Um 1750, höfische Übergangszeit vom Barock zur Klassik. Gleichbedeutend mit dem Stil Louis-quinze (Ludwig XV., 1723-74) in Frankreich, Chippendale in England. Vorstufe: Régence (während der Herrschaft Philipp von Orleans, 1715-1723), abgelöst vom Klassizismus und der Romantik (besonders in den protestantischen Ländern).
Zeit Friedrich d.Gr. und der Maria Theresias. Die französische Vorherrschaft in Europa ging zu Ende. Das Repräsentationsbedürfnis der Fürsten zur Demonstration ihrer persönlichen Macht liess sie weiter Schlösser bauen und eine luxuriöse Hofhaltung führen. Gleichzeitig kündigte sich, - ohne von diesen bemerkt zu werden -, der gesellschaftliche Umbruch an. Das Bürgertum (das sich in seiner Lebensweise im Rahmen seiner Möglichkeiten am Adel orientiert) gewann von den Handelszentren her zunehmend an Einfluss und forderte für seine Entwicklung Freiheitsrechte.
Das Rokoko war eine Reaktion auf den starren Repräsentationsstil Ludwig XIV. Man sehnte sich nach mehr Privatem, Bequemen und weniger Etikettebestimmten. Es folgte ein radikales Umdenken. Statt Pomp war Komfort gefragt, statt steifer Repräsentation Leichtigkeit. Damit die Gebäude bequem wurden, veränderte man deren Grundrisse und legte besonderen Wert auf die Inneneinrichtungen. Alle Details vereinigte man zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk.
Im engeren Sinne war das Rokoko ein Dekorationsstil, der besonders für das Kunstgewerbe bedeutsam wurde.
Sein Hauptdekorationsmotiv war das "Rocaille" (franz. "Grotten- und Muschelwerk"), das besonders in Deutschland vom ränderüberwindenden, verbindenden Motiv zum ausdrucksstarken Darstellungsgegenstand selber wurde. Mit seiner Hilfe verloren die Barockbauten ihre repräsentative Schwere und erreichten ihre beschwingte Heiterkeit.
Die gesamte Entwicklung tendierte zum Kleinräumigen, Intimen. Wichtig wurden Gebäude und Räume, die möglichst wenig von der Hofetikette bestimmt waren: Jagdschlösser, Eremitagen und Gartenpavillons (Amalienburg, Sanssouci). Mit Hilfe des Stucks (Mischung aus Gips, Kalk und Sand) wurden die Innenräume durch das Rocaille zu beschwingten Raumeinheiten. Von seinen Ursprüngen her kam dieses ursprünglich aus dem Grottenbau des 17. Jhs. und assoziierte bewegtes Wasser, Wellenkämme und Gischt. Der weiße Malgrund der Wände (Vorbote des Klassizismus), die zarten Pastellfarben und der Einsatz von Spiegeln halfen zusätzlich bei der Auflösung der Wände.
In Süddeutschland erreichte das Rokoko durch seine Verbindung mit der dortigen Volkskunst seinen Höhepunkt (besonders im Kirchenbau). Seine eigentlichen Leistungen lagen im Dekorativen, der Kleinkunst und im Kunstgewerbe, besonders im Umgang mit dem neuen Werkstoff Porzellan und im Umgang mit Pastellkreiden.
Seine stilistische Einheit erhielt er durch:
- seine sinnliche Eleganz und Leichtigkeit,
- seine spielerische Beschwingtheit,
- die Auflösung bisher fester Formen,
- seine Liebe des Exotischen und Fantastischen,
- seine Freude am Ornament,
- seine helle Farbigkeit,
- seine handwerkliche Detailbeherrschung.
Vergleich der Stilelemente im Barock und im Rokoko:
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Kunstdisziplin
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Barock
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Rokoko
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Architektur
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- Das Schloss ist Ausdruck der absoluten Macht.
- Die Bauwerke zielen durch Größe und Übersteigerung (Heroismus und Pathos) auf eine repräsentative Außenwirkung.
- schwere Säulen und Pilaster (in die Wand eingebundene Säulen).
- wuchtige Giebel und Kuppeln.
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Skulptur
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- monumentale, "ernsthafte" Skulpturen. Sie sollen beeindrucken. Häufig antike Götter oder Helden: Jupiter, Juno, Apoll, Herkules u.a.
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- Die Skulpturen dienen nur noch der dekorativen Bereicherung. Ihre Hauptfunktion finden sie als Gartenschmuck.
- Beliebt sind Lebensfreude ausstrahlende Darstellungen:
+ der weiblichen Schönheit,
+ der Erotik,
+ des Komödiantischen,
+ der Komik,
+ der Exotik,
+ Jagdtiere.
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Bedeutsam für die Gartengestaltung wurde die Schrift des englischen Malers William Hogarth "Analysis of Beauty", in der er die S-förmig geschwungene Wellenlinie zur "Linie der Schönheit" erhob. Sie wurde zu einem wesentlichen Stilmittel des Landschaftsgartens. Der wichtigste Gartenkünstler dieser Zeit in Deutschland war Johann Prokop Mayer (Residenz Würzburg, evtl. Ostdreieck in Veitshöchheim). Obwohl er die neuen Gärten "im Geschmack der Natur" von seinem langen Englandaufenthalt her kannte, lehnte er diesen Stil für die Würzburger Gärten ab. Als Begründung schrieb er:
"Es soll hier keine einfache Schäferin, die ihren Schmuck in den Wiesen pflückt, sondern eine stolze
Schönheit des Hofes mit aller Schminke und allem Putz vorgestellt werden, welcher weder durch
ihren Stand noch durch eine Kleiderordnung der Gebrauch des Schmuckes und des Goldes untersagt
ist, sondern die in einem dem Palast würdigern Aufzug erscheinen soll, und welchem Palaste, einem
der schönsten Europas".
