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Der Barock (ca. 1600 - 1725) war die Kunstepoche der Gegenreformation. Der Absolutismus erreichte in ihm seinen Höhepunkt. Seinen Ausgang nahm er in Italien (hauptsächlich in Rom). Er verwandelte die statische Harmonie der Renaissance in eine dynamische. Er ist ein dramatischer, theatralischer, auf Außenwirkung zielender Stil, der für prächtige Inszenierungen besonders geeignet war. Wichtig für ihn war eine bewegte Spannung (durch die Konfrontation von Gegensätzen), der Überschwang und der Kampf. Es ist der Barock, in dem zum ersten Mal die Forderung erhoben wird, die Gartenkunst als eine den anderen Kunstdisziplinen gleichwertige Gattung anzuerkennen (Oliver de Serres, Lafontaine).
Im Mittelpunkt des Gesamtkunstwerkes stand das Schloss. Wesentlich für dieses war sein optischer Anblick, d.h. seine bewegten Formen, Durchblicke und Perspektiven. Hier war auch eine der Ursachen für die Bedeutung seiner Gärten. Was wäre ein Barockschloss ohne sein schmückendes Umfeld, ohne seine in die Landschaft führenden Sichtachsen. Während das Schloss den Monarchen in seiner absolutistischen Macht selber repräsentierte, bewegte sich in seinem Garten sein von ihm unterhaltener (und kontrollierter) Hofstaat.
Die gemeinsamen Stilmerkmale aller damaliger Künste waren:
- die Betonung von Bewegungen (durch gebogene Wände, Figuren, Wasser),
- die Vereinigung von Architektur, Skulptur und Malerei zu einem Gesamtkunstwerk,
- der Einsatz von Licht und Schatten,
- der Sinn für bühnenhafte Wirkungen,
- der Drang ins Unbegrenzte (Wege führten bis zum Horizont, optisch sich öffnende Decken, Einsatz von Spiegeln).
Durch das Gefühl des Ausgeliefertseins an höhere Mächte bestand ein starkes Empfinden für die Vergänglichkeit des irdischen Lebens. Andererseits war diese Zeit gekennzeichnet von einer verschwenderischen Pracht an den Höfen. Beliebt waren musikbegleitete Feste, Maskeraden, Umzüge, Theater und Opern mit Ballett. Ein Zeremonienmeister bestimmte ihren Ablauf. Bei den Banketten wurde kostbarstes Geschirr verwendet. Kaffee, Tee und Schokolade kamen als Genussmittel auf. Den Rahmen für alles bildete ein alle Künste umfassendes Gesamtkunstwerk.
Im Barock wurde immer die Bewegung, das Nichtstatische gesucht. Alle Tätigkeiten waren immer Inszenierungen zur Verherrlichung Gottes oder eines Herrschers. Die weniger bedeutsamen Arbeiten zielten besonders auf den Effekt und weniger auf die Harmonie der verschiedenen Gestaltungselemente.
Die wichtigste Kunstdisziplin des Barocks war die Architektur. Sie stand im Mittelpunkt des Gesamtkunstwerkes. Die an ihm arbeitenden führenden Künstler waren bis dahin oft noch in mehreren Kunstdisziplinen tätig. Die Außenanlagen wurden fast immer vom verantwortlichen Baumeister mitgestaltet. Nun setzte eine Spezialisierung für die Bereiche Bauwerk, Innenausbau und Außenraumgestaltung ein. In Vaux-le-Vicomte erreichte diese Entwicklung ihren ersten Höhepunkt mit dem Architekten Le Vau, dem Maler und Innenausstatter Le Brun und dem Gartenkünstler Le N?tre. Alle drei wurden später von Ludwig XIV. in Versailles übernommen und damit für die europäische Kunst der damaligen Zeit beispielgebend. Mit dem französischen Barockgarten erreichte die europäische Gartenkunst ihren zweiten Höhepunkt und mit Le N?tre ihre erste überragende Künstlerpersönlichkeit.
Der französische Garten verdrängte den italienischen der Renaissancezeit.
- Er war großzügiger.
- Er besaß:
- lange Wege,
- einen symmetrischen, rechteckigen Aufbau,
- Wasserbecken,
- Er bezog die vier Elemente mit ein (Aristoteles: Feuer, Luft, Wasser, Erde).
- Fontänen und Skulpturen sollten die Wirkung des Parks im Sinne eines Gesamtkunstwerks bereichern.
Hauptmerkmale des französischen Barockgartens:
- Seine Hauptaufgaben:
- Repräsentation durch Prachtentfaltung,
- disziplinierte Überschaubarkeit,
- Abwechslung (Varieté), d.h. ständig neue Unterhaltungsanregungen.
