5. Gesamtübersicht über die Stile der Gartenkunst | ||||
Jede Einteilung einer Geschichte in Zeitepochen besitzt etwas Künstliches. Oft ist es eine Frage der gewählten Merkmale, oft überlagern sich die verschiedenen Zeitabschnitte oder ihre Ausdrucksmittel vermischen sich. Besonders in der Gartenkunst, in der es oft nur wenige Betrachtungsgegenstände gibt, die zudem dann auch noch sehr stark vom Charakter oder den persönlichen Interessen des Auftraggebers abhängig sind, gelegentlich auch von der Begabung und dem geistigen Niveau des Ausführenden, ist es sehr schwer, zu verallgemeinern. Andererseits ist eine mögliche Zuordnung für jeden Interessierten eine erste Hilfe zur Orientierung. Ohne ein solches Wissen befindet sich der Betrachtungsgegenstand gar nicht in seinem Bewusstsein und wir kommen zu der Situation, die wir zur Zeit weitgehend in Deutschland haben, kaum ein Kunstinteressierter und noch weniger ein Gärtner zählt die Gartengestaltung ernsthaft zu den Künsten.
In einem ersten Versuch möchten wir die Gartenkunst in fünf große Ausdrucksabschnitte einteilen. Dabei können sich durchaus Inhalte vorangegangener Abschnitte in späteren wiederfinden:
Jede dieser fünf Epochen teilen wir der besseren Orientierung wegen zusätzlich in vier Abschnitte ein. Dadurch erhalten wir bei den verschiedenen Gärten eine:
Zum frühen Garten (religiös motiviert):
Frühform: Hierher gehören die Gärten der Syrer, Perser, Ägypter und Griechen. In ihnen werden die Götter und
Helden unmittelbar verehrt, bzw. der König als Repräsentant der göttlichen Ordnung. Der Garten
war ein Wohnort der Götter.
Hochform: Römische Gärten. Die Gärten waren Rückzugsbereiche der griechisch gebildeten Römer. In Anlehnung an die griechischen Philosophenschulen und des orientalischen Genusses wurden Gärten der
Muße geschaffen. Der unmittelbare religiöse Bezug wich oft einem dekorativ-repräsentativen. Die
Statuen verloren ihren religiösen Hintergrund. (Beispiele: Gärten des Cicero, Plinius d.J.).
Spätform: Die "Intimität" früherer Gärten ging durch die Größe verloren. Sie dienten jetzt überwiegend der
Repräsentation der sozialen Stellung und waren zu einem Statussymbol geworden. (Beispiel: Villa
Hadriana).
Übergangsform: Durch die Verurteilung der religiösen (und damit verbunden der sinnlichen) Bezüge der
römischen Gärten setzte eine Stagnation ein. Traditionell wurden einige Pflanzen und Gartenelemente übernommen. Die Landgüterverordnung Karl d.Gr. ging auf Pflanzenvorschläge antiker
Autoren zurück und der Kreuzgang war eine Fortsetzung der römischen Peristylgärten. Der Garten
war (neben seiner wirtschaftlichen Funktion) ein Ort der Sammlung geworden.
Zum architektonischen Garten (dem Garten der anfangenden Neuzeit):
Beginnende rationale Auseinandersetzung mit der Natur. Erster Darstellungsversuch eines solchen Gartens bei Albertus Magnus (1193-1250). Die Überlegungen wurden später von Pietro de Creszenzi (1233-1321) fortgesetzt.
Gärten der Frührenaissance:
Italien (1450-1503, Schriften Albertis bis zum Plan von Bramante für das Belvedere):
Ausgang ist Florenz. Rückerinnerung an die glanzvolle römische Vergangenheit
und die Platonische Akademie in Athen. Stark beeinflusst von der persönlichen
Kultur der Medicifamilie und ihrer Freunde. Die Gartengestaltung wurde wieder zu
einer bedeutenden Kunst. Gründe:
Deutschland:
Gärten der Hochrenaissance: Italien (1503-1573, Schaffung des Belvederegartens bis zum Tod Vignolas):
Die besten Architekten übernahmen die Aufgabe, Gärten zu gestalten. Es waren
Gärten des "vollendeten Maßhaltens". Merkmale waren:
Deutschland (ca. 1550-1600):
Gärten der Spätrenaissance: Italien (1573 - 1610):
Wie die Bürgergärten, aber stärker auf Repräsentation und Abwechslung
ausgerichtet.
Beispiele: die meisten Fürstengärten.
