Ende der 60iger Jahre schieden die noch vom Nationalsozialismus beeinflussten Landschaftsarchitekten langsam aus ihrem Arbeitsleben aus. Die wichtigsten Entscheidungspositionen waren inzwischen von funktionalistisch orientierten Akademikern besetzt. Es ist vielleicht kennzeichnend für die Folgezeit, dass eine der damals wichtigsten gestalterischen Einzelpersönlichkeiten Hans Luz von keiner Hochschule kam, sondern nur bei Haag und Valentin gelernt hatte. Eine Zeit gartenkünstlerischer Stagnation setzte ein (ca. 1968-1990). Zwar hatte es seit den 50iger Jahren oft eine formale Übernahme der architektonischen Elemente der Moderne stattgefunden, doch damit verbunden keine geistige Auseinandersetzung.
Noch bis in die 80iger Jahre war die Schaffung von Privatgärten die wichtigste Aufgabe der Landschaftsarchitekten gewesen. Mit der Hinwendung zum Konsum nach der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs waren diese hauptsächlich dekorativ-repräsentativ orientiert. Beliebt wurden Motive aus englischen Gärten der Vorkriegszeit. Die pflanzenorientierten Idealisten wandten sich oft den Naturgärten zu. Die allgemeine gartenkünstlerische Verarmung fiel relativ wenig auf, weil die Zahl der gestalteten Gärten immer relativ klein gewesen war, die Gartenkunst inzwischen aus dem künstlerischen Blickfeld geraten war und der Tätigkeitsbereich der Landschaftsarchitekten sich stark erweitert hatte. In den 70iger und 80iger Jahren wurden die Sport- und Schulanlagen zu ihren wichtigsten Arbeitsfeldern und danach in den 90igern die Grünanlagen der Verwaltungsgebäude, Banken und Industriebetriebe. Neben den Aufgaben der Wohnraumverbesserung, den Verkehrsbauten und Rekultivierungsprojekten waren ihre klassischen künstlerischen Aufgabenbereiche wirtschaftlich relativ unbedeutend geworden.
In den 70iger Jahren setzte die Kritik gegen den Vulgärfunktionalismus ein. Eine ökologisch orientierte Gruppe hatte sich dem Naturgarten zugewandt und eine zweite war lange Zeit unsicher. Um 1990 entstanden dann, angelehnt an die damals führenden Architekturstile, zwei gartenkünstlerische Strömungen, die sogenannte "Postmoderne und die "Neue Moderne". Da die Ökowelle inzwischen ihre Bedeutung verloren hatte, konnten sie stärker beachtet werden. Inzwischen hatte man auch angefangen, die nationalsozialistische Tätigkeit vieler Gartengestalter und deren Arbeiten nach dem Kriege zu hinterfragen (Gröning, Wolschke-Buhmahn),hatte Deutschland 1990 seine Wiedervereinigung erreicht und war 1993 die Europäische Union gegründet worden. Die Zeit des schnellen medialen Informationsaustausches setzte ein.
Die erste bedeutende Gegenbewegung gegen die Funktionalisten kam von den "Postmodernen" (Postmoderne = die Zeit der Moderne ist abgelaufen). An die Stelle des Gesellschaftlichen trat zunehmend eine Hinwendung zum Individuellen. Die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse bekam einen höheren Stellenwert. Verbunden damit war eine stärkere Hinwendung zur Tradition und zur emotionalen Aussage. Versatzstücke der Gartenkunst wurden neu arrangiert. Vormoderne Elemente wurden wiederentdeckt. Die funktionale Reinheit wurde verlassen. Die ersten bedeutenden Bauten im neuen Stil in Deutschland lieferte die Architektur:
- 1982 - Museum am Abteiberg (Mönchengladbach, Hans Hollein),
- 1984 - Staatsgalerie Stuttgart (James Stirling).
In der Gartenkunst wurde der "Parc de la Vilette" (in einem Pariser Vorort, 1982, geschaffen vom Architekten Bernhard Tschumis) sehr einflussreich. Mit ihm hatte man eine 70 ha große Industriebrache kultiviert.
