46. Texte von Pückler und Meyer | ||||
Um den großen Einfluss von Pückler und der Lenné-Meyerschen Schule zu verstehen, muss man ihre Bücher lesen, die ein halbes Jahrhundert ihre Leser fasziniert haben und auch heute noch beeindrucken können. Die spätere Verurteilung von Meyers "Lehrbuch der schönen Gartenkunst" hat nichts mit der Qualität dieses Buches
zu tun, sondern allein mit dem einsetzenden Wertewandel.
Aus Hermann Fürst von Pückler-Muskau "Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" (1834):
"Eine große landschaftliche Gartenanlage in meinem Sinne muss auf einer Grundidee beruhen.
(Man erlaube mir hier das Wort Idee dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nach anzuwenden, und
nicht nach der Terminologie der Philosophie. Eine Idee im höhern Sinne liegt der
Gartenlandschaftskunst im allgemeinen auch unter, nämlich die: aus dem Ganzen der
landschaftlichen Natur, ein konzentriertes Bild, eine solche Natur im Kleinen als poetisches Ideal
zu schaffen, dieselbe Idee, welche auch in anderen Sphären jedem wahren Kunstwerk das Dasein
gibt und aus dem Menschen selbst einen Mikrokosmos, eine Welt im Kleinen, gemacht hat).
Sie muss mit Konsequenz und, wenn sie ein gediegnes Kunstwerk werden soll, so viel als möglich nur
von einer leitenden Hand angefangen und beendigt werden. Dieser Eine mag und soll die guten Gedanken vieler anderer benutzen, er allein muss sie aber im Geiste zu einem Ganzen verarbeiten, damit der
untrügliche Stempel der Individualität und Einheit nicht verlorengehe. Man verstehe mich indessen
wohl: eine Grundidee, sage ich, soll dem Ganzen unterliegen, kein verworrenes Arbeiten aufs Geradewohl stattfinden, sondern der leitende, durchbildende Gedanke auch an jedem Einzelnen zu erkennen
sein; und füglich mag dieser aus den speziellen Verhältnissen des Künstlers, aus den besondern Umständen seines Lebens oder der früheren Geschichte seiner Familie entspringen, wie durch die Lokalität,
welche er vorfindet, bedingt werden - aber damit verlange ich noch keinesweges, dass auch schon im
Voraus der ganz genaue Plan der Ausführung bis in jedes Detail entworfen, und daran streng gehalten
werde. Gerade das Gegenteil möchte ich in gewisser Hinsicht empfehlen; denn, sind auch mit der Idee
die Hauptzüge des Ganzen vorher bestimmt, so soll doch während der Ausführung der Künstler sich
ungezwungen den Inspirationen seiner Phantasie fortwährend überlassen, vielfach Neues auffinden,
seinen Stoff im Schaffen immer noch fort studieren, namentlich hier die rohe vor ihm liegende Natur
bei jeder verschiedenen Beleuchtung (denn mit schöner Beziehung ist das Licht eins seiner Hauptmateriale) innerhalb und außerhalb des Bezirks seiner kleinen Schöpfungen beobachten, Ursache und
Effekt ergründen, und hiernach die früheren, einzelnen Gedanken für das Detail motivieren, oder auch
teilweise gänzlich verlassen, wenn ihm später bessere Einsicht wird. Der Maler wird ja ebenfalls von
Zeit zu Zeit an seinem Gemälde, das doch so unendlich weniger mannigfaltig ist, dies und jenes ändern,
diese Stellung gefälliger oder naturgemäßer machen, hier eine Schattierung verbessern, dort jenem Zuge
mehr Ausdruck geben müssen - wie wollte es dem Gartenkünstler, der mit so widerspenstigen und oft
so schwer zu berechnenden Materialien arbeitet, und eine Menge verschiedener Bilder auch wiederum
in eins vereinigen soll, gelingen, alles auf den ersten Versuch unverbesserlich zu treffen. ....
Man sieht hieraus, wie misslich es ist, einen fremden Künstler auf einige Tage oder Wochen, oder auch Monate kommen zu lassen, um sofort einen Plan zu machen, auf dem jeder Weg und jede Pflanzung, das Ganze mit allen Details schon genau angegeben ist; oder gar einem solchen Tausendkünstler nur eine Situationskarte zuzuschicken, worauf dieser frisch zu Werke schreitet und, ohne alle geistige Beziehung, ohne alle Lokalkenntnis der wahren An- und Aussichten, der Effekte von Berg und Tal, von hohen und niederen Bäumen, sowohl in unmittelbarer Nähe, als in der entfernteren Gegend - seine Linien auf das geduldige Papier hinzeichnet, die sich zwar sehr sauber und hübsch dort ausnehmen können, in der Ausführung aber gewöhnlich etwas höchst Klägliches, Schales, Unpassendes, Unnatürliches und gänzlich Misslungenes zur Welt bringen. Wer mit den Materialien der Landschaft selbst diese bilden will, muss nicht nur aufs genaueste mit ihnen bekannt sein, sondern auch überhaupt bei der Anlage wie bei der Ausführung, in gar vielen Dingen ganz anders zu Werke gehen, als der Maler auf der Leinwand. Die Schönheit einer wirklichen Landschaft ist, selbst nach einem möglichst treuen Gemälde, nur teilweise, nach einer Karte aber gar nicht zu beurteilen, und ich möchte im Gegenteil dreist behaupten, dass (außer in einer ganz platten Gegend ohne Aussicht, wo überhaupt nur sehr wenig geleistet werden kann) ein dem Auge ganz wohlgefälliger Plan, mit stets angenehm darauf hingeführten Linien, keine schöne Natur darstellen könne, denn um in dieser eine schöne Wirkung hervorzubringen, muss man gerade oft die auf dem Papier am schroffsten und ungeschicktesten sich ausnehmenden Verbindungen wählen". Aus Gustav Meyer "Lehrbuch der schönen Gartenkunst" (1860):
"Nachdem die Gartenkunst aufgehört hat bloß im Dienste des sinnlichen Bedürfnisses und des rein individuellen Geschmackes zu stehen, nachdem sie bei Herstellung ihrer Werke die Natur zu ihrem Vorbilde
genommen, und in der Anordnung allgemein gültigen ästhetischen Grundsätzen folgt, beteiligt sie sich
an der allgemeinen Bestimmung der Künste, dem Menschen Nahrung für die edleren Regungen seiner
Seele zu bieten, das Gemüt mit dem Schönen für das Wahre und Gute zu stimmen, und hierdurch ihm
Einen höheren Lebensgenuss zu bereiten.