Gärten des Manierismus (parallel zur Spätrenaissance):
Italien (1520-1610, Stil des Umbruchs):
Deutschland (nur ein Beispiel, 1616):
Gärten des Frühbarocks:
Der Garten wurde zur "Bühne". Es bestand das Bedürfnis durch Größe und die Bewältigung materieller Schwierigkeiten zu verblüffen. Der Park übernahm die Übergangsrolle von der Natur zur Kultur. Achsen (Wege und Sichten) verbanden beide. Italien (1570-1630):
Gärten des Hochbarocks:
Der Garten wurde Teil eines Gesamtkunstwerks. Er übernahm stufenweise die Lockerung des aufs strengste ritualisierten Hoflebens (je weiter vom Schloss, um so lockerer). Zelebrierung einer gottgewollten Ordnung. Alle Künste dienten der Verherrlichung des Herrschers. Frankreich (1643-1715, Zeit Ludwig XIV):
Beispiele: Gärten Le Notres (Vaux-le-Vicomte, Versailles).
Deutschland (1690-1740):
Nach dem 30-Jr. Krieg auf Anregungen aus dem Ausland angewiesen. In Norddeutschland besonders unter holländischem, in Süddeutschland unter italienischem
Einfluss.
Beispiele: Herrenhausen (holländischer Einfluss), Wilhelmshöhe (italienischer Einfluss), Nymphenburg (teilweise französischer Einfluss).
Gärten des Spätbarocks: Frankreich (Regence, 1715-1723), Deutschland (parallel zum Hochbarock):
Gärten des Rokokos (Übergangszeit): Frankreich (Zeit Ludwig XV, 1723-1774), Deutschland (1730-1770):
Vereinigung italienischer Barock und französischer Rokokoelemente. Unterschiede zwischen dem protestantischem Norden und dem katholischem Süden.
Der Barockgarten wurde vom englischen Landschaftsgarten abgelöst. Die Gartenkunst entwickelte sich für viele Menschen zur bedeutendsten Kunstdisziplin. Während bis zum Barock ein stark architektonischer Einfluss bestand, erfolgten jetzt die wichtigsten Anregungen von der Malerei. Der Garten sollte ein dreidimensionales Gemälde werden mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund. In Deutschland sind die einzelnen Stilphasen nur schwer abzugrenzen, da sie bei den wenigen größeren Gärten oft nur ein Ergebnis persönlicher Entscheidungen waren und zeitlich über mehrere Stilphasen entstanden sind.
Frühe Landschaftsgärten: England (1710-1750, Addisons Publikationen im "Spectator" (1712) bis Kents Tod (1749);
Zeit der Aufklärung; von den Anfängen der Gartenkritik als Gesellschaftskritik
bis zur Schaffung einer Gestaltungsorientierung nach den Regeln der Malerei.
Deutschland: Erste Verbindungen eines literarisch vermittelten Naturbildes mit einer unterschwelligen Naturreligiosität. Literarische Interpretation einer vorgefundenen Natur. Beispiel: Sanspareil (nach 1745).
"Reife" Landschaftsgärten (klassische und romantische):
Eine brauchbare Zuordnung fällt hier sehr schwer. In Deutschland ist es üblich, eine spätere englische Phase vor der vorangegangenen zu nennen (eine "vorromantische" vor der früheren "klassischen"). Der parallele Vergleich mit der Literatur fällt dann leichter: Sturm und Drang - Klassik - Romantik. Aber schon der Wörlitzer Schlossbau macht das Problem deutlich. Das Schloss war hier das erste klassizistische Gebäude in Deutschland (Grundsteinlegung 1769, 1788 vollendet). Zeitgleich entstand das "Gotische Haus" (1773). Die "vorromantischen" Gartenteile wurden parallel oder später errichtet. Es macht deshalb Sinn, innerhalb einer identischen Zeit zwei Strömungen zu sehen:
England ("klassische" L., 1740-1790; Brown wird Hauptgärtner in Stowe (1741) bis zum Einsetzen der Kritik von Price (1794); Zeit der Reife; harmonische Parklandschaften aus Hügeln, Rasenflächen, Seen und Bäumen):
Beispiele: Gärten von Brown (u.a. späte Stowe, Blenheim).
Deutschland (1785-1825; Beginn der Umbauarbeiten auf der Wilhelmshöhe bis Sckells Tod 1823):
Beispiele: Gärten von Chambers (Kew Garden). Deutschland (1770-1820, zweite Baubeginn von Wörlitz (1770) bis zum Tod des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau 1817):
Der Garten Hirschfelds. Er brachte die romantische Literatur sichtbar in den
Garten.
Beispiele: mit hohem Anspruch (Wörlitz), mit einfachen Gefühlsbezügen
(Seifersdorfer Tal).
Späte Landschaftsgarten:
Der Landschaftsgarten reduzierte sich zu einem Rahmen. Der Gärtner gewann die Freiheit zwischen formalen und landschaftlichen Gestaltungselementen zu wählen. England (1790-1840, Synthese des Brownschen Gartens mit den Forderungen seiner Kritiker):
Beispiele: Gärten Reptons (u.a. Sheffield, Ashridge Park).
