Die gleichen geistigen Strömungen, die in der Literatur des 18. Jh. die Entwicklung von Sturm und Drang zur Klassik und Romantik bestimmten, führten in den bildenden Künsten auch zum Siegeszug der Gartenkunst. Sie wurde für viele zur bedeutendsten unter den Künsten.
Am Anfang dieser Entwicklung standen
- Einflüsse aus England,
- religiös orientierte Dichtungen, die die Großartigkeit Gottes Natur priesen und auf deren Schönheiten verwiesen. Erst sie schufen das notwendige Naturgefühl. Man begann für die Natur zu schwärmen und bald ihre Inhalte selber zu gestalten. Bilder von Watteau oder Boucher zeigten sie als idyllische Landschaft, ein von Schäferinnen bevölkertes Arkadien. Diese Entwicklung wurde noch verstärkt durch
- die Ideen Rousseaus,
- die Wiederentdeckung der Antike durch Winkelmann,
- Wünsche nach einer Lockerung der strengen Hofetikette. (Sie hatten bereits mit der Trianon-Mode in Versailles eingesetzt).
In dieser Situation kam es zu den verschiedensten Versuchen, die neuen Gedanken aufzugreifen. Neben dem architektonisch orientierten Rokokogarten entstanden auch naturnahe Anlagen, in denen die ideale Natur aber noch nicht der eigentliche geistige Gestaltungshintergrund war, sondern der höfische Zeitvertreib. Man benutzte sie als Hintergrund für seine Schäferspiele oder intime Rückzugsbereiche, für die in der damaligen Mode besonders bestimmte Staffagen sehr beliebt waren (z.B. Chinoiserien und Eremitagen).
Der Garten blieb noch die architektonische Fortsetzung des Hauses. Die Natur wurde nur verstärkt in ihn hereingelassen, sei es durch
- die Belassung des natürlichen Gehölzwuchses hinter den geschnittenen Hecken,
- die Anpassung des Gartens an das Gelände (z.B. Bau von Böschungen anstelle von Terrassen),
- gelegentliche Wellenlinien in der Wegführung (damit Abweichen von der strengen Symmetrie),
- stärkere Berücksichtigung von Ausblicken in die Landschaft (z.B. durch Belvedere-Bauten),
- die Angliederung "englischer Stücke" an einen architektonischen Garten (oft als Einsiedelei, verbunden mit der restlichen Anlage durch einen gewundenen Weg).
Im Gegensatz zu Frankreich entstanden in Deutschland viele Sonderformen. Für ein halbes Jahrhundert bestand eine enge Beziehung zwischen der Literatur und der Gartenkunst. Weil man sich nicht so schnell von den alten Traditionen lösen konnte, standen am Anfang der neuen Entwicklung oft noch Mischformen von architektonischen und landschaftlichen Gärten. Zum Beispiel:
- durch die Öffnung zur Landschaft:
- Favorite (bei Mainz, 1792 völlig zerstört):
Ab 1700 angelegt, die bedeutendste
Gartenschöpfung der Schönborns mit großem Einfluß auf andere
Gartenanlagen. Über einer unteren Längsachse bauten sich drei Quergärten auf. Das Hauptmotiv wurde zwar von Marly übernommen, hier
aber völlig umgedeutet. Die Teilgärten gewannen bereits eine gewisse Selbständigkeit und deuten auf das Auflösen der "großen Form des Barocks" hin.
Aus seiner strengen Einheit deutet sich das lockere Nebeneinander des
Rokokos an. Mit seiner Öffnung zur Landschaft, ihre gestalterische Einbeziehung deutet sich bereits die neue Entwicklung zu einem neuen Naturverständnis an.
- Sanssouci (Potsdam):
In der Gesamtkonzeption kann man die Entwicklung seit der
Favorita erkennen: die Aufreihung der Gebäude, das Nebeneinander der
Gärten, ihrer Öffnung zur Landschaft und der Längsachse am Fuße des
Hügelzuges.
