12. Der Raum, der Ort, der Genius loci | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Gartenkunst ist eine Raumkunst und der Raum ist ihr wichtigstes Gestaltungselement. Damit besitzt sie eine Qualität, die in der Wissenschaft weder die Ökologie besitzt, - sie ist keine gestaltende Raumkunst -, noch die Malerei, der deren sinnliche Möglichkeiten fehlen. Als Raumkunst ist sie eine Disziplin, die von Arrangements lebt und das im Sinne sehr persönlicher Wahrnehmungsbedürfnisse. Sie holt die bedrängte Natur wieder in unser Leben zurück. Dabei ist ihr Ausgangspunkt immer der Ort, an dem wir in ihr Gesicht sehen können. Sie kann zum Mittelpunkt unserer Welt werden.
Zunächst ist es wichtig, zwischen den Begriffen "Raum" und "Ort" zu unterscheiden, bzw. auf deren widersprüchlichen Gebrauch in unserer Sprache hinzuweisen. In der Regel gebrauchen wir den Begriff "Raum" synonym für einen "Ort". Aber einen Ort erfasse ich über meine Sinne, ich kann ihn erfahren, gefühlsmäßig verstehen. Er bekommt damit immer einen persönlichen Charakter und behält diesen auch in den Erinnerungen. Ein Raum dagegen ist das Ergebnis meiner rationalen Vorstellungen. Er ist etwas Abstraktes. Ein Ort ist in sich begrenzt. Er besitzt durch bestimmte Eigenschaften eine Identität, zu der ich mich in eine Beziehung setzen kann, z.B. durch einen Garten. So machte z.B. J.H. Finlay aus einem Ort, indem er in ihn collagenartig Erinnerungsfragmente aus der Kulturgeschichte einbrachte, einen Garten von europäischem Rang.
Der Raum (griech. Topos) In seinem Buch "Mensch und Raum" (1963) hatte Bollnow die Veränderung unseres Weltverständnisses seit der Antike beschrieben. Damals bezog es sich auf einen konkreten, unmittelbaren Raum, während wir heute von einem abstrakten, kosmischen Raumverständnis her denken. Damit veränderte sich aber nicht nur unser allgemeines Weltbild, sondern auch das Verständnis des Inhaltes vieler unserer Überlegungen aus dem Bereich der Metaphysik, der sozialen Theorien, der Architektur oder auch der Ästhetik. Platons Schönheitsvorstellungen waren andere als die traditionell-bäuerlichen. Anders ausgedrückt, unsere mathematisch-physikalischen Raumvorstellungen sind andere als die früher subjektiv erfahrenen. Unsere metaphysische Vorstellungswelt erhielt einen objektiv erlebbaren Rahmen. In der Ontologie (Seinslehre) des 20.Jhs. stand im Vordergrund der Diskussion das Zeitphänomen (u.a. Bergson, Heidegger, Sartre). Die Raumdiskussion geriet dabei ins Hintertreffen. Erst Bollnow (in der Architekturforschung wenig beachtet) schuf eine Raumanthropologie. Er ging in seinen Überlegungen nicht vom kosmologisch ausgedehnten Raum aus, sondern von dem durch das menschliche Siedeln erfahrbaren, von dem über seine existentiellen Grundbedürfnisse Bewegung und Ruhe erfassbaren. Für ihn stand der Mensch selber im Zentrum seiner Raumüberlegungen, sein Erleben in der Beziehung zur Umwelt. Bollnow ging damit von einer zutiefst humanen Grundhaltung aus. Ein Raum wurde früher als etwas klar Begrenztes verstanden (bei Aristoteles z.B. durch die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser, und Erde; dem Feuer nach oben, der Erde nach unten). Es war der Raum der antiken Mythen, während wir in ihm heute seine unendliche Leere sehen (den Weltraum). Die Bedeutung dieses Gesichtspunktes liegt in dem Umstand, dass sie alle unsere Grundorientierungen im religiösen, philosophischen, sozialen und ästhetischen Bereich beeinflusst. Die Raumperspektive ist ein Hauptkriterium unseres Erkennens. Der antike Raum war beseelt. In ihm wohnte jeweils ein Geist (in einem Gewässer, einem Felsen, einem Baum). Bollnow stellte dem mathematisch-physikalischen Raumbegriff die anthropologische Dimension des Raumes gegenüber (in seiner prähistorischen, historischen und völkerkundlichen Dimension) Er orientierte sich am menschlichen Erleben und Verhalten. Der Begriff "Raum" ist vom Verb "räumen" abgeleitet (nach Grimm), dem "Räumen" einer Wildnis, um sich dort niederzulassen, d.h., er war eng auf das menschliche Wohnen bezogen. Bollnow forderte nun eine Rückkehr zu diesem Verständnis. Für ihn war ein Raum nicht von Anfang an da, sondern als sinnliche Wahrnehmung das Ergebnis einer Kultur, der im Rahmen der persönlichen Bewegungen als hodologischer Raum erfahrbar sein musste (hodos = griech. Weg; hodologischer Raum = Erlebnisraum auf dem Weg zwischen zwei Punkten. Grundverschieden vom Weg-Raum, dem mathematishem Raum. Eine geometrische Linie verbindet nur zwei Punkte). Bestimmend für ihn waren die komplementären Gegensätze Spannung und Ruhe, Ferne und Nähe, Weite und Enge, das Fort- und Hinführen, das Unbekannte und Bekannte. Der Mensch sei ein Wohnender und ein Wanderer. Früher war der angestammte Geburtsplatz die Mitte der Welt. Das menschliche Raumbewusstsein vergrößerte sich dann aber mit den Möglichkeiten seiner Wahrnehmung und wuchs mit seinen Bewegungsänderungen. Durch die Abstraktion des Raumes wurde für die Kommunikation zwar eine eigene Objektivität geschaffen - eine Objektivität, die uns in das Großräumige führte, aber zugleich auch von unseren Ausgangsorten fortführte. Damit verloren wir große Teile unserer inneren phylogenetischen Sicherheit und große Teile unserer Selbstidentifikation. Bollnow ging in seinen Überlegungen vom Wohnen als einer grundlegenden Existenzbedingung des Menschen aus. Dabei bietet der Wohnraum einerseits Sicherheit und Schutz, benötigt aber zweierlei