Deutschland (ab 1820-1860; Lennés Arbeit in Potsdam bis zum Erscheinen des Lehrbuches von Meyer):
Beispiele: Lenné (Charlottenhof, Nordische und Sizilianische Garten, auch
Marlygarten), Pückler (Muskau, Branitz).
Historismus (Eklektizismus, Stilpluralismus, Übergangszeit): England (1820-1870, dem Erscheinen der "Encyclopädie" von Loudon (1822) bis zum Erscheinen des "Wild Garden"s (1870) von Robinson; Zeit des "Viktorianischen
Gartens". Zeit der Gärten der wachsenden Mittelklasse. Fehlen feiner Harmonien.
Ruskin forderte angesichts der Folgen, die Rückkehr zu einer Kunst der sittlichen
Werte.
Beispiele: Gärten von Loudon.
Deutschland (1860-1900; dem Erscheinen des "Lehrbuches der schönen Gartenkunst" von Meyer
(1860) bis zu den ersten Schriften von Muthesius. Die Lenné-Meyersche Schule
bestimmte das Gartengeschehen):
Den funktionalen Garten teilen wir ein in den
Frühe funktionale Garten (Reformgarten, Jugendstilgarten, 1890-1914, Gegenreaktion auf den Historismus):
England : Die Architekten sehen den Garten als eine architektonische Verlängerung des Hauses
(Blomfield). Die Arts-and-Crafts-Bewegung erhebt das Landleben zu ihrem Ideal.
Deutschland (wird hier am Anfang hauptsächlich von Architekten vertreten: Muthesius, Schulze-
Naumburg, Laeuger, Behrens; Bücher und Ausstellungen machen ihre Gedanken
populär):
Reife funktionale Garten (1918-1945, Reformgarten der Gärtner; in dieser Zeit auch der "nationalsozialistische" Garten). Zwei Strömungen: 1. die sozial engagierte (Migge, Maasz):
Späte funktionale Garten (Nachkriegsgarten 1950 - 1970/1990):
Er zeichnet sich in Deutschland durch ein Verdrängen der nationalsozialistischen Zeit aus. Im Bereich der Gartenarchitektur hatten die bisherigen Autoritäten fast vollständig ihren bisherigen Einfluss behalten. Die Vergangenheit wurde tabuisiert. Die Weiterarbeit erfolgte durch einen Rückgriff auf alte Traditionen: + Bornimer Schule: Sie stand in der Tradition Lenné-Meyers und der Foersterschen Pflanzenverwendung. Ihre Hauptgestalungselemente waren Bodenbewegungen und großzügige
Staudenflächen (Hauptvertreter: Mattern).
+ Stuttgarter Schule:
Sie war hauptsächlich handwerklich orientiert und
griff auf regionale Bautraditionen (z.B. Trockenmauern im Weinbergbau) und landschaftliche Konstruktionsprinzipien zurück (Hauptvertreter: Haag).
- ein Ausweichen in die "wertfreie Wissenschaften":
+ Hannoversche Schule:
Alte vom Nationalsozialismus geförderte Wissenschaften wurden "entideologisiert"(z.B. die Pflanzensoziologie und die Landschaftsplanung). Die Gartengestaltung wurde zu einer reinen Ingenieurwissenschaft umgebaut. Ihre Arbeiten zielten allein auf das
funktionale Lösen von Problemen (Vulgärfunktionalismus). (Hauptvertreter: Wiepking).
Gärten der Übergangszeit zum 21. Jhrdt, ab etwa 1970):
Naturgarten:
Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung nach den Studentenunruhen 1968 und
der Ölkrise 1973. Man begann Fragen zu stellen und verstärkt die zivilisatorische Umweltzerstörung zu sehen. Die traditionellen Ordnungsvorstellungen wurden abgelehnt. Besorgte und sentimentale Forderungen
nach einer Rückkehr zu historischen, "heilen" Naturvorbildern. Kulturabhängige ästhetische Kriterien wurden abgelehnt. Kreative Ansätze wurden
nicht lange verfolgt.
- Gärten der 90iger Jahre: Zwei Strömungen. Für beide gilt mit unterschiedlicher Betonung
1. Gärten der Postmoderne (starke Bezüge zur Land Art):
Ausblick: Gärten des 21. Jahrhunderts.
In der Architektur ist seit Ende des 20. Jhrdts. der Dekonstruktivismus die bedeutendste
kreative Stilrichtung. Es ist zu vermuten, dass dies auch in der Gartenkunst sein wird, da
es im Ausland bereits die ersten entsprechenden Gärten gibt (Parc de la Villete, Paris).
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