- gelegentliche Wellenlinien in der Wegeführung:
- Sanssouci:
Die äußeren Parallelwege durch den Rehgarten wurden um 1772 im Sinne
der "Schönheitslinien" angelegt.
- Rheinsberg (nördlich Berlin):
Zunächst von Friedrich d.Gr. 1736 angefangen und nach
1744 von seinem Bruder Heinrich fortgesetzt. Der hintere Teil ist zunehmend landschaftlich gestaltet. In einer Pyramide nahe dem Orangenparterre
wurde Prinz Heinrich begraben.
- für den höfischen Zeitvertreib:
- "Eremitage" in Bayreuth:
In einem Waldteil befanden sich mehrere Eremitagen. Die
Markgräfin Wilhelmine (Schwester Friedrich d.Gr.) schrieb darüber: "Jeder
Weg im Walde führt zu einer Einsiedelei oder zu etwas Neuem (einer
variété). Ein jeder von uns hat seine eigene Einsiedelei, und sie ist immer
von der anderen verschieden. Die meinige hat die Aussicht auf die
Trümmer eines Tempels, der nach dem Muster derer, die uns von dem
alten Rom übrig geblieben, gebaut ist. Ich habe sie den Musen geweiht, man
findet die Portraits aller berühmten Gelehrten des Jahrhunderts darin".
In der gesamten Anlage vermischten sich architektonische Teile ("Orangerie", orientiert am Grand Trianon) und tastende Versuche auf etwas
Neues hin.
- wegen des Wunsches nach ländlicher Erholung:
- Werneck (oberhalb von Würzburg):
Der Garten des Sommerschlosses des Fürstbischofs Friedrich Karl von Schönborn wurde noch von einem architektonischem Wegesystem beherrscht. In der Mitte befand sich aber eine große Wiese und zwischen dieser
und den angrenzenden Baumreihen waren große Getreidefelder. Schloß und Garten wurden
von Balthasar Neumann 1733 entworfen. Die Anlage weist bereits auf den sich abzeichnenden Wandel im Naturverständnis ab. (Heute Krankenhaus, zugänglich, landschaftlich
umgebaut).
- Angliederung "englischer Stücke" an einen architektonischen Garten:
- Rheinsberg,
- Schwetzingen (einer der schönsten historischen Gärten in Deutschland):
Erste von Sckell gestaltete
Anlage, in der sich sehr gut seine drei Entwicklungsphasen beobachten lassen:
- Im nördlichen Arboretum noch Zeugnisse der Unsicherheit. Parallel zu den Kanälen
verliefen an beiden Seiten die Wege in Wellenlinien. Sie bildeten die Leitlinien für die
Gehölzpflanzungen.
- In der Partie hinter dem türkischen Garten gab es noch die doppelten, von Gehölzen begleiteten
Umgangswege. Eine eingefasste Wiese betonte aber bereits verstärkt die Breite. (Sie wurde später
zu einem See umgebaut).
- Im letzten Gartenteil (Nordende des Kanals) dann der großzügige Umgang mit den Gestaltungsmitteln, die Beschränkung auf natürliche Gartenelemente.
- den Einbau eines literarischen Programms in eine Naturkulisse:
- "Sanspareil" (bei Bayreuth):
Bereits 1745-46 erbaut. Der wichtigste Teil der Anlage wird von einer natürlichen Felsenszenerie bestimmt. Zusätzliche Staffagen vervollständigten sie zu einem literarischen Programm (dargestellt wurde eine mythische Abenteuerreise des Telemach (Sohn des Odysseus)).
Die Markgräfin Wilhelmine hatte hier wahrscheinlich den ersten "poetischen" Landschaftsgarten auf dem Kontinent
Errichtet, der dann allerdings keine Nachfolger fand.
Die Zeit des Landschaftsgartens in Deutschland dauerte von etwa 1750 bis 1850. Für diese Zeit wurde er zum vorherrschenden Gartenstil.
Wie zu seinem Beginn bei den Übergangsformen, so gab es auch an seinem Ende Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Stilansätzen.