14. Die Architektur als Raumkunst und Komposition | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die Gartenkunst gehört als Architekturdisziplin zu den Raumkünsten. Ihre Aufgabe als Baufach ist es zunächst, individuelle (bzw. kollektive) Bedürfnisse zu befriedigen. Wichtig für die Gestaltung sind dabei
Der Mensch kann einen Raum nach vier Grenzen hin erfahren: nach vorne, nach hinten und zu den beiden Seiten rechts und links. Dabei gibt es für ihn einen ihm entsprechenden archetypischen Maßstab, den man auch heute noch als Grundeinheit in der Architektur und der Ergonomie überall wiederfinden kann. Seinen vielleicht schönsten Ausdruck fand er
Der Mensch hat die Möglichkeit seine Umgebung seinen Bedürfnissen anzupassen. Dabei sind seit Beginn seiner Existenz drei Faktoren für ihn überlebenswichtig:
Hinter jeder Kultur verbirgt sich das Gedankengebäude einer ganzen Gesellschaft, und auch die Gartenkunst ist eines ihrer Ausdrücke. Dabei kommen in der Raumkunst drei Arten von Elementen zur Geltung:
1. Die Geschichte In der Antike glaubte man, dass der Kosmos ein Ausdruck der göttlichen Vernunft, der "ratio divina" sei. Die Rechenkunst galt deshalb als Schlüssel zum Verständnis des Universums. Ihre Ergebnisse wurden über die Geometrie auf die damaligen Bauwerke übertragen, die dann wiederum Einfluss auf die sakralen Handlungen nahmen. Seitdem Pythagoras die Verwandtschaft von ganzzahligen Proportionen und musikalischen Harmonien festgestellt hatte, bestimmten dann die erkannten Proportions- und Harmoniegesetze die Architektur bis in die Gegenwart (besonders im Mittelalter bei den Zisterziensern, bei den Bauten der Renaissance, der Klassik bis zu Le Corbusier). Ausgegangen wurde von dem griechischen Lambda (auch Formelzeichen für den Maßstab), dem Ausgangswert der kosmischen Harmonie. Er wurde gleich "1" gesetzt. Dieser konnte dann jeweils verdoppelt (1 - 2 - 4 - 8 - ---) oder verdreifacht (1 - 3 - 9 - 27 - ---) werden. Diese antiken Proportionsvorgaben lassen sich bis in die Bibel zurückverfolgen. Der Tempel des Salomon war 60 Ellen lang, 20 Ellen breit und 30 Ellen hoch (Verhältnis 3 : 1 u. 2 : 1). Dieses Wissen gab den damaligen Baumeistern eine große Sicherheit. Sie sahen sich in einer Übereinstimmung mit den Gesetzen des Universums. Sowohl Bramante (Petersdom, Belvederegarten) und Palladio (Fassadengliederungen in der Renaissance) folgten ihnen. Aus diesem Verständnis heraus entstanden die architektonischen Ordnungskriterien, die sich u.a. als Säulenordnungen von den alten Griechen über die Römer bis ins 19. Jh. über die gesamte Alte Welt und dort besonders über Europa verbreitet haben. Die wichtigsten unter ihnen waren die
Zu den genannten Bauordnungen gehörte eine jeweilige Symbolsprache (bereits von Vitruv beschrieben), die bis in die Barockzeit galt:
In der Antike besaßen auch die Zahlen eine Symbolbedeutung, d.h., sie standen für etwas, was mit Worten nicht beschrieben werden konnte, für die Welt der Ideen (Platon), für das Geistige. Bis zur Renaissance wurden die Zahlen in ihren harmonischen Bezügen jeder Architektur zugrunde gelegt. Die Grundrisse und die Verhältnisse der Bauelemente zu einander folgten bestimmten Proportionen. Mit Hilfe der Seitenmaße am Monochord hatte Pythagoras für die Musik die Gesetzmäßigkeiten der harmonischen Tonfolgen entdeckt. In deren Zahlenverhältnissen glaubte er das Geheimnis der göttlichen Ordnung erkannt zu haben. Bei der Anwendung dieser Harmonien im Baubereich wurden die errichteten Gebäude deshalb auch zugleich zum Ausdruck für das Geistige. Über seine Architektur konnte der Mensch damit auch zum Nach-Schöpfer der göttlichen Ordnung werden. Platon kannte in dieser Verbindung, die nach ihm benannten fünf platonischen Körper (nach Euklid: Die ".. von untereinander gleichen, gleichseitigen und gleichwinkligen Flächen umfasst werden"):
Auf das Bauwesen übertragen, erlangten eine Bedeutung
Zum Begriff für die Kunst einer Epoche war der "Stil" durch Johann Jakob Winkelmann (1717 - 1768) geworden. Seine Wesensdeutung der griechischen Kunst beherrschte das klassische Schönheitsideal ("Edle Einfalt und stille Größe"). In Ablehnung des ornamentalen Überflusses des Barocks forderte er eine Neuorientierung an der Antike. Das Ideal sah er in der Erreichung ihres harmonischen Gleichgewichts. Ihre beiden Grundzüge sah er in deren Einfachheit und ihrem Rationalismus. Eine Form sollte danach über die Funktion bestimmt werden. Da sich die Gedanken des Klassizismus mit denen der Aufklärung vereinigen konnten, verbreiteten sie sich über ganz Europa. In Frankreich grenzte der Klassizismus die Revolution von der Monarchie ab, in England flammte mit ihm der Palladianismus auf und in den USA repräsentierte er deren Freiheitsideale (deren Ausdruck das Kapitol ist). Für Winkelmann war ein Stil die Einheitlichkeit der Schöpfungen eines Volkes in einer Epoche. Er gebrauchte diesen Ausdruck für eine ganze Kultur. Hegel nannte ihn den "Zeitgeist". Im 19 Jh. begann man sich dann zunehmend an den formalen Merkmalen der Naturwissenschaften zu orientieren (mit einer Betonung der biologischen Denkmuster, besonders im Sinne von Wachstumsprozessen). Nach 1854 (Vertrag von Kanagawa, erste Öffnung japanischer Häfen für den Handel) nahm die japanische Architektur als Gegenreaktion auf die griechisch-römische Tradition einen starken Einfluss auf die europäische Architektur, besonders der Gedanke einer Einheit von Haus und Garten. Die Avantgarde der Architekten lehnte teilweise ihre allgemeine Dazugehörigkeit zu den Künsten ab, weil sie als solche aus ihrer Sicht auch eine Funktion besäße (u.a. Adolf Loos). Es entstanden zwei große geistige Strömungen:
In den 70iger Jahren setzte deshalb eine neue Grundsatzdiskussion ein, die verstärkt wieder die soziale und kulturelle Aufgabe der Architektur herausstellte. Man suchte nach neuen Lösungen für die postindustrielle Gesellschaft. Angebote kamen vom / von / von der
Bis Ende des 19. Jhs. verstand man unter dem Begriff Architektur (abgeleitet von den beiden griechischen Wörtern "arché" = der Anfang, das Erste und "techne" = Handwerk, Kunst. D.h.: Der Ausdruck bedeutet wörtlich übersetzt "erstes Handwerk", "erste Kunst") eine stilgenaue ästhetische Arbeit, die sich von einer alleinigen Nutzorientierung deutlich abhob. Erst später erfolgte eine Aufwertung des Funktionalen. Die gestalterische Leistung bestand seitdem in einer vierfachen Anforderung:
Die moderne Einstellung gegenüber der Architektur, bzw. Gartenkunst ist sehr gegensätzlich. Sie hängt weitgehend von dem ab,
Muthesius: Für ihn wurde ein Bauwerk zu einem Kunstwerk, wenn es nicht nur funktionale
Bedürfnisse befriedigte (1908 über den Architekturbegriff). Le Corbusier (vielleicht der bedeutendste Architekt des 20. Jhs.. Obwohl er die Funktionalität
und Rationalität in seinen Bauten betonte, forderte er zugleich, dass als
Maßstab für seine Arbeiten allein der Mensch als solcher bestimme).
"Architektur ist das kunstvolle, korrekte und großartige Spiel der unter dem
Licht versammelten Baukörper. Unsere Augen sind geschaffen, die Formen
unter dem Licht zu sehen: .... hier liegen die Grundbedingungen der bildenden
Kunst" (1922). Gropius: "Nur vollkommene Harmonie in der technischen Zweck-Funktion sowohl wie
in den Proportionen der Formen kann Schönheit hervorbringen". Eiermann: "Architektur hat mit Kunst nichts zu tun, ist reine Gedankenarbeit. Architektur
entsteht heute nach ökonomischen, konstruktiven und funktionellen Gesetzmässigkeiten". (In den Erinnerungen des Autors vertrat 1961 Günther Grzimek für die Gartengestaltung auch diese Position). Raumgestaltungen stellen durch ihre Zeitabhängigkeit Symbole für eine bestimmte Geisteshaltung dar. So beginnt die Gartenkunst erst ihre kulturelle Rolle mit dem Sesshaftwerden des Menschen zu spielen.
