Die starken Verflechtungen der deutschen Grünplanung mit dem Nationalsozialismus sind das große Tabuthema der deutschen Nachkriegs-Gartengestaltung. Auch heute noch werden viele Vorkommnisse der damaligen Zeit verdrängt. Dabei muss man bei einer Beschäftigung mit diesem Thema zweierlei berücksichtigen:
- Viele der damaligen Gedanken hat es schon vorher gegeben. In die nationalsozialistische Bewegung
flossen die verschiedensten, zunächst positiven idealistischen Strömungen ein, sei es vom Wandervogel, dem Heimatbund, der Freikörperkultur oder den vielen nationalistisch tätigen Vereinigungen.
Es gab so gut wie keinen namhaften Gartenarchitekten, der nicht aus ihnen hervorgegangen war
oder einen engen Kontakt zu ihnen gehabt hat.
- Die nationalsozialistische Zeit hat bis zum Kriege nur sechs Jahre gedauert. Es konnten deshalb aus
diesem Geist kaum Arbeiten fertig werden.
Dieser Tatbestand führte nach dem Kriege dazu, dass man sich darauf berufen konnte, dass man keine Gärten aus diesem Geist kenne. Als Beispiele können aber genannt werden:
- das "Reichssportfeld", Berlin,
- das "Reichsparteitagsgelände", Nürnberg,
- der "Nordpark", Düsseldorf. (Man braucht sich dort heute nur den Eingangsbereich anzusehen und ihn sich ohne die vielen PKW vorzustellen).
- Den "Sachsenhain", Verden (Versammlungsstätte der SS).
Als ihr gestalterischer Hintergrund können in der Architektur klassizistische, repräsentative Motive gefunden werden, die nicht in der Antike sondern im 19. Jh. verankert sind. Das berühmteste Beispiel in der Architektur war die geplante "Große Halle des Volkes" (Grundriss: 330 x 330 m; Höhe: 320 m; Fassungsvermögen: 200 000 Personen) von der Hitler gesagt haben soll:
"Lassen Sie einen kleinen Bauern in unsere große Kuppelhalle treten. Dem bleibt schier der Atem
weg. Der Mann weiß fortan, wohin er gehört".
Die wichtigste Absicht mit diesem Motiv war, Macht zu demonstrieren.
Ihr zweiter Hintergrund war in der Landschaftskultur zu suchen. Er stützte sich hauptsächlich auf drei Gedankenkreise:
- dem Naturgarten,
- dem volksgesundheitlichen Gedankenkreis,
- dem Bauerngarten.
Das Naturgartenkonzept baute auf Willy Lange. Er beschrieb in ihm die enge Verbindung des deutschen Menschen zu seiner Landschaft. Für eine "rassenmäßig" optimale Entwicklung brauche das deutsche Volk eine "artgemäße" Umwelt. Die "nordische Rasse" könne ihre Kultur mit Hilfe des Gartens zum Ausdruck bringen. "Nordisch" sei ein Garten, wenn er durch Naturmotive bestimmt würde (Vorbilder wären in der Natur und der nationalen Gartengeschichte zu finden). Seine Schlussfolgerung war eine "biologische Gartenästhetik", deren Merkmale: Ein Garten habe
- der heimischen Landschaft zu entsprechen,
- auf die regionalen Besonderheiten einzugehen.
Dieses Konzept übernahm Seifert 1929 in seiner "bodenständigen Gartenkunst". Gefordert war ein "arteigener", "blut- und bodenverbundener", "heimatbedingter" Garten.
"Aber ebenso wesenseigene, aus Volkstum und Landschaft, aus Blut und Boden herausgewachsene
deutsche Gärten fehlen uns noch. Erst unser Wissen von den Naturgesetzen des Blutes und seelischen
Rasseerbguts und von den Gegebenheiten des Heimatbodens und seiner Pflanzenwelt (Pflanzensoziologie) befähigt und verpflichtet uns zur Gestaltung von blut- und bodenverbundenen Gärten" (Krämer, 1936).
Ganz in ihrem Dienst stand die Pflanzensoziologie. Tüxen, einer ihrer geistigen Väter forderte 1939:
Die "Reinigung der deutschen Landschaft von unharmonischen Fremdkörpern".
