3. Der Garten als Kunstwerk | ||||
Dieses Buch will die Gartenkunst als eine der bedeutendsten Künste vorstellen. Dabei wissen auch viele Gärtner nicht, dass sie überhaupt dazu zählt, gezählt hat oder gar, dass man in ihr einst sogar die bedeutendste aller Künste sah.
Ein Problem bei unseren Überlegungen ist, dass der Kunstbegriff inhaltlich oft nicht eindeutig ist. Im Altertum zählte man zu den Künsten die Fertigkeiten eines freien Mannes (im Gegensatz zur körperlichen Arbeit der Sklaven). Dazu gehörten u.a. Formen der Mathematik, der Redekunst und die Musik. Diese Einteilung galt bis zum späten Mittelalter. Das Errichten von Gebäuden, Malen von Bildern, bzw. Schaffen von Skulpturen galt als Handwerk. Dies änderte sich erst mit der Renaissance, als schöpferische Ausnahmemenschen eine gesellschaftliche Sonderstellung erlangten. Jetzt sah man in ihnen nicht mehr den Handwerker, sondern den Künstler. Sie schufen gewaltige Bauwerke, Bilder, Skulpturen und auch Gärten. Zu ihnen gehörten u.a. Michelangelo, Raffael und Leonardo. Gärten schufen:
Es war damals üblich, dass zur Arbeit der Architekten auch die Planung des Gartens gehörte. Dabei dürfte Vignola der erste unter ihnen gewesen sein, der zeitweise nur Gärten entwarf und sich vom Wohnhaus emanzipierte. Für die gro0en italienischen Architekten der ersten Hälfte des 17. Jh. galt die Gartenkunst neben dem Kirchenbau als die führende Kunst (Gothein I/328). Erst in ihr entwickelte sich die Skulptur des Barocks. In Frankreich sah der Jesuit René Rapin die Gartenkunst als die edelste Kunst an. Der Dichter Lafontaine sprach ihr den ersten Rang unter den Künsten zu. Ihren sozialen Stellenwert kann man ermessen, wenn man sich ins Bewusstsein ruft, dass in Versailles der Garten vor dem Schloss fertiggestellt wurde. Allgemein war sie als ein selbständiges Fach innerhalb der Künste zwar anerkannt, aber ihre Zulassung zur Akademie lehnte man noch ab. Le Nôtre besaß neben einer gärtnerischen Ausbildung noch eine sechsjährige als Maler im Louvre. Zu seiner Zeit, dem Barock, arbeiteten alle beteiligten Künstler gemeinsam an einem Gesamtkunstwerk, so z.B. in Versailles: Le Vau (später Harduin-Mansart) als Archtekt, Le Brun als Maler und Le Nôtre als Gartenkünstler. Das Gesamtensemble muss als eine Einheit gesehen werden. Ein Barockschloss ohne seinen Garten ist ein amputierter Invalide. Weder sein zeitgeschichtliches noch sein künstlerisches Verständnis ist ohne ihn genau genommen möglich. Erst mit der Individualisierung der Künste im Spätbarock erlangten sie eine Eigenbedeutung. Mit dieser Entwicklung begann bei der Individualisierung des Menschen parallel eine Neuorientierung, eine idealisierte Natur wurde als Schöpfung Gottes zum höchsten Maßstab sittlicher und ästhetischer Orientierung. In dieser Situation wurde die Gartenkunst zur bedeutendsten Kunstgattung. Diese Bewertung stützte sich auf vier Argumente:
Für Goethe drückt sich das Wesen eines Menschen am reinsten in einem Garten aus. Der Park an der Ilm (Weimar) geht auf seine Initiative zurück. Zeitweise hatte er daran sogar eigenhändig gearbeitet. Noch 1797 schuf er darin für seinen Fürsten das "Römische Haus". Nach seiner "Werther"-Stimmung zog er sich zwar von den Arbeiten zunehmend zurück, schuf aber in seinen "Wahlverwandtschaften" (1809) noch ein hohes Lied auf den Garten. Der Weimarer Park gilt allgemein als der "reinste Ausdruck des Gartengedankens jener Zeit" (Gothein). Später hat sich Goethe verstärkt naturwissenschaftlichen Fragen zugewandt und auch über die Auswüchse in der Gartenkunst gespottet. In seinem Kapitel über die Einteilung der Schönen Künste stellt Kant (Kritik der Urteilskraft, §51/45) sie als eine besondere Form der Malerei dar: "Die Malerkunst, als die zweite Art der bildenden Künste, welche den Sinnenschein künstlich mit Ideen verbunden darstellt, würde ich in die der schönen Schilderung der Natur, und in die der schönen Zusammenstellung ihrer Produkte einteilen. Die erste wäre die eigentliche Malerei, die zweite die Lustgärtnerei". Herder (in "Kalligone", II/24): "Das Schöne der Natur allenthalben zu erhöhen, zu versammeln, wäre dies keine schöne Kunst, so gäbe es keine". Johann Georg Sulzer (Philosophieprofessor aus Leipzig, in seinem Buch "Allgemeine Theorie der Schönen Künste", 1771-74): "Diese Kunst hat eben so viel Recht als die Baukunst, ihren Rang unter den schönen Künsten zu nehmen. Sie stammt unmittelbar von der Natur ab, die selbst die vollkommenste Gärtnerin ist. So wie .... die zeichnenden Künste die von der Natur gebildeten schönen Formen zum Behuf (Zweck) der Kunst nachahmen, so macht es auch die Gartenkunst, die mit Geschmack und Überlegung jede Schönheit der leblosen Natur nachahmet, und das, was sie einzeln