2. Die Funktion (= Die Erfüllung eines Zwecks) Jede Funktion erschöpft sich nicht allein in der Nutzung einer Anlage. Sie ist auch zugleich das zeitabhängige Spiegelbild einer Kultur. So zeigen historische Bauwerke oft über lange Zeiträume die gleichen archetypischen Merkmale (allerdings ausgeführt in ihren jeweiligen verschiedenen technischen Möglichkeiten). Unter einer Funktion verstehen wir die Aufgaben einer Anlage, bzw. die Erwartungen, die an sie gestellt werden. Dazu gehört deren Infrastruktur, aber auch deren soziale Aufgaben, wie auch die Organisation, der in ihr stattfindenden Arbeitsabläufe (z.B. Pflege). Zusammengefasst kann man im Sinne der Systemtheorie die Funktion einer Anlage als deren Aufgabe und den Zweck definieren. Vorgaben (Ort, Material, Kapital und Informationen) werden in eine neue Ausgangsgröße umgewandelt. Beim Strukturfunktionalismus enden biologische Systeme mit deren Tod (ein Garten ist ein teilbiologisches System). Um ihn als historische Kulturleistung zu erhalten, setzt die Denkmalpflege mit ihrer Arbeit ein. Aus Kostengründen dürfte sie innerhalb eines Kulturgebietes nur auf einige wenige, beispielhafte Musteranlagen beschränkt bleiben (wie z.B. der Rekonstruktion des Hortus Palatinus in Heidelberg). Ein Garten repräsentiert aber auch ein soziales System, und es ist die jeweilige Aufgabe dieses Systems, seine Erwartungen (Funktionen) neu zu definieren (so verändern sich bei einem Familiengarten dessen Aufgaben vom Spielgarten der Kinder zum altengerechten, pflegearmen Garten). In diesem Sinne spielt die Gebrauchstauglichkeit eine große Rolle, die Benutzerfreundlich- keit, die Benutzbarkeit. In Grünanlagen kann man die Fehlplanungen oft gut an den Trampelpfaden erkennen. Sie wurden dann den Erwartungen ihrer Besucher nicht gerecht. Bei uns in Deutschland wird die Gebrauchstauglichkeit sehr stark durch Normen (für die Nutzung) und die technischen Ausführungsmöglichkeiten bestimmt. Zu diesen Normen gehören Nutzungsmaße (z.B. Stufenhöhen, Sitzbankhöhen), aber auch Wasserdichtigkeit oder statische Standsicherheit. Architektur bewegt sich immer in dem Spannungsfeld zwischen objektiver Form und hemmungslosem Individualismus. Dabei besitzt sie immer einen ästhetischen und einen kommunikationstheoretischen Ansatz (hier im Sinne des Informationsaustausches innerhalb einer sozialen Gruppe), in unserer postindustriellen Gesellschaft stilmäßig als Historismus, Funktionalismus, Expressionismus oder Symbolismus diskutiert, je nachdem, wo der Schwerpunkt der Orientierung lag, in der postindustriellen Gesellschaft als Postmoderne und Dekonstruktivismus und in der Informationsgesellschaft als Hybrid-Architektur, in der man mit Hilfe des Computers in der Lage ist, sich von den Funktionen als Planungsvorgabe zu lösen und vom traditionellen Architekturobjekt zu einer prozesshaften Architektur zu gelangen. Dadurch werden die Funktionen einer Anlage neu definiert. Das Problem, das sich für uns dabei abzeichnet, ist die Möglichkeit, dass sie sehr schnell das "menschliche Maß" verliert, wie man es z.Z. sehr oft im Straßenbau beobachten kann. Schon Vitruv forderte, die Gestalt eines Bauwerks von seiner Nutzung abzuleiten. Und für Weinbrenner (1819) ergab sich die Schönheit einer Architektur aus deren vollkommenen Übereinstimmung mit ihren Zwecken. Hundert Jahre später verlangte Behne ein Gleichgewicht von konkreter Zweckerfüllung und Formwillen. Berühmt wurde der Ausspruch des amerikanischen Architekten Louis Sullivan (1896, Hauptvertreter der Chicago School): Die Form folgt aus der Funktion (= FFF). Wörtlich:
3. Der Raum Die Aufgabe der Architektur ist es, Räume zu bilden. Bei ihren Überlegungen hat sie deshalb zunächst von Räumen auszugehen. Sie ist eine Kunst der Raumerschließung. Dies gilt sowohl für den konstruktiven, den dekorativen, wie auch für den geistigen Bereich. Erst wenn sie den letzteren auch abdeckt, wird die Architektur zur Kunst. Die Architektur schafft ihre Räume durch Begrenzungen. Sie dienen dann
Ein Raum wird vor allem über das Auge wahrgenommen. Er kann aber auch über Geräusche erfahren werden (z.B. dem Plätschern eines Springbrunnens). Sein ästhetischer Reiz für den Betrachter wird bestimmt von seinen/seiner
Ein Garten ist ein symbolischer Natur-Raum, der uns emotional über seine Ästhetik anspricht. Er ist das Ergebnis einer individuellen Auseinandersetzung mit der Natur. Als Ergebnis ist er Kunst - vielleicht Kunst auf einem unterschiedlich hohen Niveau -, aber Kunst. Er hat eine / n eigene / eigenen
Räume sind das Ergebnis spezifischer Verknüpfungen. Oft hat ihre Erschließung eine starke Auswirkung auf ihren Charakter. Zu suchen ist ihre Eigenart, die ihre Besonderheit ausmacht und sie gegenüber anderen Räumen unverwechselbar macht. Je nach unserem Alter, unserer Erfahrung oder auch unserem Geschlecht nehmen wir sie verschieden wahr. Wir bewegen uns in Räumen, können eigentlich nichts anderes, konstruieren sie und schaffen über sie unsere kulturelle Umwelt. Erst sie schaffen unsere Welt der spezifischen Relationen und Verbindlichkeiten. Ein realer Raum erschließt sich erst über den Umgang mit den Dingen in ihm. Gestalten heißt, in einem Raum Bezüge herzustellen, ihn zu parzellieren, um ihn dann wieder zu einer Einheit zu bringen (z.B. durch seine Elemente, seine Bepflanzung). Dabei spielt neben dem räumlichen Erfassen der Natur das Gefühl für Proportionen eine Rolle. Ein Raumgefühl entsteht durch das Ordnen seiner visuell wahrgenommenen Elemente zu einem Ganzen. Es verändert sich, je nachdem diese Elemente (z.B. Formen, Farben) sich auf der Wahrnehmungsfläche verändern: zur Mitte, nach vorne oder hinten, nach rechts oder links, unten oder oben. Das Einbringen eines Punktes auf einer Grundfläche macht dies bereits deutlich. Bei dem Einbringen mehrerer Elemente entstehen je nach darzustellender Absicht Kompositionen. Solche Einbringungen können sich aufeinander zu- oder wegbewegen. Durch verschiedenen Helligkeitswerte, Farben, Texturen und Positionen werden dann ganz verschiedene Raumerfahrungen hervorgerufen. In der Reformbewegung wurde der Gartenraum als eine Fortsetzung, bzw. Erweiterung des Hauses erkannt (Eduard Petzold 1888, Schultze-Naumburg 1902). Seine Aufteilung ergab sich aus der funktionellen Ableitung seiner Innenräume. Damals spielten neben den künstlerischen Kriterien noch wirtschaftliche und bereits gesundheitsorientierte eine Rolle. Durch Hecken und Kleinarchitekturen wurden die Grundlinien des Hauses fortgesetzt. Es entsprachen:
