16. Der Garten von heute | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Was ist eine zeitgemäße Gartenkunst? Niemand kann es sagen. Da wir uns immer noch in der Zeit des Reformgartens, d.h. des individuellen Gartens, dem persönlichen auf Gesundheit, Bewegung und Wohlbefinden zielenden Garten befinden, muss er wahrscheinlich in diesem Bereich gesucht werden. Nach dieser Vorgabe gibt es so viele mögliche Gärten, wie es verschiedene Menschen gibt. Jeder Autor wird sie wahrscheinlich anders zu ordnen versuchen, um dann daraus seine Schlüsse ziehen zu können.
Wenn man große Übersichten über die heutige internationale Garten- und Freiraumgestaltung durchsieht, ist man erstaunt, dass deutsche Anlagen in ihnen so gut wie gar nicht vorgestellt werden und dass im Ausland das dortige Gestaltungsniveau sehr viel höher zu sein scheint (z.B. in Barcelona). Siehe dazu:
Weiter fällt auf, dass der Begriff der "Gartenkunst" in der Regel nur für die Gartengestaltung bis zum ersten Weltkrieg verwendet wird - dann in der Regel allgemein als Synonym stellvertretend für ein Garten- bzw. Kulturdenkmal. Es gibt dann keine Abgrenzungen zwischen der Gartenkunst und einer profanen Grünanlage, weil es dafür keine Abgrenzungskriterien gibt. Der Folgestil, der Reformgarten, wird als solcher übergangen, weil seine Erfassung wiederum durch seine stark individuelle Ausprägung noch schwerer geworden ist. Über den Garten bringen wir die Natur über unsere Natur in unsere Kultur. Er wird damit auch zum Ausdruck des jeweiligen Zeitgeistes. Unsere Mittel dafür sind heute eine abstrakte Formensprache und moderne Materialien. Allerdings besteht dabei über das, was eine zeitgemäße gestalterische Aussage ausmacht, eine große Unsicherheit. Einerseits fordert man, dass dabei die Kultur, die Kultivierung der Natur sichtbar zum Tragen kommen soll, andererseits will man die Natur gewähren lassen und die Kultur nur über Eingriffe einbringen. Die Auseinandersetzung gipfelt in der Forderung nach mehr Künstlichkeit oder mehr Natürlichkeit. Mit dem zunehmenden Verlust unserer natürlichen Umwelt kommt dem Garten eine zunehmende Bedeutung zu, sei es als Ort nicht mehr klar fassbarer Sehnsüchte, als Ort voller Schönheit, der Freude oder auch als der mögliche Ort einer persönlichen Versöhnung mit der Natur. Er erhält zwar seine Identität durch seinen Gestalter, aber zugleich wird auch der Gestalter langfristig über ihn geformt. Seine Schwierigkeiten liegen in seinen vielfachen Grenzen (z.B. denen des Ortes) und, wie in jeder Gestaltungsarbeit, in denen seines Schöpfers. Mit nur wenigen Mitteln (aus einer unendlichen Fülle) ist durch eine gekonnte Reduktion das Wesentliche für eine Aufgabe, eine Person oder eine soziale Gruppe herauszustellen. Jede Gartengestaltung beinhaltet ökologische, soziale und ästhetische Aspekte, die zu einander in einer Beziehung stehen. In ihr wird eine neue emotionale, subjektive Welt zu einem Gesamtkunstwerk mit einer eigenen gestalterischen Sprache zusammengestellt. Sie schafft reale Ausdrucksformen der menschlichen Beziehung zur Natur. Unser Problem dabei ist, dass in den letzten zwanzig Jahren unser biologisches Wissen und damit unser Weltbild sich radikal verändert, für den einzelnen Menschen kaum noch durchschaubar geworden ist und zurzeit eigentlich noch mehr Fragen stellt, als dass es uns Antworten gibt, so dass wir in der gestalterischen Umsetzung noch völlig verunsichert sind. Eine Gestaltung bedeutet, einem Inhalt eine Form zu geben. Auf einen Garten bezogen heißt dies, seinem geistigen Gehalt eine Form zu geben, wenn er zur Kunst gezählt werden soll. Er ist dann mehr als eine ernährungstechnische oder eine repräsentative Nutzfläche. Auf die Frage, wie es um die aktuelle Gartenkunst seiner Meinung nach stände, hatte Kienast (1966) einmal gesagt: "Was Gartenkunst heute sein soll, interessiert mich nicht ..... Diese Diskussion führt
mich nicht weiter. ..... Es gibt eine schöne Definition vom Philosophen Hans-Georg
Gadamer, wonach alles Profane nichts mit Kunst zu tun hat. Wenn wir dieser
Definition folgen wollen, gibt es keine Gartenkunst". Bei dieser, für ihn frühen Aussage, macht er die Gartenkunst abhängig vom Nichtprofanen, von ihrem Inhalt. Ist dieser geistiger Art, dann kann er nicht mehr "unheilig", alltäglich sein. Später zog Kienast dann dem Begriff der Gartenkunst den des Handwerks vor (womit er sich in die Tradition des historischen Künstlers stellte), weil diese das Fundament aller Arbeit sei. Als Kunst sei dann das Mehr zu sehen, geboren aus Kreativität und Erneuerungsbewusstsein. Für ihn war damit die "Erneuerung der Gartenkultur nicht ein formales, sondern ein inhaltliches Problem". Sie bestand danach in deren erneute Sinngebung. Der Garten müsse danach erneut zu einem Bedeutungsträger werden und unser Bewusstsein schärfen und die Sinne wecken. Er sei eine "Gegenwelt zu einer immer weiter technisierten, fremdbestimmten Gesellschaft". Das Hauptmerkmal eines Gartenarchitekten sollte nach Kienast die Verantwortung sein, die dieser einem Projekt gegenüber habe (im Sinne seines Auftraggebers). Als moderne Gartengestalterin sieht sich dagegen Martha Schwarz eindeutig als Künstlerin. Dasselbe galt auch für Cramer, C. Th. Sörensen, Burle Marx oder Isamu Noguchi. Das Problem der heutigen Kunst ist, dass sie die Form selber zum Inhalt erklärt hat und der Inhalt glaubt, auf eine Form verzichten zu können. Damit stellt sie zwar Fragen, gibt aber nur noch subjektive, letztlich nicht kommunikationsfähige Antworten. Und die Gartenkunst kann ihr in diesem Punkt nicht folgen, weil sie ihre Aussagen immer nur über ihr Material und damit über die Form machen kann. Wir gestalten unsere Welt bei deren Wahrnehmung. Die Beschaffenheit unseres Gehirns schafft dann unsere Wirklichkeit. D.h. für den Kunstbereich, dass deren Existenzbereich zunächst an unsere Wahrnehmung gebunden ist und die gesehenen Bilder in unserem Kopf an die Beschaffenheit unseres Gehirns. Die Wahrnehmung von Reizen erfolgt über einen Filterprozess, der stark von deren Bedeutsamkeit für uns und ihrer Häufigkeit beeinflusst wird. Der Sinn für Ästhetik als Vorliebe für bestimmte Ordnungsmuster ist im Menschen tief angelegt und erlaubt den Sinnen, die Reize über ein Ordnungssystem leichter zu bewerten. Wahrscheinlich sind manche Verknüpfungen dabei bereits genetisch vorgegeben, wie z.B. die Bewertung mancher Farben. Die Kunst erlaubt über ihre Beschränkung (z.B. der Materialien) ein reduziertes Wirklichkeitsangebot. Sie entlastet die Sinne durch ihre Verbindung von Inhalten mit Strukturen (was die moderne Kunst teilweise aufgibt), und unser Gehirn reduziert die empfangenen Reize dann zusätzlich auf deren Bedeutung für uns. Biologisch gesehen sind bei allen Menschen die Wahrnehmungsstrukturen ähnlich, ähnlich auch deren Motivbesitz, ihre Kenntlichmachung und ihre Abgrenzung. Sie sind genetisch festgelegt. Dabei hat jeder einen angeborenen Sinn für das Ästhetische, das Schöne. Zu seinen Programmierungen gehören u.a. der geschlechtsspezifische Bezug zum Körper und dessen Reaktion auf besondere Merkmale. Die biologische Funktion der Kunst ist dabei eine Hilfe bei der Selbstdarstellung. Schon die Schimpansen schmücken sich zur Steigerung ihres Ansehens. Die Schönheit wirkt auf das innermenschliche Belohnungssystem wie eine Droge. Wenn es die Wirkung der Kunst ist, dass sich niemand in ihrem Umfeld aufhalten will, dann hat sie ihre Funktion verfehlt. Ihr Hauptzweck ist die Kommunikation über die Sinne. Jeder Künstler will kommunizieren und muss deshalb die Wahrnehmungsmöglichkeiten seines Gegenübers berücksichtigen. Eine Kunstidee, die außerhalb des privaten Bereichs nicht verstanden wird, verliert innerhalb einer Kulturgemeinschaft als kommunikatives System ihre Sprachfähigkeit und damit ihre Bedeutung. Die Scheidung von Kunst und Schönheit hat zu einer Fehlentwicklung geführt. Nur wenn die Kunst von den genetisch im Menschen angelegten Leitbildern ausgeht, kann sie zu einer Weltsprache werden. Der Entwicklungsstand unserer Kultur ist daran erkennbar "wie stark sie sich einem Individuum zuwendet" (nach I. Eibl-Eibesfeld). Die Kunst zerfällt heute in ein ästhetisches Sektierertum. Ihre Chiffren, Codes, ihre Sprache sind nur noch einem kleinen Kreis Eingeweihter vertraut. Damit verliert sie aber ihre zuvor bestehende Allgemeingültigkeit. Ein Kunstwerk soll aber ein Bild dieser Welt sein. Wir suchen die "große Kunst" als Vorbild, als Orientierungsinhalt, doch bedeutet der heutige Verzicht auf Autorität auch zugleich den Verzicht auf diesen Vorbildcharakter. Die verschiedenen Kommunikationsformen in der Kunst besitzen eine unterschiedliche Sinnlichkeit. So besitzt die Bildsprache eine größere Sinnlichkeit als die Wortsprache und die Musik eine noch größere als die Bildsprache. Die einzige Kunstdisziplin, die aber alle Sinne anspricht, ist die Gartenkunst. Es fehlt ihr nur in unserer Kultur die zu einer Kommunikation gehörende Begrifflichkeit. Dafür sind unsere heutigen Hochschulen zu stark wissenschafts- orientiert. Jede Kunst hat ihren eigenen Realitätswert. In der Vergangenheit war es die "Schönheit", seit dem Realismus die "Wirklichkeit", bzw. die Wahrheit" und heute ist es am ehesten vielleicht die "Utopie". Für sie alle war und ist ihre Kommunikationsfähigkeit entscheidend. Eine Gartenkunstsprache müsste demnach zum einen von der Natur im Allgemeinen (evtl. den Wissenschaften), der Natur des jeweiligen Menschen und damit seiner Individualität und von seiner jeweiligen Kultur, ihren Symbolbezügen ausgehen. Der Umstand, dass sich die anderen Künste aus einem Kommunikationskonsens gelöst haben, bedeutet nicht, dass die Gartenkunst diesen Weg auch gehen muss, bzw. sie deshalb ihre eigene Zugehörigkeit zu den Künsten aufgeben sollte. Jedes Bild, jeder Garten vermittelt eine Deutung der Welt. Es vermittelt bestimmte Inhalte. Mit der Unverbindlichkeit des Bildinhaltes und dem Sehen der Akzeptanz von Zeichensystemen als eine bloße Übereinkunft, wird jede Gestaltung beliebig austauschbar, ein Gegenstand des persönlichen Ermessens. Durch ihre Material- und Elementbindung hat die moderne Gartenkunst jedoch ihre Mitteilbarkeit für die Wahrnehmung behalten. Ihr Problem ist nur, dass die Bevölkerung ihre Sprache nicht kennt und sie über die unmittelbare Benutzung hinaus nicht beachtet. Eine so weitgehende Nivellierung des Inhalts wie in den anderen Künsten ist in ihr nicht möglich. Im Gegenteil, es ist gerade ihr geistiger Gehalt, der sie über das Profane hinaushebt, die Vergegenständlichung des zeitgenössischen Lebensgefühls. Bildende Künstler akzeptieren heute die Architektur und Gartenarchitektur oft nicht als eine eigene Kunstdisziplin. Sie sehen dann verstärkt im Auftragsbereich deren Dienstleistungscharakter und nicht ihre Vermittlerfunktion zwischen der Innen- und Außenwelt des Menschen, seiner Natur in einer Kultur. Dabei sind immer bedeutende bildende Künstler zu den Gartenkünstlern hinübergewechselt. Von den Malern vielleicht am bekanntesten Le Nôtre, William Kent, Gertrude Jekyll, Burle Marx oder in der Gegenwart Bernard Lassus. Es wechselten auch Gartenkünstler zu den Malern. Der vielleicht bekannteste für uns im letzten Jahrhundert war Otto Valentin. Aber anders als in den anderen Künsten erfordert die Gartenkunst ein breites Grundwissen und Einfühlungsvermögen nicht nur bezogen auf den Auftrageber, sondern auch auf den zu gestaltenden Ort. Sie verlangt