Mit der Postmodernen wandte man sich gegen:
- den verabsolutierten Funktionalismus der Moderne,
- seine internationale Gleichmacherei,
- seine Vernachlässigung der menschengemäßen Maßstäbe und Bedürfnisse.
An Stelle dessen forderte man:
- eine (erschwingliche) Architektur nach den Bedürfnissen der Menschen,
- eine Bejahung der gestalterischen Vielfalt,
- Freiräume für die Entfaltung der Individualität,
- eine Aufwertung des Ästhetischen,
- eine Erkennbarkeit der verwendeten Materialien,
- eine neue Erlebbarkeit der urbanen Räume,
- eine Wiederherstellung der baulichen Beziehungen zum geschichtlich Gewachsenen.
Oft griff man deshalb auf historische Stilelemente zurück und verwandte sie collageartig in seinen Bauwerken. Mit diesem Stil erfolgte eine erneute Rückkehr zum historischen Eklektizismus.
In der Gartenkunst griff man auf Elemente aus der historischen Gartenkunst zurück. Besonders in Gartenschauen wurden additiv Teile aus dem Barock und dem Landschaftsgarten beliebig zusammengebracht. Wichtig allein war deren Gefallen bei den Besuchern. Die wichtigsten Kriterien waren:
- die Verwendung archetypischer Gartenelemente,
- das Aufgreifen des "Wertes eines Ortes", seine Definition
(Den "Genius loci" auf seine natürlichen Gegebenheiten und die auf ihn erfolgten kulturellen Einflüsse untersuchen, ihm einen Charakter geben, bzw. seinen zurückgeben. Zusammenhänge herstellen und ihn zur Umwelt öffnen oder schließen. Seine historischen
Spuren deutlich machen und seinen Brüchen Harmonien gegenüberstellen. Der Garten
wurde zur Interpretation eines Ortes).
- Schaffung fragmentarischer Beziehungen
(Oft über mehrere geistige Ebenen. Aus einer Situation auf die Gegenwart Bezug nehmen
. Die Gartenkunst wurde damit zu einer kulturellen Weiterentwicklung eines Standortes).
- Schaffung verschiedener Kommunikationsebenen.
(Das Gelände, die Erde wurden zu Kommunikationsträgern. Die Anordnung der verschiedenen Elemente auf ihnen erlaubten einen Ort neu zu sehen. D.h., so zu sehen, wie
er uns als Individuen in unseren Bedürfnissen entsprach. Das Kommunikationskriterium
war besonders für öffentliche räume wichtig).
- eine Individualisierung
(Dabei wurde für das Handeln die Struktur als Rahmen wichtig).
- das sinnliche Erleben der Gartenräume.
- die Zusammenfassung der Gestaltungselemente unter einer künstlerischen Idee zu einer identitätsstiftenden Einheit.
- offen lassen der Ergebnisse
(Den Nutzern evtl. eigene Gestaltungsmöglichkeiten einräumen. Der Natur offene
Möglichkeiten gewähren. Dabei natürliche Prozesse und den Verfall in die Überlegungen einbeziehen).
(Die technischen Funktionen waren in jedem Fall sicherzustellen)
Im postmodernen Garten kam es zu einem Dialog traditioneller und moderner Elemente, einer individuellen Verwendung von Pflanzen und Materialien. Ausgegangen wurde vom Charakter und der Geschichte eines Ortes. Sie gaben dem Garten sein Grundprofil und erlaubten einen stimmigen Umgang mit ihm. Die geschaffenen Räume waren sinnlich zu erleben. Dabei war die Pflanze eines der wichtigsten Mittel die Sinne anzusprechen (als Körper, als Farb- und Duftträger) und die Natur in ihren Rhythmen zu erleben.