Für uns ist ein Garten heute oft ein Freiraum gegenüber gesellschaftlichen Zwängen. Im Ideal verbinden sich in ihm Mensch und Raum. Tief in uns scheint es etwas zu geben, was uns in diese Welt zurücksehnen lässt. 60 % aller Deutschen sollen sich einen Garten wünschen. Die Verweildauer auf Plätzen nimmt zu, wenn auf ihnen eine bodennahe Gründeckung verbunden mit einem maximalen Ausblick gegeben ist. Räume mit floralen Dekorationen fördern positive Grundhaltungen und die Bereitschaft zu Kommunikation (bauliche Räume dagegen das Bestreben nach Flucht und einer Selbstdarstellung). In der klassischen Bilddarstellung hatte man mit der Dreiteilung des zu gestaltenden Raumes gearbeitet (Vorder-, Mittel- und Hintergrund). Cezanne hat dann diese Tradition aufgehoben. Das neue Sehen erforderte eine neue Art der Beweglichkeit des Blickes. Seit Anfang des 20. Jhs. veränderte sich der gestalterische Rhythmus in der Raumgestaltung. Die Objekte erhielten einen neuen Raumbezug, indem sie mit dem Umraum in eine Beziehung traten. Die Räume überschnitten sich. Ein Spiel mit Überschneidungen und Überdeckungen setzte ein. In der "modernen" Kunst öffnete man neben dem Raum auch die Körper und Konturen. Ihre Orientierung wechselte entwicklungsmäßig von innen nach außen. Objekte wurden genutzt für die Überschneidung von Linienführungen, die dann das Bewusstsein vervollständigte. Motivszenen wurden in Bildräume eingebaut, Tiefenräume geschaffen (evtl. als Ausblicke). In der Gartenkunst spielte der Perspektivwechsel eine besondere Rolle. Kompositionen waren auf das Spiel von Begrenzungen, Durchblicken und deren Überschneidungen und Reihungen aufgebaut. Der Rasen als Element der Raumtiefe wurde für die räumliche Wirkung eines Gartens wiederentdeckt. Gestalterisch stellten sich für die Gartenkunst zwei Probleme:
4. Die Form Gestalten bedeutet, etwas für die Wahrnehmung in eine Form zu bringen, d.h., mit Hilfe verschiedener (Form-) Elemente ein einheitliches Werk zu schaffen. Das Ziel dabei ist es, mit Hilfe verschiedener Materialien (in unserem Fall besonders mit Naturelementen) und der Nutzung bestimmter Linien, Perspektiven, Bewegungen und anderer sinnlicher Wahrnehmungsattribute einen Raum zu schaffen, der unseren inneren Bedürfnissen optimal entgegenkommt - plakativ gesprochen: dem Sehsuchtsbild unserer persönlichen Paradiesvorstellungen weitgehend ideal entspricht. Bei der Zusammenstellung der einzelnen Teile zu einem Ganzen entsteht eine Komposition (compenere = zusammenstellen), eine Form. Sie ist der sinnliche Ausdruck eines Ganzen, das erst durch das Zusammenwirken der Eigenschaften seiner Einzelteile eine eigene Qualität erhält. Folgen die Kompositionen innerhalb eines Zeitraumes einem bestimmten Regelkanon, dann entsteht ein Stil. Wichtig ist dabei allerdings auch deren lesbare Wahrnehmung durch den Betrachter. Kunst ist von hierher gesehen auch immer ein Wechselspiel von Umsetzungen geistiger Gehalte und deren Wahrnehmung. Erst in einem Künstler verdichten sie sich in einem subjektiven Vorgang zu einem gestalterischen Werk (dabei folgt der gegenständliche Künstler auch bestimmten realen Bezügen, während der abstrakte nur einer inneren "Vision" folgt). Kandinsky unterschied in seinem Buch "Über das Geistige in der Kunst" die melodische und die symphonische Kompositionsform. Während die erstere einem klaren, einfachen Muster folgte, verflocht die letztere mehrere Gestaltungsfolgen, die sich einer Hauptform unterordneten. Eine Komposition stand für ihn für eine von unmittelbaren Eindrücken unabhängige Welt gestalterischer Beziehungen. Nach Itten sind bei einer Komposition besonders die Akzentpunkte zu beachten. Ihnen liegt seiner Meinung nach eine geometrische Ordnung zugrunde, die mathematischen Proportionsregeln folgt (z.B. dem "Goldenen Schnitt"). In seinem "Vorkurs" im Bauhaus schuf er eine "Schule des Sehens", der man an den deutschen Kunsthochschulen noch lange nach dem 2. Weltkrieg folgte. Zu ihr gehörte neben einer Formen- und Farblehre auch eine Kontrastlehre, innerhalb der wiederum dem "Rhythmus" eine besondere Bedeutung zukam. Über die Suche und die Zusammenstellung von verschiedenen Kontrastarten (z.B. groß - klein, lang - kurz, horizontal - vertikal, hoch - niedrig, ruhig - bewegt, fest - flüssig, laut - leise, Fläche - Körper, die sieben Farbkontraste) wollte er das Wahrnehmungsempfinden seiner Schüler steigern. Sie sollten über ihre Wahrnehmungen lernen die Umwelt
Bei der Komposition eines Gartens besteht zunächst das Problem der Raumaufteilung und die Übertragung der inhaltlichen Aussagen. Dabei bestimmt die Grundform der Komposition (z.B. formal gebunden oder frei gestaltet, architektonisch oder landschaftlich) bereits weitgehend deren spätere Aussagekraft. Kompositionsmittel sind:
Von der Gestaltungspsychologie wissen wir, dass ein Ganzes etwas anderes ist als die Summe seiner Teile. Dabei spielt die Begrenztheit unserer Sinne und die unserer Kommunikationsfähigkeit eine wichtige Rolle. Im Bereich der Gartenkunst ist unsere gemeinsame phylogenetische Programmierung in Bezug auf die Natur entscheidend. Unsere Sinne sind dabei die "selektionsgeprüften Hypothesen" unserer Organe, die sich auf unsere Existenzsicherung in dieser Welt eingestellt haben. Wir erfassen unsere Welt nur sinnlich. Anders können wir sie uns nicht vorstellen. Jede unserer Wahrnehmungen wird zunächst emotional und dann selektiv bewertet, d.h. immer auch ästhetisch. Unsere Wahrnehmung organisiert unsere Wirklichkeit. Dabei spielen kulturspezifische und damit auch sprachliche Elemente eine Rolle, da sie für unsere Kommunikation entscheidend sind. Im Bereich der Gartenkunst (nicht des Gartens) macht sich dabei die oft noch fehlende Begrifflichkeit bemerkbar. Sprachlich ist heute einem Garten als künstlerische Raumform nur schwer beizukommen. Über unser Auge erfassen wir Objekte vor einem Hintergrund. In unserem Gehirn konstruieren wir dann aus den empfangenen Informationen unsere dreidimensionale Welt. Dabei reduzieren wir zunächst das optische Bild unseres Auges auf wesentliche Formmerkmale (zumeist umrissbestimmte) und abstrahieren, speichern es für ein späteres Wiedererkennen. Empfangene Daten werden in unserem Gehirn
Unsere Wahrnehmung sucht zunächst Ordnungsrelationen (Regelmäßigkeiten). Geometrische Muster und Ornamente empfinden wir deshalb als besonders schön. Vereinfachungen (dazu gehören Abstraktionen) verringern unseren Speicheraufwand im Gehirn. Jedes Kunstwerk, und damit auch jeder Garten, hat ein Ordnungsproblem zu bewältigen. Je komplexer unsere Arbeiten sind, umso stärker sind sie an ein Ordnungsprinzip gebunden, wenn sie als ästhetisch empfunden werden sollen. Wir empfinden dies dann bewußtseinsmäßig als eine Entlastung. Unser Wahrnehmungssystem diente einst biologisch der Orientierung bei der Sicherung unseres Überlebens. Seine Gesetze zielten deshalb auf die schnelle Erfassung wichtiger Informationen. Neben unserer phylogenetischen Wahrnehmungsebene besitzen wir auch eine kulturspezifische. Sie wird von jedem einzelnen erlernt und ist ein Ausdruck seiner Biographie. Sie lässt eine persönliche Wirklichkeitswahrnehmung und damit eine eigene Realität entstehen. Auch die künstlerische Ausdrucksweise erfolgt von hierher zunächst über einen persönlichen Code, der als kommunikative Form nur dann aufgegriffen wird, wenn er sozial verstanden wird. Diese persönlichen Codes sind in einem Garten als Muster zu sehen, die bestimmt werden von
