Der Wandel vom architektonischen Garten zum Landschaftsgarten erfolgte in England. Die geometrische Gartenkunst hatte in Versailles ihren glanzvollen Höhepunkt und gestalterisch auch ihre Grenzen erreicht. Danach erfolgten nur noch mehr oder weniger gelungene Nachahmungen mit dem Ziel, diese Anlagen auf irgend eine Weise noch zu übertreffen.
Die Voraussetzungen für den Wandel waren in England aus mehreren Gründen besonders günstig:
- Nationale Haltungen hatten gegenüber der französischen und holländischen Gartenkunst immer
eine gewisse Distanz bestehen lassen.
- Die Gegenreformation hat hier nie Fuß fassen können (und damit weitgehend auch das Barock) .
Die Gotik hatte man nie ganz vergessen.
- Die klimatischen Verhältnisse erlaubten nur begrenzt ein Hofleben außerhalb der Gebäude. Der
Garten konnte hier keine Bühne für zeremonielle Zurschaustellungen wie in Süd-, West- oder
Mitteleuropa werden.
- Wetterbedingt waren die Menschen mehr auf körperliche Betätigungen eingestellt (z.B. auf
Spaziergänge und Spiele).
- Der Zwang des Hofes zur Sparsamkeit (mit weniger Geld mußten unter der Königin Anna
größere Gartenflächen betreut werden).Auf die Teppichbeete wurde als erstes verzichtet.
Schon seit Mitte des 17. Jahrhunderts lehnten die Puritaner (sittenstrenge englische Protestanten) die geschnittenen Gärten ab. Besonders Philosophen und Dichter brachten den Absolutismus mit dem geometrischen Garten als dessen Symbol in Verbindung:
- 1624 lehnte Francis Bacon in einem Gartenessay dessen geschnittene Hecken und Figuren ab.
- 1664 beklagte John Milton den Verlust der natürlichen Ideallandschaften.
- 1665 schrieb John Rea, dass "eine ausgewählte Sammlung lebender Schönheit, seltenen Pflanzen, Blumen und Früchten tatsächlich den Reichtum, den Glanz und die Freude eines Gartens darstellen".
Die im 17. Jahrhundert in England erkämpften allgemeinen Freiheitsrechte ließen die dortige Gesellschaft auf herrschaftliche Ausdrucksformen besonders empfindlich reagieren. Die freie Natur wurde als ein Ausdruck des Göttlichen, jeder menschliche Eingriff darin als Störung empfunden. Daraus folgerte moralisch, dass man sich für sie einsetzen musste. Die unterdrückte Natur galt als "wahr" und damit auch als "schön". Als "Naturschönheit" wurde sie zur "Kunstschönheit" und damit zur höchsten Orientierungsinstanz.
Die Distanz zwischen Landschaft und Garten wurde aufgehoben. Die Natur vermochte nun die Gefühle der Menschen zu bewegen, bzw. der Mensch sie im Sinne dieser seiner Gefühle zu gestalten. Als erste leiteten vier Männer den Umbruch zum Landschaftsgarten ein:
- Earl of Shaftesbury (1671- 1713, Philosoph, großer Einfluß auf die deutsche Aufklärung und den
"Sturm und Drang):
Er pries die natürliche Wildnis ohne menschliche Eingriffe. Nach einer
Italienreise begann er über die Bilder von Lorrain und Poussin die Landschaf
in ihrem Eigenwert neu zu sehen.
- Joseph Addison (1672-1719, Schriftsteller):
Er griff 1712 in seiner Zeitschrift "Spectator" als
erster den französischen Architekturgarten direkt an und verlangte,
Naturvorbildern zu folgen. Die Aufgabe eines Gartens sei es, durch die
Auswahl bestimmter Naturszenen Stimmungsbilder zu schaffen. "Ich weiß
nicht, ob ich mit meiner Ansicht alleine stehe, doch für meinen Teil würde ich
viel lieber einen Baum in all seiner Pracht und Ausdehnung von Ästen und
Zweigen betrachten als in einem in geometrischen Figuren geschnittenen und
getrimmten Zustand".
- Alexander Pope (1688-1744, Hauptvertreter der klassischen, englischen Literatur):
Er besaß einen
pantheistischen Naturbezug und setzte die Angriffe fort. Wahrscheinlich
versuchte er als erster in seinem Besitz in Twickenham (an der Themse) ganz
auf geometrische Gartenformen und Gehölzverschnitt zu verzichten. Er
verlangte bereits von einem Garten:
- Kontraste (u.a. von Licht und Schatten),
- Überraschungen,
- Verbergen seiner Grenzen.
