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In den siebziger Jahren (nach 1770) setzte sich der Landschaftsgarten in Deutschland massiv durch. Man kann von einer Gartenrevolution sprechen. Alle bisherigen Vorstellungen wurden radikal durch neue ersetzt. Auf der einen Seite hatte man die begeisterten Schriften Hirschfelds und auf der anderen eine Fülle von Satiren, die sich über den neuen Stil und die ihn begleitenden Übertreibungen lustig machten. Für beides Beispiele:
Aus Hirschfeld (verschiedene Quellen):
- " Alle großen Landschaftsmaler hielten das Studium der schönen Natur für ihre erste Pflicht. ....Nicht
weniger soll der Gartenkünstler zuerst sein Auge und seine Geist in dem Schönen der Natur
unterrichten. Es ist etwas anders, die Szenen der Landschaft mit sinnlichem Wohlgefallen ansehen,
ganz etwas anders, sie mit kritischen Augen betrachten. Der Gartenkünstler, der glücklich arbeiten
will, muss einen Reichtum von ländlichen Szenen besitzen; und diese erlangt er nur durch eine
genaue und anhaltende Beobachtung der Natur. Er muss nicht bloß eine ausgebreitete Kenntnis der
Charaktere in der Landschaft haben, sondern auch mit allen den Wirkungen vertraut sein, welche
diese Lagen, Gegenstände und Charaktere sowohl einzeln, als auch in den unendlich mannigfaltigen
Zusammensetzungen, worin sie geordnet werden können, auf die menschliche Seele haben. Dies ist
das wahre Studium der Natur, ein Studium, das nicht das Werk einiger Tage, sondern mehrerer Jahre
ist: das nicht in einigen dürftigen und gleichförmigen Gegenden, sondern in den heitersten, mit
Mannigfaltigkeit und Kontrast bereicherten Landschaften, vollendet wird. Es erfordert ein scharfes
und feines Auge, eine schnelle Empfindungskraft, einen Geist, der ein wohlgeordnetes Ganzes in
allen seinen Teilen leicht zu erfassen fähig ist. Die Gesellschaft eines Landschaftsmalers, indem
er mit den angegebenen Talenten nach den schönsten Aussichten zeichnet, ist für den jungen
Gartenkünstler sehr lehrreich. .....".
- "Die Gegenstände der Gärten sind zunächst keine andere, als Gegenstände der schönen ländlichen
Natur selbst. Der Gartenkünstler muss daher zuförderst solche Gegenstände der schönen Natur sammeln und auswählen, die eine vorzügliche Einwirkung auf das Empfindungsvermögen und die
Einbildungskraft haben; er muss diesen Gegenständen eine solche Ausbildung geben, und sie in eine solche Verbindung und Anordnung bringen, dass dadurch ihr Eindruck verstärkt werde. Dadurch verändert ein Platz die Natur einer bloß sich selbst überlassenen Gegend, und fängt schon an, in einen Garten überzugehen. Dies ist das erste allgemeine Gesetz der Gartenkunst."
- "In gewisser Absicht kann die Gartenkunst sich mit Recht eines merklichen Vorzugs vor den übrigen
schönen Künsten rühmen. Sie ist Kunst, und doch ist keine ihrer Geschwister gleichsam mehr in die Natur selbst eingeflochten, als eben sie. Sie gibt das mannigfaltige und große Vergnügen ländlicher Szenen ganz, was die Landschaftsmalerei nur teilweise gewährt; sie gebt es auf einmal, was die schildernde Poesie nur durch fortschreitende Folge ihrer Bilder nach und nach erweckt. Sie rührt nicht durch eine entfernte Nachahmung; sie ergreift unmittelbar die Sinne, schlägt geradezu an die Organe unserer Empfindung, durch die Gegenwart wirklicher Gegenstände, ohne sie erst durch Hilfe der Wiedererinnerungskraft und der Imagination wahrnehmen und fühlen zu lassen. Sie gibt selbst ein längeres und dauerhafteres Vergnügen, als Statuen, Gemälde und Gebäude; denn ein Garten erhält durch die Veränderungen der Jahreszeiten und der Witterung, durch die Bewegungen der Wolken und des Wassers, durch die Dazwischenkunft der Vögel und Insekten ...... immer eine Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ....".
- "So viele Gärtner sind gleich mit Planen und Rissen (Entwürfen) fertig, ehe sie noch wissen, wo ein
Garten angelegt werden soll. So viele Architekturlehrer zeichnen Gärten vor, ohne die geringste
Rücksicht auf die Verschiedenheit des Bodens, die man gesehen, die man beurteilt haben muss, ehe
die Hand sich an eine Zeichnung wagen darf. .......Nicht genug kann es erinnert werden, dass man
sich vor unnötigen Verwüstungen der natürlichen Gegenstände, die man auf einem Gartenplatz
vorfindet, zu hüten hat. Viele glauben, dass sie erst alles wegräumen müssen, was die Natur wachsen
ließ, ehe sie ihre Anpflanzungen anfangen können. ...."
