51. Die Reformansätze in Deutschland (der Architekten) (Jugendstil: Reformgarten, Vorkriegsgarten) |
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Nach 1870 nahm die Industrialisierung in Deutschland gewaltig zu. Deutschland wurde zur größten Industrienation Europas. Die Bevölkerung drängte in die Städte. Während 1870 noch etwa zwei Drittel auf dem Lande wohnten,, waren es vierzig Jahre später nur noch ein Drittel. Dabei waren die Lebensverhältnisse für die Arbeiter oft katastrophal, während gleichzeitig eine neue Oberschicht sich an den Stadträndern ihre Villenviertel baute.
Zu den neuen Villen gehörten in der Regel große Gärten, die allerdings für eine Gestaltung im landschaftlichen Stil wiederum zu klein waren. Die Versuche der Lenné-Meyerschen Schule scheiterten, weil ihre Motive zu Schablonen erstart waren und sie auf die neuen Lebensbedürfnisse der Menschen zu wenig eingingen. Die Angriffe gegen sie erfolgten von den verschiedensten Seiten. Wie in England waren es hauptsächlich Architekten, Gärtner und Publizisten. Am Anfang steht der Jugendstil (ca. 1890-1914) als Gegenreaktion auf den Historismus. Innerhalb von etwa zehn Jahren erreichte er eine Stilwende, besonders im Kunsthandwerk und in allen Bereichen der Architektur, unter anderem auch in der Gartenkunst. Berühmt aus dieser Zeit sind seine Pflanzenornamente. Seine eigentliche Bedeutung für die spätere Kunstentwicklung liegt aber in seinen Forderungen nach Material- und Funktionsgerechtigkeit. Sein eigentliches Anliegen ist damit, der Funktionalität durch die Form eine höhere Wahrheit zu geben. Er wurde stark von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung beeinflusst. In ihm erfolgte der erste große Versuch, Kunst und Technik zusammenzubringen. Die Pariser Weltausstellung von 1900 verhalf ihm zum internationalen Durchbruch. Er verkleidete in seinen Arbeiten nicht mehr die Gegenstände, sondern zeigte sie unmaskiert. Zunächst hatte man in England eine Rückkehr zum anspruchsvollen Handwerk propagiert. William Morris ließ es dann zum Kunsthandwerk werden, exklusiv und nur von wenigen bezahlbar. Nachdem er dies erkannte, stellte er seine Produktion auf eine breitere Basis. Ähnlich ging es den "Wiener Werkstätten". In Deutschland versuchte der Werkbund (gegründet 1907) durch eine Verbindung von Kunst, Handwerk und Industrie diese breitere Basis und das Niveau der gewerblichen Arbeit zu verbessern. Er zählte auch verschiedene Gartenkünstler zu seinen Mitgliedern (u.a. Encke, Migge). 1914 kam es in ihm zwischen Muthesius und Van de Velde zu einer Auseinandersetzung von der er sich nie wieder erholen sollte. Muthesius wollte die Arbeit des Werkbundes typisieren, während Van de Velde auf seiner Individualität pochte, die sich in ihrer schöpferischen Arbeit nie einer Disziplin unterordnen werde. Die ganze Gegenbewegung gegen den Historismus, den Stilpluralismus war sehr heterogen. Einmal entsprang sie einer starken Ablehnung durch einige starke Persönlichkeiten wie Lichtwark und Schulze-Naumburg, zum anderen wie in England sowohl von gärtnerischer Seite (Lange) wie auch von der architektonischen (Muthesius, Laeuger). Je nach persönlicher Neigung wandten sie sich Stilen zu, die verstärkt entweder die pflanzlichen oder die architektonischen Aspekte betonten. Alfred Lichtwark (1852-1914) war Direktor der Hamburger Kunsthalle. Er sah in der damals bestehenden Gartenkunst eine "natürliche Unnatur" und glaubte, dass die Gartenkunst für die Zerstörung der damaligen Städte mitverantwortlich sei. " Die Baukunst, namentlich die bürgerliche, kann keinen wesentlichen Schritt vorantun, solange wir den kleinen englischen Garten haben. Also: Gartenkunst und Baukunst". Er forderte von einem Garten, dass in ihm "praktische Zwecke in eine künstlerische Form" gebracht werden. Bereits 1894 nimmt er den Bauerngarten als Vorbild. "Nein, wie gemütlich das aussieht, diese geraden Wege und buchsgefassten Beete, diese geschorenen Hecken und der große Würfel der Laube, und diese klassische Verbindung von Blumen- und Gemüsegarten, wie menschlich. ...... Wenn ich