Als Menschen sind wir frei, unsere Symbole selber zu wählen. Wir knüpfen dabei an unsere phylogenetischen Vorgaben, weil sie damit einen unmittelbaren affektiven Bezug erhalten. Wir lassen ein kulturelles Strukturgerüst entstehen, verändern dies aber durch neue Sehgewohnheiten, indem wir Detailinformationen neu gewichten und evtl. fortlassen. Mit unseren Kompositionen geben wir nur unseren inneren Ordnungswunsch wieder, den wir über unsere Sinne in unserer Umwelt suchen, indem wir aus der Materialfülle und unserem inhaltlichen Bezug dazu ein neues Ganzes formen. Das Problem dabei ist, dass je mehr wir die Natur mit Symbolwerten bereichern, wir sie umso stärker als solche kulturell reduzieren (dies gilt z.B. auch für alle Bereiche unseres Naturschutzes, der genaugenommen nur einen geschichtsbezogenen Kulturschutz darstellt. Besonders deutlich ist dies bei der Lüneburger Heide zu beobachten). Lange Zeit hat es für die Menschen ausreichend Natur gegeben. Heute ist er auf einen kompensierenden Ersatz weitgehend angewiesen. Bereits in der Antike wurde die Schönheit mit der Natur in eine Beziehung gebracht. Nach Platon war sie als Idee dort grundsätzlich vorhanden. Damit stand das Naturschöne apriori vor dem Kunstschönen. Der Mensch näherte sich dieser Schönheit über die Nachahmung. (im modernen Kunstverständnis holt der Künstler erst die Schönheit aus der Natur heraus). Dabei sehen wir etwas als "schön" an, was wir bei dessen Wahrnehmung positiv bewerten. In der Antike wollte man durch die Nachahmung der Natur sich den göttlichen Gesetzen nähern. In den späteren Landschaftsgärten versuchte man später, das archetypische Landschaftsideal einer Savannenlandschaft nachzuahmen. Heute verbleibt uns nur die Möglichkeit, diese primären, phylogenetisch bestimmten Vorgaben durch die Symbole unserer kulturellen Welt zu ergänzen, um dadurch zu einer eigenen Lebenswelt zu gelangen. Das Unverwechselbare, Eigene entsteht dann aus einer Summe primärer und sekundärer Chiffren als Ausdruck einer Sehnsucht nach dem Paradies, die als Ganzheit sich in einem Garten im Detail in dessen Einzelelementen, bzw. in deren Formgebung wiederfindet. Ein Kunstwerk unterscheiden wir nach seinem Inhalt und nach seiner Form. Unter letzterer verstehen wir sein äußeres Erscheinungsbild mit all seinen Elementen, deren Beziehungen zu einander und seine Strukturen. Allgemein kann man die Form auf verschiedenen Bedeutungsebenen betrachten:
Aus der Gestaltpsychologie wurden für die Formbetrachtung einige Gesetzmäßigkeiten in der menschlichen Wahrnehmung bekannt:
Allerdings bestimmt erst eine gewisse Vielschichtigkeit die Qualität einer Arbeit. Nur so lassen sich thematische Verweise, Bedeutungszusammenhänge, Mehrdeutigkeiten und eine gewisse Komplexität schaffen, der ideelle Gehalt zur materiellen Einheitlichkeit, die Vielschichtigkeit eines Kunstwerkes. Eine gute Form wird bestimmt von ihrer Einheitlichkeit und Reichhaltigkeit, ihren Gemeinsamkeiten und ihren Unterschiedlichkeiten. Ihre Qualitätsmerkmale sind dann die
5. Die Harmonie Die Harmonie ist mehr als ein gewöhnlicher Gleichgewichtszustand. Sie ist bewusstseinsmäßig kein Dauerzustand, sondern durch das Verhältnis von Ausgewogenheit und Spannung ein labiles Gleichgewicht. In ihr bleibt zu einem vorhandenen Zustand gleichzeitig das Gegenteil spürbar. Sie wird erreicht durch die Art der Verarbeitung von Komplementären. In der Gartenkunst ist sie nur schwer erreichbar wegen der vielen unberechenbaren Faktoren, wie Lichtverhältnissen, Wetter, Geruchswahrnehmungen - und deshalb kaum direkt planbar. Sie ist am ehesten über eine langfristige Arbeit für einen kurzen Zeitraum erreichbar (ein zeitmäßig kurzes Gartenbild). Sie muss dann immer wieder durch neue Eingriffe angestrebt werden. Der Landschaftsgarten, der im gewissen Sinne von ihr lebt, ist deshalb als Kunstwerk ohne Eingriffe nicht zu erhalten (wohl als Gartendenkmal, doch besitzt er dann eine andere Qualität). In der Antike wurde die Harmonie aus den gedachten, ursprünglichen Baugesetzen des Kosmos abgeleitet. Diese glaubte man über die Zahlenverhältnisse in der Musik gefunden zu haben (Oktave, Quinte und Quarte). Aus diesem Verständnis folgerte man, dass die Natur und die Kunst den gleichen göttlichen Gesetzen folgten. Dabei stand das Schöne für das Göttlich-Wohlgeordnete. Am weitesten hat vielleicht Leibniz diesen Gedanken weiterentwickelt (prastabilisierte Harmonie), indem er in der Kunst eine Nachahmung des göttlichen Verstandes sah. Und am konsequentesten wurde dieser Gedanke vielleicht im Großen Garten von Herrenhausen realisiert (der vielleicht das Ergebnis seiner direkten diesbezüglichen Ratschläge ist. Dieser Gedanke ist zumindest naheliegend). Obwohl der Harmoniebegriff auf das griechische "Harmonia" (= Zusammenfügung) zurückgeht, bedeutet er bereits bei Heraklit die Einheit als Widerspruch: "Auseinanderstrebendes ergibt Harmonie und alles entsteht durch Widerspruch". Heute sehen wir in ihr den Einklang von Verschiedenem zu einer ausgewogenen Einheit. Nach einer attischen Sage war die Harmonia eine Tochter des Zeus und die Mutter der Musen (und damit die Beschützerin der Wissenschaften und Künste). Nach der Theogonie von Hesiod war sie eine Tochter des Ares (Kriegsgott) und der Aphrodite (Göttin der Schönheit). Als Frau des Kadmos, d.h. der Welt, war sie zuständig für eine sinnvolle Ordnung. Für Pythagoras drückt sich die im Universum herrschende Harmonie in der mathematischen Ordnung und in der ihr nahe stehenden Musik aus (danach waren für ein harmonisches Maßverhältnis, Proportionen und die Symmetrie für sie bestimmend). Für Heraklit bestand sie in den Verbindungen der im Fluss sich befindenden Gegensätze. Danach ließen sich alle Erscheinungen auf unserem Planeten auf ein Ordnungs- und zugleich ein Entwicklungssystem zurückführen. Die Pythagoreer übertrugen den Ausdruck der Harmonie auf Erscheinungen der Symmetrie, deren Proportionen man als schön empfand. Man übertrug sie dann in den Bereich der Musik und versuchte mit ihrer Hilfe die Gesetze in unserem Kosmos zu verstehen. Man versuchte die irdischen Gegensätze im Sinne der gefundenen Harmoniegesetze auszugleichen (Platon übertrug diese Vorstellungen in seine Staatslehre; Aristoteles schuf über sie sein Weltbild. Bei der Auseinandersetzung mit diesem schufen dann Copernicus und Galilei die Grundlagen zu unserem heutigen. Erst Newton mit seiner Erkenntnis von der materiellen Wechselwirkung beendete den Einfluss der Harmonievorstellungen in unserem Naturverständnis. Der Harmoniebegriff wurde durch andere ersetzt (System, Struktur). Nur in der vom Menschen unmittelbar gestalteten Welt wird er heute noch gebraucht und bedeutet dann, die Abstimmung aller Teilelemente eines Gegenstandes zu einem optimalen Gesamtergebnis, z.B. in der Kunst, in der Gartenkunst. Bereits bei den Ägyptern stellte die Kunst einen Nachvollzug der göttlichen Ordnung dar: der Maat. Sie entsprach damit dem richtigen Maß. Ihr Grundprinzip war eine Achse auf der sich symmetrisch die verschiedenen Bauelemente wiederspiegelten. Ihr Grundprinzip war die Symmetrie (die ihre Schönheit erst durch ihre kleinen Abweichungen erhielt!!). Alle konkreten Harmonielehren bauten auf bestimmten Teilungsverhältnissen, Proportionen auf (sowohl in der bildenden Kunst, den Raumkünsten und der Musik). Ausgegangen wurde dabei zunächst vom menschlichen Körper (so Vitruv und in der Neuzeit Le Corbusier). Vitruv übertrug seine Maße auf den Tempelbau (die Grundlänge seines Fußes im Verhältnis zu seiner Gesamtgröße. Danach wurden die Säulen sechsmal so hoch wie ihre untere Gesamtstärke). Die erste bedeutende Proportionslehre stammte bereits von Polyklet (5. Jh. v. Chr.). Auch sie hatte ihre Teilgrößen vom menschlichen Körper bezogen, sie ist aber verlorengegangen. Noch in der Renaissance versuchte man für die bildende Kunst mit Hilfe von Größenverhältnissen eine zeitlos gültige Grundlage zu schaffen. Abweichende Proportionsgrößen führten