2. Der Weg zum heutigen Garten Am Beginn der Reformbewegung stand die Angst, u.a. die Angst vor dem Verlust der menschengemäßen Existenzgrundlagen durch die Industrialisierung. An ihrem Anfang stand der Jugendstil mit seiner Forderung nach einer Rückkehr zur handwerklichen Qualität, die dann im Werkbund zur Diskussion um die Entfremdung, Individualität und Massenkultur führte und die dann über die soziale Frage, der Frage nach sozialer Gerechtigkeit im Bauhaus in unsere heutige globale Industriekultur einmündete. Im Bereich der Kunst begann die Moderne mit der Kritik an den klassischen und naturalistisch-illusionistischen Kunstvorstellungen. Fast gleichzeitig entstanden
In der Gartenkunst war die wichtigste neue Idee die Einbeziehung des Gartens in den Wohnbereich, eine neue Art der inneren Öffnung des Menschen für die Natur. Der Garten bildete jetzt die grünen Räume des Hauses. Er war mit Hilfe von Achsen symmetrisch aufgebaut und zielte auf eine repräsentative Wirkung. Die ersten Anregungen zu ihm gingen in Deutschland von Architekten aus (Muthesius, Schulze-Naumburg, dem Bildhauer Laeuger). In der Renaissance hatte man bereits die äußeren Gebäudelinien auf den Garten übertragen, jetzt bezog man auch die Innenräume auf ihn (z.B. den Küchengarten auf die Küche). Zunächst zeichnete sich dieser repräsentative Garten durch einen reduzierten Nutzteil aus. Dies änderte sich nach dem 1. Weltkrieg. Jetzt diente er zunehmend der Selbstversorgung und als Rückzugsort aus der Alltagswelt. Er hatte seine Rolle als Ausdruck eines großbürgerlichen Selbstverständnisses verloren. Migge versuchte eine neue Ästhetik mit dem Nützlichen zu verbinden. Dabei befreite er u.a. die Grünanlagen von ihren bisherigen Schmuckornamenten. Die Avantgarde hatte inzwischen ihre Radikalität verloren. Die Architektur übernahm die Führung bei der Gestaltung der Lebensumwelt. Ihre Hauptaufgabe sah sie in einer Lösung der sozialen Probleme mit Hilfe technologischer Angebote und hoffte dadurch zu einer neuen Kultur zu gelangen. Ästhetisch sollte sich die Form aus der Funktion ergeben. Damit erwuchs aus der Funktion rational ein ästhetischer Ausdruck, der dann als solcher nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland nur im Design (Ulmer Schule) umgesetzt wurde, aber nicht in der Gartengestaltung. In der Avantgarde der Reformarchitektur hatten Stahl, Glas und Beton dominiert. Obwohl alle diese Materialien für den Baubereich ursprünglich aus dem Gartenbau kamen, -
Das führende deutsche Gartengestaltungsbüro unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg besaß die Firma Späth in Berlin. Es war 1896 als Planungsbüro gegründet worden und zählte inzwischen zu den einflussreichsten Entwurfbüros Europas. Zu seinen Büroleitern gehörten Georg Bela Pniower (1922-24) und Otto Valentin (1925-27). Viele später bedeutende Gartenarchitekten hatten hier zeitweise gearbeitet (u.a. Hans Friedrich Pohlenz, Herta Hammerbacher; Adolf Haag, Reinhold Ligner, Hermann Göritz). Krüssmann leitete bis 1945 das firmeneigene Arboretum.
Über die Ausschaltung, bzw. den Untergang des einst stolzen Flaggschiffes des
deutschen Gartenbaus herrscht ein auffallendes Schweigen, deshalb eine kurze
Anmerkung:
Fast alle Forderungen der Lebensreformbewegung ließen sich in einem Garten vereinigen. Er war sozusagen das Sammelzentrum für diese gewesen. Er war der Lebensbereich, in dem der Wunsch nach Luft, Sonne und Bewegung realisiert werden konnte. In ihm erfreute man sich an der Natur und befriedigte viele seiner sonst verdrängten Bedürfnisse. Die Gärten waren gekennzeichnet von
Letzter Inhaber: Helmuth Späth (1885-1945):
"Nur wenn wir die Kultur und Kunst unserer Zeit verstehen, werden wir die
Forderungen, die diese Zeit an die Gestaltung unserer Gärten stellt, begreifen und
erfüllen lernen. Solange wir aber diesen Kontakt nicht gewinnen, werden wir nur
Nachahmer (und sehr oft verspätet) der zeitgemäßen, raumkünstlerischen Ideen der
Architekten sein". Neben dem hauptsächlich architektonisch ausgerichteten Garten gewannen die Gedanken Willy Langes (1864 - 1941, siehe Band I, S. 142) zunehmend an Einfluss. Seit 1907 ("Gartengestaltung der Neuzeit") hatte er sich für einen naturnahen Garten eingesetzt und damit großen Einfluss gewonnen, zum einen auf Foerster und den um ihn sich bildendenden Bornimer Kreis und zum anderen auf die dem Nationalsozialismus nahe stehenden Gartengestalter, indem sich diese für natürliche Gartenbilder, natürliche Vegetationsbilder in traditionsorientierten Landschaften einsetzten. Das Bodenständige, Massige wurde zu ihrem Maßstab. Eine gärtnerische Avantgarde hatte es nach dem 1. Weltkrieg kaum gegeben. Die Gärten der Bauhaus-Architekten waren weiterhin geometrisch ausgerichtet gewesen. Harry Maasz und Hermann Aldinger hatten Rohglaswände als Sicht- und Windschutzmöglichkeiten für ihre Gärten als neue Materialien entdeckt. Ihre Anlagen wirkten dadurch damals sehr modern. Sie fanden später keine Nachfolger. Maasz hat aber den jungen Cramer beeinflusst. Pohlenz hatte versucht seine Gärten entsprechend den damaligen modernen Kunstströmungen als begehbare, dreidimensionale, abstrakte Anlagen zu gestalten, doch wusste man bereits nach 1930 kaum noch etwas von ihm. Nach 1945, in den 50er und 60er Jahren hat man ohne großen Bruch an den alten Traditionen angeschlossen - allerdings mit der Besonderheit, dass die tief im Nationalsozialismus verstrickten, aber auch weiterhin noch tonangebenden Berufsangehörigen ihre ideologischen Naturbezüge "verwissenschaftlichten". Aus der ursprünglichen Landesverschönerung der Heimatschutzbewegung, der Landespflege (= Volkspflege) der Nationalsozialisten war die "wissenschaftliche" "Landschaftsgestaltung" geworden und aus dem früheren Naturschutz, den Pflanzengemeinschaften, die Landschaftsökologie und Pflanzensoziologie. Die ehemals geologisch gedachten Kultursysteme (das "Volk") in Beziehung zu den Landschaftssystemen wurden zwar nicht mehr erwähnt, aber - wie viele Unterlagen beweisen - immer noch mitgedacht. Entsprechend wurden die Studenten beeinflusst und eine entsprechende Stellenbesetzung betrieben. Dieser Bereich der Gartengestaltung wird heute in der Regel in der Literatur ausgeblendet. Wenn man heute von den 50er und 60er Jahren spricht, dann in der Regel von einer Zeit
Man spricht weiter gerne davon, dass man sich in den 50er und 60er Jahren an den geistigen Positionen des Bauhauses orientierte. Richtig ist, dass man sich auf sie berief. Man hat sich aber damals mit dessen geistigem Gehalt genau so wenig beschäftigt, wie es nach Weilacher auch heute noch bei der theoretischen Auseinandersetzung in der Gartenkunst in der Gegenwart der Fall ist. Man übernahm nur, ohne darüber nachzudenken, dessen Funktionsbezug. Das macht aber geistig das "Bauhaus" nicht aus. Geistig war es ein Kind des damaligen Rationalismus und sein Ausdruck damit nicht nur ein geistloser Funktionalismus, bzw. ein geistloses, funktionales Grün. Und die damaligen ideologischen Verbindungen der Berufsvertreter verstärkten noch diese Situation des Nicht-nachdenken-wollens, weil man dann zuvor einen geistig sauberen Abschluss gegenüber der Vorzeit hätte machen müssen. Das Bauhaus verband die Funktion mit der Ästhetik - oder einfacher ausgedrückt, die Funktion mit einer Form -, d.h., dass die Funktion in eine bestmögliche ästhetische Form gebracht werden sollte. Ihr Hauptkriterium war also die bestmögliche Form. Davon konnte in der funktionalistischen Gartengestaltung aber keine Rede sein. Allerdings wurde dieser Gedanke in anderen Kunstbereichen durchaus in der Öffentlichkeit diskutiert und in den Design-Arbeiten der Ulmer Schule z.B. auch zum Ausdruck gebracht. In der Architektur hat u.a. Unger den Bauhausgedanken konsequent fortgesetzt. Er versuchte für seine Bauten ein Höchstmaß an rationaler Klarheit, Reinheit und Ebenmäßigkeit zu schaffen. Er suchte die ideale Form, die ideale Komposition und die ideale Harmonie, d.h. die baukünstlerische Idee. Er treibt den Formgedanken so weit, die baukünstlerische Idee, dass er am Ende sogar bereit ist, die Funktion zurückzustellen. Dem Irrationalismus der Nazi-Zeit stellt er den reinen Rationalismus gegenüber. Die Klarheit geht ihm über alles. Sie geht so weit, dass genau genommen sogar der Mensch, für den er baut, darin stört. Seine Reduzierungen zu einer zeitlosen Abstraktion bekommen dadurch etwas Beängstigendes. Auch seine konsequente Vernunft hat etwas Inhumanes an sich. Die Berufung auf das "Bauhaus" lag allerdings nahe, weil dieses im 3. Reich verpönt gewesen war und man sich jetzt nach außen durch einen Bezug darauf von seinen eigenen Beziehungen zum Nationalsozialismus leicht distanzieren konnte. Im Gegensatz zur damaligen Nachkriegssituation in Deutschland war der Beginn der Moderne zudem ursprünglich eine Protestbewegung gegen die bürgerliche Gesellschaft gewesen, eine Befreiungsbewegung von gesellschaftlichen Zwängen. Ihre Hauptforderungen waren deshalb:
Der frühe Stil Matterns war in der Zeit um 1930 herangereift. Er war bestimmt gewesen von einer "Synthese zwischen Garten-Architektur, Boden, Stein und reich überquellender Pflanzenwelt". Er griff Grundlinien der Umgebung auf und schuf mit Hilfe von Boden-modellierungen, Mauern und Wegen auf diese Bezug nehmende Räume.