Damit stellte sich Bollnow gegen den Existenzialismus Heideggers und Sartres, gegen das "in die Welt geworfen sein" und setzte diesem die Verwurzelung an einem Ort entgegen, das Zuhause als einem Ort der Geborgenheit. Dabei bezog er sich auf die tierpsychologische Verhaltensforschung (Uexküll, Portmann), nach der Tiere nicht frei in einem Raum existierten, sondern in festen Territorien ihre Schutzbereiche besitzen, in die sie sich zur Ruhe und zu ihrer Sicherheit zurückziehen können. Seine Aussagen bezüglich einer Raumanthropologie sind u.a.:
In der Antike "erlebte" man einen Raum. Er stand zum Menschen in einer Beziehung. In unserer heutigen rationalen Welt wird er dagegen als eine dreidimensionale Größe erfasst, die mit Hilfe objektiver, d.h. kausaler Naturgesetze beschrieben werden kann. Man kann die Änderung am besten erkennen, wenn man sich bewusst wird, dass die großen Tempel und Kirchen, die wir heute wegen ihrer "Klarheit" und "edlen Größe" so lieben, früher oft sehr bunt ausgemalt waren (bis ins Mittelalter hinein). Der Gewinn der heutigen Klarheit geht zu Lasten des einst Mystisch-Mythischen, wie es heute manchmal noch die orthodoxen Kirchen vermitteln. Räume haben Größendimensionen. Sie geben den Bereich an, in dem man sich bewegt (evtl. nur geistig) und den man überblickt. Und sie haben eine gefühlsmäßige Dimension. Wahrscheinlich ist der Mensch biologisch auf bestimmte Räume hin programmiert. Er ist ständig von ihnen umgeben, wird ständig von ihnen beeinflusst. Sie bestimmen seinen gesamten Lebensraum und seine Konzeptionen für sie (die Hauptaufgabe der verschiedenen Zweige der Architektur) sind deshalb für ihn besonders wichtig. Er schafft sich über sie seine eigene Umwelt, bzw. überträgt in sie seine geistigen Dasein-, Orientierungsentwürfe. Damit manifestiert sich in ihnen baulich die Befindlichkeit einer jeweiligen Gesellschaft. Es entsteht ein Wechselspiel. Der Mensch entwirft seine (Lebens-) Räume, und die Räume wiederum prägen den Menschen. Die verschiedenen Bereiche der Architektur definieren sich über den Raum. Er ist ihr Hauptgestaltungsinhalt. Die Architektur schafft mit horizontalen und vertikalen Begrenzungen, Öffnungen und Beziehungen Wahrnehmungswelten, die je nach phylogenetischen Vorgaben, Alter, Vertrautheit und unterschiedlichen Erfahrungen sie unterschiedlich erleben lässt. Daneben spielt die Situation, in der man den Raum erlebt, eine besondere Rolle (z.B. ein Garten bei "schönem" oder "schlechtem" Wetter), seine Verbindung zu angenehmen Gerüchen oder unangenehmen Eigenschaften. Das entscheidende Mittel bei der Gestaltung von Räumen ist der Anteil und die Verteilung der verschiedenen Gestaltungselemente, z.B. Boden, Wasser, Bepflanzung. Erst daraus entsteht das Spannungsverhältnis, das dann für das Raumempfinden bestimmend wird. Als Architekturdisziplin ist die Gartenkunst eine Raumkunst. Sie arbeitet mit drei (evtl. mit dem Zeitfaktor mit vier) Dimensionen, mit einer Fläche und den darauf zu errichtenden Vertikalen. Mit ihren Mauern und Pflanzwänden formt sie ihre offenen und geschlossenen Räume, mit ihren dann verschiedenen Raumaussagen (z.B. repräsentativen, meditativen, heiteren oder spielerischen). Das Raumempfinden kann von ihr beeinflusst werden durch
Unser räumliches Sehen entsteht durch unsere beiden Augen. Erst im Sehzentrum werden ihre Wahrnehmungen zu einem einheitlichen Raumbild verschmolzen. Aber erst durch die Einwirkung von Hell und Dunkel, Licht und Schatten entstehen unsere raumplastischen Bilder. Es ist dies, was die italienischen Gärten und Landschaften bei ihren dortigen intensiven Lichtverhältnissen so auszeichnet (und was uns bei unserem Licht in unseren Gärten nur so schwer zu gelingen scheint. Eine Möglichkeit wäre die Arbeit mit hellen und dunklen Farbwerten). Erfasst wird ein Raum über die Bewegung. Sie erfolgt immer innerhalb eines empfundenen und kulturell vorgegebenen Raum-Zeit-Verständnisses. Dabei war der Raum in der Geschichte in der Regel das vorgegeben zu Erfassende, während er heute zunehmend nur noch als ein Angebot gesehen wird (z.B. in der Landschaftsplanung). Die Raumbildner sind hauptsächlich Gehölze. Durch unterschiedlich hohe Begrenzungen schaffe ich Organisationsmuster und durch meine Bewegungen entsteht ein "Innen" und "Außen", entstehen Beziehungen. Ich kann durch die Art einer Gestaltung das Stehenbleiben fördern oder mich von entfernten Zielen anlocken lassen. Einen Raum wahrzunehmen, bedingt ein Außen, etwas außerhalb von ihm Liegendes und damit eine Grenze zwischen beiden. Je weniger ich diese Raumgrenze empfinden will, umso intensiver muss ich auf die Fläche eingehen. Dabei bringe ich gestaltend im Raum (Garten) Dinge zu einander in Beziehung. Ich verorte mich in ihm, bringe mich mit meinen Bedürfnissen und Vorerfahrungen ein. Dabei setze ich Orientierungspunkte und schaffe über die Gestaltungselemente Proportionsbezüge so, dass wenn ich mich zwischen ihnen bewege, ich mich wohl fühle. Beim Gestalten reduziere ich die Vielfalt der mich umgebenden Welt auf die Welt meiner