mir zu Hause eine Villa bauen lasse, ...... dann lasse ich mir einen Garten anlegen, wie diesen". Man solle von der heimischen Bauweise ausgehen, soweit sie sich als vernünftig und dem heimischen Klima angepasst erweise. Haus und Garten vereinten sich zu einem Gesamtkunstwerk. Die Bewohner eines Gartens sollten sich über ihre Bedürfnisse bewusst werden und ihn danach anlegen. Ein Garten sei ein genutzter Aufenthaltsraum, ein "Wohnraum unter freiem Himmel". Seine Flächen seien mit der Selbstverständlichkeit italienischer Villengärten zu gliedern. "Was der Mensch macht, muss den Stempel seines Wesens und Willens tragen, denn er ist von Haus aus eine Ordner". Lichtwark hat mehrere Gärten angelegt, u.a. für seine Malerfreunde Liebermann und Kalckreuth. Einen großen Einfluss nahm er auch auf die Entstehung des Hamburger Stadtparks. Ein Park solle das Wesen einer Stadt ausdrücken und ein künstlerischer Rahmen für deren erzieherische Bemühungen sein. Von gärtnerischer Seite wurde er oft als "nichtkompetent" abgelehnt. 1907 antwortete er Lange auf dessen Angriffe: " Der Garten ist nicht der Pflanzen sondern der Menschen wegen da. Er ist trotz allem ein Wohnraum. Und was hat uns die Sachkenntnis des Gärtners, die so hoch bewertet wird, bisher geleistet?" Viele fortschrittliche Persönlichkeiten sahen sich als seine Schüler, bereits 1899 u.a. Schulze-Naumburg. Paul Schulze-Naumburg (1869-1949) war Architekt und Direktor der Staatlichen Kunsthochschule Weimar. Zunächst war er einer der wichtigsten Reformer in der Gartenkunst, später ein elitärer Nationalsozialist. In seinen Reformbestrebungen vereinte er Tradition und moderne Strömungen. Seine Forderungen nach Zweckmässigkeit und Einfachheit gingen unmittelbar in die künftige Gartenkunst ein (besonders in die Arbeiten Friedrich Bauers und Migges). Er setzte sich intensiv mit der "Gestaltung der Landschaft durch den Menschen" auseinander. Diese Beschäftigung führte ihn über die Rassenlehre zum Nationalsozialismus. Bereits lange vor ihm vertrat er eine Blut-und-Boden-Ideologie. Später diffamierte er moderne Kunstentwicklungen als entartet. Den zivilisatorischen und industriellen Zerstörungen der Landschaft wollte er mit Hilfe der Landschaftsgestaltung entgegenwirken. Dabei wollte er die Tradition mit dem technischen Fortschritt in Einklang bringen. Sein Ziel war der ästhetisch empfindsame Künstler-Ingenieur. Für Schulze-Naumburg hing die kulturelle Entwicklung einer Gesellschaft von ihrer landschaftlichen Umgebung ab. Er erweiterte damit das Berufsfeld der Gartenkünstler hin zum Landschaftspfleger. Ein Garten sollte für Schulze-Naumburg zweckmäßig sein. Vorbild waren für ihn dabei alte, malerische Anlagen. Der Nutzgarten sollte sich in ihnen mit einem geselligen Garten verschmelzen. In den bisherigen Gärten könnte man nur wie ein gefangenes Tier im Käfig an dessen Begrenzungen auf einem Rundweg herumlaufen. Da die Grundformen des menschlichen Denkens sich in klaren Mustern bewegten, verlangte er eine Rückkehr zu geometrisch-architektonischen Formen. Er selber benutzte deshalb für seine Gärten gerne barocke Stilelemente. Die einflussreichste gärtnerische Persönlichkeit der damaligen Zeit war Willy Lange (1864-1941). Er war Gartenbaulehrer, Gartenarchitekt und Fachautor. Ähnlich Robinson propagierte er einen "Naturgarten". Er verstand darunter einen natürlichen Einsatz von Pflanzen im Sinne einer "biologischen Ästhetik". Für die Gartengestaltung forderte er die Berücksichtigung wissenschaftlicher und pflanzensoziologischer Gesichtspunkte. Sowohl die Schriften Karl Foersters wie auch später der "Ökogarten" von Le Roy fußen auf seinen Gedanken. Lange lehnte einen architektonischen Garten im Sinne eines erweiterten Wohnraumes ab. Für ihn ist die Kunst eine gesteigerte Natur mit Hilfe einer menschlichen Idee. Entscheidend sei deshalb die Gestaltungsidee. Das Gestaltete hätte den Bedürfnissen des Materials zu entsprechen. In einem Naturgarten würden die verschiedenen Gestaltungselemente ästhetisch im Sinne dieser Idee gewertet. Mit Hilfe von Wegen würden verschiedene Naturbilder