Die Zeit der Fürstengärten in Deutschland beginnt mit den kaiserlichen Gärten und endet mit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Der letzte große Garten dieser Entwicklung war der Hortus Palatinus in Heidelberg. Obwohl er nie ganz fertiggestellt wurde, war er die berühmteste deutsche Gartenschöpfung vor der Barockzeit. Durch die erhaltenen Pläne besitzt man eine genaue Vorstellung über sein beabsichtigtes Aussehen.
Nach seiner Hochzeit mit einer englischen Prinzessin begann der Kurfürst Friedrich V. 1616 mit Hilfe Salomon de Caus neben dem Heidelberger Schloss dieses "Wunder der damaligen Zeit" anzulegen. Die schwierigen natürlichen Gegebenheiten wurden durch ein rechtwinkliges, weitflächiges Terrassensystem aufgefangen. In der obersten Stützmauer befanden sich die Grotten mit ihren Wasserkünsten und Götterfiguren. In den anderen Wasseranlagen, ein Irrgarten, Pomeranzen-, Blumengarten (für alle Zeiten des Jahres), Heckenräume und Pavillons.
Die historische Bewertung dieses Gartens fiel zeitabhängig sehr unterschiedlich aus. Von den einen wurde er zu den Weltwundern gezählt, war er der wichtigste manieristische Terrassengarten in Deutschland, während andere (im Vergleich zu den zeitgleichen italienischen Anlagen) seine "Mängel", seine mittelalterlichen Bezüge verurteilten:
- die individuelle Behandlung der Terrassen,
- das additive Nebeneinander seiner Teile,
- das Fehlen proportional harmonischer Treppenanlagen.
Sein "manieristischer Charakter" wurde an folgenden Merkmalen deutlich:
- Der Garten setzte sich gewaltsam über die natürlichen Gegebenheiten des Geländes hinweg (neu
für Deutschland war dabei seine Öffnung zur Landschaft).
- Die Reihung gleichwertiger Einzelfelder auf der Hauptterrasse,
- der Eigencharakter jedes Quartiers (im Barock ordnen sie sich später dem Gesamtwerk unter),
- das steile Treppensystem, das die Tiefe direkter empfinden lässt,
- die Wasseranlagen, beeinflusst von der Villa d'Este,
- der Überblick über die Gesamtanlage von bestimmten Punkten,
- die Vereinheitlichung des unteren Parterres.
Negativ waren:
- seine Abriegelung vom Schloss,
- seine kleinteiligen und labyrinthischen Flächenmuster,
- die Vielzahl seiner vertikalen Elemente.
Entsprechend dem damaligen Zeitgeschmack in Deutschland waren die einzelnen Elemente und Räume spielerisch aneinandergereiht. Noch fehlte ihnen die achsiale und sich gegenseitig steigernde Beziehung des späteren Barocks.
Nicht fertiggeworden waren in seinen Anfängen:
- die hohen Stürzmauern, die den Irrgarten und die untere Terrasse tragen sollten,
- die Treppe zwischen der großen und der unteren Terrasse.
Im Laufe der Jahre wurde vieles zerstört durch
- mangelnde Pflege (besonders während des 30jr. Krieges),
- die Nutzung von Gartenteilen zu militärischen Zwecken,
- die Entwendung von Steinen für den Aufbau der Stadt durch die Bevölkerung,
- den Orlean'schen Krieg,
- den teilweisen Übergang in eine private Nutzung (1724),
- laufende Veränderungen (einerseits um Geld zu sparen, andererseits um Gewinne zu erwirtschaften: Anpflanzung von Obst und Gemüse),
- das Anlegen einer Baumschule für die in Schwetzingen benötigten Bäume,
- seine Nutzung im Rahmen eines Gaststättenbetriebes (Jeder Pächter veränderte den Garten nach seinen Bedürfnissen).
- den Umbau der Anlagen in einen Landschaftsgarten (1804) nach Plänen von Sckell und Zeyher (Vielleicht die negativste Arbeit Sckells, da die Kleinflächigkeit, der strenge geometrische Terrassenaufbau und die Herausnahme vieler Nutzflächen dies fast unmöglich machten).
- Einrichtung einer Baumschule auf der unteren Terrasse (nach 1804),
- 1810 auf den beiden oberen Terrassen Obstbäume und Pappeln,
- 1853 Ausdehnung des Gaststättenbetriebes und Aufgabe der Gärtnerei. Ihre Flächen wurden zu einem Rosengarten der Gaststätte.
- Ausbau des bereits bestehenden forstbotanischen Gartens zu einem Arboretums,
- 1875 der Garten wird zu einem Vergnügungspark,
- 1890/91 Errichtung eines Scheffeldenkmals,
- 1895 weiterer Ausbau des Gaststättenbetriebes,
- 1921 Aufstellen einer Goethe-Marianne-Bank,
- seit 1923 Unterstellung des Parks unter das Bezirksbauamt Heidelberg.
- Schon 1936 forderte der für den Park zuständige Leiter des Heidelberger Bezirksbauamtes Ludwig Schmieder die Beseitigung der landschaftsgärtnerischen Teile und seine schrittweise Restaurierung.
- Nach dem 2. Weltkrieg gärtnerische Leistungsschauen (Heidelberger Blumentage).
Das Besondere am Hortus Palatinus ist, dass seine Terrassen heute noch fast vollständig erhalten sind und auf Grund seiner wechselhaften Geschichte innerhalb seiner Felder keine tatsächlich historisch gewachsenen, wertvollen Anlagen bestehen. Darüber hinaus stehen für seine Rekonstruktion die Pläne Salomon des Caus zur Verfügung. Mit den Gärten in Schwetzingen und Schönbusch entstände hier ein in der Welt einzigartiges Gartenensemble. Vielleicht sind es gerade seine "Mängel" als Ausdrücke einer aus dem Spätmittelalter überkommenen Gartenkunst, die ihn für Deutschland so wichtig sein lassen. Seine Rekonstruktion könnte für Jahre zur wichtigsten medienwirksamen Aufgabe des deutschen Landschaftsbaus werden. Er könnte wieder einer der bedeutendsten historischen Gärten Europas werden. Vielleicht vergleichbar mit Villandry in Frankreich, Het Loo in den Niederlanden oder Heligan in England in neuerer Zeit. Gleichzeitig könnte er eine Initialzündung für den Erhalt vieler anderer Gärten werden und nicht zuletzt das ganze Gartenbewusstsein in Deutschland positiv verändern.