Der vielleicht wichtigste Vertreter dieses Stils in Deutschland ist Peter Latz (geb. 1939, Prof. in Weihenstephan). In seine Gärten fließen auch stark Überlegungen aus dem Naturgarten ein. Man kann sie evtl. zu den Ruderalgärten zählen. Gelegentlich wurden sie der Land Art nahe gestellt. Für ihre Erfahrung ist es wichtig, sie in ihren verschiedenen Strukturen zu sehen, z.B.:
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Hafeninsel Saarbrücken (1980/89, früherer Kohlehafen, dann Schrottplatz, 9 ha)
- im historischen Bezug (Industriereste),
- zum städtischen Erschließungsnetz
(in Verbindung mit Blickachsen),
- zur bestehenden Trümmerflora,
- als öffentlicher Garten.
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Landschaftspark Duisburg-Nord (1991/2000, früheres Stahlwerksgelände, 200 ha)
- der Wasserpark aus Kanälen und Sammelbecken,
- die Verbindungspromenaden,
- die Nutzungsfelder,
- der Bahnpark mit Hochpromenaden.
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Latz geht von der Interpreatation eines Ortes aus, vom Vorgefundenen. Daraus entwickelt er eine neue "Naturkonstruktion", die sich offen weiterentwickeln soll. Ein Garten ist für ihn ein kultureller Auftrag und in gesteigerter Komplexität Gartenkunst. Die Kunst ist dabei eine seiner Interpretationssprachen. Die allgemeine Kritik gegen die Postmoderne
- Hängenbleiben in historischen Formen,
- Vergangenheitsbezug,
trifft auf ihn bezogen nicht zu.
Die zweite Strömung in der Gartenkunst seit etwa 1990 in Deutschland ist die "Neue Moderne" oder "Minimalistische Gartenkunst". Sie versucht an den "Internationalen Stil" als einem Ausdruck der Moderne wieder Anschluss zu finden, d.h., neben der Funktion wieder die Ästhetik zu betonen, den Anschluss, der nach 1950 nicht gelungen war. Auch hier spielt die Auseinandersetzung mit dem "Ort" eine wichtige Rolle. Ästhetische Lösungen werden mit sozialen und kulturellen Gegebenheiten in eine Verbindung gebracht, die inhaltliche Aussage mit der formalen in Übereinstimmung. Aspekte werden aufgegriffen und mit Hilfe verschiedener Materialien zu einer thematischen Aussage verbunden. In der Architektur stehen für die "Neue Moderne" Ungers, Norman Forster und Richard Meyer. In der Gartenkunst ist eine starke architektonische Linienführung
wieder gefragt. Die Reduktion wird zu einem wichtigen Gestaltungsprinzip. Das Elementare ist besonders herauszuarbeiten.
Die großen Vorbilder sind:
- Isamu Noguchi (1904-1988, amerikanisch-japanischer Bildhauer):
Er hatte besonders in den 80iger Jahren einen großen Einfluss auf die Gartengestaltung. Durch ihn kamen japanische Gestaltungsprinzipien in die westliche
Gartenkultur. Räume sah er als Gärten, die er mit minimalen Mitteln symbolisch
auflud. Die Gärten wurden dadurch zu Skulpturen. Ihre Hauptmerkmale waren
Schlichtheit, Andeutungen und Asymmetrie. Er besaß ein ausgesprochen skulpturales Raum- und Proportionsempfinden.
- Luis Barragan (1902 - 1988, mexikanischer Architekt):
Er betonte mit seiner Geradlinigkeit eine minimalistische Ästhetik. Seine Arbeiten waren schlicht und elegant. Seine einfach gestalteten Flächen bestanden aus
einem klaren Zusammenspiel von Farben und Proportionen.
- Roberto Burle Marx (1909 - 1994, brasilianischer Maler):
Während seines Kunststudiums in Berlin hatte er im Botanischen Garten von
Dahlem die Schönheit der Pflanzen seiner Heimat entdeckt. Mit Hilfe dynamischer Formen, Steine und Wasser schuf er dreidimensionale Gebilde größter
naturnaher Intensität. Die Klarheit seiner Flächen entstand durch eine kurze
Linienführung und scharfe Begrenzungen, die Aussagekraft seiner Höhengestaltung durch eine deutliche Höhenstaffelung und der pflanzliche Ausdruck
durch die Beschränkung auf wenige Pflanzenarten. Seine Gärten haben immer
den Charakter moderner Gemälde. Geometrische Abstraktionen gehen in natürliche Formen auf.