Sehnsüchte, auf das für mich Wesentliche. Der "reine" Raum ist nur eine abstrakte Vorstellung. Er ist eine leere, ebene Fläche, umgeben von hohen Grenzwänden und dem Betrachter darin. Beim Gestalten bestimmt dieser zunächst seine Beziehungen nach außen, indem er die "Geborgenheit" oder durch ein Öffnen der Grenzen die Freiheit als Stimmungsgehalt betont. Im Raum selber errichtet er dann eine Welt bewusster oder unbewusster Assoziationen. Er kann die Einheitlichkeit einer Fläche betonen (z.B. durch Rasen, Boden- oder Flächenbelegen) oder den Raum untergliedern, Raumfolgen schaffen und dabei Raumabstufungen errichten, die dann nacheinander erlebbar sind. Hilfsmittel können dann die verschiedenen Gestaltungselemente sein (Erde, Wasser, Pflanzen, Mauern, Bodenbelege, Bänke, u.a.), Farben, Helligkeits- oder Strukturunterschiede. Sie alle schaffen bestimmte Stimmungen und Befindlichkeiten. Allerdings sind in einem Freiraum viele Faktoren nicht planbar (z.B. Wettereinflüsse, Tages- und Jahreszeiten und persönliche Befindlichkeiten). In der Kunst wurde der "Raum" im 20. Jh. lange vernachlässigt. Im Vordergrund der geistigen Beschäftigung stand die "Zeit". Alles wurde verzeitlicht bis der einzelne kaum noch die Muße fand zu sich selber zu finden. Man berauschte sich lange an Zukunftsvisionen, an Geschwindigkeiten. Parallel dazu veränderten sich die Raumvorstellungen. Kriege und Mobilität veränderten die Ortsbeziehungen. Den Blut- und Bodenideologen begegnete man zunehmend skeptischer. Doch bereits nach 1945 wurde der Raum für die Denker wieder zum Thema (u.a. Heidegger), und Foucault sprach gar von einer "Epoche des Raumes", wobei er betonte, dass es keine verbindlichen Räume "für alle und alles" gäbe. Die neue Beschäftigung mit dem Raum versuchte der entstandenen Ortlosigkeit entgegenzuwirken. Die Denkansätze dafür waren:
In seinem "Laokoon" unterschied Lessing zwischen Zeit- und Raumkünsten. (in den Natur- wissenschaften hatte Newton Ende des 17. Jhs den dreidimensionalen Raum von der Zeit getrennt, im vergangenen Jahrhundert Einstein sie dann wieder zu einer vierdimensionalen Raumzeit zusammengebracht). Dabei ordnete Lessing die Bildhauerei dem Raum zu. Wie die Raumkunst schuf diese dreidimensionale Körper. Seit der Frühzeit der europäischen Skulptur hatte sie sich bis ins 20. Jh. hauptsächlich am menschlichen Körper orientiert. Seit Polyklet ging sie von den menschlichen Maßen und Proportionen aus. Erst die moderne Plastik löste sich von diesem Paradigma, indem sie
Im Unterschied zur Bildhauerei, die zunächst nur dreidimensional denkt, spielt in der Gartenkunst der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle. In ihm laufen erlebbar ständig Prozesse ab. Früher hat man ihr diesen Sachverhalt als Mangel vorgeworfen. Heute ist dies neben ihrem Sinnenbezug eine ihrer Stärken. Ein Garten besteht aus der Verbindung von räumlichen und zeitlichen Vorgaben. Seine Oberflächen sind oft nur flüchtige Vermittler zum Raum. Eine Folge davon ist, dass die Arbeit mit der Zeit zu einem bedeutendem Gestaltungsgesichtspunkt wird, - letztlich zu einem anarchisch-unberechenbaren, was die Gartenkunst vielleicht zur schwierigsten unter den Kunstdisziplinen macht. Der moderne Bildhauer entkörpert seine Skulptur oft bis auf ihren geistigen Kern, der moderne Gartenkünstler schafft einen naturnahen, "plastischen Ort" durch eine Verschränkung von räumlichen und zeitlichen Determinanten zu einer mehr oder weniger geglückten geistigen Utopie (einem persönlichen Paradiesbild). Zunächst hat ein Raum als abstrakte, rationale Größe kein eigenes spezifisches Gesicht. Das erhält er erst durch die Körper in ihm. Deren dynamische Beziehungen zu einander bestimmen seine Aussagekraft. Dazwischen bewegt sich der Betrachter. Dabei ist ein Garten immer ein für ihn vordefinierter Raum, als Gartenkunst ein vordefinierter geistiger Raum und jeder Ort in ihm ein Standort in der Zeit mit einer eigenen Qualität. Der Verlust der traditionellen Maßstäbe aus der Zeit des architektonischen und des landschaftlichen Gartens und die fehlende Kenntnis, bzw. Auseinandersetzung mit dem lebensreformerischen Erbe haben zur weitgehenden Auflösung der räumlichen Parameter in der heutigen Gartenkunst geführt. Sie werden in der Freiraumplanung durch ideologisch beeinflusste, pseudowissenschaftliche Vorgaben ersetzt (durch ihre enge Bindung zu Wertfragen und ihre Abhängigkeit von ideologischen Setzungen und Moden). Ein Gartenraum muss immer wieder neu geschaffen werden. Durch den häufigen Wegfall von stabilisierenden Faktoren bekommt seine Zeitlichkeit eine besondere Bedeutung. Als Raum spezifischer Relationen und Verbindlichkeiten ermöglicht er eine Vielzahl von Zugängen. Er wird zum Ort eigener Erfahrung, sowohl für den Schöpfer wie für den Betrachter. Er schafft ein spezifisches In-der-Welt-sein, dass im Ideal der phylogenetischen Bedürfniswelt seines Schöpfers entspricht - d.h. der Schaffung "seines" Paradieses. Der Ort Nach Heidegger empfangen Räume ihr Wesen aus Orten. Archytas von Tarent (4. Jh. v. Chr.):
"Da alles was sich bewegt, sich an einem Ort bewegt, liegt es auf der Hand, dem Ort Prioritäten einzuräumen, an dem das, was die Bewegung verursacht, oder das, worauf es sein wird, sein wird.