Obwohl 1933 in die Kommunistische Partei eingetreten (nicht gesichert, evtl. nur der "Roten Hilfe"), empfahl ihn Speer der Bauabteilung der Deutschen Arbeitsfront (Mattern hatte seinen Garten entworfen). Sein früher "landschaftlicher Stil" (eigentlich noch konservativ an der Lenné-Meyerschen Schule orientiert) wechselte ab Mitte der 50er Jahre zu verstärkt graphischen "Gartenbildern" (verstärkt geometrischen Terrassen- und Pflanzflächen; vielleicht unter dem Eindruck der Arbeiten von Burle Marx). Wenn man für die 50er und 60er Jahre von einer relativ großen Hausgartengestaltung spricht, dann gilt dies nur für die kleine Gruppe der Bornimer und Stuttgarter Schule. Die Leichtigkeit verschiedener ihrer Arbeiten entstand durch die Aufgeschlossenheit der Mattern und Valentin nahe stehenden Gruppen für neue Baustoffe (teilweise gezwungenermaßen durch das Aufgreifen architektonischer Bauelemente des Hauses, bzw. der Forderung der Architekten). Statt massiger Natursteinkonstruktionen wurden jetzt graziöse Stahlkonstruktionen und Eternitgefäße verwendet. Allgemein wurden aber in der Gartenarchitektur moderne Baustoffe und organische Formen ("Nierentisch"-Diffamierung) abgelehnt. Ab 1949 waren die Gartenschauen der Spiegel der aktuellen Gartenarchitektur. Zunächst knüpften sie an die späten 1930er Jahre an. Aber durch die Forderungen der damaligen Hochbauer und Anregungen aus dem Ausland (besonders den USA: Garrett Eckbo, Thomas Church) begannen einige wenige Gartengestalter Bilder mit Hilfe von Linien und Formen zu schaffen. Ihre Anlagen wurden weiträumig und offen für moderne Techniken. Um 1955 erhielten die Räume, besonders die der Bornimer Schule, gelegentlich die heute für die ganze damalige Zeit zugesprochene "Leichtigkeit". Man suchte nach fließenden Innen-Außen-Beziehungen und orientierte sich an der Eleganz der Innenarchitektur. In den USA war die künstlerische Linienführung damals bedeutsamer gewesen als die Pflanzenwahl. Um 1955 setzte dann ein gewisser Einfluss von Burle Marx ein (z.B. auf Mattern und Cramer). Seine dekorativen Pflanzenbilder entsprachen eher den deutschen Gartenvorstellungen. 1951 war die erste Bundesgartenschau, 1953 die erste Internationale Gartenschau (IGA Hamburg). Ab 1957 (Bundesgartenschau Köln) setzte eine Abkehr von den traditionellen Materialien ein (besonders vom Naturstein hin zum Beton). Im gleichen Jahr war die Interbau Berlin, auf der 1160 Wohneinheiten von 53 namhaften Architekten aus 14 Ländern geschaffen wurden. Um das Geschäftszentrum am Hansaplatz sollten verschiedene Bauformen des neuzeitlichen Wohnungsbaus gezeigt werden. Für die Gesamtkonzeption der Grünanlagen war Walter Rossow verantwortlich. Das Gesamtgelände war in fünf Planungsbereiche eingeteilt, für die jeweils ein deutscher und ein ausländischer Gartenarchitekt verantwortlich zeichneten:
(heute wirken diese Anlagen teilweise verkommen, weil sich inzwischen die Lebensgewohnheiten verändert haben (z.B. Feierabend- und Wäscheplätze, Teppichstangen. Auch glaubte man damals einen Erziehungsauftrag zu haben und orientierte sich weniger an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bewohner)). 1963 war dann die IGA in Hamburg. Auf den ehemaligen Wallanlagen versuchte man in 33 Themengärten den "modernen Garten" zum Ausdruck zu bringen. Insgesamt waren Gärtner aus 19 Ländern (8 allein aus Skandinavien) an dieser Ausstellung beteiligt. Aus Deutschland kamen fünf dieser Gärten (der Autor war an zwei Entwürfen beteiligt). Aber die notwendige Folgediskussion fand kaum statt. Die Anlagen wurden nach Beendigung der Ausstellung weitgehend abgerissen. Die gezeigten Gärten hatten kaum Nachfolger. Nie zuvor hatten an einer Gartenschau so viele ausländische Gartenarchitekten teilgenommen (insgesamt 28). Egon Jax hatte für die zu schaffenden Themengärten symbolische Wohnhäuser geschaffen, die verpflichtet waren
Der "modernste" Garten war vielleicht der Theatergarten von Ernst Cramer gewesen. Er hatte eine rein geometrisch aufgebaute Anlage geschaffen. Vier Betonscheiben (bis 12 m hoch und 3 m breit) waren in einer extremen Strenge in den Raum gesetzt worden. In der Fachwelt hat dieser Garten zwar zu einer gewissen verständnislosen Diskussion geführt, im Laienbereich blieb er völlig unbeachtet. Dabei war es dieser Garten, der vielleicht das "Modernste" darstellte, was in der deutschsprachigen Gartenkunst im 20. Jahrhundert geschaffen wurde. Dieser Garten war eine skulpturale Anlage, ein Raumgefüge in einer Gestaltungssprache, die sich völlig von den malerischen Naturnachahmungen gelöst hatte. Ihre vier Gestaltungsprinzipien waren (nach Cramer):
Der "Theatergarten" besaß zwar die Klarheit Ungerscher Bauten, besaß aber auch deren emotionale Kälte, so dass er das Publikum nicht ansprach. Er traf nicht seine phylogenetischen Bedürfnisse. Die Anlage wurde mit hohen Kosten nach der Gartenschau wieder abgerissen. Alle diese einzelnen Versuche hat es gegeben, doch machten sie auch in der damaligen Zeit nur einen sehr geringen Prozentsatz der Arbeiten eines Gartenarchitekten aus. Selbst im Büro von Gottfried Kühn hätte man davon nicht leben können. Auch dort bemühte man sich um möglichst öffentliche Aufträge. Im Hausgartenbereich wandte man sich von dem architektonischen Garten der 30er Jahre einer dynamischen Linienführung, einem informellen Garten zu (deutlich bei Mattern, Hammerbacher und Valentin). Doch schon 1962 hatte Alfred Reich sich wieder für klare Formen eingesetzt, die auf der IGA dann auch bereits die bevorzugte Ausdrucksform waren. Dies spiegelte vielleicht am deutlichsten die bestehende Umbruchsituation wider. Der große, interessierte Auftragsbestand der damaligen Zeit lag aber im öffentlichen Bereich. (Hausgärten wurden bevorzugt Jungarchitekten überlassen und die dazu gehörenden Pflanzpläne von Frauen ergänzt). Und dieser Auftragsbestand wurde weitgehend von der Hannoverschen Schule beherrscht (sie hat nichts mit den Lehrinhalten der heutigen Universität Hannover gemein!!). In ihr hatte man ideologisch durchsetzte Positionen aus der Zeit des Nationalsozialismus "verwissenschaftlicht" und zum anderen das frühere gärtnerische Berufsbild erheblich ausgeweitet. Noch bei Barth bezog sich der erste Lehrstuhl nur auf die Gartengestaltung. Aber schon bei seinem Nachfolger Wiepking hieß er "Institut für Landschafts- und Gartengestaltung". Dieser "Landschaftsbezug" machte dann den überzeugten Nationalsozialisten Wiepking zum Sonderbeauftragten und unmittelbaren Mitarbeiter Himmlers für die landschaftliche Gestaltung Osteuropas zur "Festigung des deutschen Volkstums" (RKF; des "Generalplans Ost", 1942), d.h. zur Schaffung "neuen Siedlungsraums für deutsche Siedler". An seinen geistigen Positionen hatte Wiepking auch nach 1945 noch festgehalten und sie über seine Lehrinhalte und Personalpolitik verbreitet. Besondere gartengestalterische Nachkriegs-Leistungen aus dem Kreis um Wiepking sind dem Autor nicht bekannt. Aber alle wichtigen Planstellen bei den Behörden wurden nach und nach mit seinen Leuten besetzt (ermöglicht wurde diese Situation, weil plötzlich alle führenden Planstellen mit Vollakademikern besetzt werden mussten, die es zuvor im Gartenbereich in diesem Umfang nicht gab). Der Wandel des Berufsbildes vom Garten- zum Landschaftsarchitekten bedingte neue Aufgabenfelder
Auch die Beziehung zum Gartenbau wurde zunehmend reduziert. Die zuvor bestehende Verpflichtung zu einer gärtnerischen Ausbildung wurde aufgegeben und durch ein kurzes Praktikum ersetzt. Genau genommen wurden zwei verschiedene Aufgabenbereiche zusammengelegt, bzw. wurde eine neue zivilisatorische Aufgabenstellung in die alte des Gartenkünstlers integriert, bis dieser so an die Seite gedrängt war, dass es ihn nicht mehr gab. Aber die kulturelle Aufgabe eines Gartenkünstlers ist bestehen geblieben und kann zurzeit nur über eine persönliche Rückbesinnung einzelner kreativer Menschen befriedigt werden. Der Garten in den 50er und 60er Jahren war mit stilistischen Abweichungen eine Fortsetzung des Reformgartens der 30er Jahre gewesen:
Eine besondere Bedeutung während der gesamten Zeit des Reformgartens hat der japanische Garten gehabt. Auch auf der IGA 63 hat es einen solchen gegeben. In Japan steht er traditionell für ein Abbild der Natur und wird als ein Ausdruck großer Kunst verstanden. Seine geistigen Hintergründe bezieht er aus dem Shintoismus: Dieser entwickelte sich aus einer Naturreligion, die an heilige Mächte
glaubte. Deren Berührungspunkte mit der Erde (oft Steine) wurden als
heilige Orte verehrt und bildeten die Grundlage späterer Gärten. Zen-Buddhismus: Er erreichte Japan im 12. Jh. und prägte dort das ästhetische Bewusstsein.