erschlossen. Dabei hätten diese Bilder keinen Rahmen und keine Ferne (vergleichbar modernen Landschaftsbildern). Da Lange sich auch mit Fragen der Volksgesundheit beschäftigte, wurden seine Rasse- und Hygieneüberlegungen in Verbindung mit seinen Gedanken zu einer deutschen, nordisch-germanischen Gartenkultur später von den Nationalsozialisten gelobt, obwohl er selber seit 1927 nicht mehr publiziert hatte. Nach 1945 wurde deshalb sein Name in Deutschland weitgehend totgeschwiegen, obwohl der hier übliche ökologische und der nach Wachstumsstandorten orientierte Umgang mit Pflanzen auf ihn zurückgehen. Auf architektonischer Seite griff besonders Hermann Muthesius (1861-1927) den Landschaftsgarten an. Dieser sei ein "Gipfel der Lächerlichkeit" Ein Garten müsse "vernünftig und praktisch" sein. Muthesius war sieben Jahre in England Kulturattaché gewesen und hatte dort die Reformbewegung kennengelernt. Ab 1904 arbeitete er in Berlin als Architekt selbständig. 1907 war er ein Mitbegründer des Deutschen Werkbundes. Er schrieb mehrere Bücher (u.a. 1904 "Das EnglischeHaus", 3 Bände), viele Zeitschriftenbeiträge und entwarf viele Villen. Vorbild für ihn waren die englischen Landhäuser. "Die Erkenntnis der künstlerischen Haltlosigkeit des Landschaftsgartens ist einer der Pionierdienste, die England berufen war der Welt zu leisten. .... Der heutige englische Garten ist nicht mehr der bei uns unter diesem Namen bekannte Landschaftsgarten, sondern ...... der regelmäßige Garten, eine im wesentlichen geometrische, oder wenn man so will, architektonische Anlage; kurz ein Garten, der nicht die äußere Natur nachahmt, sondern zum Hause in künstlerischer Beziehung steht". Auch Muthesius forderte die künstlerische Einheit von Haus und Garten. Für ihn war es deshalb selbstverständlich, dass auch der Entwurf eines Gartens durch einen Architekten erfolgen müsse. "Jeder Architekt (in England) hält es für seine Pflicht, den Garten mit dem Haus gemeinsam zu entwerfen". Seine Gestaltungselemente für einen Garten waren:
Veranlasst durch die Schriften von Schulze-Naumburg und Muthesius schrieb die Zeitschrift "Die Woche" 1907 (1908 Auswertung) einen Wettbewerb zum Thema "Hausgarten" aus. In den Entwürfen sollte er "ästhetisch und praktisch ein Ganzes" bilden, England sollte als Vorbild dienen. Als Ergebnis dieses Wettbewerbs konnte man ableiten:
Die meisten Gartenkünstler der damaligen Zeit kümmerten sich wenig um Stil-, dagegen viel um Honorarfragen. Die Vertreter der Lenné-Meyerschen Schule hatten deshalb 1887 den "Verein deutscher Gartenkünstler" (VdG) gegründet. Bereits zu Beginn hatte sich eine Gruppe gegen
dessen einseitige stilistische Ausrichtung gewandt. 1906 kam es dann zu einer Umbenennung in "Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst" (DGfGK). Verbunden
damit war ihre Öffnung für alle an der Gartenkunst Interessierten (Vorher hatte man sich gegenüber
den anderen Künsten abgegrenzt. Jetzt versuchte man sich ihnen zu nähern). Erst damit konnte die
eigentliche Gartenkunstreform beginnen. 1909 wurde eine Exkursion nach England unternommen, über die viel geschrieben worden war. 1910 richtete man an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf eine Gartenkunstklasse ein. 1913 entstand in Frankfurt/Main der Berufsverband "Bund Deutscher Architekten" (BDGA, sein Publikationsorgan war die "Gartenwelt". Er nahm nur freischaffende Gartenarchitekten auf und interessierte sich
besonders für deren wirtschaftliche Interessen).
entstand in Kassel als zweiter Verband, der "Verband Deutscher Gartenarchitekten" (VDG. Er arbeitete
stark mit dem DGfGK zusammen und besitzt mit ihm ein gemeinsames Verbandsorgan, die
berühmte "Gartenkunst". Der VDG vertritt hauptsächlich künstlerische Interessen).
Mit der Gründung dieser beiden Verbände wird erstmals die Berufsbezeichnung "Gartenarchitekt"
öffentlich verwendet. 1913 erschien auch Migges Buch über "Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts". Später ergänzt um die Lösungsversuche der sozialen Nachkriegsprobleme wurde es für das ganze Jahrhundert richtungsgebend. |