2. Weshalb Gartenkunst? | ||||
Wie jede andere Kunstdisziplin ist auch die Gartenkunst von den jeweiligen geistigen Strömungen ihrer Zeit abhängig. Dabei gibt es keine andere Kunstdisziplin in der der Mensch so intensiv sein Verhältnis zur Natur und damit zu sich selber thematisiert. Als ein zunächst biologisches Wesen steht er sinnlich in einem unmittelbaren Bezug zu seiner Umwelt, einer Umwelt auf die er in seinen Wahrnehmungen und seinem Stoffwechsel im Rahmen seiner Evolution bezogen wurde. Je weiter er sich nun von seiner ursprünglichen Bezugswelt entfernt, um so mehr treten in ihm archetypische Bedürfnisse auf, und er versucht ihnen kulturell in einem Garten zu begegnen. Damit wird dieser zur Projektionsfläche aller seiner Sehnsüchte, sein zeitabhängiges Abbild seiner Paradiesvorstellungen.
In keinem Bereich unserer Kultur werden die Ideale einer Zeit intensiver umgesetzt als in einem Garten. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb wir bei ihrer Betrachtung oft eine gewisse Distanz haben, die ein vergleichbares Erleben wie in der Musik oder den anderen Künsten nicht aufkommen lässt. Neben unseren fehlenden Grundkenntnissen nimmt auch die nicht oder nur schwer noch nachzuvollziehende Idealität uns die Möglichkeit eines unmittelbaren Zugangs. Wir betrachten auch die historischen Gärten durch die Augen unseres heutigen ästhetischen Empfindens und können dadurch ihnen kaum noch gerecht werden. Die ersten Gärten unserer Kultur waren Wohnstätten der Götter gewesen. Gemäß den menschlichen Grenzen und seinem Gefühl des Bedrohtseins durch die Natur gab er ihnen eine ihm entsprechende Ordnung, eine Ordnung, die nicht die der Natur war. Alle frühen Gärten waren deshalb architektonisch angelegt. In der ganzen Phase bis zur Aufklärung und der nachfolgenden industriellen Revolution gab es nur "geometrische" Gärten. Entsprechend waren auch die Paradiesvorstellungen der Menschen. Danach ändert sich die Einstellung der Menschen gegenüber der Natur. Die Kirchenkriege haben die christlichen Konfessionen so geschwächt, dass pantheistische Vorstellungen in das Denken Einzug halten konnten. Man fühlte sich durch den Stand der Technik nicht mehr durch die Natur bedroht und war bereit sie unmittelbar für sich als Vorbild zu nehmen. Über den Landschaftsgarten setzten sich romantische Naturvorstellungen durch. Heute glaubt der Mensch, die Natur zu kennen. Er nutzt sie einerseits für seine Interessen brutal aus und verklärt sie als Städter andererseits, ohne noch eine tatsächliche Vorstellung von ihr zu besitzen. Weit von ihr abgehoben, sieht er sie, wie er sie sich vorstellt. Die Naturbeherrschung folgt vom Menschen geschaffenen kausalen Naturgesetzen, die auf Grund ihrer perspektivischen Begrenztheit zwangsläufig auf Naturzerstörung ausgerichtet sind. Als Christ machte er sich die Erde untertan und wurde im Zerstören immer besser. Dabei wusste der Mensch durch die Kompliziertheit der Regelkreise gleichzeitig immer weniger, was er eigentlich tat. Gärten waren und sind immer der Ausdruck seines Naturverständnisses gewesen. Für die Gartenkunst der Zukunft bedeutet dies, dass sie unbewusst oder bewusst auf einem solchen basieren muss. Wie immer man zu Hombroich steht, hier ist ein solches erkennbar. Unsere Zivilisation braucht ein neues Naturverständnis, in dem wir uns selber wieder als einen Teil der Natur sehen, d.h. als einen Teil ihres Beziehungssystems. Gärten könnten davon geistige Abstraktionen sein, Träger einer neuen Naturästhetik. Dabei müssen wir von dem Gedanken Abschied nehmen, dass wir die Natur verbessern können. Seine heutige Zivilisation bringt den Menschen aus seinem biologischen