Als Geisteshaltung forderte er Schlichtheit und die Reduktion auf das
Wesentliche. Sein geistiger Gehalt wird über die Form zum Ausdruck
gebracht. Die Gestaltung eines Gartens ist damit zunächst ein geistiger
Akt. Man gelangt zu ihm, indem man Unbedeutendes fortlässt, das zu
Gestaltende bis auf eine Kernaussage vereinfacht. Im Zen-Garten erfolgt
dies (im Trockenlandschaftsgarten) allein mit Hilfe von Sand und Steinen.
Er verkörpert eine "Schönheit der Leere" (diese hat als solche immer einen
geistigen Hintergrund, während sie in unseren Anlagen eher ein Ausdruck
der geistigen Leere ihres Gestalters ist. Diese Situation entspricht in etwa
der Verwechslung von Rationalismus und Vulgärfunktionalismus des Neo-
Bauhauses der 50er Jahre). Weitere Kriterien sind: Traditionelle:
Ein Weg durch einen solchen Garten vermittelt immer neue Eindrücke und Ausblicke. Auch seine Trittsteine besitzen einen symbolischen Gehalt. Ein Gang über sie ist in einem Teegarten auch ein Gang der geistigen Läuterung. Ein Wegbelag kann einen Kontrast zur Textur und Farbe der Pflanzen darstellen. Linien von außerhalb des Gartens können in ihm aufgegriffen werden (z.B. durch einen Zweig) und zur "großen Natur" außerhalb seiner Grenzen durch die Lenkung der Blicke und Farben hingeführt werden. Durch eine natürliche Umgebung sollen so die Kräfte des Geistes wieder belebt werden. Ein japanischer Garten entsteht oft schrittweise über einen langen Dialogprozess. Er wird nicht von Anbeginn bis ins letzte Detail geplant. Zunächst wird seine Lage, sein Ort zu erfassen versucht, um ein Gefühl für dessen spezifische Besonderheiten und Möglichkeiten zu erfassen. Ist er dann gelungen, so stellt er ein Gegengewicht zur Alltagswelt dar. Die 60er Jahre endeten mit den Studentenunruhen, die damit begannen, dass viele bis dahin heilige Traditionen in Frage gestellt wurden. Damit gerieten auch die geltenden Wertvorstellungen, Paradigma ins Wanken. Während für die 60er Jahre in der Gartengestaltung noch der Funktionalismus bestimmend war, beherrschte die nächsten 20 Jahre die Naturgartenbewegung die Diskussion. Der moderne Garten war der Biotop-Garten. Zu Gunsten der Ökologie sollte auf eine bewusste Gestaltung weitgehend verzichtet werden. Man förderte künstliche Naturbilder, um dann ihre Künstlichkeit zu leugnen. Die "68er" hatten allerdings ein soziales und ökologisches Bewusstsein geschaffen, das uns bis heute in der Gartengestaltung beeinflusst (siehe auch Band I, Kapitel 56). Wenn man will, kann man die gesamte Geschichte der Gartengestaltung als eine Auseinandersetzung zwischen einem Primat der Gestaltung und einem Primat der Ökologie darstellen. In den 70er Jahren wurde sie weitgehend ökologisch ideologisiert. 1986 schrieb man über den Züricher Irchel-Park:
"In der Geschichte der Gartenkunst verkörperten die Gärten der vergangenen
Jahrhunderte den Willen des Menschen, sich gegen den Wildwuchs abzugrenzen
und die im Garten vorkommende Natur zu beherrschen und zu dirigieren
(historische Gärten). ..... Unter den gegenwärtigen Umständen erscheint es
folgerichtig, wenn wir nun im städtischen Raum "Natur-Wildnis" akzeptieren und
sogar neu zu schaffen suchen". Im Gestaltungsbereich bestimmte die Postmoderne weitgehend die Diskussion. Sie versuchte, an alte Traditionen anzuknüpfen, aber nicht auf diesen aufzubauen. Sie errichtete besonders in der Architektur ästhetische Scheinkulissen und bemühte sich, eine vorindustrielle Welt zu restaurieren. Im ökologischen Bereich versuchte man, die bestehende Umwelt möglichst zu renaturieren, sie als ein "ökologisches Selbsterfahrungsprogramm" zu erleben. Der bedeutendste der "68er" im Bereich der Gartenkunst war der Schweizer Dieter Kienast (1945 - 1998) gewesen. Den Gärtnerberuf erlernt, in Kassel Landschaftsplanung studiert, beschäftigte er sich zunächst mit pflanzensoziologischen, ökologischen Fragestellungen. In den 80er Jahren wandte er sich dann als "Autodidakt", wie er selber von sich sagte, verstärkt der Gartengestaltung zu und setzte sich in Publikationen auch mit theoretischen Fragestellungen auseinander. Auf Grund seines großen fächerübergreifenden Wissens war er in der Lage, zu vielen zeitgenössischen Kulturfragen Stellung zu beziehen. Für ihn war:
Im gewissen Sinne war Kienast ein Erbe des Schweizers Ernst Cramer gewesen, der Gärten als eigenständige skulpturale Orte verstanden hatte. Letzterer war zunächst von Burle Marx und dann von dem Architekten Oscar Niemeyer (1907 geboren, Schöpfer von Brasilia, arbeitet noch) beeinflusst worden. Cramer
3. Der heutige Garten In seinen zehn Thesen zur Landschaftsarchitektur nennt Kienast als bestimmende Merkmale des heutigen Gartens
In den letzten 30 Jahren bestimmten zwei Gestaltungsrichtungen die Diskussion:
Im Vorwort eines Buches der Reihe "Landschaftsarchitekten" nennt Robert Joseph Mürb die Aufgaben eines heutigen Berufsvertreters:
Lenné hatte sich noch als Gartenkünstler gesehen, Barth als Gartenarchitekt, Wiepking als Garten- und Landschaftsarchitekt und die heutigen Studienabgänger nur noch als Landschaftsarchitekten. Ursprünglich hatte Frederik Law Olmsted diesen Begriff auf seine Arbeiten am Central Park (New York) bezogen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er im Rahmen der Amerikanisierung der deutschen und europäischen Kultur und der Ausweitung der beruflichen Tätigkeitsbereiche auch für den Sektor der gärtnerischen Außenarbeiten übernommen. Inzwischen bezieht sich der berufliche Arbeitsbereich hauptsächlich auf die öffentlichen Freiflächen (zu denen dann auch die Grünflächen gehören), die Landschaftspflege und den Naturschutz. Genau genommen könnte man heute also in der Außenraumgestaltung von sieben Arbeitsbereichen sprechen, die teilweise kaum noch gemeinsame Berührungspunkte haben:
Die Bayrische Architektenkammer bezeichnet den Begriff des "Landschaftsarchitekten" als einen Ausdruck des Zeitgeistes. Und es ist zu erwarten, dass der Begriff nach 2010, wenn es keine klassischen Ingenieurstudiengänge mehr geben wird, sich im Rahmen der Bachelor- und Masterabschlüsse (vielleicht schleichend) wieder ändern wird, vielleicht in einem übergeordneten Studienbegriff (z.B. Freiraumplaner) und untergliedernden Arbeitsbegriffen. Ein Münchner Architekturbüro schreibt von sich: "Wir verstehen uns als Landschaftsarchitekten, nicht als Gartenarchitekten - der Garten ist der Ausdruck des individuellen Umgangs mit der Natur, die Landschaft ist Ausdruck des kollektiven Umgangs mit Natur." Bei dieser Aussage wird der Landschaftsbegriff auf eine sehr enge Dimension, auf einen menschlichen Handlungsraum begrenzt. Die Landschaft als einen geographischen Naturraum hat es bereits lange vor dem Menschen gegeben. Phylogenetisch hat sich der Mensch auf eine bestimmte Landschaft hin entwickelt, und erst in einem zweiten Schritt hat er diese nach seinen Bedürfnissen geformt. Zudem setzt sich jedes Kollektiv in unserem europäischen Kulturverständnis aus einer Summe freier Individuen zusammen, d.h., dass bei uns das Individuum an erster Stelle zu stehen hat. Wir benötigen zwar auch die Freiraumingenieure als rationalen Beobachter und Planer großräumiger sozialer Handlungsbereiche, wir brauchen aber auch - und das ist für den einzelnen Menschen viel bedeutsamer - die Gartenarchitekten und im Idealfall unter diesen auch den Gartenkünstler. Unabhängig von allen ökologischen und gesetzlichen Bestimmungen besteht der Garten auch weiterhin als ein "Kunst"-Raum, vielleicht mit unserer zunehmenden Entfremdung von der Natur in einer zuvor nie dagewesenen Bedeutung. Man kann ihn zwar bei unserer zunehmenden Raumnot als einen unverantwortlichen Luxus bezeichnen, doch ist jeder Naturschutz zunächst auf Menschen angewiesen, die der Natur nahe stehen, um sie gegebenenfalls schützen zu können. Und diese Menschen wachsen in der Regel nur in einer naturnahen Umgebung auf. Peter Walker beklagte einmal, dass die heutige Gartenkunst keine Definition, keine Vorstellung davon besäße, was eigentlich ihre Aufgabe sei, bzw. welchen Wert ihre einzelnen Arbeiten hätten. Nach ihm benötigte sie zu ihrer Identitätsfindung:
neue Stilgruppen:
Eine andere Gliederung könnte sein: traditionelle Stilgruppen:
Als neues Hauptmerkmal der Gartengestaltung galten:
Die prägenden Elemente der zeitgenössischen Gartengestaltung wurden
In den 90er Jahren erfolgte bei uns der Umbruch von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, und in der kurzen Zeit konnte sich kein neues Naturverständnis entwickeln, zumal unsere Gesellschaft in viele Gruppen zerfällt und es zur Zeit bei uns auch keinen Leit-, bzw. Orientierungskonsens gibt. In unserer Welt gibt es kein Paradies, aber tief in unserem Inneren sehnen wir uns nach ihm. Diese Sehnsucht ist über unsere Bedürfnisse phylogenetisch tief in uns angelegt. Je nach seiner Individualität wird sie von jedem Menschen anders gelebt und damit bei jedem zu anderen Erfahrungen führen. Einige wichtige theoretische Gartengestalter unserer Zeit forderten (nach Weilacher): Bernard Lassus:
"Die Gestaltung sollte den Wechsel der ästhetischen Imagination - den Übergang von der schönheitlichen zur epistemischen (erkenntnisorientierten) Ästhetisierung - konsequent nachvollziehen. Dadurch vermöchte sie dem kulturellen Wirklichkeitsverständnis Ausdruck verleihen. Sie könnte, was die Köpfe dieses Jahrhunderts herausgefunden haben und was die meisten von uns ohnehin im Grunde spüren und zunehmend denken, auch alltäglich, sinnenhaft und körperlich erfahrbar machen. Eine solche Gestaltung würde nicht mehr im Mantel des nachmetaphysischen Mediums Ästhetik betreiben, sondern würde uns mit dem Geist der Zeit - mit seinen Errungenschaften, Problemen und Einsichten - vertraut machen. Eine solche Kunst ..... wäre auf der Höhe der Zeit. In einem heutigen, moderaten Sinne dürfte man sie sogar "avantgardistisch" nennen". (Wolfgang Welsch, Philosoph; beschäftigt sich intensiv mit dem Grenzbereich zwischen Philosophie und Kunst). Unter dieser Vorgabe stellt sich der Garten als ein "Denkraum" dar, der von dem jeweiligen Geist seiner Zeit ausgeht, von ihrem aktuellen Wirklichkeitsverständnis. "Eine gepflegte Gartenkultur setzt in einem Land zum einen ein gehöriges Maß an Allgemeinbildung, zum anderen die notwendige Wertschätzung der kreativen Berufe voraus. Gartenkunst ist hierzulande immer noch ein Luxusprodukt. Und warum sollte es Gartenkünstlern anders gehen als Musikern, Malern oder Bildhauern?" (Georg von Gayl, 2004). Gleichzeitig gilt die Aussage von Kienast:
" Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er erfordert das, was in
unserer Gesellschaft am seltensten und kostbarsten geworden ist: Zeit,
Zuwendung und Raum. Er ist der Stellvertreter der Natur, in dem wir Geist,
Wissen und Handwerk wieder gebrauchen im sorgsamen Umgang mit der Welt
und ihrem Mikrokosmos, dem Garten".