Vielleicht ist dies das erste aller Dinge, da alles, was existiert, an einem Ort oder zumindest nicht ohne Ort existiert". Joyce (Ulysses): "Orte erinnern Ereignisse". Yi-Fu Tuan: "Wenn ein Raum uns völlig vertraut vorkommt, ist er zum Ort geworden". Dean / Millar: "Am Anfang war der Ort". Es gibt nichts, was außerhalb eines Ortes existiert. Man gehört zu einem, ohne ihn zu besitzen. Er hat Charakter, Qualitäten, Besonderheiten. Man muss für ihn ein Gefühl entwickeln. Einen Raum erfasst man ganzheitlich. Er beinhaltet etwas Unbestimmtes, nicht klar Erfassbares. An ihm hängen Erinnerungen (ohne sie verliert er schnell seinen Reiz). Ohne eigene Qualitäten wird er zum Gelände. Jeder Ort besitzt eine eigene Identität, die er an eine Landschaft weitergibt. Erst über Orte erlangt sie die ihre. Dabei kann ein einzelner Ort wiederum viele Orte in sich aufnehmen. Der Mensch ist phylogenetisch auf bestimmte Orte hin programmiert. Da wir sie immer nur mit unseren Augen sehen können, bekommen diese für uns immer etwas Verwandtes. Durch unsere inneren Bindungen wird ein Ort zur Heimat. Dies erfolgt durch die ersten Wahrnehmungen der Umwelt nach unserer Geburt, aber auch durch unsere inneren Auseinandersetzungen mit einem Ort. Die Heimat ist ein imaginärer Ort der Erinnerungen. Dabei geht unsere Verbundenheit über den sichtbaren Bereich hinaus. Unsere inneren Beziehungen zu einem Ort ändern sich ständig. Ein Ort lässt in einem Menschen das Gefühl der Vertrautheit entstehen. Einen neuen Garten zu schaffen, heißt einen neuen Ort zu schaffen. Ich kann in ihm
Einen Ort zu sehen bedeutet immer eine Reise nach innen. Er besteht aus mehreren zeitlichen Schichten. Seine Beschreibung erfolgt immer über Details, da emotionale Aussagen letztlich sprachlich weitgehend nur indirekt ausgeführt werden können. Dazu gehört u.a. die Kenntnis des "Rahmens" durch den ein Ausführender einen Ort sieht. Indem wir ihn in einem bestimmten Sinne sehen, geben wir ihm seine Identität aus unserem Blickfeld. Indem wir ihn in unserem Sinne gestalten, übertragen wir auf ihn unsere Identität. Der Ort wird zum Ausdruck unserer Identität. Der Garten wird zu ihrem Spiegelbild. Er schafft Assoziationen. Er vermittelt Botschaften. Nach einer vorgefundenen Situation geben wir ihm mit Hilfe der von uns eingeführten Elemente eine neue zusätzliche Dimension. Der "Genius loci" (weitgehend an Robert Josef Kozljanic orientiert) Die Wiederentdeckung der Bedeutung des Ortes für die Architektur haben wir entscheidend dem norwegischen Architekten Christian Norberg-Schulz zu verdanken, der sich lange mit Raumfragen beschäftigt und 1982 sein Buch "Genius loci. Landschaft, Lebensraum Baukunst" geschrieben hatte (1972 bereits "Existenz, Raum und Architektur"). In der Architektur gewann er damit nur einen geringen Einfluss. Seine Vorstellungen gingen in der postmodernen Diskussion unter. In der Gartengestaltung griff aber Peter Latz viele seiner Gedanken in seinem Bürgerpark Hafeninsel (Saarbrücken) auf (Planungszeit 1985-1989. Er war seit 1973 Hochschullehrer an der Gesamthochschule Kassel gewesen und hatte dort die Diskussion um die alternativen Gartenbewegungen voll erlebt. Von 1983 bis 2008 war er an der Universität München-Weihenstephan). Und dieser wurde in der Folgezeit auch in Verbindung mit dem Landschaftspark Duisburg-Nord viel diskutiert. Der Ort, der Genius loci wurde zu einem wichtigen Gestaltungskriterium. Norberg-Schulz hatte in Zürich studiert und baute seit 1971 auf die Untersuchungen des Schweizers Jean Piaget (1896 -1980) über die Entwicklung der Raumwahrnehmungen von Kindern (= ontogenetische Aspekte) und verschiedene sozio-kulturelle Beiträge, besonders die von Heidegger und Bollnow aus. Heidegger hatte die Bedeutung des "Wohnens" für den Menschen aufgezeigt, Bollnow eine ontologische Raumanthropologie vom Siedeln her entwickelt. Darin stellte er dem "in die Welt geworfen sein" Heideggers, die Verwurzelung des Menschen in Orten entgegen. Norberg-Schulz zeigte nun, dass die Genius-loci-Vorstellungen der Römer für uns auch heute noch bedeutsam seien. Nach ihm ist "Wohnen" (im heideggerschen Sinne) nur möglich, wo der Genius loci als Phänomen anerkannt und wo mit ihm schonend und zugleich ergänzend umgegangen wird. Heidegger hatte in seiner Arbeit "Bauen Wohnen Denken"(1951) drei Thesen aufgestellt:
Norberg-Schulz unterscheidet bei einem Raum den "natürlichen Ort", in dem man sich das eine Mal durch die Inbeziehungsetzung seiner Kräfte orientiert (z.B. an den Bergen, dem Wasser oder der Vegetation) oder das andere Mal abstrakt mit Hilfe rationaler kosmischer Ordnungsvorstellungen (z.B. Himmelsrichtungen). Der "Geist" dieser natürlichen Orte habe drei verschiedene Ausprägungen:
In seinem Buch "Genius loci. ----" (1976, dt. 1982) beklagte Norberg-Schulz den "Verlust des Ortes" und gab mit seiner Kritik an der Moderne in der Architektur (besonders an Mies van der Rohe) hauptsächlich der Gartenkunst einen neuen Orientierungsansatz. Ohne die Auseinandersetzung mit seinen Thesen (selbst wenn man deren Herkünfte nicht kennt oder nicht nennt) ist die gesamte neuere Landschaftsarchitektur nicht zu verstehen. Das gilt von Peter Latz, Adriaan Geuze bis zu Gabriele Kiefer. Für Norberg-Schulz scheint das Vorhandensein eines Genius loci von der Anwesenheit von Menschen abhängig zu sein. Kritisiert wird an ihm, dass er die Genius-loci-Welt normativ sieht. So soll bei ihm der Charakter einer Wohnung auch im 20.Jh. noch das "Schutz-bietende" sein, ein Büro durch seine "Praktikabilität" und die Kirche durch ihre "Feierlichkeit" bestimmt werden. Der Genius loci ist nicht der Ausdruck der Eigenschaft einer Lebenswelt sondern der einer erlebten Sachlichkeit, der abhängig von Standort eines Betrachters ist. Er glaubt, dass die Entmenschlichung in unserer Zeit mit der Entmensch- lichung des Raumes in einem Zusammenhang steht. Der Begriff "Genius loci" verweist auf den Geist eines Ortes. Gebraucht man ihn, dann kann er auf ganz verschiedene Inhalte verweisen.