Seine Stilschwerpunkte:
- Proportionen:
Die Höhe der Bäume und Hecken war z.B. auf die Breite und Länge
der Wege abzustimmen.
- Symmetrie:
Die Beete des Parterres erschienen z.B. in einer symmetrischen
Ordnung.
- Abwechslung (Varieté).
- Bevorzugung eines leicht geneigten oder flachen Geländes
(Gemäß den vorhandenen landschaftlichen Gegebenheiten. In Italien wurden steil
abfallende Gelände bevorzugt, deren Bebauung zur Verwendung von vielen Bauelementen zwang: hohe Terrassen, viele Treppen, Skulpturen).
- Im Zentrum des Gesamtkunstwerkes stand das Schloss. Es war der geistige und bauliche Mittelpunkt
auf den sich alle anderen Künste hin orientierten.
- Verlagerung des Gestaltungsschwerpunktes von der baulichen Architektur zur Pflanze (Wasser,
Brunnen und Skulpturen mussten sich ihr unterordnen).
- Für den Garten galten folgende Grundsätze:
- Die Kunst (das vom Menschen Gemachte) sollte sich der Natur unterordnen
(im Sinne eines Einordnens).
- Der Garten sollte nicht zu stark beschattet sein.
- Er sollte nicht zu offen angelegt sein.
- Er sollte größer erscheinen, als er tatsächlich war.
- Seine Hauptbestandteile waren:
- Petit Parc:
Dieser setzte sich zusammen aus
+ Parterre (vorderer Schmuckteil),
+ Boskett (umliegender Unterhaltungsbereich),
- Grand Parc:
Er bestand aus einem von Alleen durchschnittenen Waldgebiet, das
zur Jagd genutzt wurde (oft kurz nur "Park" genannt).
- Das Parterre (par terre = am Boden) war der übersichtliche Repräsentationsgarten vor dem Schloss.
Dazu bestimmt, dass man sich hier in seinen prächtigsten Kostümen zeigte (man muss sie sich heute
dazudenken, um diesem Gartenstil gerecht werden zu können) und Schauplatz der königlichen Feste.
Von seiner Pracht hing weitgehend die Bedeutung eines Gartens ab. Um es voll genießen zu
können, sollte es von oben betrachtet werden (von erhöhten Rundwegen, der Schlossgalerie).
Das Parterre bestand aus einem inneren Feld von Schmuckbeeten. Sein Zierwert wurde erreicht durch
das fantasievolle Arrangement seiner gepflanzten Formen, farbigen Materialien und seines Rasens. Der
äußere Rahmen bestand aus Blumen und Rasen, in denen evtl. Gehölze und Skulpturen standen.
Man unterschied eine Fülle von Parterremuster:
- nach ihrer Funktion (z.B. parterre d'orangerie),
- nach ihren Hauptelementen (z.B. parterre d'eau, p. flauriste, p. de gazon),
- nach ihrer Gliederung, ihren Ornamenten und ihrer Ausstattung (z.B. parterre en broderie, p. de compartiment, p. de pieces coupees),
- nach ihrer Herkunft (z.B. parterre ? l'Angloise, boulingrain).
Die wichtigsten Formen waren:
- Parterre en broderie:
Es bestand aus Buchsbaumarabesken (ähnlich einer Spitzenstickerei).
Die Felder zwischen den Kleinhecken wurden mit farbigen Kiesen
oder Mineralien bedeckt. Zu seiner Errichtung gab es verschiedene
Musterbücher. Es galt als das schönste.
- Parterre de compartiment:
Es bestand aus zwei symmetrischen, spiegelgleichen Hälften.
Ähnlich dem Parterre en broderie, doch mit einem buntem Blumenrandstreifen.
- Parterre de pi?ces coupées:
Ein Blumenparterre. Die Musterflächen in den Beeten waren
aufgewölbt, breiter und einfacher als die der Broderiearabesken und
mit Blumen bepflanzt.
- Parterre ? l'Angloise:
Durch Gehwege getrennte Rasenflächen.
Aus den Grundmustern entwickelten sich viele lokale Varianten.
- Die Bosketts (Wäldchen) entwickelten sich aus der schattigen Rahmenpflanzung der italienischen
"Giardini secreti". Sie
- bildeten den (Kontrast-) Rahmen zum Parterre,
- verstärkten die Perspektiven des Gartens,
- boten umfangreiche Abwechslungsmöglichkeiten:
Es gab eine Vielzahl von Unterhaltungsangeboten der verschiedensten Art:
Schaukeln, Kugelspiele, Labyrinthe, Wasserkünste u.ä.. Damit wurde es zum
Hauptträger des gesellschaftlichen Lebens außerhalb des Schlosses.
