergliederung in kleinere Kompartimente (Felder) und Ornamente für Blumen und Bäume. Der Garten des Sommers wurde auf diese Weise im Winter nach innen geholt. Ganz Europa hat von diesen Gärten gelernt. In Spanien und Italien erfolgte dies unmittelbar. In Poggioreale (Poggio Reale) bei Neapel vereinten sich dann unter Alfonso von Kalabrien (nach 1487) andalusiche Einflüsse (z.B. die Wasserscherze des Generalife) mit den sizilianisch-normannischen. Obwohl ein großer Vitruvkenner und Freund Lorenzo Medicis wurden hier überall arabische Gartenelemente eingebracht, vom viergeteilten Kanalgarten, der sich öffnenden Loggia zum Garten bis hin zur ersten Grotte der Renaissance. Es war dieser Garten, der dann Karl VIII (1494/95) so beeindruckte, dass er ihn als ein "irdisches Paradies" rühmte und alles tat, um dieses auch in Frankreich, in Amboise zu besitzen. Er leitete nach seiner Rückkehr die französische Renaissance ein. Am Anfang des arabischen Gartens steht eine Vorstellung vom Paradies und die islamischen Künstler sahen den Sinn ihre Arbeit darin, es zu schaffen. Es ist der Garten aus tausendundeiner Nacht, ein Garten mit Wasser, Schatten, Kühle, Duft, Früchten und Vogelgesang. Das Wasser, als größter Luxus eines Wüstenbewohners, war das häufigste Bild zur Beschreibung des Paradieses im Koran und wurde das wichtigste Gestaltungselement für einen Garten. Auf Befehl des Propheten sollte es immer in Bewegung sein. Fast ruhig, holte es in seinem Spiegel dem Himmel auf die Erde. Zwar wäre die Schaffung eines Paradieses auf der Erde eine Gotteslästerung, doch auf Anweisung Mohammeds (Hadith) als großer Dschihad berechtigt. "Allah ist es, der die Gärten geschaffen hat, sowohl die, welche Menschenhände, als die, welche die Natur angelegt hat .....". (6. Sure, 142. Vers). Die islamischen Gärten sind Gärten der Stille, der Betrachtung. Man lässt sich in ihnen nieder und folgt dem monotonen Klang der Springbrunnen, dem Gesang der Vögel und dem Duft der Blumen. Er verkörpert ist eine Welt der stillen Poesie. Mit einem Garten verwaltet der Mensch ein Stück Paradies auf Erden. Der versunkene Eindruck, den ein solcher Garten macht, wenn man ihn einmal ohne Besuchermassen erleben kann, ist unverwechselbar und oft unvergesslich. |