"Die Palette dessen, was Genius loci sein soll, reicht dabei von der rein
metaphorischen und rhetorischen Bedeutung des Wortes, über die geschichtliche
eines an einem Ort erscheinenden "Zeitgeistes" und eines soziokulturell konstruierten
"Ortsgeistes", ferner über die Bedeutungen von ökologischen, ästhetischen und
synästhetischen Qualitäten von Orten, bis hin zu ortsgebundenen "Energiefeldern"
und "ortsansässigen" Naturgeistern" (Kosljanic).
Dass er in der letzten Zeit eine so große Bedeutung für uns gewonnen hat, scheint einem tiefen menschlichen Bedürfnis zu entsprechen - geboren aus der zunehmenden Heimatlosigkeit des modernen Menschen.
In der Antike verband man jeden Ort mit einem Geist (griech. "daimon", römisch "genius"). Bei Eingriffen (z.B. Lichtungen) brachte man ihm ein Sühneopfer, um ihn gnädig zu stimmen. Gelegentlich besaß man dafür sogar einen eigenen Altar. Nach Prudentius gab es "keinen Winkel ohne einen Genius". Zunächst war er nur an einen Ort gebunden und damit klar abgrenzbar und charakterisierbar gewesen. Später wurden ihm auch Funktionen zugesprochen (z.B. die eines Schutzgeistes des Hauses oder des Ackers). Er war dann in erster Linie zunächst an seine Aufgabe und erst in zweiter Linie mit dem Ort verknüpft. Im Laufe der Zeit verlagerte sich dann der Begriff vom Individuell-Örtlichen völlig zum Allgemein-Funktio-nalen und ein Teil seines einstigen Inhalts ging verloren. In dem Begriff "Genius loci" der Antike kommt besonders das Angemutetwerden der Menschen von einem Ort zum Ausdruck. Der archaische Mensch ordnete sich dabei in die Natur ein. Sie war für ihn beseelt. In den Bäumen, den Gewässern oder Felsen wohnte ein Geist. Jeder Eingriff in eine gegebene Situation orientierte sich am Vorgefundenen und stärkte nur die zuvor gemachten Erfahrungen. Später wurde der archaische Volksglaube von dem panhellenistischen, olympischen Götterglauben ohne Brüche überlagert. Es war kein Zufall, dass man nun dessen Tempel an den vorher schon verehrten, landschaftlich herausragenden Orten aufgestellt hat. Im antiken Menschen weckte ein "göttlicher Ort" ein "göttliches Gefühl". Ihn mutete dabei das Geheimnisvolle eines Ortes, das Staunen erregende, die Erhabenheit alter Bäume oder ein schauerregender Ort an. Er weckte in ihm ein Gefühl der Ehrfurcht, der Geheimnishaftigkeit oder des Grauens - d.h. er löste in ihm eine Stimmung aus - er sprach mit ihm (diese Art eines archaisch-mythischen Erlebens ist uns heute nur noch begrenzt möglich). Man unterschied zwischen ländlichen und städtischen Genius-loci-Stätten:
Der archaisch-mythische Ansatz baute auf "naturreligiöse" Vorstellungen, wie sie oft in "schamanisch-archaischen" Kulturen vorkommen. Ihm folgten dann die olympisch-mythischen Überformungen. Die olympischen Götter rückten ins Bewusstseinszentrum als eine von der griechischen Oberschicht getragene antik-mythische "Hochreligion" (= "homerische Religion"). Sie war panhellenistisch orientiert. Die Lokalkulte blieben aber bestehen. Sie wurden nur von ihrem bisherigen ersten Platz verdrängt. Damit auch das Genius-loci-Konzept als solches. Über dem ortsgebundenen Gott (Daimon) standen jetzt nur die ortsübergreifenden olympischen Gottheiten. Diese waren für die antiken Menschen sozusagen Landschaftsgötter. Man erlebte sie als ortsübergreifende Atmosphären. Bei Eingriffen in die Landschaft hielt man sich ehrfürchtig zurück, fügte sich in sie ein, bzw. ordnete sich ihr unter. Mit dem Aufkommen des Christentums veränderte sich der Inhalt des Genius-loci-Begriffes. Es kommt zu einer Spaltung zwischen dem als heilig akzeptierten Wallfahrtsort und dem dämonischen Ort des Volks- (Aber-)glaubens - dem Ort der Verehrung und dem einer Verteufelung. Die alten heidnischen Kultstätten wurden zerstört, mit Kirchen überbaut und Heilige übernahmen die Rolle des früheren Lokalgottes. Durch den starken geistigen Bezug des Christentums, seine Forderung nach einer Weltüberwindung und seine Sinnes- und Körperfeindlichkeit gingen die alten mythischen Bezüge mit ihrer Sinnes- und Körperfreude und ihrer undogmatischen Vielheit verloren - allerdings oft nur für deren intellektuelle Oberschicht, während das breite Volk weiter seine Ortsheiligen anrief. Das "Heilige" eines Ortes ging verloren. Der Inhalt des Wortes "numinos" (= göttlich) wird gespalten in dämonisch (= teuflisch) und heilig (= wunderbezogen). Man bewertet jetzt einen Ort moralisch. Die "Genii Locorum" galten jetzt als teuflisch und bekämpfendswert, während die Lokalheiligen der Heiligenverehrung dienten - die einen bestimmten stark den verurteilten Volksglauben (u.a. Verurteilung als Spukorte) der bäuerlichen Lebenswelt, während die anderen als Wunderstätten (z.B. Wallfahrtsorte) angesehen wurden. Das zuvor Gewesene wird völlig aufgelöst und in eine neue Form gebracht. Die alte mythische Schicht wird unterdrückt und überbaut. An die Stelle eines Quellheiligtums wird jetzt z.B. eine christliche Kirche gebaut, an die Stelle der gefällten Eichen werden jetzt Linden gepflanzt. Das frühe und mittelalterliche Christentum spaltete das Daimonische in einen