"Der besondere Garten ist in einer Welt der Neureichen ein Ausdruck kultivierter
Elite".
4. Die heutige Bedeutung eines Gartens
Zurzeit bewegt sich die Gartengestaltung in einem Spannungsfeld von Ökologisierung und Ästhetisierung. Je nach Ort, Umfeld und Interessenlage muss sie jeweils eine eigene Antwort finden. Jede Anlage ist also individuell zu gestalten. Dabei ist bei der Benutzerseite zunächst von deren phylogenetischen Bedürfnissen auszugehen, dem Wiederfinden innerer Wahrnehmungsprogrammierungen, die einerseits Bezug auf den menschlichen Evolutionshintergrund haben (z.B. den Archetypus Lichtung, Oasen) und andererseits spezifische menschliche Wahrnehmungserleichterungen darstellen (wie z.B. einfache geometrische Gebilde wie Linien, Kreise, Spiralen, wie sie gerne in der Land-Art verwendet wurden)
Es gibt in uns ruhende archetypische Bilder für die Geburt, das Leben, den Tod und die diese beeinflussenden Kräfte, wie die Erde, Steine, Wasser, das Feuer oder die Sonne und den Mond. Immer schon galten sie als die Urkräfte allen Daseins. Ihre Aussagekraft ist so groß, dass mit ihnen mit großer Reduzierung gearbeitet werden kann. Sie alle sind Hilfsmittel der Erdung des Menschen. Diese archetypischen Bilder sind zwar tief in uns angelegt, in der Regel aber kulturell überlagert worden - und es ist heute die zentrale Aufgabe der Kunst, der Gartenkunst, diese Inhalte uns wieder zu erschließen, uns wieder einen Weg zu unserer Innenwelt zu öffnen. Aus dieser Sicht ist das Hereinholen unserer Alltagswelt in unsere Emotionswelt mehr als eine oberflächliche Mode oder eine bloße Aufwertung des Profanen. Wir beginnen mit der Reduzierung unserer komplexen Welt, uns selber auf das Wesentliche zu reduzieren. Eine Rückkehr zu einer "primitiven" Symbolsprache bringt uns zu uns selber zurück. Nach Kienast ist jeder Garten die Beschreibung einer gesellschaftlichen Situation, in der ihr Verhältnis zur Natur deutlich wird. Je nach seiner kulturellen, d.h. sozialen Herkunft wird sein Schöpfer in ihm verschiedene Bedeutungsebenen betonen. Früher wurden dabei bestimmte Grenzen nie überschritten, weil jedes Maß von einem (unmittelbaren) menschlichen Tun abhängig war (z.B. der vorhandenen Körperkraft). Da heute durch die technischen Möglichkeiten diese Grenzen gewaltig überschritten werden können, werden auch die Grenzen des Menschengemäßen überschritten. Das dabei entstehende Problem ist, dass die jeweilige Umwelt psychisch zum Inneren des Menschen in einem Kommunikationsbezug steht. Das menschliche Dasein wird dabei heute weitgehend zu einem Dasein einer schleichenden psychischen Vergewaltigung, weil der Mensch sein Tun an der Leistungsmaximierung, am Gewinn und nicht mehr an seinem biologischen Hintergrund orientiert. Der Mensch ist zunächst das, was er von seiner Natur her ist. Sein Zugang zur Welt wird von seinen genetischen Vorgaben, seinen kulturellen Prägungen und seinem Feinstoffwechsel bestimmt. Der Mangel oder der Überfluss an bestimmten Reizen führen zu einem Mangel oder Überschuss an bestimmten Hormonen (z.B. Endorphinen, Dopamin) und führen damit zu bestimmten Krankheitsbildern. Jede seiner Wahrnehmungen löst in ihm neuronale Aktivitäten aus, die verschiedene Schaltkreise in seinem Gehirn ansprechen (z.B. das emotionale Erfassen der Welt oder deren kognitive Erfassung, für das spontane Einfühlen oder das rationale Verstehen). In seiner Funktion entspricht das Gehirn einem Speicher, der neu zugeführte Informationen (Wahrnehmungen, Reize) mit seinen bisher angehäuften vergleicht und je nach Erfahrung auf sie biochemisch mit einem Ausstoß von Hormonen reagiert. Damit steuert er all seine Reaktionen und Tätigkeiten seiner Organe. Bei Freude sinkt sein Blutdruck, bei Stress steigt er. Vielleicht liegt das Positive der Gartenarbeit auch in dem Umstand, dass neben dem Aspekt der Bewegung dabei schon allein eine Ablenkung von den negativen Erscheinungen des Alltagslebens besteht. Sie aktiviert den Einzelnen, schenkt ihm positive Erlebnisse und führt ihn zu einer besseren Gesundheit. Der Mensch verbringt "Entwicklungsgeschichtlich gesehen, erst seit kurzem den Großteil seiner Zeit in Innenräumen, ...... Offenbar braucht unsere Spezies einen regelmäßigen Aufenthalt in Umgebungen, die an vergangene Lebensweisen erinnern, genauso dringend, wie man einen Hund "hinauslassen" muss" (Tessin nach Haist).
Grundforderungen an einen Garten Der Wunsch nach einem Garten ist immer mit positiven Erwartungen verbunden. Phylogenetisch gehören dazu eine gewisse Offenheit, Weite, Großzügigkeit bei allem Wunsch nach Geborgenheit und einer gewissen Menge an Vegetation. Dabei scheint es so zu sein, dass wir zugleich eine starke Ablehnung gegenüber Krankem, Totem oder auch nur einer Brache haben, vielleicht gegen letztere, weil wir sie unbewusst als etwas Kulturkrankes oder Kulturtotes empfinden. Alle Versuche des Autors, in seinem Garten Abgestorbenes als Teil eines normalen Naturkreislaufes zu integrieren, musste er aufgeben, weil dessen Vorhandensein ihn emotional immer gestört hat. Wahrscheinlich verstößt unsere Zivilisation in vielen Bereichen gegen unsere biologische Programmierung, so dass wir bei der Suche nach einem Ausgleich für deren negative Folgen auf die letzten naturnahen Refugien zurückgreifen, die uns verblieben sind. Ein Ergebnis davon ist, dass wir in einem Garten dann nur noch Entspannung und geistige Entlastung suchen und erst in einem zweiten Schritt, wenn wir noch die Kraft und die Möglichkeiten dazu haben, uns in diese Natur nach unseren Bedürfnissen gestaltend einbringen. Es ist die Ohnmacht gegenüber den professionellen Gestaltern, die die Nutzer diese gewähren lässt. Der "fehlende Geschmack" der Laien, der den ersteren ihre Narrenfreiheit sichert, bedeutet nichts anderes, als dass diese an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer vorbeiarbeiten - und sie dies können, weil die Interessen und Wünsche der beiden Gruppen zu gegensätzlich sind und sich deshalb gegenseitig neutralisieren. Manchmal scheint es so zu sein, dass die heutigen Gartengestalter weder ein echtes emotionales Verhältnis zur Natur noch zu den Nutzern haben. Ihr Beruf sichert ihnen ihre Existenzgrundlage und in unserer rational ausgerichteten Kultur ihr Ingenieurwissen ihre soziale Stellung. Es ist das Naheliegendste, wenn der normale Mensch sich von der Natur zunächst die Sonne und frische Luft verspricht und eventuell auch noch etwas Ruhe. Wenn dann noch lang vermisste Wahrnehmungsreize wie Vogelgesang oder Blumen hinzukommen, der Betroffene sogar noch in einen Dialog mit der Natur treten kann, hat er die Chance vom Augenblick zu erhoffen, dass er bleibt. Der Mensch ist ein Lebewesen, das seine Existenz in den Widersprüchen von Natur und Kultur leben muss, und ein Garten bildet die Nahtstelle zwischen diesen beiden Welten. Wenn er darin gestaltend eingreift, sie nach seiner persönlichen Bedürfnislage gestaltet, wird er sich mehr zu der einen oder der anderen Seite schlagen, zu mehr Wildheit oder mehr Domestikation, zu mehr Bizarrem oder mehr Formalem. Aber wenn wir schreiben wollten, zu mehr Komplexem oder mehr Einfachem, merken wir, dass wir bei dem Komplexen schnell überfordert sind und wir uns für das Einfache entscheiden, weil es uns in unserem Leben eher entlastet. Gelebt ist ein Garten zunächst ein Ort sinnlicher Umweltbezüge. Erst danach ist er ein Ort intellektueller oder künstlerischer Bezüge. Erst der Mensch macht ihn zu einem ökologischen Ort oder versucht, darüber seine Kinder oder seine Bürger zu erziehen. Als Hausgarten bedeutet ein Garten Intimität. Als privater Raum ist er relativ frei von sozial vorgegebenen Einschränkungen. Er kann zum Ausdruck einer gelebten Individualität werden und zwar nicht nur räumlich als etwas vor uns Liegendes, sondern auch als etwas Zeitliches, das mit seinem Besitzer gewachsen ist. Wollen wir ihm dabei Dauer verleihen, dann müssen wir auf die Langlebigkeit seiner Elemente achten und uns bei der Anlage bewusst sein, dass sie ihren vegetativen Höhepunkt evtl. erst in Jahrzehnten erreicht. Gehen in einen Garten geistige Bezüge ein, Versuche, in einem Naturraum uns gestaltend zum Ausdruck zu bringen, dann kann er zur Kunst werden. Sein Thema wird dabei immer die Auseinandersetzung eines Menschen mit der Natur sein - geboren aus seiner Sehnsucht nach Natur und, für ihn, seiner Sehnsucht nach dem Paradies. Da er dies verbal nur begrenzt ausdrücken kann, bietet ihm der Garten dafür einen spezifischen Raum mit einer eigenen Gestaltungssprache. Deren Problem ist nur, dass es in unserer Kultur dafür keine echte Kommunikationsbasis gibt (wohl eine wissenschaftlich-rationale, die aber nicht den Kern seiner Paradiessehnsüchte trifft). Dafür müssen wir Grundlagen schaffen und dann lernen, mit ihnen zu arbeiten und zu denken.