findet, mit Geschmack in einem Lustgarten vereinigt. .... Man studieret diese Kunst blos in der Natur selbst, ... Da trifft man die Schönheiten einzeln an, die man in dem Lustgarten durch eine gute Anordnung vereiniget...." Für C.C.L. Hirschfeld (Philosophieprofessor aus Kiel, in seinen fünf Büchern "Theorie der Gartenkunst", 1779, stellt er den geistigen Gehalt eines Gartens als dessen eigentliches künstlerisches Kriterium heraus; vielleicht der einflussreichste deutsche Gartenschriftsteller): "Diese höhere Bestimmung der Gärten erweitert und veredelt den Gesichtspunkt, aus welchem sie betrachtet werden können, erhebt sie in die Klasse würdiger Kunstwerke". Ein Garten "soll die Lieblingsszene der Betrachtung der Natur sein, der Zufluchtsort der Philosophie, der Tempel der Anbetung der höchsten Weisheit". Erst über die Gartenkunst konnten die Naturbilder und Themen der damaligen Literatur Wirklichkeit werden. 1956 stellte Hans Sedlmayr den Stellenwert der Gartenkunst für die Zeit der Klassik (um 1800) folgendermassen heraus: "Seit der Zeit der Renaissance war der Wettstreit der Künste um den Vorrang ein ständiges Thema der Kunsttheorie. Jetzt zum ersten Male beansprucht die Gartenkunst das Primat. Die Kunsttheorie der Zeit motiviert diesen Anspruch mit verschiedenen Gründen. Zunächst ist die Gartenkunst die umfassendste von allen; denn sie schließt Architektur und Skulptur räumlich in sich wie die Architektur ihrerseits Skulptur, Ornament und Malerei. Sie schafft also die umfassendste Form des Gesamtkunstwerks, die man sich überhaupt vorstellen kann: ein Übergesamtkunstwerk. Aber auch in einem tieferen Sinn ist sie umfassend: Sie schafft als Rivalin der Architektur und diese an Weiträumigkeit überbietend großartigste freie Raumgestaltungen, sie komponiert mit den organischen Massen der Baum- und Buschgruppen, der Hügel und Rasenflächen, der Bäche und Teiche, sie schlingt in diese freie Massen das Ornament blühender Gewächse. Sie baut aus Naturbestandteilen Bilder der Natur, die der Maler nur auf die Fläche bannen kann, und zwar - darin der Musik vergleichbar - ganze Folgen solcher Bilder, ein Vorzug, der von anderen Künsten außer der Musik nicht erreicht werden kann; in verschiedenen Szenen kann sie die Abfolge der verschiedensten Empfindungen, der Größe, des Lieblichen, Heiteren, Melancholischen oder Wilden hervorrufen. Sie steht endlich - und das ist der wichtigste Grund - in der innigsten Verbindung mit der Natur, unfassbar und immer sich wandelnd wie diese. "Keine der nachahmenden Künste ist mit der Natur mehr verwebt, oder gleichsam mehr Natur, als die Kunst der Gärten". Diese theoretische Motivierung des Vorranges würde nur wenig besagen, wenn nicht die Praxis überall bewiese, dass die Begeisterung der Zeit wie keiner anderen Kunst dem Landschaftsgarten gehört. Überall äußert sich eine wahre Leidenschaft für diese neuartige Kunstwerke, die sich nur mit der Bauleidenschaft des Barocks vergleichen lässt" Ihre Nähe zur Musik hatte schon Pückler betont, wenn er sagte: "Sie (die Gartenkunst) hat auch ihre Symphonien, Adagios und Allegros, die das Gemüt durch unbestimmte und doch gewaltige Gefühle gleich tief ergreifen". Kritisch gegen die Stellung der Gartenkunst als Kunstdisziplin wurden angeführt:
Das Künstlerische im Landschaftsgarten ergab sich (nach Hallbaum)
Der Abstieg der Gartenkunst begann, als neue gesellschaftliche Bedürfnisse mit Hilfe schöner Landschaftsbilder nicht mehr befriedigt werden konnten. Der Landschaftsgarten war siebzig Jahre lang der Ausdruck einer positiven Beziehung zwischen Mensch und Natur gewesen. Als diese positive Beziehung zu Ende ging (durch die Industrialisierung) und er damit seine geistigen Grundlagen verloren hatte, erstarrte sein Formenkanon zu einer inhaltsleeren Schablone. Dekorative Elemente gewannen zunehmend an Bedeutung. Seine beiden unmittelbaren Lösungsversuche scheiterten:
Eine Antwort auf die Erstarrung der Künste in 19. Jahrhundert waren an dessen Ende die Reformbewegungen. Zunächst ihrem Wesen nach rückwärtsgerichtet:
Berühmt ist Leberecht Migges damaliger Ausspruch, die Gartenkunst sei keine Kunst. So apodiktisch formuliert, gibt es vergleichbare Aussagen bei vielen Künstlern dieser Zeit bezogen auf ihre jeweilige Disziplin (z.B. von Mondrian über die Malerei). Sozial engagiert, wie Migge war, ist diese Aussage nur als eine Form der Ablehnung der bisherigen Grünanlagen, der "Sonntagsgärten" zu verstehen. Unter dem Eindruck der Not nach dem ersten Weltkrieg versuchte er dieser mit Gartenprogrammen zu begegnen und deren schlichte Schönheit zu betonen.
Besonderen Einfluß nach dem Krieg erlangten u.a. (nach Gröning u. Wolschke-Bulmahn):
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