negativen und positiven Bereich, einen Dämonischen und einen von der Heilslehre getragenen. Während der Reformationszeit wird dann im protestantischen Bereich die Heiligenlehre ganz aufgegeben und die zuvor heiligen Stätten entweiht. An der Existenz eines Teufels wird dagegen von allen weiter geglaubt. So werden z.B. die Hexenverfolgungen besonders in reformierten Gegenden weiter getätigt. Erst mit der Aufklärung verliert dann auch das Dämonische allmählich seinen Einfluss. Gleichzeitig erfährt das antike Genius-loci-Konzept eine Wiedergeburt. Als künstlerischer Inhalt wird dem Geist eines Ortes wieder eine ästhetische Bedeutung zugesprochen. Einerseits löst sich die Kunst aus dem Sakralbereich, andererseits überträgt sie auf die Natur einen ästhetischen Inhalt. Für Petrarca (1307) wird sein Aufstieg auf den Mont Ventoux zu einer zentralen Lebenserfahrung. Er vergleicht den Weg zum Gipfel mit seinem Lebensweg hin zum ewigen Leben und den Gipfel selber als dessen Ziel. Erst über die Wahrnehmung seiner selbst erlebt er auch den Ort, die Landschaft, und das bewusste Erleben der Natur steht damit am Anfang des auf sich bezogenen modernen Menschen, der die Natur als einen außer ihm stehenden ästhetischen Wert erlebt. Der konkrete Ort wird zum Inhalt einer subjektiven Projektion. Nach Jacob Burckhardt haben die Humanisten die Landschaft als erste ästhetisch wahrnehmen können. Boccaccio erwartete von der Natur, dass sie
"besänftigt den Sinn,
sammelt aber offenbar auch den Geist und
führt der schöpferischen Kraft, wenn sie ermattet, neue Kräfte zu und
erfüllt sie mit heftiger Sehnsucht, über Erhabenes nachzudenken".
Es sind hier zwei Übertragungsrichtungen zu sehen:
Während der Zeit der Aufklärung wurde ein Ortsgeist verneint. Ein Ort besaß seine Bedeutung, seinen Charakter allein über die Tätigkeit der Menschen. Man setzte sich über die natürlichen Gegebenheiten hinweg und plante z.B. einen Garten allein mit Hilfe geometrischer Koordinaten (typisch dafür waren die Barockgärten). Man sah jetzt die Natur allein als ein Phänomen, das naturwissenschaftlichen Gesetzen folgte. Die Entzauberung des überlieferten Genius-loci-Begriffs erfolgte über vier rationale Reduktionsschritte:
Während der Aufklärung war der Naturbezug ein naturwissenschaftlich bezogener und ein auf den Nutzen hin orientierter. Ein Ort wurde mathematisch und naturwissenschaftlich erfasst, und der Mensch selber stellte sich mit seiner Technik über ihn. Er wurde zu einer "Planfläche" reduziert, seine bestehenden Eigentümlichkeiten möglichst beseitigt. Er wurde zu etwas "Neuem" verplant. Es herrschte ein radikales Überbauungsverhältnis. Die Entwicklung des menschlichen Natur-, Ortsbezuges lässt sich damit verkürzt folgendermaßen darstellen: Der
In der Romantik machte sich dann wieder ein Interesse am Genius loci bemerkbar. (Viele seiner Gedanken wurden allerdings bereits in der Gegenaufklärung genannt). Es war die Zeit, in der der Landschaftsgarten seinen Durchbruch von seinen subjektiven Projektionen hin zu Orts- und Landschaftsbildern machte. Die vorgefundene Landschaft wurde in ihm nicht mehr überbaut, sondern ihr Charakter herausgearbeitet und der Natur ein gewisses Eigenleben gelassen. (Neben dem Landschaftsgarten hatte die Romantik auch einen bleibenden Einfluss auf den Natur- und Heimatschutz). Im Landschaftsgarten wurden vorhandene Landschaftsbilder kreativ, künstlerisch überformt (nicht im Sinne einer Natur-"Nachahmung" sondern einer Natur-"Idealisierung"). Orte wurden von anderen Orten abgegrenzt, herausgehoben und erhielten den Rang von etwas ästhetisch Wertvollen. In der romantischen Weltanschauung verweisen rationalistische Ansätze immer wieder auf das Göttliche hinter dem vordergründig Wahrnehmbaren. Die romantisch-ästhetische Weltanschauung bekam eine religiöse Tiefe. Erst über den ästhetischen Bezug erhielt der Romantiker seine göttlichen Ahnungen. Die Landschaftsmalerei wurde um einen verklärenden Tiefgang bereichert (C.D. Friedrich). Landschaften bekamen über den Naturschutz Denkmalcharakter. Der englische Pantheismus (der vorromantischen Zeit) wurde jetzt zu einer naturschützenden Gedankenwelt. In der Romantik bekam der Begriff des Genius loci dann eine neue Bedeutung. Man versuchte nur die vorhandenen Eigenschaften eines Ortes zu verbessern (z.B. heroische oder melancholische Ansichten). Dabei griff man gerne auf vorhandene Naturphänomene, Gewässer oder alte Bäume zurück. Man erinnerte sich wieder an den antiken und mittelalterlichen Inhalt des Begriffs. Man sah wieder einen naturgegebenen Lokalcharakter oder verortete einen Zeitgeist (geschichtliche Ereignisse, Fragmente). Damit begann ein neuer Zugang zum Genius loci. Das romantische Orts- und Landschaftserleben kannte drei Formen:
Während der Zeit der Industrialisierung dienten die Genien (Geister) dann nur noch als Dekor und Ornament. Besonders L. Klages betonte die zerstörerische Seite unserer Fortschrittsideologien. Er sah die Naturentfremdung, Verstädterung, Luftverschmutzung, Lärmbelästigung, die Zerstörung der Naturlandschaften, das Ausmerzen der Naturvölker und das Aussterben der Tiere: "Eine Verwüstungsorgie ohnegleichen hat die Menschheit ergriffen, die "Zivilisation" trägt die Züge entfesselter Mordsucht, und die Fülle der Erde verdorrt vor ihrem giftigen Anhauch. ---- Unter den Vorwänden von "Nutzen", "wirtschaftlicher Entwicklung", "Kultur" geht er in Wahrheit auf Vernichtung des Lebens aus. ---- In seinem Dienste ---- steht die gesamte Technik und in deren Dienste wieder die weitaus größte Domäne der Wissenschaft". Gedanken, wie sie die Lebensreformbewegung vertrat, und wie sie sich organisiert besonders im Heimatschutz, Wandervogel oder der Lebensphilosophie dann äußerten. Am Anfang des 20. Jhs. kam es zu einer phänomenologischen Rückbesinnung auf den Begriff des Genius loci. Man sah einen Ort als "Erscheinungswesen" (Klages), als eine "archetypische Erscheinung" (G. Jung) oder als eine "räumlich ergossene Atmosphäre" (H. Schmitz). Für Heidegger offenbarte sich in ihm das "Wesen eines Ortes" im Sinne eines Einordnungsverhältnisses. Erst dadurch konnte er überformt werden. Er wurde damit nicht erst, wie es Dörte Ruhlmann meint, über einen künstlichen Begriff (z.B. eine Architektur) konstituiert. Das Bauhaus hat dann wieder alle entsprechenden Bezüge abgelehnt. Heute verstehen wir unter einem Genius loci einen Ort, dessen Atmosphäre oder Charakter nicht von ihm losgelöst werden können. Er beinhaltet dessen Einzigartigkeit, Ausstrahlung und Bedeutungstiefe und erfasst damit dessen ursprüngliche naturbezogene Dimension und seine historischen Überbauten mit ihren Bedeutungsbezügen. Der Begriff wird fast nur noch im übertragenen Sinne verwendet und meint dann das gewisse Etwas eines Ortes. Man versucht wieder Architektur und Natur mit einander zu verbinden (Natur in der Regel in der Form von Landschaft). "Die Palette dessen was Genius loci sein soll, reicht dabei von der rein metaphorischen und rhetorischen Bedeutung des Wortes über die geschichtliche eines an einem Ort erscheinenden "Zeitgeistes" und eines soziokulturell konstruierten "Ortsgeistes", ferner über die Bedeutungen von ökologischen, ästhetischen und synästhetischen Qualitäten von Orten bis hin zu ortsgebundenen "Energiefeldern" und "ortsansässigen" Naturgeistern". (Kozljanic). Idealtypisch hat danach der Begriff eine
Norberg-Schulz:
"Der Genius loci ist im Verlauf der Geschichte eine lebendige Realität geblieben,
auch wenn er nicht immer ausdrücklich so benannt worden ist. Bildende Künstler
und Schriftsteller ließen sich von einem Ortscharakter inspirieren und haben mit
Verweisen auf Landschaften und Stadtmilieus die Phänomene der Alltagswelt wie
der Kunst (in Kunstwerken) "anschaulich gemacht"".
"Der existentielle Zwecke des Bauens ist es deshalb, aus einer Stelle einen Ort zu machen, das heißt, den potentiell in einer gegebenen Umwelt vorhandenen Sinn aufzudecken ----. Den Genius loci beschützen und bewahren heißt deshalb gerade, sein Wesen in immer neuen historischen Kontexten zu konkretisieren. Ebenso könnte man sagen, die Geschichte eines Ortes sollte seine "Selbstverwirklichung" sein. Was am Anfang als Möglichkeit vorhanden war, wird durch die Tätigkeit des Menschen hervorgebracht - ausgeschmückt und "aufgehoben" in Werken der Baukunst, die zugleich alt und neu sind. Zu den Eigenschaften eines Ortes gehört deshalb ein veränderlicher Grad an Unveränderlichkeit" (1982). Nachdem Norberg-Schulz den Genius-loci-Begriff wieder in die Architektur-Diskussion eingebracht hatte (1976, dt. 1982), wurde dieser in vielen Wissenschaften, aber auch besonders in der Esoterik-Szene und der Werbung zu einem wichtigen Inhalt. Man versuchte über ihn den Charakter, die Stimmung, bzw. die Qualität und damit den "Geist eines Ortes" zu erfassen. Hinter ihm verbergen sich heute verschiedene, teils widersprüchliche Denkansätze, denen aber gemeinsam ist, dass sie der heutigen Heimatlosigkeit der Menschen entgegensteuern wollen. Ein erstes gartennahes Diskussionsergebnis war der Saarbrücker Stadtpark Hafeninsel (Entwurf Büro Peter Latz), ein anderes Großergebnis die europäische Landschaftskonvention aus dem Jahre 2000, die den Schutz der Eigenheiten einer Landschaft zu ihrem Hauptziel erklärte. Nach heutigem Verständnis kann der Genius loci erlebt werden: Nach
Man bezieht sich dabei auf Vorstellungen
Das Problem einer solchen geschichtsbezogenen Vorgehensweise kann ihre starke Perspektiv- abhängigkeit sein. Nicht nur, dass sie sehr zeitabhängig ist (und damit ein eigener Zeitausdruck), sie ist oft auch stark interessengebunden. Dies zeigt sehr deutlich eine andere Planung von Latz in Israel, der Tafelberg von Hiriya Mountain bei Tel Aviv (2004 Latz in einem internationalem Wettbewerb unter acht eingeladenen Teilnehmern zugesprochen). Man hatte hier nach der Vertreibung der ehemaligen Bewohner über deren Dorf Hiriya nach 1952 ohne irgendwelche Schutzvorrichtungen einen Müllberg errichtet, der besonders wegen der sich ansammelnden Vogelschwärme zu einer Bedrohung für den Ben-Gurion-Flughafen wurde. Dieser Müllberg (inzwischen 85 m hoch, 300 ha, 30 Mio. Kubikmeter Müll) soll nun in einen Natur- und