- erlaubten eine (beschränkte) Intimität,
- boten Schatten im Gegensatz zum offenen Parterre.
Anders als das Parterre, dessen Aussehen relativ beständig war, gab es hier ständig Neuerungen.
Seine verschiedenen Arten unterschieden sich nach der Höhe der Bepflanzungen, der Art der Bearbeitung deren Seiten und der Gestaltung ihrer Innenräume.
- Der "grand parc" als Jagdpark entwickelte sich aus dem italienischen "selvatico". Im Barock erfuhr er
seine feste Zuordnung zum Schloss. Seine Alleen und Sichtschneisen hatten die Aufgabe, sich besser
orientieren zu können. Bei den Wegsystemen unterschied man:
- Sterne (étoile): Mehrere Wege führten zu einem runden Platz.
- x-förmige Andreaskreuz (croix de S André),
- Gänsefuss (patte d'oie) : Von einem Punkt führten drei Wege.
- innerhalb der Gesamtanlage von Versailles entstanden auch einige Einzellösungen, die für die europäische Gartenkunst bedeutsam wurden:
- Orangerie:
Sie diente zum Unterstellen der Orangenbäume im Winter. Später durfte sie
in keinem Barockgarten fehlen und wurde dann auch oft als Festsaal genutzt.
- Menagerie (im grand parc):
Sie wurde oft nachgebaut. Im Grundriss entsprach sie einem
Rad. Das Haupttierhaus lag in der Mitte, während die Speicherfelder die
Gehege bildeten.
- Eremitagen:
Ludwig XIV. baute an einem Ende des Querkanals an der Stelle eines früheren Dorfes "Trianon" ein Teehaus "? la chinoise" mit zwei Nebengebäuden
an der Seite. Berichte französischer Missionare hatten zu einer exotischen, an
China orientierten Ausschmückung angeregt. Zunächst als "Trianon de Porcelaine" wurde der Erstbau später durch ein Trianon in Marmor ersetzt.
- Von diesem Trianon ging durch ganz Europa die Chinamode aus.
- Gleichzeitig war es der Beginn des Baus besonderer "Eremitagen", die es
erlaubten, sich vom offiziellen Hofzeremoniell zurückziehen zu können.
- Baulich stammte von hier das oft nachgebaute Motiv, neben einem Hauptgebäude mehrere begleitende Kavaliershäuser zu errichten.
- Der dazu gehörende Garten war, - anders als der Schlossgarten-, voller
farbiger und duftender Blumen.
Später wurde der Ausdruck "Trianon" gleichbedeutend mit einem Sommer-Haus, in das man sich zurückziehen konnte.
- Die Ausschmückung nahm mit einer bewussten Abstufung vom Schloß aus ab:
- Schlossbereich:
Prächtigster Teil der Anlage, Broderien, Wasserspiegel, eine Fülle wertvoller Statuen, Steinvasen und Brunnen.
- mittlerer Gartenbereich:
Gartenelemente mittlerer Pracht, Bosketts mit geschnittenen
Baumreihen und Hecken, geringere Ausstattung mit Statuen.
- Außenbereich:
einfache Gartenelemente, Rasenflächen ("tapis vert"), Kanäle, hohe
Baumbosketts.
Das Grundprogramm des französischen Barockgartens wurde nach einem langen Entwicklungsprozess bereits in Vaux-le-Vicomte festgelegt. Seine historische Bedeutung erlangte es durch Versailles in seiner Stellung als Symbol des französischen Staates. Alles im Umland wurde durch Alleen auf diese Residenz ausgerichtet. Hier erfuhr die Repräsentation des Staates, verkörpert durch den König, ihren Höhepunkt. Den Stellenwert des Gartens kann man vielleicht daran ermessen, dass seine Anlage bereits vor dem Bau des späteren Schlosses angeordnet wurde und dass der König später persönlich einen Führer durch seinen Park herausgegeben hat.
Fast alle Teile des französischen Gartens hat man schon vorher gekannt. Aber erst durch Le N?tre wurden sie nach festen Regeln zu einem grandiosen Gesamtkunstwerk vereinigt. Mit Hilfe seines Gefühls für Proportionen bei großen Dimensionen hat er bereits vorhandene Gestaltungsansätze bis an die Grenzen ihrer Entwicklungsmöglichkeit geführt. Nach ihm wurde der französische Barockgarten für eine ganze europäische Gartenepoche beispielhaft.
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