Wenn man heute in Würzburg ist, kann man nur über die Stilbrüche (Rosenbeete) im Parterrebereich staunen.
Am Schloss hätte man sie nicht gewagt.
Bedeutende Rokokogärten in Deutschland sind:
- Rheinsberg,
- Weikersheim,
- Sanssouci (Potsdam),
- Residenz Würzburg,
- Eremitage (Bayreuth),
- Veitshöchheim,
- Sanspareil (Bayreuth),
- Schwetzingen,
- Schloss Seehof (bei Bamberg),
- Benrath (Übergang zum Klassizismus).
Stilmerkmale in der Gartenkunst:
Alte Barockformen wurden nur verändert. Statt einer Orientierung nach außen, richtete man sich
jetzt nach innen.
- Das Schloss stand oft nur noch räumlich an einer zentralen Stelle, geistig hatte es seine
bisherige Bedeutung verloren. Die noch neben einer Achse liegenden Gartenteile führten ein Eigenleben. Gelegentlich stand sogar das Schloss selbst in einer Randposition (Sanssouci, Veitshöchheim).
- Man konnte den Garten von einem Standort nicht mehr vollständig erfassen (oft auch nicht von
mehreren.
- Das herausragende Merkmal war seine Intimität, seine Kleinräumigkeit. Alle Gartenteile hatten
sich nicht mehr einem (absolutistischen) Grundgedanken zu unterwerfen, durch den der Barockgarten seine klassische Klarheit erhielt, sondern verloren sich in viele Einzelthemen.
- Die verschiedenen heckenumgebenen, intimen Einzelräume (Bosketts) lagen additiv neben
einander.
- Vorliebe für das Unvorhersehbare, Labyrinthische (oft Irrgärten). Die Gesamtanlage erschien oft (gewollt) unübersichtlich. Eine zielgerichtete Bewegung wurde nicht angestrebt. Man schien
sich in einem Kreise zu drehen, in seinen Bewegungen an einem Ort zu verbleiben.
Der innere räumliche Zusammenhang sollte unüberschaubar sein. Man erreichte dies durch
- eine allseitige Umschließung der einzelnen Gartenräume,
- die Andeutung der Ausgänge aus den Gartenräumen,
- die zusätzliche Überdachung vieler Wege und Plätze durch Baumkronen, Gitterwerk
und Dächer.
- Die starren Formen des Barocks begannen sich aufzulösen. Die Linienführungen sollten
bewegt und graziös sein. Dies galt auch für die einzelnen Details (Skulpturen, Wasserspiele,
dem Spiel von Licht und Schatten, den Farben) und für die Bewegungen im Raum. Sie sollten
"mäandrisch", unregelmäßig sein, d.h. eine ziellose Willkürlichkeit besitzen (am Anfang als
regelmäßige Wellenlinie).
- Die Wege erzwangen oft eine nicht vorhersehbare Änderung der Laufrichtung (besonders in
kleineren Gartenteilen).
- Verstärktes Herausstellen einiger älterer Motive, besonders von Eremitagen, Chinoiserien und
Orangerien. Starke Zunahme von Staffagen. Die Bauten strahlten eine gewisse Leichtigkeit,
Sentimentalität (Ruinen) oder Exotik ("chinesische" Bauten) aus.
Kaum ein Garten dieser Zeit, der nicht ein "China"-Gebäude besaß. Ursprünglich dienten diese Pavillons hauptsächlich als Lusthäuser, in denen man sich dem starren Reglement der spanisch-französischen Hofordnung entziehen konnte. Sie erlaubten Intimität und Freiheit entsprechend der Fantasie der jeweiligen Herrscher.
- Die seltenen Öffnungen in die Landschaft dienten weniger einer Öffnung in die Ferne (wie im
Barock), sondern als ein Heranholen eines Landschaftsbildes.
- Ablösung der bisherigen würdevollen Götterdarstellungen. Die Skulpturen drückten jetzt
bevorzugt aus:
- Lebensfreude (Liebesgötter, Komödianten, Tänzer, Putten),
- Komik (verzerrte Darstellung von Personen der Hofgesellschaft),
- Exotik,
- Jagdmotive.
- Oft waren Obstanlagen in die Gärten einbezogen (Herrenhausen, Sanssouci, Weikersheim).
- Beliebte Gartenelemente waren: Laubengänge, Heckenquartiere, Pavillons, reicher Skulpturenschmuck, intime Wasseranlagen und Kübelpflanzen.
Das Verständnis für das Rokoko setzt eine innere Ansprechbarkeit voraus, ein gewisses "naives", unbekümmertes Mitgehen. Personen, denen es als zu "leicht" erscheint, lehnen es oft ab. Während des Klassizismus war dies oft der Fall. Als der Ausdruck "Rokoko" um 1836 aufkam, hatte er zunächst eine negative Bedeutung und bezog sich hauptsächlich auf das Übertreibende und Frivole in diesem manieristischen Spätstil nach dem Barock.