5. Verschiedene Menschen und verschiedene Gärten Seit den 90er Jahren beobachten wir mit dem wachsenden Reichtum in unserer Gesellschaft auch eine zunehmende Ästhetisierung unserer Lebensumwelt. Dies gilt auch für den Garten. Da es im Reformgarten durch die Verschiedenheit der Menschen keinen einheitlichen Stil mehr gibt, sondern nur in der Vielfalt der Stilrichtungenzeitlich relativ kurze Moden, ist es schwer, den heutigen Garten als eine Einheit zu erfassen. Tessin nennt für die letzten 50 Jahre in der Freiraumgestaltung drei große Gestaltungstrends:
50er Jahre: Neue Leichtigkeit (eine kleine Gruppe von Gartengestaltern, die weitgehend
dem Bornimer Kreis nahe steht, bringt mit Hilfe von
"modernen" Materialien eine gewisse "Leichtigkeit" in die
Gärten. Sie setzt sich damit von der "bodenständigen"
Schwere der Gestaltung der nationalsozialistisch orientierten
Gärten ab. Allerdings gilt dies weitgehend nur für eine
kleine Nische im Hausgartenbereich. Im öffentlichen Grün
konnte man dies gelegentlich bei Sitzplätzen, besonders in
Verbindung mit Pergolen beobachten). 60/70er Jahre: Vulgärfunktionalismus
(Rationalismus ohne dessen geistigen Bezug. Wohlwollend
ausgerückt: "Nutzergerecht". Lange Zeit dominierend
bestimmt von der Hannoverschen Schule). 80er Jahre: Alternativer Garten
(Erneuerung der alten ökologischen Gedanken aus den
Anfängen der Reformbewegung. Viel diskutiert, in der
Praxis aber nur selten konsequent umgesetzt. Es gab mehr
gute Bücher zum Thema als entsprechende Anlagen). 90er Jahre: Künstlerischer Garten
(auch er ist weitgehend nur ein Diskussionsinhalt. Wenn
man nach entsprechenden Anlagen fragt, wird man auf die
Gartenschauen verwiesen, und darüber hinaus können keine
Anlagen genannt werden. Ausgegangen ist dieser Trend von
Anlagen in Nordspanien, die viel Beachtung fanden. Zeitgemäße Anlagen allein in Barcelona:
Das Problem eines "künstlerischen Gartens" ist dessen "intuitiver" geistiger Gehalt. Er muss zunächst auch intuitiv erfasst werden können, weil sich bei einem rein rationalen Zugang bereits viele seiner "Inhalte" entziehen. In der Geschichte war es z.B. dieser "intuitive Gehalt", der den Unterschied des Gestaltungsansatzes von Mattern und Hammerbacher ausmachte. (das Problem dabei ist, das von denjenigen, bei denen das Gespür dafür nicht vorhanden oder verschüttet ist, dieses überhaupt infrage gestellt wird. Vergleichbar einem Unmusikalischen, der über Musik sprechen soll. In der Gartenkunst spricht dann jemand, der keinen tatsächlichen Naturzugang hat, von der gepflegten Langeweile blühender Gärten oder von deren heimattumlerischem Gedankengut. Der Betreffende sieht es zweifellos so, doch sieht er dies auch aus seiner "Mangelsituation" heraus so). Bezogen auf die durchschnittliche Alltagsarbeit schrieb Johannes Schwarzkopf (2002) über das augenblickliche Ansehen der akademischen Freiflächenplaner: "Vielleicht, weil der lieblose Umgang, die konzeptlose, räumlich und gestalterisch unsichere "Begrünung" all dieser städtischen Nebenräume schließlich den Ruf der Landschaftsarchitekten in der Nachkriegszeit ruiniert hat". Gemeint ist der "nutzergerechte" Garten der Hannoverschen Schule und der anschließende weitgehend gestalterische Stillstand infolge des Schocks nach den Forderungen der Alternativbewegungen. Diese Aussage steht in "Neu verorten - Zeitgenössische Landschaftsarchitektur", die der "Bund Deutscher Landschaftsarchitekten" selber herausgab. Gärten können sichtbar gemachte Träume ihrer Besitzer sein. In ihnen können deren phylogenetische Bezüge zum Ausdruck kommen - das was tief in ihnen angelegt ist und dann in einigen archetypischen Symbolen ans Licht drängt. Früher haben sich die Gestalter fast nie um ihre Umgebung gekümmert, heute befinden sie sich mitten in deren Beziehungen und setzen sich dann selber dazu in einen Bezug. Die westliche Kultur entwickelte sich zu einer Kultur des Individuums, das einsam den Weg nach seinem Glück sucht, für das es einen allumfassenden Namen gefunden hat: das "Paradies". Und dieser sein einsamer Weg ist begleitet von seiner Sehnsucht nach diesem Paradies. Dieser europäische individuelle Garten, den wir stilistisch als Reformgarten bezeichnen, besitzt genau genommen eine so große Vielfalt, wie es Individuen gibt. Seine Gemeinsamkeiten finden sich dann in deren gruppenspezifischen Bezügen, d.h. in den jeweiligen kulturellen Bindungen, die hinter ihnen stehen. In der Regel, verallgemeinernd orientieren sich allerdings die meisten Menschen überwiegend an einem nicht hinterfragten Wertekanon der intellektuellen Mittelschicht. Meistens entspricht dies sehr wenig ihren tatsächlichen Bedürfnissen, sondern ist nur eine zeitabhängige, modeabhängige statusorientierte Verhaltensvorgabe. Um aus dieser unübersichtlichen Situation herauszukommen und weil von der akademischen Seite für den Gartenbereich keine Hilfe zu erwarten war, hat eine Gruppe von Gärtnern ("Gärtner von Eden") für sich einen Orientierungsrahmen geschaffen, der für die Gartenwelt vier Gestaltungsschwerpunkte nennt:
Mit diesem Verständnis kehren die "Gärtner von Eden" wieder zur traditionellen Gartengestaltung zurück. Während die akademischen Gärtner ihre Einkommensbasis dadurch vergrößerten, dass sie ihr Berufsbild auf alle Bewertungs- und Gestaltungsaufgaben im Außenbereich ausweiteten, verbesserte diese Gruppe ihren Einkommenshintergrund, indem sie sich auf qualitativ hochwertige Arbeiten konzentrierte. Manchmal hat man den Eindruck, dass bei ihnen Gärten nur dann als gut gelten, wenn sie teuer sind. Ihr wichtigstes Ziel scheint ein möglichst hoher Gewinn zu sein. So hätten die Väter der Alternativ-Bewegung kein Verständnis dafür, wenn sie deren heutige "Naturgärten" sähen. (der "Gewinngedanke" und das "Naturnahe" als etwas sozial Alternatives vertragen sich nicht so recht).Eigentlich haben sie mit einem "Naturgarten" alter Prägung nichts mehr gemein. Auch scheint die Zuordnung der einzelnen Gärten zu den vier verschiedenen Gestaltungsschwerpunkten relativ willkürlich zu sein. Wenn man von ihren eigenen Publikationen ausgeht, dann würde der Autor viele von ihnen einer anderen Gruppe zuordnen. Positiv bleibt aber,
Die vier Gestaltungsschwerpunkte der "Gärtner von Eden" gehen bei näherer Betrachtung von einem einfachen Schema aus, dass allein schon deshalb ein guter Ansatz ist. Sie unterscheiden einmal zwischen
Ein Problem dieser Gärtnergemeinschaft scheint es zu sein, dass sich eine Gruppe von ihnen esoterischem Gedankengut öffnet. In den Genius-loci-Gedanken werden dabei europäisierte Lehren des Feng-Shui hineingenommen. Damit will man den Garten in Einklang mit seiner Umgebung bringen. Die gesamte Anlage soll in eine Balance von Yin und Yang gebracht werden. Man legt zunächst fest:
In Verbindung mit dem Garten spielt bei manchen Menschen auch der "Mondglaube" eine gewisse Rolle. Von den Naturwissenschaften her wird er allerdings als ein Mythos angesehen. Viele Personen halten trotzdem an ihm fest, weil dieser Glaube ihnen hilft, ihr Leben zu strukturieren und sie sich damit in eine kosmische Ordnung eingebunden fühlen. Dieser Glaube hat für sie eine religiöse Qualität, über die man nicht diskutieren kann (tatsächlich gehen vom Mond nur zwei Einflusskräfte aus: seine Gravitation (u.a. mit Einfluss auf die Gezeiten) und sein Licht). Stilistisch bewegt sich die aktuelle Gartengestaltung im Bereich des individuell ausgelegten Gartens, des Reformgartens, in der vollen Breite zwischen einer Natur- und einer Kulturbetonung, zwischen einer geometrischen und einer amorphen Gestalt, zwischen Minimalismus und Üppigkeit. Es ist das Spannungsfeld zwischen puristischer Homogenität und opulenter Vielfalt. Er ist in seiner Summe ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Jede Gartengestaltung ist ein sich Bewegen zwischen den Polen
6. Allgemeine Aussagen über einen Garten Gärten repräsentieren geistige Strukturen, die nicht nur auf unser Alltagsleben sondern auch auf die Kunst Einfluss genommen haben. Man denke nur an Goethes "Wahlverwandtschaften" oder die vielen Künstlergärten (u.a. Monet, Liebermann, Nolde). Ihre Besonderheit als Kunstinhalt ist ihr kosmozentrischer Bezug. Selbst über den kleinsten Garten können wir geistig das ganze Universum erfassen und von ihm aus uns auf uns selbst besinnen. Ein Garten ist immer der Ausdruck einer Kultur. Als solcher musste er bereits von seinen Anfängen her vor der Natur geschützt werden.
In einem Garten übertragen wir phylogenetische Erinnerungen, die tief in uns ruhen, in unsere Umwelt. Wir übertragen uns in einen Raum, "pflanzen" uns sozusagen selber in diesen hinein und können uns dann über unser Tun und unsere Umgebung selber erfahren. Er ist ein Ort des Aussteigens, um bei uns selber zu sein. Wir können dort wieder zu "leben" entdecken. Die Gartenarbeit ist so z.B. eine Teilhabe an einem sinnlichen Prozess und besitzt deshalb für den Ausübenden eine andere Qualität als seine sonstigen Tätigkeiten. Bei einer "stillen" Arbeit kann ein Ausübender eher in sich gehen als bei einer hektischen Betriebsamkeit. In einem Garten finden wir
Mit der Betonung der Individualität verbunden ist die Anerkennung der Subjektivität und Emotionalität. Zum Garten gehört das Leben menschlicher Gefühle. (oft ist die rationale Kälte mancher "moderner", ansonsten formal gelungener, Anlagen erschreckend). Damit dies möglich ist, darf er nicht überladen sein. Oft reicht das bewusste Herausstellen einer einzigen Idee, eines einzigen Materials. Wie bei einem Buch oder einem Bild hängt der geistige, künstlerische Wert eines Gartens auch nicht von seiner Größe ab.