- "Der gute Geschmack ist nur selten im Gefolge des Reichtums. Der Hang zum Aufwand und zum
Pomp handelt wenig mit Überlegung, und sucht sich bald durch jedes Mittel zu befriedigen, das er
auf seinem Weg erhaschen kann. Er will Aufsehen und Bewunderung erregen; er will durchaus
glänzen und übertreffen. Die Torheit der Nachahmung gesellt sich zu ihm. Diese riet ihm, die Gärten
der Fürsten zu kopieren, und der Krämer blähet sich, wenn er, gleich ihnen, auf Wasserkünste und
Statuen zeigen konnte. Der Genius des Ortes rächte sich an der verwegenen Nachäffung".
Aus Justus Möser "Patriotische Phantasien" (1778):
(Möser: 1720-1794, politischer Schriftsteller im Sinne der englischen Aufklärung)
"Brief einer jungen Frau"
"Was das für eine Veränderung ist, meine liebe Großmama! Sollten sie jetzt ihre kleine Bleiche,
worauf Sie in Ihrer Jugend so manches schöne Stück Garn und Linnen gebleichet - sollten Sie
den Obstgarten, worin Sie, wie Sie mir erzählt haben, so manche Henne mit Kücklein aufgezogen -, sollten Sie das Kohlstück, worauf der Baum mit den schönen rot gestreiften Äpfeln stand,
suchen: nichts von dem allen würden sie mehr finden. Ihr ganzer Krautgarten ist in Hügel und
Täler, wodurch sich unzählige krumme Wege schlängeln, verwandelt; die Hügelchen sind mit
allen Sorten des schönsten Gesträuches bedeckt, und auf unsern Wiesen sind keine Blumen, die
sich nicht auch in jenen kleinen Tälerchen befinden. Es hat dieses meinem Manne zwar vieles
gekostet, indem er einige tausend Fuder Sand, Steine und Lehm auf das Kohlstück bringen
lassen müssen, um so etwas Schönes daraus zu machen. Aber es heißt nun auch, wenn ich es
Recht verstanden, eine Schrubberry, oder wie andere sprechen, ein englisches Boskett. Ringsherum geht ein weißes Planwerk, welches so bunt gearbeitet ist, wie ein Drellmuster, und mein
Mann hat eine Dornhecke müssen darum ziehen lassen, damit unsre Schweine sich nicht daran
reiben mögen. Von dem an der Bleiche angelegten Hügel kann man jetzt zwei Kirchtürme
Sehen, und man sitzt dort auf eine chinesischen Canape, worüber sich ein Sonnenschirm von
Vergoldetem Bleche befindet. Gleich dabei soll jetzt auch eine chinesische Brücke, wozu mein
Mann das neueste Modell aus England erhalten, angelegt, und ein eigner Fluss dazu gegraben
werden, worin ein halb Dutzend Schildkröten, die bereits fertig sind, zu liegen kommen werden.
Jenseits der Brücken, gerade da, wo der Großmama ihre Bleichhütte war, kommt ein allerliebster kleiner gotischer Dom zu stehn, weil mein Mann gothetisch Dom heißt. Wie ich vermute,
hat er diese Idee aus dem Garten von Stowe genommen, worin der Lord Tempel so viele
Tempel angelegt hat. Der Dom wird zwar nicht viel größer werden, als das Schilderhäuschen,
worin der Onkel Toby mit dem Corporal Trim (doch sie werden dieses nicht verstehn, Sie haben
den Tristram Shandy nicht gelesen) die Belagerungen in seinem Garten Kommandierte. Aber die
gotische Arbeit daran wird doch allemal das Auge der Neugierigen an sich ziehen,, und oben
darauf kommt ein Fetisch zu stehen. Kurz, Ihr gutes Gärtchen, liebe Großmama, gleicht jetzt
einer bezauberten Insel, worauf man alles findet, was man nicht darauf suchet, und von dem was
man darauf suchet, nichts findet. Mögen Sie doch in Ihrem Leben noch einmal zu uns kommen,
und all diese Hexereien mit ansehen können! Sie waren sonst eine so große Bewunderin der
Bären und Pfauen von Taxus, womit in Ihrer Jugend die fürstlichen Gärten geschmückt waren;
was für ein Vergnügen würde es Ihnen nun nicht sein, zu sehen, durch was für erhabene Schönheiten diese altfränkischen Sachen verdrängt worden! Sie müssen aber bald kommen; denn wir
werden noch vor dem Winter nach Scheveningen reisen, um den englischen Garten zu sehen,
welchen der Graf von Bentik dort auf den Sanddünen angelegt hat. Alles was die Größe der
Kunst dort aus dem elendsten Sande gemacht hat, das denkt mein Mann müsse auf einem guten
Ackergrunde gewiss geraten; und er bedauert nichts mehr, als dass er die Sandhügel so mühsam
anlegen muss, welche dort die See angespült hat. Von Scheveningen gehen wir dann vielleicht
nach England, und so weiter nach China, um die große eiserne Brücke, den porcellainen Turm
von neuen Stockwerken, und die berühmte Mauer in Augenschein zu nehmen, nach deren
Muster mein Mann noch etwas hinten bei dem Stickbeerenbusche, wo Sie Ihre Krauseminze
stehen hatten anzulegen gedenket. Wenn Sie aber kommen: so bringen Sie uns doch bitte etwas
weißen Kohl aus der Stadt mit; denn wir haben hier keinen Platz mehr dafür. Ich bin in der ungeduldigsten Erwartung ec.
Anglomania Domen"
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