dann zu einer Antikenkritik und zur Suche nach einem neuen übergeordneten Gestaltungsgesetz, das man dann in der Perspektive glaubte gefunden zu haben ("Sehgesetz der Verkürzung"). Auf deren Hintergrund ist aber in der Folge nie eine Gestaltungslehre geschrieben worden. Und erst Newtons Lichtuntersuchungen intensivierten wieder die Suche nach einem Harmoniegesetz und zwar jetzt über den Bereich der Farben. Eine Folge davon war die Entdeckung des Farbkreises (Goethe, Runge), dessen Bedeutung für die Kunst aber überschätzt wird. Im Laufe des 19. Jhs. wurde dann der Harmoniebegriff durch den des "Ausdrucks" oder der "Logik" gleichbedeutend ersetzt. Die Kenntnis der früheren Erkenntnisse der Harmonielehre sind heute besonders für den modernen, abstrakt arbeitenden Künstler wichtig, da er nur nach deren genauer (auch unbewusster) Kenntnis mit ihren Gesetzmäßigkeiten bewusst arbeiten kann (vergleichbar einem Musiker mit den Gesetzen der Harmonie). Heute sind zu den historischen Gestaltungshilfen noch Gesetze aus der Gestaltpsychologie, der Farbperspektive und dem Bereich verschiedener technischer Gestaltungsmöglichkeiten hinzugekommen. In einer Übersicht ergeben sie heute folgendes Gesamtbild:
6. Die Proportionen In jedem Garten bleibt der Mensch das Maß und bei jedem Garten als Kunstwerk die Umsetzung seiner inneren Bedürfnisse das Ziel. Die von jedem Menschen geschaffenen Dinge sind in der Regel auf ihn selber bezogen und sollen deshalb von seinen Körpermaßen ausgehen. Früher wurden die Maßeinheiten auch direkt von seinem Körper abgeleitet. Die ältesten uns bekannten fand man in einer Grabkammer in Ägypten (Memphis, ca. 3000 v. Chr.). Fast alle Kulturen der Vergangenheit und viele Künstler (u.a. Leonardo da Vinci, Michelangelo, Dürer) haben einen solchen Kanon besessen. Die Maßverhältnisse für unsere Zeit stammen von Adolf Zeising (dt. Ästhetiker, 1810 - 1876), der den gesamten menschlichen Körper mit Hilfe des Goldenen Schnittes zu erfassen versuchte und einer ähnlichen Vorgehensweise von Le Corbusier bei seinem "Modulor" (rote Reihe: ausgehend von einer Körpergröße von 183 cm; blaue Reihe: ausgehend von der Fingerspitze einer erhobenen Hand mit 226 cm). Proportionen geben immer "angenehme" Größenverhältnisse für unser Auge an. Einst waren sie abgeleitet von den Intervallen der Musik, bezeichnen sie in der Architektur das Verhältnis von Breiten, Höhen und Tiefen in ihrem Verhältnis zu einander und in ihrer Beziehung zum Gesamtbauwerk, in der Gartenkunst in ihren Tiefen, Breiten und Höhen, die sich ständig verschieben können, da es sich weitgehend um ein lebendes, ein sich weiterentwickelndes Gestaltungsmaterial handelt. Die Proportionen geben ein angenehmes Verhältnis der einzelnen Teile zum Ganzen an (das Ebenmaß). Sie gehören neben der Harmonie, der Symmetrie und der Rhythmik zu den Grundbedingungen des Schönen. Dabei sind die Unterschiede zwischen ihnen fließend:
7. Der "Goldene Schnitt"
Seit der Antike beschäftigte man sich in der Architektur mit dem Problem ästhetisch ansprechender Proportionen. Solche mögliche Proportionsvorgaben waren u.a.:
Ausgegangen wurde vom griechischen Lambda (auch das Formelzeichen für den Maßstab), dem Ausgangswert der kosmischen Harmonie. Es wurde gleich "1" gesetzt. Dieser konnte dann jeweils verdoppelt (1 - 2 - 4 - 8) oder verdreifacht (1 - 3 - 9 - 27) werden. Nach Pythagoras verbarg sich dahinter nicht nur das Geheimnis der musikalischen Harmonie, sondern auch das Geheimnis der universellen Ordnung. Diese antiken Proportionsvorgaben können wir bis in die Bibel zurückverfolgen. Der Tempel Salomons war 60 Ellen lang, 20 Ellen breit und 30 Ellen hoch (Verhältnis 3 : 1 und 2 : 1). Dieses Wissen führte dazu, dass man bis einschließlich der Renaissance seine Bauten nach diesen musikalischen Gesetzmäßigkeiten errichtete, weil man sie dadurch in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Universums glaubte. Sowohl Bramante wie auch Palladio orientierten sich noch nach ihnen. Palladio bezog sich gleichzeitig auch auf die Raumvorstellungen von Vitruv. Dieser hatte mit Hilfe von Kreisen, Dreiecken und Quadraten einfache Polygonzüge geschaffen, die dann wiederum die Grundlage für weitere, kompliziertere wurden. So fußte nach ihm der Grundriß des römischen Theaters auf einen viermal gedrehten, gleichseitigem Dreieck. Dieses Triangulationsverfahren nutzte man bis in die Renaissance (nicht wie oft geglaubt den Goldenen Schnitt, sondern Dreiecke mit einem Seitenverhältnis von 5 : 8, die diesem entsprechen) In der römischen Baukunst verwandte man auch den "Heiligen Schnitt". Er baute auf einer zweifachen Halbierung der Diagonale eines Quadrats. Verband man diese Punkte, so erhielt man in der Mitte das "Quadrat des heiligen Schnittes". Die Verlängerung seiner Seiten führte zu Schnittpunkten auf dem Ausgangsquadrat (ein verbindender Zirkelschlag von ihnen aus, der Mitte des Quadrats, führte zu einer annähernden Quadratur des Kreises). Palladio baute nach dieser Grundformel seine Villa Pisani (Bagodo). Diese Proportionsvorgaben sollten nicht als esoterische Größen, sondern als geometrisch-handwerkliche Hilfsmittel gesehen werden. Im 18. Jh. verwandte man dann keine harmonischen, sondern additive Maßordnungen. Erst Adolf Zeising kam nach seinen Untersuchungen über die Maßverhältnisse am Menschen wieder auf den antiken "Goldenen Schnitt" zurück. Bei ihm wurde die Strecke so geteilt, dass ihr größerer Teilabschnitt sich zur Gesamtstrecke proportional so verhielt, wie das kleinere Teilstück zum Größeren. Bekannt wurde das Proportionssystem im letzten Jahrhundert durch den "Modulor" von Le Corbusier (1948). Er ging von einer Körpergröße von 183 cm aus (= Rote Reihe; Blaue Reihe = 226 cm, ausgehend von der Fingerspitze einer erhobenen Hand bei einem stehenden Menschen. Zunächst war er von einer mittleren Körpergröße von 175 cm ausgegangen, doch Anpassungsschwierigkeiten an das englische Zollmaß ließen ihn davon abweichen. Innerhalb eines Gartens bleiben diese Maße aber ideal. Corbusier glaubte mit diesen Zahlenwerten, die Idealproportionen, bezogen auf einen Menschen, benannt zu haben:
Der Goldene Schnitt ist als geometrische Größe seit der Antike bekannt. Man fand ihn überall in der Natur (dem Aufbau von Mineralien, bei Pflanzen) und sah in ihm ein ideales Maß (Vitruv). Man sah sein Proportionsverhältnis als sehr harmonisch an. Allerdings wird über seine tatsächliche Anwendung auch viel spekuliert. Oft gebrauchte man ihn nur annäherungsweise. Heute findet man den Goldenen Schnitt bei einigen der schönsten Bauwerke der Architektur (z.B. dem Parthenon-Tempel, dem Erstentwurf des Louvres bis hin zu den modernen Bauten von Le Corbusier). Als geometrische Größe entspricht der Goldene Schnitt der Gleichung
AC : CB = CB : AB z.B.: 3 : 5 = 5 : 8).
Als genaue Verhältniszahl ergibt sich dabei 1,618 ... (bzw. abgekürzt 1,6). Man erhält die kleinere Proportionsseite, indem man die größere Seite durch 1,6 teilt:
(z.B.: 5 : 1,6 = 3,1 = 3).
die größere Proportionsseite, indem man die kleinere Seite mit 1,6 multipliziert:
(z.B.: 5 x 1,6 = 8).
(genau lässt sich der Goldene Schnitt nur mit Hilfe einer geometrischen Konstruktion ermitteln. Allerdings ist es wahrscheinlich gerade diese relative Ungenauigkeit, die beim Betrachter seine positiven Empfindungen weckt).