7. Die Planung Jeder Planung geht eine mehr oder weniger intensive Auseinandersetzung mit dem zu gestaltenden Ort voraus. Ein Garten wird dann bestimmt von
Über die Möglichkeiten eines Gartens entscheiden dann dessen
Die Harmonie in einem Garten entsteht durch das geschickte Zusammenstellen der verschiedenen Elemente, die Art ihrer Komposition. Jede Herangehensweise beruht dabei auf persönlichen Denk- und Handlungsstrategien. Entscheidend dafür sind unsere drei "Wissens"-Formen:
Um dies zu erreichen, ist ein Gestaltungsrahmen zu schaffen, in dem man vom Elementaren ausgehend durch die Auswahl, Verteilung und Verbindung von Elementen sich in Erlebnisräume denkt. Phylogenetisch werden dann beeinflusst das Raumbewusstsein und Dekorationsbezüge, kulturbezogen traditionelle Bezüge und Moden. Orientierungspunkte können sein (ihre Betonung ist dabei stark kulturabhängig):
Ein "Garten (ist das) Kompendium vielschichtiger Bedeutungsebenen, in denen Illusionen und Wirklichkeit kaleidoskopartig miteinander verbunden sind" (Kienast). "Seit der Vertreibung aus dem Paradies wissen wir ...., dass der Garten eben nicht mehr Paradies, sondern nur noch dessen Sehnsuchtstraum darstellt" (Kienast).
Der Ort Jede heutige Gartenplanung orientiert sich zunächst an den Qualitäten eines Ortes. Er bildet deren vorgegebene Grundlage. In einem ersten Schritt setzt sich der Planer mit dem Ort in eine Beziehung. Alle seine Arbeiten sind inhaltlich und formal auf ihn abzustimmen. Sie müssen dem Ort gemäss sein. Um dies zu erreichen, muss dieser möglichst gefühlsmäßig erfasst (z.B. sein "Genius loci". seine Authentizität) und rational hinterfragt werden (z.B. sein Geschichtsbezug, seine Umgebung und seine Wachstumsfaktoren). Es geht dabei kommunikationsmäßig sozusagen um die Erfassung der "Apriori" eines Gartens, um die Erfassung der Identität des Vorgegebenen. Erst wenn man deren Charakter verinnerlicht hat, kann man auch deren Authentizität wahren. Diese Authentizität wird dann über das Planungsergebnis, die eingesetzten Gartenelemente, das verarbeitete Material und seine Nutzung definiert. Über sie setzt sich nun in einem zweiten Schritt der Planer mit einem Ort in eine Beziehung, die wiederum ein Betrachter möglichst nachvollziehen können sollte, denn nur dann kann er ihm kommunikationsmäßig gerecht werden. Die Größe eines Ortes spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. (so ist man erstaunt, wie klein die beschriebenen Gärten im 2. Band der "Gärtner von Eden" sind: Die Gärten für Ästheten besitzen durchschnittlich nur 540 qm; 5 Gärten sind sogar kleiner als 100 qm). Entscheidend für seine Erfassung ist allein die Intensität des Eingehens, des sich Einlassens. Erst dann kann man einem Ort gerecht werden, erst dann aus dem persönlichen Gefühl heraus seine Eigenschaften verstärkt herausstellen. Am leichtesten ist ein Geschichtsbezug zu erfassen. In der Regel weisen Relikte bereits auf eine Vergangenheit hin. Diese müssen dann nur herausgestellt und zu anderen Inhalten in Beziehung gesetzt werden (z.B. durch Blickachsen). Die Aufgabe ist dann, über Mittel und Formen, die Inhalte für eine Kommunikation ins Wahrnehmungsinteresse der Zuschauer zu rücken. Damit treten dann der Gartenschöpfer und der Gartenbetrachter in einem dritten Schritt in eine Beziehung. Die besondere Bedeutung des Ortes, der Gestalter und der Zuschauer werden zu einer kulturellen Einheit. In keiner anderen Kunstdisziplin gibt es eine derartige archaische Verbindung. Man kann den historischen Garten mit seinem Paradiesbezug zwar als anachronistisch ansehen, verkennt dann aber die phylogenetischen Bindungen des Menschen. Aus einer solchen Perspektive ist auch der Mensch ein anachronistisches Gebilde. Man kann ihn zwar leicht auffordern, die Welt anders zu sehen, die überregionalen Knotenpunkte der "Nicht-Orte", die ausufernden Städte, viele Ergebnisse unserer Zivilisation, doch diese neuen Wahrnehmungsforderungen widersprechen seinen biologischen Vorgaben . Der Mensch sucht zunächst nur einen Ort, den er als angenehm empfindet (dabei muss dieser nicht aufwendig oder teuer ausgestattet sein). Mit einem Ort verbunden sind Spuren und Erinnerungen. Gestaltet wird er zu einem Ergebnis einer Neuinterpretation. Jeder Ort besitzt etwas Einmaliges, Einzigartiges, das sich aus seinen verschiedenen, oft überlagerten, inhaltlichen Ebenen ergibt. Dazu gehören auch seine Geschichtsbezüge. Selbst ein gewöhnlicher, alltäglicher Ort kann so zu etwas Besonderem werden. Entscheidend ist, ihm einen lesbaren Empfindungsbezug zu geben - d.h., einen vorhandenen herauszuheben oder durch einen neuen zu bereichern. Durch diese Lesbarkeit erhält er dann für den Betrachter seine Bedeutung. Bei einem minimalen, minimalistischen Eingriff geht es nur darum, dass in ihm enthaltene Unsichtbare sichtbar zu machen (dem heute weitgehend vergessenen Gartenarchitekten Hermann Birgikt (Düsseldorf)) wurde diese Fähigkeit besonders zugesprochen (dem Autor ist unbekannt, weshalb er heute totgeschwiegen wird. In den 50er Jahren galt er als einer der besten deutschen Gestalter). In der Regel analysieren wir einen Ort nur rational nach seinen "objektiven" Kriterien, die wir beim Einbau der neuen Funktionen zu berücksichtigen haben. Wir beschränken uns auf diese Ebene. In der Praxis bewerten wir sie dann nach ihren Qualitäten wie Form, Nutzungsmöglichhkeiten und evtl. noch der möglichen emotionalen Bedürfnisbefriedigung (Blumen, Duft, u.ä.). Für die Erfassung der Identität eines Ortes ist dies aber zu wenig. Es müssen dafür noch die anderen sinnlichen und kulturellen Ebenen hinzukommen. Erst dann und in ihrer Einheit kann ein Garten zu einem Kunstwerk werden. Jede Bedeutung eines Ortes baut zunächst auf einen subjektiven Bezug, die individuellen Möglichkeiten ihn zu sehen, sei es durch die persönliche Wahrnehmungsbreite oder seine Prägungen, d.h. seine Geschichte. Gestaltend baut man in ihm seine eigenen Setzungen und schafft dadurch neue zusätzliche Bedeutungsebenen, die der Betrachter wahrnehmungsmäßig abrufen und zu sich in eine Beziehung setzen kann. Dadurch wird der Ort zu einem besonderen Ort, zu einem Garten, zu einem Kunstwerk mit seiner eigenen Dynamik. Der Garten wird zu einem Ort, einer Grenzlinie von Natur und Kultur, die sich ständig verändert. Aus dem bisher Gesagten wird die Verantwortung deutlich, die ein Gartengestalter und Gartenkünstler für einen Ort hat. Sie wahrzunehmen begründet seine Glaubwürdigkeit. Erst dann kommt seine Verantwortung gegenüber seinem Auftraggeber, bzw. der Öffentlichkeit, die sich in der Qualität seiner Arbeit zeigt.
Der Geschichtsbezug Unsere wichtigsten zeitgenössischen Gärten beziehen ihre Anregungen aus der Vergangenheit. Peter Latz ist in Deutschland vielleicht ihr bekanntester Gestalter (u.a. Hafeninsel Saarbrücken, Landschaftsgarten Duisburg-Nord, Völklinger Hütte). Ihre Aussagekraft beziehen diese Gärten aus der bewussten Gegenüberstellung historischer Relikte zu modernen Materialien und Stilelementen. In Frankreich ist es Bernard Lassus, der nach einer Analyse der historischen Landschaftsentwicklung mit möglichst wenigen Eingriffen eine möglichst sinnliche Umwelt zu schaffen versucht. Für ihn (er ist von Hause aus Maler) ist es "nicht mehr Malerei und Bildhauerei, die die neuen Erfindungen machen, sondern es ist die Gartenkunst". Viele Orte erhielten ihre heutige Identität in der Vergangenheit erst durch die Gartenkunst. Das Problem eines Aufgreifens geschichtlicher Elemente eines Ortes wird bei dem Projekt der Hiriya Moutain (Tel Aviv) in Israel besonders deutlich. Das dortige Gelände wird vom Büro Latz im Rahmen einer landschaftlichen Erschließung einer Großmüllhalde begrünt und dabei zu seiner tatsächlichen Vergangenheit, zu den von hier vertriebenen Palästinensern, die hier noch vor nur 50 Jahren vor dem Beginn des Projekts in einem Dorf "Hiriya" gelebt haben, nicht in Beziehung gesetzt. Bei einem solchen Bezug hätte das Büro den Auftrag kaum erhalten. So bekommt der Geschichtsgedanke aber bei einer Vermeidung des tatsächlichen historischen Hintergrundes den Ausdruck von Opportunismus (siehe zur israelischen Vertreibung der Palästinenser, bzw. zum Völkermord an ihnen das Buch des israelischen Historikers Ilan Pappe "Die ethnische Säuberung Palästinas". Die Palästinenser haben ihre Heimat nicht freiwillig verlassen). Auch dafür ist der ehemalige palästinensische Ort "Hiriya" jetzt ein Synonym, bzw. eine interessengesteuerte Informationsebene. Durch die Einbeziehung von geschichtsbezogenen Relikten entsteht für den jeweiligen Ort ein spezifischer "Denkraum", der eine besondere Bewertung, evtl. Ergänzung, Interpretation erfordert. Die historischen Gartenelemente werden dann nicht als eine Vorlage zur beliebigen Verwendung angesehen, sondern als Teile, die in eine neue Gesamtkomposition, Gesamtaussage einzubeziehen sind, auf die evtl. durch Freilegungen und Ergänzungen noch besonders hingewiesen werden muss. Über die Arbeit mit Fragmenten wird versucht, das Bestehende neu zu sehen, sie zu überlagern und dadurch den Garten zu einer Art räumlicher Collage zu machen. Jeder Garten ist letztlich auch ein Experimentierfeld, bei dem nicht nur seine Außeneinflüsse zu beachten sind. Wird in ihm das Charakteristische des Ortes oder das für den Eigner Bedeutsame herausgearbeitet, kann er nicht mehr nichtsagend, gewöhnlich sein. Ein bewusst gestalteter Ort wird immer seine eigene Dimension, seine eigene Erkennbarkeit erhalten. Es ist die Aufgabe eines Gartenkünstlers, jeden Ort zu einem "Paradies" werden zu lassen, weil es das Paradies ist, auf dessen Suche unser Leben im Ideal angelegt ist. Wem das von seinem Paradiesverständnis her zu sentimental ist, mag sich mit der Suche nach dem Wohlbefinden, dem Geborgensein bei seiner persönlichen psychischen Konstitution, seinen Bedürfnisbelangen begnügen. Dann ist es die Aufgabe eines Gartenkünstlers, einen Wohlfühlort zu schaffen, einen Ort, in dem man von den Zwängen seiner Zivilisation befreit ist und sich erholt, der einem seine innere Sicherheit wieder zurückgibt und der einen das tun lässt, was man gerne möchte. Der Garten ist ein Ort der persönlichen Selbstentfaltung ohne den Egoismus der individuellen (und in der Regel banalen) Selbstverwirklichung. Der Garten Eden war einst ein Ort des Einklangs mit einem Schöpfer, des Einklangs mit uns (als dem Teil der Natur, der uns am nächsten steht). In einem Garten vereinen wir einen Ort mit unserer Innenwelt, und dessen gelungene Planung muss deshalb mehr sein als ein rationaler Prozess.