Gleichgewicht. Wie empfinden diesen Umstand in der Regel als psychischen Stress. Unsere neuronale Umweltwahrnehmung ist entwicklungsgeschichtlich auf Nahrung, Sicherheit und Fortpflanzung hin angelegt. Die Vermittlung der von uns wahrgenommenen Natur erfolgt über im Laufe der Zeit speziell sich entwickelte Sinne und Instinkte, Wahrnehmungsorgane die einst nicht auf die Welt unserer Zivilisation programmiert wurden. Die psychischen Bedürfnisse, die dadurch entstehen, versuchen wir auf die verschiedensten Weisen zu befriedigen: Reisen, Sport, nervlichen Übersteigerungen, einer ständigen Suche nach neuen Reizen. Unsere zivilisatorische Programmierung auf Leistung versuchen wir auch auf unsere Mangelbereiche zu übertragen und erfahren dadurch eine weitere Zunahme unseres Abstandes von unserer Herkunftswelt. Nur ein Eintauchen in dieselbe ist in der Lage uns wieder in den Rhythmus der Natur zurückzubringen. Die Gartenarbeit bekommt dadurch einen meditativen Charakter und wird zu einem Weg der Selbstfindung jenseits aller esoterischen Hilfsprogramme. Andererseits ist der Mensch ein Kulturwesen. Aus seiner sozialen Bezugsgruppe erhält er die ersten Orientie-rungshilfen um zu überleben.. Innerhalb einer vorzivilisatorischen Herde wäre dies kaum möglich. Normen und Ordnungsvorgaben geben seinen Wahrnehmungen das Orientierungsgerüst, um diese überhaupt im Sinne seiner Überlebensstrategien nutzen zu können. Ob sie dabei einer höher anzusiedelnden Wahrheit entsprechen, ist völlig belanglos, wenn sie nur in einem gewünschten Bereich erfolgreich sind. Geringfügige Nebenwirkungen gleicht die Natur von sich aus aus. Heute sind sie aber oft unvorstellbar groß geworden, so dass die Überlebensfrage des Menschen selber zur Disposition steht. Auf ein geistiges Orientierungskonzept bleibt der Mensch trotzdem angewiesen. Der Garten steht dabei im Schnittpunkt beider Welten. Er ist ein Ausdruck des Natur- und des Kulturverständnisses des Menschen. Keine andere Kunstdisziplin baut so stark auf dieser doppelten Existenz. Aufgrund seiner reduzierten Instinkte (in Relation zu den Tieren) ist die menschliche Orientierung auf Projektionen angewiesen. Eines des wichtigsten Projektionsziele ist dabei das Paradies. Jenseits unserer Erfahrungswelt bündeln sich in ihm alle unsere positiven Sehnsüchte. Auf das Diesseits bezogen, wird es durch den Garten symbolisiert, dem Ort, der einerseits seiner biologischen Herkunft noch nahe steht, der andererseits ihm aber die Geborgenheit seiner Kultur bietet. An keinem anderen Ort kann er sich besser eine Welt nach seinen archetypischen Bedürfnissen schaffen. Wir unterscheiden folgende Gartentypen:
Goethe sagte von sich, dass er die schönsten Stunden seines Lebens in seinem Garten verbracht hätte. Noch im späten Alter begann er seinen Tag mit einem Gang durch seinen Garten. Hier erwarb er sich sein Grundwissen über die Natur. Man bringt seinen Namen immer in Verbindung mit dem Landschaftsgarten, von dem er am Ende seines Lebens wenig hielt, richtiger wäre es, ihn mit dem bürgerlichen Garten (Biedermeiergarten) zusammenzubringen, mit dessen Mischung von Zier- und Nutzgarten. Hier empfing er seine Gäste und besaß sein Sohn einen "Lehrgarten". Erst durch seine Gärten bekommt sein Genie als Dichter und Wissenschaftler menschliche Züge. In seinen literarischen Arbeiten machte er den Garten zum Symbol für seine Epoche. Sein Vorbild waren die reichen Patriziergärten Frankfurts und der seines Großvaters, die er für sich nach Weimar holte. Jeder Mensch besitzt eine tiefen Bezug zur Natur. Seine biologische Natur ist von ihr abhängig. Diesem Bezug ein Gesicht zu geben, das ist die Aufgabe der Gartenkunst. |