8. Das Sinnliche (Erotische) in der römischen Gartenkunst | ||||
In Mesopotamien war die Verehrung des Baals und der Astarte mit einem Baumkult und erotischen Handlungen verbunden. Der Granatapfel gehörte zum Mythenkreis der Göttin. Seine vielen Samen galten als Ausdruck der Fruchtbarkeit.
Auch die Mythen um die zyprische Aphrodite lassen sich auf die orientalische Astarte zurückführen. Aphrodite galt als das Urbild weiblicher Schönheit, als Göttin der Liebe, Fruchtbarkeit und Vegetation. In ihrer Figur vereinigten sich altägyptische, vorderasiatische und griechische Traditionen. Sie galt einerseits als die Beschützerin der Gärten und Gärtner und andererseits einfach als Symbol für den Geschlechtsgenuss (ohne eine sittliche Begrenzung). Die ihr gewidmeten Frühlingsfeste endeten wahrscheinlich in sexuellen Fruchtbarkeitsorgien. Viele Mysterien um Zeugung und Geburt sind mit ihrem Namen verbunden. Zwischen Koitus und Natur bestand eine magische Gleichsetzung. Noch heute werden Pflanzenprodukte mit einer erotischen Wirkung als Aphrodisiaka bezeichnet. Öffentliche Feste, die oft von Geheimkulten getragen wurden, spielten in der Antike eine große Rolle. Eine besondere Bedeutung besaßen dabei die Baccanalien zu Ehren des Bacchus (Dionysos), ursprünglich einem trakischen Vegetationsgott, der besonders im nachhomerischen Griechenland zum volkstümlichsten Gott wurde. Er war der Gott des Weines, der veredelten Bäume (des Obstes), ein Beschützer der Gärten. Versinnbildlicht wurde er durch die Weinrebe, die Eiche, die Feige und Pinie. Seine Begleiterinnen, die Mänaden trugen einen Stab, dessen Ende ein Pinienzapfen schmückte. Bacchus wurde der Nacht zugeordnet. Seine männlichen Begleiter waren die (jüngeren) Satyrn und die (älteren) Silenen. Sie besaßen tierische Attribute (Schwänze, Hufen) und verkörperten die animalisch-naturhafte Seite des Lebens. Priapus, der Beschützer der Gärten, war ein Sohn des Bacchus. Die römische Kultur vereinigte in sich griechische, orientalische und ägyptische Elemente. So huldigten mehrere römische Kaiser dem Isiskult (Calligula, Claudius, Nero und besonders Caracalla). Seit den Ausgrabungen in Pompeji wissen wir von den vielseitigen sexuellen Bezügen der römischen Kultur. Die dortigen Gärten wurden gerne mit Figuren aus dem Umkreis des Bacchus geschmückt, mit Nymphen, Satyrn, Silenen, Pan und Priapus. Priapus schützte die Nutzgärten vor Dieben und Vögeln. Als Sohn wird er verschiedenen Göttern zugeschrieben: u.a. Dionysos, Hermes, Adonis und Zeus. Gekennzeichnet ist er durch seine Hässlichkeit (seine Mutter Aphrodite soll ihn deshalb als Sohn verleugnet haben) und einem übergroßen, versteiften und rot gestrichenen Glied. In Hainen wurde er gerne als Herme aufgestellt. Die von ihm zu schützenden Gärten waren nur schwach eingezäunt und kaum künstlerisch gestaltet. Sie waren der von den Dirnen bevorzugte Ort zur Befriedigung ihrer Kunden. Als Strafe vergewaltigte er die Diebe. Der römische Garten wurde als Teil der Natur empfunden. Und zur Natur gehörte auch die Sexualität, so dass zwischen Garten und Sexualität eine sehr enge Beziehung bestanden. Dies war auch einer der Gründe, weshalb das frühe Christentum für tausend Jahre die bereits hoch stehende Gartenkunst verdrängen konnte. Um der historischen Situation gerecht zu werden, muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Vorstellung von Sünde in Verbindung mit Sexualität den Römern völlig fremd war und so erst von den Christen gesehen wurde. Für den antiken Menschen besaß die Sexualität nichts Anstößiges, im Gegenteil, als ein Ausdruck der Natur wurde sie bejaht. Es war dieser sinnliche Aspekt, der die Gartenkunst den frühen Christen anrüchig erscheinen ließ. Das Dilemma des antiken Menschen war, dass er sich einerseits mit Hilfe der Kultur von der Natur abzusetzen versuchte, sie andererseits aber als Teil seines Lebens immer anerkannte. Im Garten unternahm er den Versuch beide Bereiche zu vereinen. Die griechischen Philosophen leiteten diese Entwicklung ein und ihre römischen Schüler führten sie zu einem ersten Höhepunkt. Damit begann die zweite Epoche der Gartenkunst (nach einer zuvor religiös, kultisch motivierten). Für uns heute ist davon übrig geblieben, dass unter allen Künsten die Gartenkunst noch immer die sinnlichste sein kann. |