Freizeitpark, den sogenannten "Ayolon Park" umgewandelt werden. Dabei will man von der "Identität" des Ortes ausgehen, dem charakteristischen Müllberg. Neben der Lösung technischer Probleme (Rutschgefahr der Steilhänge, Auffangen giftiger Sickerwässer) soll nun eine Grünanlage entstehen mit Terrassen und Gärten und einer mittleren Senke (25 % davon als offene Wasserfläche), sozusagen eine verborgene Oase als Höhepunkt. Bei einer schwerpunktmäßig geschichtlichen Orientierung könnte man dies auch anders sehen. Das wahrscheinlich jahrhundertealte arabische Dorf Hiriya aus dem die Einwohner von den Israeli vertrieben wurden (siehe dazu den Bericht des israelischen Historikers Ilan Pappe "Die ethnische Säuberung Palästinas", 2007) und über das sie ihren Müll gekippt haben. Die Anlage wird in der geplanten Perspektive zu einem opportunistischen Bauwerk eines deutschen Landschaftsarchitekten. Er hätte den Auftrag mit einer anderen Geschichtsperspektive nicht erhalten. Eine Berücksichtigung des Genius loci bei den Gestaltungsüberlegungen bedeutet zunächst nur, dass man von den Gegebenheiten eines Ortes ausgeht:
Wir haben heute in unserer Gesellschaft die Situation, dass viele Menschen die Natur nur noch völlig rational, völlig desakralisiert sehen können. Doch gibt es ein feinstoffliches Mehr, das sich dem entzieht, das wir nur phylogenetisch-instinktiv erfassen können und dem Gefühl, dessen Inhalt wir früher der Religion zugesprochen haben. Erst in diesem Mehr können wir unsere Individualität leben und uns tatsächlich verwirklichen. Es ist eine Welt, die sich den Grenzen unserer Rationalität weitgehend entzieht und von ihr letztlich auch nicht bewertet werden kann. So sind unsere "Erkenntnisse" im Mikrobereich und Makrobereich des Universums genau genommen nichts anderes als Setzungen, Ableitungen mathematischer Größen und aus diesen zur Veranschaulichung abgeleiteten Bildern, die für uns glaubensmäßig Realitätscharakter besitzen. Die Qualität einer Musik lässt man auch nicht von einem unmusikalischen Menschen beurteilen. Früher war der Ort der Götter der "Utopos". Er durfte nicht betreten werden. Man erzählte sich deshalb von diesem Unbekannten Mythen, die die Zuhörer tief beeindruckten und in ihren Handlungen beeinflussten. Die Fantasie des frühen Foucault regten in seiner Kindheit Räume an, die er noch nicht sprachlich, sondern nur über sein Empfinden und Ahnen erfassen konnte. Er verstand dieses Bewusstsein als Heterotopie. Für ihn gehörte auch der Garten dazu. Die Menschen bezogen früher ihre Ordnung als Utopie aus dem unverstandenen "Chaos" ihrer Umwelt, während wir sie heute bei der Heterotopie aus der Welt der uns umgebenden Realitäten beziehen. Aus beiden Wunschwelten leitet der Mensch seine Setzungen ab, die dann sein Denken bestimmen. Ein Garten ist ein Ort, der über das Gestaltete und über das Nichtgestaltete zu seinem Betrachter spricht - der geradezu von dem Dialog zwischen diesen beiden Welten lebt. Schon Pope (1688 - 1744, vielleicht der erste Schöpfer eines Landschaftsgartens; Twickenham) verlangte das Eingehen auf den spezifischen Charakter eines Ortes. Und Kienast (1945 - 1998) bewertete einen Garten danach, wie er "den Charakter eines Ortes, seine Atmosphäre" richtig getroffen hat. In Punkt sieben seiner zehn Thesen zur Landschaftsarchitektur betont er zur Bezugsnahme zu einem Ort: "Weil durch ihn die Beliebigkeit und Austauschbarkeit von Lösungen verhindert und mehr das Besondere als das Allgemeine möglich wird". Ein Gedankenkonzept ergibt sich aus der Analyse eines Ortes, seinem kulturellen, ökologischen und sozialen Zustand. Die Authentizität des Ortes definiert sich dann "über die Gestalt, das Material und den Gebrauch". "Dies widerspricht einer --- konservierenden Haltung", die nur die Vergangenheit und nicht auch in die Zukunft sieht. Der erste und vielleicht auch wichtigste Schritt zur Gartenkunst ist, sich auf einen Ort einzulassen, ihn in sich aufzunehmen, um dann aus sich heraus auf ihn zu reagieren, d.h. sich seiner zu erfreuen oder auf seine Probleme, bzw. Fragen Antworten zu geben. Die Gartenkunst ist immer das Ergebnis eines geistigen Aktes und es muss ihr deshalb auch zunächst sinnlich-geistig begegnet werden. Ein Problem der heutigen Gartenkunst ist es, dass sich ihre Vertreter nicht zwischen einer rational-naturwissenschaftlichen oder einer romantisch-ästhetischen Orientierung entscheiden können. So ist z.B. die Schwierigkeit bei einem naturwissenschaftlich orientierten Natur- und Landschaftsschutz, dass er sich zu einem "ökologischen Ressourcen-Management" reduziert. Es geht hier letztlich nicht um eine Sicherung der Natur als solchen, sondern allein um eine Sicherung der menschlichen Lebensgrundlagen. Die psychisch-religiösen Bindungen des Menschen, seine emotionalen Beziehungen bleiben dabei völlig unbeachtet. Von einer solchen Entscheidung hängt allerdings die Akzeptanz des Faches an den technischen Hochschulen ab. Der Aufbau entsprechender Studiengänge an den Kunstakademien (wie früher in Kassel und heute noch in Kopenhagen) würde vielleicht das Problem lösen. |