55. Die Gartenkunst in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg (Zeit des späten Funktionalismus) |
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Vielleicht wird in keinem anderen zivilisierten Land der Welt die Gartengestaltung so wenig als eine eigenständige Kunstdisziplin gesehen wie in der Bundesrepublik. Dafür muss es Ursachen geben.
Bereits zu Beginn des 20. Jhrdts. wurde die Zugehörigkeit der Gartengestaltung zu den Künsten in Frage gestellt, doch war diese Einstellung besonders nach dem Erleben des ersten Weltkrieges in vielen Künsten verbreitet (z.B. bei Mondrian gegenüber der Malerei). Später mit dem Beginn des wissenschaftlichen Gartenbaustudiums und besonders unter den Nationalsozialisten veränderte sich die Blickweise. Das Bodenständige, Handwerkliche erhielt einen Vorrang vor der Kunst. Was deren Normen nicht entsprach, galt als entartet. Negative Zivilisationserscheinungen (z.B. eine geistige Verflachung und die Nivellierung des Geschmacks) wurden amerikanischen Einflüssen zugesprochen und ihnen eine Rückbesinnung auf die "deutschen Werte" entgegengesetzt. Wie konnte man nach dem zweiten Weltkrieg unter diesen Umständen das Ruder zurückdrehen, wenn die bedeutendsten Vertreter des Berufsstandes während der Zeit des Nationalsozialismus wieder an den zentralen Entscheidungsstellen saßen. Man tabuisierte einfach die Vergangenheit und konzentrierte sich auf die bisherigen, jetzt entideologisierten Hilfswissenschaften, besonders die Pflanzensoziologie und das Umfeld der Volksgesundheit. Die alten Begriffe wurden entnatifiziert. Aus dem "Lebensraum" wurde die "Raumplanung" und aus der "Landespflege" die "Landschaftsplanung". Die Reinheit des deutschen Volkes wurde durch eine Förderung der Gesundheitspflege des Volkes ersetzt. Mit der Aufrechterhaltung der körperlichen Gesundheit erhielt die Grünplanung wieder ein allgemein akzeptiertes Ziel. Künstlerische Fragestellungen hatten unter diesen Voraussetzungen keinen Rückhalt, da die tragenden geistigen Grundgedanken nicht hinterfragt wurden. Aus den einst konservativen Angriffen der Verschönerungsvereine und des Heimatschutzes gegen die Industriegesellschaft war unter dem Vorzeichen einer Verwissenschaftlichung ihrer Thesen eine Institution ihrer Förderung geworden. Vier Umstände kamen dieser Verwissenschaftlichung entgegen:
Nach dem Kriege kristallisierten sich in Deutschland drei "Schulen" heraus:
Die unmittelbare Zeit nach 1945 wurde zunächst von der Trümmerbeseitigung bestimmt. Bei dem nachfolgenden Neubau wurde in der Regel auf die historischen städtischen Einrichtungen wenig Rücksicht genommen. Die Tiefbauämter wurden zur einflussreichsten Behörde. Das städtische Grün musste verteidigt werden und die jeweiligen Gartendirektoren suchten für dessen Nutzung neue Intensivierungsmöglichkeiten. In der Regel fanden sie diese im Erholungsbereich. Betont wurde der Unterhaltungswert einer Grünanlage. Im privaten Bereich begannen nach der zweiten Hälfte der 50er Jahre unter dem Einfluss der Bornimer Schule die Ziergärten die Nutzgärten zu verdrängen.
50er Jahre:
(Die gartenkünstlerische Reflexion erreicht ihren Tiefpunkt. Der Begriff "Gartenkunst" wurde durch die Bezeichnung "Landschafts- und Freiraumplanung" ersetzt).
Die unmittelbare Nachkriegszeit stellte sich dar als eine Zeit der Rückbesinnung (Bornimer und Stuttgarter Schule) oder eine Zeit der Verdrängung (Hannoversche Schule). Für die letztere Haltung wurden alle Wissenschaften hilfreich, die sich funktional einsetzen ließen. Die weiterführende Ausbildung der Gartengestalter zielte auf den Ingenieur und nicht mehr auf den Künstler. Die Arbeit konzentrierte sich auf das Technisch-Funktionale, bereichert um einige modische Linienführungen oder Accessoires. Das Ergebnis war, dass zunächst der Wiederaufbau im Rahmen des Notwendigen erfolgte und dann, an dessen Stelle, im Laufe der Zeit zunehmend ein repräsentativ-dekorativer Garten trat, oft chaotisch überfüllt und voller teuerster Materialien. Im Gegensatz zum Rationalismus stellt der Funktionalismus kein ästhetisches Prinzip dar, sondern ist allein eine Arbeitsmethode, bei der die Gestaltung eines Objektes sich aus der Aufgabe und der Art des verwendeten Materials ergibt. Er konzentriert sich besonders auf die physikalischen und physiologischen Eigenschaften einer Aufgabe. Beim Rationalismus werden die zu gestaltenden Dinge aus ästhetischen Gründen auf ihre Grundformen reduziert (z.B. Kreis, Quadrat, Dreieck). Das Ziel des Funktionalismus ist die optimale Funktion. Im Gegensatz zur klassischen Moderne der 30er Jahre hatte er jetzt seinen geistig-sozialen und kommunikativen Aspekt verloren und war deshalb zu einem Vulgärfunktionalismus verkommen. Ein Ergebnis dieses Funktionalismus war u.a. eine neue Art der Bepflanzung. Hervorgegangen war sie aus der "bodenständigen Bepflanzung" des Nationalsozialismus. Sie korrespondierte in der damaligen Zeit mit der gerade sich entwickelnden Ökologie und den dortigen Vorstellungen von Pflanzengemeinschaften und ihren Hierarchien. Wissenschaftlich führten die dabei anfallenden Arbeiten zur Vegetationskunde, zur Pflanzensoziologie. In der Gartengestaltung wurden die Pflanzen jetzt Gestaltungsräumen zugeordnet (z.B. Sonneneinstrahlung, Wasserverfügbarkeit) und nach ihren Funktionen unterteilt (z.B. Bodendecker, Kletterpflanzen). Diese Entwicklung stärkte die gärtnerischen Positionen. Die größten Effekte wurden entweder mit der Zusammenstellung ähnlicher Pflanzen im Wuchs, in der Textur oder Farbe oder in gegensätzlichen Eigenschaften erzielt. Die einzelnen Gartengestalter unterschieden sich hauptsächlich nach ihren pflanzlichen Vorlieben. Ursprünglich hatte das "Prinzip der Bodenständigkeit" ideologisch auf die Wiederherstellung einer vergangenen, zivilisatorisch geformten Natur gezielt. Jetzt war sie ein standortbezogenes Dekorationsmittel geworden, gelenkt von einer kommerziellen Orientierung an einem Massengeschmack. Für die Gartenkunst in Deutschland bis 1968 wurden drei herausragende Ereignisse bedeutend:
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