Für den Goldenen Schnitt sprechen:
8. Die Perspektive Alle dreidimensionalen Räume sieht der Mensch perspektivisch (d.h. in dem Rahmen von mathematisch-geometrischen Gesetzen). Auch der Einsatz der Perspektive in der Gestaltung war bereits den alten Griechen bekannt. Sie verwendeten sie bereits bei den Gebäudedarstellungen auf ihren Bühnenbildern. Die Römer übernahmen sie von dort und führten sie zu einem Höhepunkt (pompejanische Malerei). Die dargestellten Seiten wurden dabei perspektivisch verkürzt gezeigt. Allerdings geriet dieses Wissen später in Europa in Vergessenheit. Im Mittelalter kannte man hier dagegen die Bedeutungsperspektive:
Im 17. Jh. gehörten Perspektivkenntnisse zum Grundwissen eines jeden Architekten und Malers. Die Bildräume im Manierismus (Tintoretto) und die Deckenfresken im Barock wären ohne sie nicht möglich gewesen. Aber auch die Wirkung der Barock- und Landschaftsgärten beruht auf der bewussten Nutzung von perspektivischen Effekten (besonders schön in Schleißheim zu sehen, siehe Bd. II). Die "wissenschaftliche" Perspektive verlor erst Mitte des 19. Jhs. ihre Bedeutung. Sie entsprach nicht mehr den modernen mehrschichtigen Raumvorstellungen. Cezanne versuchte dem über verschiedene Blickpunkte gerecht zu werden. Die Kubisten zerlegten dann ihre Betrachtungsgegenstände in deren Mehransichtigkeit, und die abstrakten Künstler verzichteten ganz auf sie. Sie reduzierten sich in der Malerei nur noch auf das Element Farbe. Doch dieser Entwicklung in der Malerei steht heute in den fototechnischen, den Raum- und den digitalen Künsten eine andere Entwicklung entgegen. Filmische Aufnahmen und digitale Computerarbeiten bauen auf deren Nutzung. Unser kulturell geprägtes Wahrnehmungsvermögen will auf sie nicht zerzichten und benötigt sie für seine Traumwelten. Für die Gartenkunst ist die Perspektive immer noch ein bedeutsames Gestaltungskriterium geblieben. Die Perspektive bestimmt zum Beispiel den räumlichen Eindruck eines Gartens (Perspektive = abgeleitet von lat. perspicere = deutlich sehen, durchschauen). Seine Tiefe erhält er
9. Weitere Kompositionshilfen: (Erst über deren Miterfassung ist eine vollständige Interpretation einer architektonischen Komposition möglich) Bisher genannte phylogenetisch erfahrbare ästhetische Vorgaben:
10. Die Ästhetik Das Problem der Ästhetik ist, dass ihre begriffliche Erfassung nur über eine nichtästhetische Klärung erfolgen kann. Sie befindet sich außerhalb des einzelnen Kunstwerks und ist damit zunächst ein rein philosophisches Anliegen (Ästhetik: gr. Aithesis = Wahrnehmung und kallistik = Schönheit; also Wahrnehmung der Schönheit). Als eine positiv belegte Wertung ist sie jeweils abhängig von phylogenetischen Vorgaben und sozialen Maßstäben und Zielen. Sie bezieht sich auf die Empfindungen eines Einzelnen und auf deren Bewertung durch seine Umgebung. Ihre besondere Bedeutung liegt in ihrem positiven Rückkoppelungseffekt auf unsere Psyche. Eine Antwort auf die Frage, was die Schönheit überhaupt sei, ist nur begrenzt möglich. Früher wurde sie den Gegenständen als Eigenschaft zugesprochen (z.B. im Mittelalter als "Glanz der Wahrheit"). Heute sehen wir in ihr ein Bewertungsurteil eines Betrachters. Bei einer Beschäftigung mit dem Naturschönen hängt es davon ab, ob man sich als Mensch selber als Teil der Natur sieht oder ob man sich über sie stellt. Die Schönheit der Natur wurde schon in der Antike bewundert und verehrt. Später galt sie als das "Kunstwerk Gottes" und damit als das absolute Vorbild menschlichen Gestaltungsstrebens. Seit der Neuzeit wird das Naturschöne nun als eine subjektive Erfahrung gesehen, bzw. als eine Projektion persönlicher Stimmungen und Gefühle. Es erlaubt sinnlich existentiell notwendige Erfahrungen, die ansonsten in keinem anderen Lebensbereich gemacht werden können, z.B. die Erfahrungen
Ein Problem der Naturschönheit ist deren unerschöpfliche gesetzmäßige Vielfalt, die bei einer Ästhetisierung der Natur durch den Menschen immer seinen natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen und sozialen Vorgaben verhaftet bleibt. Eigentlich kann er nur versuchen, zwischen sich und ihr ein harmonisches Verhältnis herzustellen - im Sinn seiner Bedürfnisse bezogen auf die Natur und einem Gefühl der Verantwortung gegenüber der Natur als moralische Verpflichtung. Im Gegensatz zum Schönen, das nur mit angenehmen Empfindungen gesehen wird, steht das Erhabene für das Große, Gewaltige, das auch mit Angst und Schrecken verbunden ist - allerdings in einer Form, dass dem Betrachter von ihm keine Gefahr droht. Geschichtlich wird es mit der zunehmenden Beherrschung der Natur durch den Menschen in Beziehung gebracht, wobei die Natur letztlich die Unantastbare bleibt. Nach Kant kann der Mensch sich ihr gegenüber als Naturwesen nur ohnmächtig empfinden, ist ihr aber als Vernunftwesen überlegen. Im Laufe der Geschichte hat man für sie verschiedene Unterscheidungen und Definitionen gefunden. Die heutige Bedeutung des Erhabenen in der Ästhetik ist in dem Umstand begründet, dass man heute der Kunst die Aufgabe zuweist, das Unsagbare darzustellen. Es wird damit zu einem blitzartig aufleuchtenden Grenzergebnis zwischen Empirie und Transzendenz und zu einem kommunikativen Konfliktergebnis, das mangels rationaler Erklärungsmöglichkeiten in der Kunst nichtverbal gelöst wird. Im Alltagsleben verstehen wir darunter die Betrachtung von etwas Gewaltigem aus einer sicheren Distanz. Über das Erhabene werden wir von einer naturbezogenen Größe angemutet, die zugleich vom Schönen begleitet wird. Sie weckt in uns ein Gefühl der Ehrfurcht gegenüber der Natur (in der literarischen Theorie auch ein Gefühl des Schreckens). Schon in der antiken Tragödie stand es für das Erschütternde. Nach Kant ist ein Objekt erhaben, "was über alle Vergleichung groß ist", nach Schiller ist es etwas, was uns von der sinnlichen Welt befreit (während uns das Schöne an sie bindet). Eine solche Trennung von Erhabenen und Schönen (die eine große Empfindungsperspektive öffnet) ist nur in der europäischen Denktradition bekannt, der östlichen Philosophie ist sie fremd. Lange Zeit strebte man in der Philosophie in seinen Überlegungen zur Ästhetik allgemeingültige Aussagen an (z.B. noch Kant). Mit der Emanzipation des deutschen Bürgertums während der Zeit der Klassik stellte man sie in den Dienst dieser neuen Bestrebungen. Bedeutsam wurden dabei Winkelmann (1717 - 1768), Lessing (1729 - 1781), Herder (1744 - 1803) und Hegel (1770 - 1831). Für Herder war die Kunst ein Lebensbild. Dabei musste das Schöne im Kunstwerk untersucht werden. Beide vereinten sich zu der künstlerischen Form, die zugleich ein Ausdruck des Wahren und Guten sei. Der nachfolgende Subjektivismus führte zum Zerfall der klassischen Kunstvorstellungen. Fechner begründete eine psychologische Ästhetik und forderte eine Ästhetik von unten, während Dilthey in den Geisteswissenschaften für ein "Verstehen" innerhalb der Hermeneutik plädierte. Daneben gab es mehrere Bemühungen neue ästhetische Werttheorien aufzustellen (u.a. um das Eindringen naturwissenschaftlicher Überlegungen in die Ästhetik zu verhindern, verschiedene Symboltheorien und Ausformungen der Ikonologie). Für die Sozialphilosophie des letzten Jahrhunderts wurde dann die gesellschaftliche Funktion der Ästhetik zunächst zu einer zentralen Frage, während gegen Ende des Jhs. die Grenzen zwischen der Populär- und Hochkultur und die Auflösung zwischen den Gattungs- und Stilgrenzen Untersuchungsgegenstände wurden. Die Ästhetik wurde zum Inhalt der Sozialphilosophie, zu einem der Sozialwissenschaften. Das bedeutete, dass für die Beurteilung der Stellung der Gartenkunst innerhalb der allgemeinen Kunstszene heute wissenschaftlich hauptsächlich diese heranzuziehen sind. Daneben sucht man Erklärungen für die Bedeutung der Ästhetik für unser Leben in der allgemeinen Beschaffenheit des menschlichen Gehirns. Man glaubt, dass viele unserer heutigen Vorlieben sich einst evolutionspsychologisch in unser Erbgut einprogrammiert haben. In der Forschung hinterfragt man dafür Farben, Formen und Landschaften. Man weiß, dass es dafür in unserem Gehirn kein isoliertes "Schönheitszentrum" gibt, sondern dass an unserem Schönheitsempfinden mehrere Hirnareale zusammenwirken. Man hinterfragt, welche Reize uns dabei stimulieren und weiß, dass es Objekte mit einer gewissen Komplexität und der Fähigkeit unser Gehirn zu einer Musterbildung anzuregen ist. Alle diese Forschungsansätze haben letztlich einen biologischen Bezug. Damit aber erhält die Gartenkunst für unser Bewusstsein einen besonderen Stellenwert, da sie als einzige unter den Künsten einen komplexen Naturbezug hat. Geisteswissenschaftliche Forschungsansätze in der Nachfolge Nelson Goodmans sehen in der Kunst zeichengebundene Kommunikationsformen, die die Frage aufwerfen, was künstlerische Aussagen von andern Zeichenprozessen unterscheidet. Ihre Beantwortung hängt dann davon ab, was wir als eine künstlerische Aussage anerkennen. Vielleicht ist auch hier unser Gehirn entscheidend beteiligt, indem es für die Wahrnehmung von bestimmten Kulturprodukten ein besonderes Belohnungssystem besitzt. Naturbezogene Reize, Zeichen dürften ihm dabei besonders nahe stehen - ein Garten ist dann ein komplexes Angebot naturnaher Zeichen. Seit der "Modernen" steht man dem "Schönen" sehr distanziert gegenüber. Für sie steht es nicht mehr für das Wahre, sondern eher für das Unwahre, das Schöngemachte bis hin zum Kitsch. Man ersetzt heute lieber diesen Begriff durch den des Erhabenen, Authentischen oder Interessanten. Dabei lässt man den psychogenetischen Aspekt völlig außer acht, bei dem wir nur auf positive Reize mit Belohnungshormonen reagieren. Biologisch gilt dann als schön, was im Aussehen einen Vorteil im natürlichen Ausleseprozess verspricht. Die Forschung hat nachgewiesen, dass wir bestimmte Wahrnehmungen angenehmer empfinden als andere (z.B. in der Musik bestimmte Intervalle oder in der Architektur bestimmte Proportionen). Ein ästhetisch bestimmter Lebensbezug macht ein Leben komplexer, reicher. Für die Lebensreformbewegung wurde die Ästhetik deshalb zu einem zentralen Anliegen. Seit der Renaissance hatte man das spezifisch Künstlerische in der Herausarbeitung einer Idee in ihrer Vollkommenheit gesehen, letztlich an einer Linienführung, Form, Komposition. Dazu noch Kant:
Der "Reiz der Farben, oder angenehmer Töne des Instruments kann hinzukommen,
aber die Zeichnung in der ersten und die Komposition in dem letzten machen den
eigentlichen Gegenstand des reinen Geschmackurteils aus".