Der heimische Garten hatte sich an der heimischen Landschaft zu orientieren. Die pflanzensoziologischen Kriterien dienten ihm dabei als Hilfe. Die Ablehnung der "ausländischen" Pflanzen hatte eine Parallele in der Ablehnung der "entarteten" Kunst. Der bodenständige Garten war innerhalb der Blut- und Bodentheorie zu einem Rassemerkmal des Germanischen geworden. Mit ihrer Orientierung an völkische, vorindustrielle Leitbilder übernahm die Landschaftsgestaltung eine Integrationsfunktion. Allerdings konnten diese Forderungen innerhalb der kurzen Zeit nur begrenzt durchgesetzt werden, wohl durch
- Seifert im Autobahnbau,
- Wiepking in der Landschaftsplanung.
Auch im Gedankenkreis um die Volksgesundheit kamen verschiedene geistige Ansätze zum Tragen. Dem öffentlichen Grün kam dadurch ein besonderer Stellenwert zu. Schon Maasz hatte mit Hilfe eines "deutschen Grüns" sich für eine "gesunde" Sozialpolitik eingesetzt. Eine besondere Rolle kam dabei dem biologisch-dynamischen Gartenbau zu. Der gelegentlich zwar abgelehnt, aber direkt oder indirekt von vielen Seiten gefördert wurde, besonders von Seifert. 1943 wurden von den achtzehn landwirtschaftlichen "Deutschen Versuchsanstalten für Ernährung und Verpflegung" (DVA) vierzehn biologisch-dynamisch geführt. Aus taktischen Gründen wollte man den Ausdruck "biodynamisch" durch "lebensgesetzlich" ersetzen.
Der Begründer der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise war Rudolf Steiner gewesen. Er ging von der Überlegenheit der "arischen" Rasse aus und war von der charakterbildenden Bedeutung des Bodens überzeugt. Er berief sich in seiner Anthroposophie und seiner biodynamischen Lehre auf Goethe und dessen "Ehrfurcht vor dem Lebendigen". Seine Vorstellungen vom "Organismus" und die NS-Ideologie von der "Volksgemeinschaft" trafen sich in ihrer Übertragung von Naturvergleichen auf die menschliche Gesellschaft.
"Und uns, lieber Hirsch, erwächst .... die schwierige, ehrenvolle, aber dankbare Aufgabe,
unsere deutsche Landschaft als deutsche Kulturlandschaft deutsch und frei von fremden
Beiwerk aufzubauen. Kerndeutsch jeder Volksstamm in seiner Eigenart, kerndeutsch entsprechend dem Stammescharakter und den Bedingungen der Ernährungslandschaft seine
Bauten, das gilt vor allem den Bauten in der Landschaft, kerndeutsch die Kulturlandschaft
in allen ihren Einzelheiten, in Wald und Feld, in Wiese und Garten, an allen ihren Gewässern, in Berg und Tal". (Hoemann 1944 in einem Brief an Hirsch).
Ein dritter Ansatz war eine Idealisierung des Bauerngartens zur "Ausgangsform des deutschen Gartens":
"Angesichts der drohenden Gefahr der "Überfremdung" unserer heimischen Gärten sollten
wir alle die Mahnung des Nürnberger Lehrers und Volksschriftstellers Hans Scherzer beherzigen: "Bleibt bei den guten alten Bauernblumen, bleibt bei den Blumen und Kräutern
unserer Ahnen und Urahnen, bei den Blumen mit dem trauten Klang, dem würzigen Duft,
den satten Farben und der altehrwürdigen Vergangenheit! Holt sie euch herein in die Gärten
der Vorstädte, pflanzt sie aufs Grab eurer Lieben und gönnt ihnen ein bescheidenes Plätzchen
am Fenstersims - Ihr holt euch mit ihnen ein Stück heimeligen Zaubers hinein, ein Stück beglückender Heimatkunst und Heimatliebe". (Weigold, 1938).
In der bäuerlichen Blut- und Bodendichtung hatte man das Bauerntum als Träger des germanischen Blutes überhöht und seine Bodenständigkeit verherrlicht. Jetzt wurde es im völkischen Sinne gefördert. Sogar der "Killesberg" in Stuttgart müsste diesem Orientierungsbereich zugerechnet werden, wobei seine früheren Intentionen heute durch die vielen Umbauten kaum noch erkennbar sind.
