24. Deutsche Versuche Versailles zu übertrumpfen | ||||
Nach dem 30jährigen Krieg gab es in Deutschland über hundert Reichsfürsten, deren Länder verarmt und wieder aufgebaut werden mussten. Diese Phase dauerte bis etwa 1680. Danach war man soweit erstarkt, dass die absolutistisch regierenden Fürsten ihre Residenzen prächtig auszustatten versuchten. Sie wurden zu den kulturellen Zentren ihres Landes. Ohne einen Krieg besaßen sie keinen anderen Inhalt für eine Selbstdarstellung. Für sie galt was einst Colbert (1664) Ludwig XIV. gesagt hatte:
"Eure Majestät wissen, dass in Ermangelung glänzender Kriegstaten nichts die Größe und den Geist
eines Fürsten in höherem Maße beweist als die Errichtung von Bauwerken; die ganze Nachwelt misst
die Fürsten am Maßstab der herrlichen Gebäude, die sie während ihres Lebens geschaffen haben."
Entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten versuchten sie die besten Künstler in ihr Land zu holen. Versailles war der große Maßstab, den es nach Möglichkeit zu übertreffen galt, weniger in baulichen Details, sondern allgemein an Pracht und der Demonstration von Macht. Besonders deutlich wurde dies beim ersten Entwurf (um 1690) Fischer von Erlachs für das kaiserliche Lustschloss in Schönbrunn (Wien, nach einer Quelle benannt: Schöner Brunnen). Er wurde bereits im Krönungsjahr Joseph I. von seinem früheren Architekturlehrer angefertigt. Finanzielle Grenzen haben ihn nicht zur Ausführung kommen lassen. Der Plan macht aber auch heute noch die früheren Absichten besonders deutlich. Ein zweites, völlig anderes Beispiel ist vielleicht Sachsen. August d.St. wollte Dresden zu einem großen "Gesamtkunstwerk" werden lassen und zog alle bedeutenden Künstler, die verfügbar waren, an seinen Hof. Der Brand von 1701 hatte ihm den nötigen Platz verschafft. Die ganze Stadt sollte ein einziges prächtiges Architekturensemble aus Festbauten, Plätzen und Gärten werden. Anders als in Schönbrunn, wo man zunächst von einer riesigen Anlage über fünf Terrassen ausging, plante August d.St. seine "Überresidenz" mit Hilfe einer Vielzahl spezialisierter Gebäude und Gärten. Bereits in Frankreich Ludwig XIV. hatte man drei Gebäudegruppen gekannt: Versailles für die höfische Repräsentation, Trianon und Marly als "maison sans géne" für die zwanglose Geselligkeit und Fontainebleau für die Jagdfeste. In Dresden wollte man nun weit darüber hinausgehen. Den baulichen Kern bildeten dabei sechs Anlagen, die jeweils bestimmte Aufgaben übernehmen sollten:
Die kleinen Fürsten nahmen sich die größeren als Vorbild. Dabei wurde die großartige Hofhaltung auf Kosten der einfachen Bevölkerung durchgesetzt. In Preußen verhungerten tausende der Untertanen in der Zeit in der Friedrich I. seine Feste feierte. Erst sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I. hörte mit dessen Prunksucht auf und ist seither als amusisch verschrien. |