In sofern sie uns in der näheren Umgebung der Wohnung durch Verwendung exotischer resp. Tropischer Gewächse einen Teil der Reize südlicher Natur, und in den entfernteren Teilen des Gartens, im Park oder in der freien Landschaft die heimische Natur darstellt, entspringt das Interesse an ihren Werken teils aus der Qualität des Materiales, welches zur Verwendung kommt, teils und vorzüglich aber aus der Schönheit in der Anordnung. Da jedes Schöne ein um so anhaltenderes Interesse erweckt, wenn es mit Nützlichkeit gepaart ist, oder seinen Ursprung in dem Nützlichen hat, so muss das Bestreben bei der Anordnung eines Gartens zunächst dahin gerichtet sein, dass er den besonderen Lebensverhältnissen und Gebrauchsanforderungen des Besitzers genüge, und für den Aufenthalt im Freien Schutz, Bequemlichkeit, Behaglichkeit, Eleganz und alles dasjenige darbiete, was ihn besonders wohnlich, anziehend und unterhaltend oder nützlich macht. In Parks und Parkanlagen ziehe man des reinen Nutzens halber auch Wiesen, Mühlen und selbst ein Vorwerk hinein, so weit es angeht ohne der natürlichen Schönheit durch zu ausgedehnte sichtbare Kultur Abbruch zu tun; bei der Verschönerung eines ganzen Landsitzes und ganzer Gegenden aber soll das Schöne gänzlich aus dem rein Nützlichen - welches in Wäldern, Forsten, Obst- und Weingärten, Hecken, Rainen, wohlunterhaltenen Wiesen, Tabaks-, Mais- und Getreidefeldern bestehen möge - entspringen; es muss jedoch in allen diesen Fällen die Rücksicht auf Nützlichkeit durch formale Zweckmäßigkeit vollkommen überwunden erscheinen, oder es muss die Gestaltung und Wirkung des Ganzen an sich so vollkommen erscheinen, als ob die Rücksicht auf Nützlichkeit oder Wohnlichkeit auf die allgemeine ästhetische Gestaltung keinen sichtlichen Einfluss ausgeübt habe, und das Ganze wie aus freier Selbstbestimmung hervorgegangen sei. Wie die Nützlichkeit eines Werkes der Gartenkunst also überhaupt darin besteht, dass es seinem praktischen Zwecke, nämlich zur Annehmlichkeit oder zum Nutzen des Menschen zu dienen, entspreche, so besteht die Schönheit desselben in der sinnigen Auswahl des Einzelnen und der Anordnung desselben zu einem mannigfaltigen vollkommenen Ganzen. ....... So verschiedene Erklärungen über das Wesen des Schönen auch gegeben worden sind, so stimmen sie doch alle darin überein, dass bloße Verschiedenheit oder Mannigfaltigkeit noch nicht Schönheit begründe, sondern dass das Schöne bestehe in der Einheit des Mannigfaltigen, oder in der Übereinstimmung mannigfacher Teile zu einem Ganzen nach Zweck, Form und Wirkung. Es muss daher, da nur das nach Zweck, Form und Wirkung übereinstimmende zu einem schönen Ganzen oder zu einer freien Einheit zusammengefasst werden kann, eine allgemeine Grundform oder Typus, ein Grundton oder eine Grundstimmung das Ganze durchdringen, und jeden einzelnen Teil beherrschen, welche Bedingung des Schönen wir Ausdruck nennen; es muss ferner Mannigfaltigkeit im Ganzen, oder Abweichung und Kontrast sich in den Teilen und in ihrem Verhältnis zu einander zeigen; jedoch nur so viel, als es deren Verbindung untereinander und ihr Zusammenfassen zu einem Ganzen zulässt es muss sich nächstdem alles organisch, natürlich und wahr entwickeln; d.h. jedes Teil muss, nach Art organischer Gliederung, der Wichtigkeit und Eigentümlichkeit seines Zweckes in seinen quantitativen und qualitativen Verhältnissen genau entsprechen, und nach Maßgabe dieser Verhältnisse seine im Ganzen ihm gebührende Stelle einnehmen, welche Bedingung des Schönen wir Haltung nennen. Ausdruck und Haltung geben dem Ganzen Charakter. Endlich muss das Ganze sich als ein Vollkommenes darstellen, oder es muss die Anzahl und Ausbildung der Teile der Art sein, dass im Betracht zum Ganzen sich kein Teil als zu viel oder überflüssig erweise; es muss kein Teil zu fehlen scheinen, wodurch das Ganze als mangelhaft sich darstellen würde, und jeder Teil muss seinem besonderen Zwecke und dem Zwecke des Ganzen entsprechen, und die ihm gemäße sorgfältige Ausbildung besitzen." |