Für Wiepking waren die Bauerngärten zwischen Oldenburg und Osnabrück ein Ausdruck der "bodenständigen Gartenkunst".
Die wesentlichen Maßnahmen zur Ausrichtung auf eine nationalsozialische Gartengestaltung waren:
- das Verhindern andere Gedanken zu publizieren,
- die Förderung von Sympathisanten (und dadurch oft eine persönliche Rücknahme auf die nationalsozialischen Forderungen der persönlichen Karriere wegen),
- Berufsverbote.
Wer "belastet" oder nicht angepasst war, wurde ausgegliedert, z.B.:
- Ludwig Lesser (1869-1957):
Präsident der Deutschen Gartenbaugesellschaft, musste als
Jude 1933 sein Amt niederlegen und erhielt Berufsverbot.
- Erwin Barth (1880-1933):
Stadtgartendirektor von Berlin, erster deutscher Hochschullehrer für Gartengestaltung, beging 1933 aus politischen Gründen
Selbstmord (eine beginnende Erblindung erleichterte den Entschluß).
- Arthur Glogau (1874-1960):
Leiter der Abteilung Gartengestaltung in Geisenheim,
musste 1933 sein Amt niederlegen.
- Georg Bela Pniower (1896-1960):
Einer der bedeutendsten deutschen Gartenarchitekten
im vergangenen Jahrhundert, sozial engagiert, erhielt nach 1933 als
Halbjude Berufsverbot.
Das allgemeine Verhalten der Berufsvertreter war gekennzeichnet von Anpassung, Zustimmung bis zur aktiven Unterstützung. Die meisten Vertreter der beiden Berufsverbände (BDGA und VDG) waren vom Nationalsozialismus begeistert. Allerdings intrigierten ihre Mitglieder noch nach ihrer Aufnahme in die "Reichskammer der bildenden Künste" gegen einander und nahmen Einfluss auf die Aufnahme, die eine Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis war. Fast alle während der nationalsozialistischen Zeit geförderten Berufsvertreter konnten ihre Karriere nach dem Kriege fortsetzen. Ihre bedeutendsten Vertreter waren:
- Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann (1891-1973, in der Praxis nur Wiepking genannt):
- diffamierte bereits 1920 demokratische Gedanken,
- verbreitete nationalsozialistisches Gedankengut,
- übernahm 1934 den Lehrstuhl von Barth,
- Sonderbeauftragter des Reichsführers SS (zuständig für die Landschaftsgestaltung in den eingegliederten Ostgebieten),
- 1943 Vergabe eines Diplomthemas für die landschaftliche Gestaltung
von Auschwitz,
- 1949 Professor für Landschaftsgestaltung in Hannover.
Aussagen:
1940:
"Wer die Lehre von der Gleichwertigkeit der Völker im Osten
vertritt, hat dort nichts zu suchen. Es gab und gibt keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und dem, was den "Sammelnamen "Polen" trägt, oder wir würden die völkische und die
Rassenlehre opfern".
1942:
"Immer ist die Landschaft eine Gestalt, ein Ausdruck und eine
Kennzeichnung des in ihr lebenden Volkes. Sie kann das edle
Antlitz seines Geistes und seiner Seele ebenso wie auch die
Fratze des Ungeistes, menschlicher und seelischer Verkommenheit, sein. In allen Fällen ist sie das untrügliche Erkennungszeichen dessen, was ein Volk denkt und fühlt, schafft und handelt.
Sie zeigt uns in unerbittlicher Strenge, ob ein Volk aufbauend
Teil der göttlichen Schöpfungskraft ist, oder ob das Volk den zerstörenden Kräften zugerechnet werden muß. So unterscheiden
sich auch die Landschaften der Deutschen in allen ihren Wesensarten von denen der Polen und Russen - wie auch die Völker
selbst. Die Morde und Grausamkeiten der ostischen Völker sind
messerscharf eingefurcht in die Fratzen ihrer Herkommenslandschaften".