- William Shenstone (1714-1763,Dichter):
Mit "Leasowes" schuf er den berühmtesten Garten seiner
Zeit. 1743 begann er mit der Instandsetzung seines Besitzes. Er versuchte sein
Anwesen in ein dreidimensionales Gemälde zu verwandeln. Es bestand aus
einer Abfolge von Szenen, die man von einem Rundweg ("belt-walk") aus
betrachten konnte. "Er begann damit, die Ausblicke herauszuheben, die Oberfläche abwechslungsreich zu gestalten, seine Spazierwege verschlungen zu
ziehen und die Wasserläufe zu schlängeln" (Johnson). Von Shenstone stammt
Ausdruck "Landschaftsgärtnerei" (als Gegensatz zur "Landschaftsmalerei").
Die Schriftsteller und Philosophen weckten das Naturgefühl weiterer Personen, die ihnen zu folgen versuchten. Sie werden allgemein als "Dilletanten" bezeichnet, engagierte Laien mit einem hohen Bildungsniveau. Man berief sich auf die Schönheit der Welt vor dem Sündenfall, d.h. dem Primat der Natur vor der Kultur. Damit wurde das bis dahin traditionelle Bild vom Umgang mit der Natur infrage gestellt. Von ihren Gärten ist heute nur noch "Stourhead" weitgehend erhalten.
Am Anfanf der Entwicklung stehen noch verschiedene Mischformen von architektonischen und landschaftlichen Gärten. In dieser Übergangszeit schälten sich in England vier "natürliche" Gartentypen heraus (dabei galt für alle zunächst das "malerische" Prinzip):
- der "malerische" Garten:
Er versucht mit den Regeln der Landschaftsmalerei dreidimensionale
Gemälde zu schaffen. (z.B. um 1750 Leasowes und Stourhead. In Stourhead
versuchte man z.B. Gemälde von Lorrain direkt umzusetzen).
- der "poetische" Garten:
Er ergänzte den malerischen Gedanken um literarische Bezüge und zielte
auf das Wecken von Gefühlen. Zu seinem Typ gehörten alle erste Landschaftsgärten.
Die Gestaltungsprinzipien waren:
- Das wichtigste Kriterium war die Wiedergabe von Gefühlen.
- Der Versuch, Gefühle zu wecken, erfolgte über Assoziationen
(Gedankenverbindungen; mit Hilfe von Naturkulissen, Mahnmalen, Schrifttafeln, Tempeln u.ä.).
- Seine dekorativen Elemente verwiesen auf literarische Inhalte
(Verbindungen zu gefühlsgerichteten und geistigen Bezügen).
- Um (modische) Abwechslungen in ihn hineinzubringen, nutzte
zunehmend exotische und groteske Motive (und belastete damit
seine künstlerische Einheit).
- Im Laufe der Zeit verdrängte das Herausstellen von Raritäten
inhaltlich die Darstellung von Gefühlen.
- Die Vielzahl der dekorativen Tricks (z.B. für das Verstecken von
Funktionen in einer Eremitenhütte) ließ ihn sehr künstlich werden (entgegen seinem Selbstverständnis).
- der "geläuterte" Garten:
Durch die Verwendung einer "Linienformel" ("undulierten Schönheits-Linie") sollte er einen besonders harmonischen Eindruck erhalten
("Undulierte Schönheitslinie": Durch die Ablehnung der "Geraden" in der Natur, suchte man nach einer ihr gemässen Linienführung. 1745 propagierte Hogarth seine "undulierende (wellenförmige) Linienführung. Durch ihre abwechselnden Windungen
sollte sie vom Menschen als angenehm empfunden werden. Zu
ihren wichtigsten Forderungen gehörten "Weichheit, Mannigfaltigkeit und Spannung").
- der "ferme ornée":
Dieser Gartentyp kam zunächst aus Frankreich. Hinter ihm verbarg sich der
romantische Gedanke, einen ganzen Gutsbesitz gartenkünstlerisch zu gestalten. In England scheiterten alle entsprechenden
Versuche, da die wirtschaftlichen Erfordernisse sich nicht dekorativ überlagern ließen. Leasowes war der berühmteste dieser
Versuche.
(In Deutschland dagegen wurde dieser Gartentyp später besonders erfolgreich: z.B. im
- Dessauer Gartenreich (Wörlitz),
- Reichenbach (Lenné),
- Muskau (Pückler).
Innerhalb dieser vier verschiedenen Gartentypen gab es von Anfang an zwei Strömungen bei der Gestaltung eines Landschaftsgartens (die zunächst parallel nebeneinander bestanden, vergleichbar der Betonung von Linie oder Farbe in der Malerei):
- das Ausgehen vom "Genius eines Ortes" (dem "Geist eines Ortes", dem "Genius Loci"),
- dem Betonen der Linienführung (z.B. der undulierenden Schönheitslinie).