Jetzt gewann die Materialästhetik eine zentrale Rolle. Da dem Material von sich aus ein geistiger Gehalt fehlt, muss er ihm bei der Betrachtung zugesprochen werden (darin liegt oft die Fragwürdigkeit mancher Kunstbetrachtung). Die Lebensreformbewegung orientierte sich dabei selbstbeschränkend an einem im Material sich befindenden "Maß", das dann in der Interpretation jede Aussage zuließ (hier lag später einer der Ansätze für die Forderung nach "deutschen Werkstoffen", die dann im Rahmen der Gleichschaltung der Künste dienstbar gemacht wurden) . Von sich aus schafft ein Material nur Sichtbarkeiten, eine Aura. Es schafft keine (geistigen) Bezüge. Es ist in seinem "Da-sein" einfach nur da und löst je nach den verschiedenen Geschichten seiner Betrachter, ihren verschiedenen Seh- und Denkgewohnheiten die unterschiedlichsten ästhetischen Prozesse aus.
Über den Gedanken des Gesamtkunstwerkes waren viele Architekten zur Lebensreformbewegung gestoßen (u.a. Peter Behrens, van de Velde, Schultze-Naumburg). Besonders Schultze-Naumburg glaubte dabei, dass die ästhetischen Maßstäbe eine Beziehung zu ethischen Werten besäßen. Aus dieser Haltung heraus forderte er, dass "sämtliche Zwecke" sichtbar zum Ausdruck kommen sollten. Deren Sichtbarkeit war für ihn das oberste Arbeitsgesetz und damit zugleich sein höchstes ästhetisches Ziel. In seinem Saalecker Betrieb (Thüringen) hatte er dafür die Abteilungen für Architektur, Inneneinrichtung und für die Gartengestaltung.
11. Die Ethik Wir Menschen stehen in einem Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur.
Über unsere Kultur (als soziales Erbe der Leistungen und Erfahrungen unserer Vorfahren) bekommen wir die Wertmaßstäbe, wie wir die Natur sehen sollen, was wir an ihr als schön empfinden, bzw. ablehnen. Sie sind aber für die Natur selber unbedeutend, unbekannt. Die Pflanzenwelt verlässt sich in ihrer Orientierung weitgehend auf chemische Reize bis hin zu einer Art chemischer Kommunikation (z.B. Duftstoffe gegen einen Schädlingsbefall), in der Tierwelt auf Instinkte (die beim Menschen oft verkümmert oder kulturell überlagert sind). Über seine Wertmaßstäbe betrachtet der Mensch seine gesamte Umwelt. Orientierungsmäßig kann er sich ihnen nicht entziehen - auch dann nicht, wenn er sie ablehnt. Alles was wir betrachten, sehen wir durch die Brille dieser Vorgaben. Dies gilt auch für die Betrachtung seines Gartens. Unser heutiges Problem ist nun, dass wir keine gemeinsamen Gartenmaßstäbe mehr kennen und deshalb außerhalb einer rationalen Orientierung auch kaum noch ein Gespräch über die Gestaltung von Gärten führen können. Der letzte (mir bekannte) größere Versuch Wertmaßstäbe für die Bewertung eines Gartens zu schaffen, stammte von Hans Schiller. Er hatte sein Buch "Gartengestaltung" bereits in den Kriegsjahren (vor 1945) konzipiert, als er noch Dozent an der damaligen "Höheren Gartenbauschule" in Berlin-Dahlem gewesen war. 1952 erschien die erste Auflage. Die Besonderheit seiner Anliegen liegt in dem Umstand, dass er sich auch mit grundsätzlichen Gestaltungsfragen beschäftigte. Zunächst orientierte sich Schiller an den vier Grundwerten des
12. Der Stil Im Laufe der Geschichte hat sich der Inhalt des Stilbegriffs laufend verändert. Seit Winkelmann (1767) verstand man darunter die innere Einheit aller Schöpfungen einer Bevölkerung in einer bestimmten Zeit. Heute versteht man darunter die Summe aller Ausdrucksmerkmale bezogen auf einen bestimmten Künstler (zur Beschreibung seiner persönlichen Eigenart), eine Künstlergruppe oder einen bestimmten Zeitabschnitt. Heute gilt der Stilbegriff als geschichtsphilosophische Aussage als überholt. Er wird noch benötigt für die Analyse historischer Erzeugnisse, sei es bezogen auf die Aufgaben, die Gattungen oder die Materialien. Wir wissen inzwischen, dass er stark zeitabhängig ist und beobachten in unserer Gesellschaft statt einer Stileinheit einen Stilpluralismus. Ein Stil vertritt eine bestimmte Geisteshaltung (oft in Abhängigkeit von einem gesellschaftlichen Bewusstsein). Eine Mode hat zwar auch diese Funktion, aber nicht dessen verpflichtenden Charakter. Sie bezieht sich auf die wechselnde Gestaltung der äußeren Formen (innerhalb eines individuellen oder gruppenspezifischen Spielraums) und wird von sozialen Gruppen freiwillig akzeptiert. Um eine Arbeit nach ihren künstlerischen Kriterien analysieren zu können, bedarf es
Man kann den Inhalt eines Kunstwerks von seinem Wahrnehmungsbild oder vom Werk her betrachten. Man kann in der Kunst darunter jeden Wert verstehen, der über eine Form vermittelt wird. Beide, Inhalt und Form, werden über ein Material wahrgenommen. Erst darüber sind sie erfahrbar. Dabei gehört es zu den Besonderheiten der Gartenkunst, dass sie bei ihren Inhalten als einzige Kunstgattung alle menschlichen Sinne anspricht. Sie begegnen dann dem Betrachter einerseits als Objekt vor einer Ausführung und andererseits nach seiner Bearbeitung durch den Künstler. Das Problem, das dann auftritt ist, dass der Inhalt danach weitgehend geistiger Natur ist und in der Kommunikation nur noch über Interpretationen verständlich gemacht werden kann. Der Gehalt eines Kunstwerkes ist dessen Sinndimension, die geistige Erfassung eines künstlerischen Problems über eine individuelle Lösung. Es ist damit nicht nur von der gestalterischen Aussagekraft eines Künstlers abhängig, sondern auch von dessen Wertvorstellungen und den geistigen Dimensionen seines Denkens. Man ist immer wieder erstaunt, wie gebildet die Großkünstler vergangener Zeiten waren. Es war oft das entscheidende Kriterium, dass sie von den reinen Handwerkern trennte und das ihre Kreativität bestimmte. Dies gilt besonders für die Renaissancekünstler bis hin zu Picasso oder viele der heute künstlerisch orientierten Architekten. Unter dem Begriff der Kreativität wird die menschliche Fähigkeit verstanden, für eine Aufgabe, ein Problem neue Lösungen zu finden. Sie ist das Ergebnis noch weitgehend unbekannter physiologischer Prozesse. Sie scheinen von drei Voraussetzungen abhängig zu sein:
Ein Garten wächst aus einer Vielzahl anfänglicher Entscheidungen. Innerhalb seiner Komposition (lat. Anordnung) legen wir ihm ein Grundgerüst zugrunde, das dann seine Aussagen bestimmt. Sie beruht auf einem Austarieren von Gleichgewichten, in dem jedes Einzelelement seinen festen Platz und sein festes Beziehungssystem erhält. Kleinere Einheiten verbinden sich über einen Rhythmus zu einer Melodie. Damit schaffen wir ein Bild von Bildern, das letztlich im Idealfall dem Bild entspricht, dass wir von unserem Paradies in uns tragen. Das Problem jeder gärtnerischen Komposition ist, dass in ihr verstärkt Veränderungsprozesse zum Tragen kommen. Solche Prozesse treten zwar als physikalische, chemische oder auch biologische Abläufe bei allen Kunstwerken auf - dies aber oft in viel längeren Zeiträumen einerseits und nicht als aktives Element andererseits. Es gehört zum Ausdruck der Neuzeit, zum Selbstverständnis des modernen europäischen Künstlers, dass dieser seiner Arbeit und damit letztlich auch sich eine Dauerhaftigkeit verleihen möchte. In der Vergangenheit besaß bereits das Material als solches einen eigenen Aussage- und Symbolgehalt. Heute stellt es oft nur noch den Träger einer künstlerischen Idee dar. Zwar kann in der Kunst alles ein Werkstoff sein, dass einer künstlerischen Idee zur Umsetzung helfen kann, wenn sie darüber hinaus kommunikationsfähig bleibt, doch haben im gärtnerischen Bereich die Materialien ihren alten symbolischen Gehalt verloren und ein neuer wird ihnen nach außen nur noch über einen rationalen Sachwert zugesprochen. Ihr subjektiver, persönlicher, verletzlicher, kaum kommunikationsfähiger, oft in den individuellen, religiösen, phylogenetischen Hintergrund eines Menschen hinreichenden Wert wird nur ungern zum Ausdruck gebracht. Aber genau dieser erst würde einen Garten zu einem Kunstwerk machen - das umgesetzte innere Bild eines Menschen darstellen. Manchmal behindern Normen die Arbeit, manchmal bereichern