1943:
Für Wiepking war die Lebensraumbeschaffung für deutsche
Siedler im Osten "die lebensentscheidende Kulturaufgabe der
Gegenwart": "Die gestaltende Tätigkeit reicht weit über die
physischen und organischen Lebensbedingungen hinaus. Die
Deutschen werden als erstes abendländisches Volk in der Landschaft auch ihre seelische Umwelt gestalten und damit in der
menschlichen Geschichte zum ersten Mal eine Lebensform erreichen, in der ein Volk bewusst die standörtlichen Bedingungen
seines leiblichen und seelischen Lebens umfassend selbst bestimmt".
1950:
"Das Landschaftsbild ist der getreueste Ausdruck eines Volkes,
an seiner Ausformung sind alle Leute beteiligt. Es spiegelt seine
Geschichte. Es kann Fratze wie Antlitz sein, immer ist es Ausdruck der Wirtschaft, der Seele und des Wesens des Volkes".
- Werner Lendholt (1912-1980, Wiepkingschüler):
- beteiligt an der Landschaftsgestaltung des "Reichsparteitagsgeländes"
in Nürnberg,
- Generalreferent für Landschaftspflege und Naturschutz im Warthegau
- 1949 Abteilungsleiter für Gartengestaltung an der Höheren Gartenbauschule in Osnabrück (Mitgründer Wiepking),
- 1958 Nachfolger Wiepkings in Hannover.
- Alwin Seifert (1890-1972):
- bereits 1919 in einer "völkischen" Organisation,
- "Führer" der Landschaftsanwälte ("Reichslandschaftsanwalt"),
besondere Zuständigkeit für die Begrünung der Autobahn,
- fanatischer Antisemit,
- bis 1942 Professor für Landschaftsgestaltung an der TU München,
- 1954 erneut außerordentlicher Professor in München.
Seifert war entscheidend für die geistige Einengung der Gartengestaltung verantwortlich. Für ihn war die Gartenkunst auch der Ausdruck
einer politischen Haltung:
1930:
"Mit voller Absicht habe ich den Begriff "Bodenständigkeit" in
die Gartenkunst eingeführt; es kam mir darauf an, in den Kampf,
der zwischen "Bodenständigkeit" und "Überstaatlichkeit" in unseren Tagen auf allen Lebensgebieten entbrannt ist, auch die
Gartenkunst einzubeziehen und für diese eindeutig Farbe zu bekennen".
Bei der Gartenkunst handele es sich um einen "Kampf zwischen
zwei entgegengesetzten Weltanschauungen: Auf der einen Seite
das Streben nach Überstaatlichkeit, nach Gleichsetzung größter
Räume, auf der anderen die Herausarbeitung der Besonderheiten
kleiner Lebensräume, die Betonung des "Bodenständigen". Trotz
der unleugbaren Stärke der international eingestellten Kräfte
scheint für die nächste Zukunft der Sieg sich dem regional bestimmten zuzuneigen. Auch in der Gartenkunst ist Stellungnahme
notwendig. Dass hier der Fortschritt im Hinführen zum Bodenständigen liegt, braucht nicht durch Gefühlsgründe gestützt zu
werden".
- Gustav Allinger (1891-1974):
- verantwortlich für die Eingliederung der Gartenarchitekten in die nationalsozialistischen Berufsstrukturen,
- denunzierte konkurrierende Kollegen,
- 1952 Professor für Landschaftsgestaltung an der TU Berlin.
- Werner Bauch (1902-1983):
- plante "landschaftsgestalterische" Arbeiten für das Konzentrationslager Auschwitz,
- 1950 Lehrbeauftragter, 1952 Professor für Landschaftsgestaltung an
der TU Dresden.
Diese Übersicht zeigt, dass fast alle bedeutenden Lehrstühle in Deutschland nach dem Krieg von überzeugten Nationalsozialisten besetzt waren. Da alle Betroffenen schwiegen, bzw. ihre Vergangenheit verdrängend beschönigten, fand eine Auseinandersetzung mit ihr nicht statt. Dabei ist das Problem nicht so sehr in diesem Verdrängen zu sehen, sondern in dem Umstand, dass durch die einstige Einengung der geistigen beruflichen Spannweite und der nachfolgenden kompensatorischen Konzentration auf die wissenschaftliche Ingenieurstätigkeit, die Gartengestaltung aufhörte auch eine Kunstdisziplin zu sein. Heute ist es in Deutschland so, dass selbst ihre Berufsangehörigen von dieser möglichen Zugehörigkeit nichts mehr wissen.