Daneben haben noch zwei Kunstrichtungen eine großen Einfluss gehabt:
- Land Art (besonders im Bereich der gartenkünstlerischen Postmoderne):
Sie hat einen starken Bezug zum Umweltschutz und liebt u.a. Erdskulpturen und
Steinkonstruktionen.
- Minimal Art (besonders in der "Neuen Moderne"):
Sie reduziert ihre Formen auf wenige Elemente. Dadurch unterliegt sie einem
Zwang zur Logik und zur Selbstdisziplin.
Die wichtigsten Kriterien für die Neue Moderne in der Gartenkunst sind:
- Rationalität (bei gleichzeitiger Zulassung von Gefühlen). Dabei spielen folgende Werte eine besondere Rolle:
- Wahrheit (dem Material und der eigenen Person gegenüber),
- Authentizität (für die jetzige Zeit stehen),
- Mannigfaltigkeit (Zusammenbringen von Unterschiedlichem),
- das Herausstellen der Identität eines Ortes (z.B. seiner Geschichte),
- die Proportionen im Raum (zu einander, zu den Fluchtpunkten),
- die Verwendung moderner Materialien (Metalle, Kunststoffe).
Ihr wichtigster Vertreter, der in Deutschland viel arbeitete, war Dieter Kienast (1945-1998, Schweizer). Er sah in der Erneuerung der Gartenkunst ein primär inhaltliches Problem. Für ihn war der Garten ein Bedeutungsträger, der Ausdruck eines Zeitgeistes. Bedeutsam für ihn waren:
- die "Authentizität eines Ortes",
- die Beschränkung auf wenige Elemente, um die Lesbarkeit einer Situation zu erleichtern,
- kein Verstecken von Künstlichem,
- eine inhaltliche Komplexität zu einer formalen Einheit zu bringen,
- die Betonung des Raumerlebnisses (anstatt ihn zu dinfinieren),
- die Kultivierung von Brüchen (dadurch die Schaffung von Spannungen und sinnlichen Bezügen),
- eine anspruchsvolle Pflanzenverwendung (oft wird der gestalterische Umgang mit Pflanzen nicht beherrscht).
Gärten von Kienast in Deutschland, u.a.:
- 1998 - Kurpark in Bad Münder (Deister, bei Hannover),
- 2000 - Freiräume für die "Expo 2000", Hannover,
- Gunthersburgpark, Frankfurt,
- Berliner Park am Moabiter Werder,
Vielleicht traditionsbedingt durch den vergangenen Funktionalismus haben wir z.Z. in Deutschland im Bereich der "Neuen Modern" mehrere gute Landschaftsarchitekten, die teilweise zeitweise im Ausland studiert haben
(u.a. Gustav Lange und Hans J. Loidl in Kopenhagen). Hierher gehören auch Gabriele Kiefer, Cornelia Müller und Jan Wehberg. Berlin wurde nicht nur zur neuen deutschen Architekturszene, sondern auch zu einem neuen Zentrum der neuen Gartenkunst.
Wie die Entwicklung weitergehen wird, kann niemand sagen. In der Architektur werden z.Z. die bedeutendsten Arbeiten im Stil des Dekonstruktivismus geschaffen (z.B. das Jüdische Museum von Daniel Libeskind in Berlin)). In der Vergangenheit folgte die Gartenkunst einer solchen Entwicklung zehn bis zwanzig Jahre später. Mit Hans Dieter Schaal besitzt sie zwar einen Künstler, dessen Bühnenbilder diesem Stil zugerechnet werden, dessen gärtnerische Arbeiten ihm aber noch nicht zuzuordnen sind. In diesem Stil würden innere Befindlichkeiten äußerlich zum Ausdruck gebracht. Kennzeichnend für ihn wären expressionistische Züge.