sie diese aber auch, weil hinter ihnen oft die Erfahrungen einer ganzen Kultur stehen und Einengungen die kreativen Ansätze stärker auf bestimmte Ergebnisse hin ausrichten. In Normen konkretisieren sich die Werte einer Gesellschaft. Sie repräsentieren deren Ideale und damit ihre Maßstäbe. Über sie gewinnt jede Gesellschaft ihre Identität. In der Regel werden sie von deren Bildungseliten festgelegt und von der Bevölkerungsmasse übernommen. Das bedeutet, dass sie kulturabhängig sind und damit oft im Sinne bestimmter Interessen instrumentalisiert werden können. Zum Problem wird diese Ausgangslage, wenn diese anerkannte "Bildungselite" in einem Arbeitsbereich einer Gesellschaft sehr klein ist - wie in der Gartenkunst. Die ausführenden Gartengestalter orientieren sich an den wenigen gärtnerischen Gartenfakultäten. Die dortigen Professoren der Landschaftsgestaltung wollen allerdings anerkannte Ingenieure sein und orientieren sich an den rationalen Natur- und Technikwissenschaften. Für die eigentliche Gartenkunst bleibt dort kaum ein Raum. Künstlerische Orientierungsnormen sind von dort kaum zu erwarten. Ohne sie wird es aber keine kunstorientierte Gartendiskussion geben. Entsprechende Normen würden allerdings auch zu Auseinandersetzungen führen, weil sie sich gegen andere Vorstellungen stellen würden. Der jetzige Zustand müsste eigentlich dem Schöpferischen, der Forderung nach Originalität mehr Freiräume verschaffen, doch werden diese in Ermangelung von tatsächlichen "Gartenkünstlern" nicht genutzt. Kompositionen werden von einem Rhythmus bestimmt, d.h. der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Motive, Bilder, Elemente, Strukturen und Materialien. In unserer Zeit benutzen wir den Rhythmusbegriff nur für die Zeitkünste (Musik, Poesie), während er in der Antike auch in den Raumkünsten gebräuchlich war (z.B. Rhythmus der Säulenordnung). Man versteht darunter die Beziehung bestimmter Raum- und Zeitmaße zu einer Einheit. Rhythmische Empfindungen sind in einem Menschen phylogenetisch tief angelegt (Pulsschlag, Atemrhythmus). Sie werden also nicht nur über das Auge und Ohr wahrgenommen. Ein Rhythmus bestimmt die Dynamik einer Gestaltung. Erst durch ihn gewinnen die Gestaltungsstrukturen ihre Lebendigkeit. Jede Struktur ist ein Gefüge, ein Gefüge von Relationen, Beziehungen. Über sie werden die verschiedenen Einzelteile eines Ganzen zu einer Einheit verbunden. Dabei ist zu beachten,
Als Raumkunst, Außenarchitektur haben Gärten immer eine Funktion - und wenn dies nur eine psychisch aufbauende gegenüber unserem zivilisatorischen Alltagsleben ist. Als Kunstform ist sie diejenige, die den Menschen in ihrem Naturbezug am meisten anspricht. Ihre ästhetische Wirkung wird erreicht durch
Dabei kann in einem Garten die Natur in einen Gegensatz zur Kultur, zum Gebauten gebracht werden. Von beiden Welten beeinflusst, kann er zu einer zentralen Lebenswelt eines Menschen werden. Er muss sich erst dieser Möglichkeit bewusst werden. Früher diente die Natur dem Menschen allein als existentielle Nahrungsgrundlage. Als Kunstwerk dient sie als Kulturprodukt primär der Verbesserung seiner Lebensqualität - und immer war der Garten auch ein bedeutsames Statussymbol: In verschiedenen Gartenräumen kommen seine verschiedenen Funktionen zum Tragen. Ein Problem unserer heutigen, oft kunstgewerblich orientierten Gärten ist das Aufgreifen zu vieler Stilelemente. Durch diesen Eklektizismus wird die gestalterische Formensprache zerstört. Es kommt zu einer Sinnentleerung. Die formale und geistige Einheit eines Gartens wird dadurch vernichtet. Die Wahrnehmung von Architektur hängt weitgehend vom Informationsstand der Wahrnehmenden ab. Die Gartengestaltung wird in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht als Kunstdisziplin diskutiert. Anders als die Musik, das Theater oder die Malerei ist sie kein allgemeines kulturelles Gesprächsthema. Gründe dafür sind u.a.,
Eine häufige Haltung in unserer Zeit ist die Position: Die Kunst muss frei sein. Doch kann sich ein Gartenkünstler nicht über die Gesetzmäßigkeiten in der Natur hinwegsetzen. Und auch in der Kunst kann es aus Kommunikationsgründen keine reine Willkür geben. Natur und Kultur erfordern beide für ihre Einheit die Befolgung von Vorgaben, im architektonisch-musikalischen Bereich weitgehend mathematische Gesetzmäßigkeiten. Kultur ist immer als etwas Ganzes zu sehen, und ein Garten ist ein Teil von ihr, ist selber als etwas Menschengemachtes immer in erster Linie Kultur - Kultur aus der Lebensumwelt, der Architektur. Er ist eine Neuschöpfung und besitzt, da er von einem kulturabhängigen Schöpfer geschaffen wurde, auch selber dessen kulturellen, geistigen Hintergrund. Er wird dann zu einem Kunstwerk, wenn er bewusst oder unbewusst diese Haltung vertritt. Ein Garten ist eine Einheit in der Vielheit. Dabei darf die Vielheit die kompositorische Struktur, das Architektonische nicht erdrücken, bzw. in den Hintergrund drängen. Letztlich sind alle darin angewandten ästhetischen Gesetze geometrischer Natur, proportionsabhängige Bezüge innerhalb einer Ganzheit. Erst durch ihre Gesetzmäßigkeiten wird eine Architektur zur Architektur. Dies gilt auch für einen Naturgarten. Er folgt letztlich einem inneren Bild seines Schöpfers und kann deshalb im Gegensatz zum Glauben vieler Laien viel Arbeit bereiten. (so sind auch unsere Naturschutzgebiete in der Regel Schutzgebiete historischer Kulturlandschaften, die nur mit Hilfe eines großen Pflegeaufwandes in ihrem optischen Bild erhalten werden können: z.B. die Heide- oder Moorflächen durch das regelmäßige Beseitigen der Birken). Innerhalb einer architektonischen Schöpfung müssen sich deren Gesetzmäßigkeiten in allen ihren Teilen wiederfinden lassen. So widerspruchsvoll es klingen mag: Die wahre Freiheit beginnt dort erst mit der Beherrschung der Gebundenheit. Mögliche Vorgaben, Forderungen (z.B. funktionaler Art) töten nicht die Fantasie, sondern fordern sie erst heraus. Der Schöpfer eines Gartens, eines Kunstwerks lebt deshalb intensiver, als wenn er diese Arbeit nicht täte. Er bringt darin seine Gefühle, sein Erleben zum Ausdruck und schafft damit auch ein Bild seiner Zeit. Innerhalb einer Kultur hat so jede Zeit ihre eigene Formgestaltung, ihren Stil. In ihm verwirklicht sich eine formale soziale Kommunikationsbasis. Uns fehlt heute das Bewusstsein dafür. Ein allgemein akzeptierter Stil ist heute kaum erkennbar. Eine der Ursachen ist die fehlende Auseinandersetzung mit der Lebensreformbewegung. Zu lange standen die politischen Auseinandersetzungen des 19. Jhs. allein im Blickfeld des sozialen Interesses. Die sozialistischen Gerechtigkeitsgedanken verdrängten die individuell-lebensbezogenen aus dem Bewusstsein. Die Architektur, der Garten gehören aber zum letzteren Lebensbereich. Jede Komposition besitzt ein Gerüst, das in einem Garten zunächst eine funktionsgerechte Grundform sein kann. Danach setzt durch die Auswahl aus der Fülle die Phase der Beschränkung und der Unterordnung ein, über die dann erst ein Stil entsteht. Gegen beides hat man heute oft etwas. Dazu gehört z.B. auch, dass sich die anderen Künste der Gartenkunst im Außenbereich nicht unterordnen. Am ehesten finden wir dies z.Z. noch bei der Skulptur. Nicht zufällig sind es die Bildhauer gewesen, die im letzten Jahrhundert einige der bedeutendsten Gärten dieser Zeit geschaffen haben. Die Gartenkunst hat das besondere Privileg mit der in der Natur innenwohnenden Schönheit arbeiten zu dürfen. Wie dort ist sie oft zugleich das Ergebnis einer Zweckmäßigkeit. Über die Gartenkunst hat der Mensch die Möglichkeit zu seinen phylogenetischen Ursprüngen zurückkehren zu können, und wenn dies nur in einer naturnahen Komposition ist. Im Idealfall müsste die Natur, wie in der Lebensreform gefordert, alle seine Lebensbereiche durchdringen können. Und wenn dies nicht nur in einem Ornament, einem oberflächlichen Dekor zum Tragen kommen soll (wie es in der Zeit um 1900 z.B. im Jugendstil oft der Fall war), verbleibt nur der Garten. |