Der Raum Seit der Antike ist der Raum ein mathematischer und philosophischer Inhalt. (die mathematische Lehre vom Raum = die Topologie; Topos = Platz, Region). Er war zunächst etwas vom Menschen Unabhängiges. Am Ende des Mittelalters, mit dem Beginn der Neuzeit erkannte man seine Abhängigkeit von den Wahrnehmungsqualitäten seines Betrachters und Kant sah ihn später als eine Form unserer Anschauung. Damit wurde er auch von unseren inneren Vorgaben bestimmt
Räume sind
Heute wird der "Freiraum"-Begriff in der Landschaftsgestaltung auf alle Außenanlagen vom Hausgarten bis zu den Naherholungsgebieten verwandt und diese zugleich zu einem rationalen, mathematischen Arbeitsbereich erklärt. Man hat das Gefühl, damit "wissenschaftlich" zu sein. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man dabei den geisteswissenschaftlichen Bezug des Begriffs (verbunden mit dem der Freiheit) außer acht lässt. Die Kunst des 20. Jhs. wird weitgehend von einer neuen Sicht des Raumes bestimmt. Durch neue Sehmöglichkeiten und Sehgewohnheiten als neue "Sehfilter" können die Räume anders wahrgenommen werden. Neue Objektivierungen und neue Intimitäten werden möglich. Über die künstlerische Auseinandersetzung wird der "reale" Raum zu einem neuen spezifisch menschlichen Lebensraum, dem Arbeitsbereich der Gartenkunst. In einem Garten entstehen dann geistige und körperliche Freiräume - geistige, die allein an die Vorstellungskraft des Gestalters gebunden sind und körperliche, die sich auf die Gesetzmäßigkeiten in der Natur beziehen. Bei einem solchen Freiraum müssen drei Vorgaben zu einander in Bezug stehen:
In der Kunst kennen wir hauptsächlich zwei Gruppen von Räumen, die der Architektur und die der Musik. Für die letztere unterschied Gisela Nauck den / die
In einem Garten erfährt man die Natur über viele sichtbare und unsichtbare Informationsebenen, sei es über die Materialien und Pflanzen, die Farben und Düfte, die Wolken, den Wind oder die verschiedenen Geräusche. Durch die Gestaltung erhält er eine neue, kulturbezogene Qualitätsebene. Lassen die Eingriffe nach, dann holt sich die Natur den Raum zurück. Nach Möglichkeit ist die Raumkonzeption gleich bei Beginn der Planungen zu klären (evtl. müssen dann dafür alte Bäume gefällt, freigestellt oder belassen werden). Bestimmend für die Räume sind ihre Begrenzungen und für die Raumtiefen die verschiedenen Pflanzhöhen. Bäume schaffen in ihnen das maßstäbliche Element. Die Größe der Räume bestimmt stark deren emotionalen Gehalt. Ein Garten kann aus gereihten und gruppierten Raumfolgen bestehen, die jeweils einen direkten oder indirekten Zugang haben. Alle diese Räume haben eine Richtungsdominanz (außer dem Kreis), die durch eine zusätzliche Linienführung noch verstärkt werden kann (z.B. einem Weg, eine Mauer, einem Beet). In der Gegenwart erwartet man von den Raumgefügen, dass sie
Isamu Noguchi (1914 - 1988) erfasste einen Garten als einen skulpturalen Raum. Er wurde damit für dessen modernes Verständnis im Sinne eines Kunstwerks wegweisend. Stark beeinflusst von dem rumänischen Bildhauer Brancusi, der japanischen Töpferei und Gartenkunst schuf er mehrere bedeutende Gärten (allerdings zunächst mit einem geringen Einfluss auf die allgemeine Gartengestaltung). Seine Arbeiten erinnern stark an Gemälde von Miro oder Reliefs von Arp. Er reduzierte seine Gestaltungsmittel auf einen archaischen Kern und abstrahierte seine Figuren stark. Sein Lieblingsmaterial waren Steine. In Pflanzen sah er besonders deren skulpturale Form (nicht als lebendes wachsendes Material). "Steine sind die Knochen des Gartens, die Blumen sein Fleisch" (1988). Seine Gärten wurden von einer tiefen archaischen Symbolik getragen, die die vorgefundenen Gegebenheiten mit einfachen Mitteln zeitgemäß neu zu interpretieren versuchte. Cramer (1898 - 1980) hatte seine Gartenräume selber zum Symbol des Zeitgemäßen erhoben. Sie waren zu einem Ausdruck der modernen Kunst geworden. Er hatte archetypische Formen virtueller Landschaften geschaffen, in deren Mittelpunkt der Mensch stehen sollte. Mit Hilfe des Bodens, des Wassers und moderner Materialien hatte er vor 50 Jahren Gartenräume geschaffen, die bis heute unvergessen sind (die seiner Zeit aber kurz nach ihrer Errichtung aus dem damaligem Unverständnis heraus wieder abgerissen wurden: "Garten des Poeten" (Zürich, 1959), "Theatergarten" (Hamburg, 1963). Auf der Suche nach einer zeitgemäßen gestalterischen Sprache versuchte er konsequent die Forderungen der Moderne in der Gartengestaltung umzusetzen. Vielleicht hatte er damals als einziger Gartenkünstler eine Vision vom modernen Menschen besessen, die den Forderungen der damaligen Architektur gleichwertig war. Adorno schrieb 1973: "Wie kann ein bestimmter Zweck Raum werden, in welchen Formen und in welchem Material. Architektonische Phantasie wäre demnach das Vermögen, durch die Zwecke den Raum zu artikulieren, sie Raum werden zu lassen, Formen zu Zwecken zu errichten". Die Enge eines Gartens schafft eine Situation seiner "unmittelbaren Erfahrbarkeit" (Kienast). Sie wiederum ist die Voraussetzung für die Utopie aus der dieser erwächst. Aus der persönlichen Betroffenheit heraus, den sich stellenden Widerständen entsteht er allmählich mit Hilfe des Gefühls, der Phantasie und der gestalterischen Fähigkeiten seines Besitzers zu einem Kunstwerk.
Die Funktion Zu den wichtigsten Eigenschaften jedes Objektes, jedes Gegenstandes und damit auch eines jeden Gartens gehören seine Funktionen. Dieser Umstand wird der Gartenkunst gerne vorgeworfen, wenn man ihr die Kunstzugehörigkeit absprechen will. Aber auch ein Bild, eine Skulptur oder ein Theaterstück haben bestimmte Aufgaben, nur dass in ihnen der Betrachter selber nicht aktiv agiert. Aber gerade in diesem selbst Tätigsein liegt eine der positiven Seiten der Gartenkunst. Sie erhält dadurch eine Modernität, der die anderen Künste weitgehend nicht folgen können. Mit seinen Funktionen erfüllt ein Garten bestimmte Aufgaben, die beachtet werden müssen, wenn er den Bedürfnissen der Menschen entsprechen soll. Man muss sich über sie bereits bei der Planung im Klaren sein. Man kann sie in ihm neu einführen (z.B. durch Sitzplätze, Zugangswege) oder die vorhandenen optimieren. Damit sind sie neben dem Raum, der Formgestaltung, das dritte große Bewertungskriterium eines Gartens. Wir verstehen allgemein unter einer Funktion etwas einem passiven Objekt Zugesprochenes, seine Aufgabe oder seine Stellung (einem aktiven Objekt Zugesprochenes ist ein Zweck; im Alltag werden aber beide Begriffe gleichbedeutend verwandt). In vielen Wissenschaftsbereichen kann die Funktion eine andere Bedeutung haben, z.B. in der
Eine Gestaltung erscheint in der Regel als besonders gelungen, wenn sich ihre Funktionen aus einem Material oder den Strukturen des Gartens wie selbstverständlich zu ergeben scheinen. In der Regel wirken diese Arbeiten ihrer Selbstverständlichkeit wegen dann sehr schlicht, obwohl sie höchste Ansprüche erfüllen. Im privaten Bereich mit seinen emotionalen Bezügen zum Gestaltungsobjekt können sie der Ausdruck letzter Reife sein.
Die Natur Was wir unter Natur verstehen, ist zeitabhängig. Ihre "Gestaltung" unterliegt deshalb auch immer einem Zeitgeist. Als Kunst ist sie dabei die Überformung eines Ortes, dessen Qualität sich in der Gestaltung seines Raumes zeigt. Es entsteht ein Denkraum, der in sich einen Gedanken beinhaltet, bzw. für den Kommunikationsbereich eine Botschaft verbirgt. Der Gedanke einer "unberührten" Natur ist nur eine Idealvorstellung, die es real nicht gibt. Ein Garten ist immer nur eine Kulturnatur. Auch er kann deshalb nur begrenzt naturnah sein. In unserer Zivilisation ist er in der Regel ein Ergebnis unserer städtischen Konsumgesellschaft. Unser heutiger Naturschutz geht in seinen Ausführungen von einem vormenschlichen Naturzustand aus, den er real gar nicht kennt oder idealisiert. Er ist eigentlich "das Eingeständnis unserer Unfähigkeit, mit der Natur sorgfältig umgehen zu können" (Kienast). In der Regel fordert er für einen vorhandenen landschaftlichen Zivilisationszustand nur einen Denkmalschutz. Seine ökologischen Gleichgewichte sind dabei künstlich und können nur mit einem großen Aufwand aufrecht erhalten werden. Einen tatsächlichen "Naturgarten" als Ideal im Sinne der Alternativbewegungen der 68er Jahre kann es deshalb gar nicht geben. Andererseits haben viele ihrer Gedanken Teile unserer Gesellschaft zum Nachdenken gebracht (eigentlich handelt es sich dabei nur um eine Neubelebung vieler Gedanken der frühen Reformbewegung um 1900). Im Idealfall sollte der Mensch im Naturgarten nur dessen Beobachter sein. Ästhetische Kriterien und Nutzungsüberlegungen störten darin nur. Für seine Verwirklichung benötigte man zunächst eine intensive Standortvorbereitung und danach eine (gelegentlich aufwendige) zielgerichtete Pflege. Für die Raumbildung verwandte man nur heimische Bäume und Sträucher. Während man früher den Garten durch einen Zaun vor der Natur schützte, schützt man in ihm jetzt die Natur vor der Kultur. Nach dem Maß der menschlichen Eingriffe unterschied Kienast drei naturnahe Gartentypen, die sich nach Form, Ziel und Zweck klar von einander abgrenzen ließen: Den
Heute sind große Teile unseres gärtnerischen Denkens von ökologischen Gedanken durchdrungen. Dazu gehören z.B. der Umgang mit dem Oberflächenwasser und die Zurückstellung der Funktionalität als alleinigem Maßstab bei der Planung. Auch das verstärkte Sehen des Außenraums als einen "sinnlichen Raum" ist uns dadurch verstärkt bewusst geworden. Ursprünglich bestand die Alternativbewegung aus einem "diffusen Gemisch von Ethik und Naturwissenschaft", durch sie rückte allerdings auch die Selbstverwirklichung wieder in das Gartengeschehen. Kienast spricht deren dilettantischen Ergebnissen die gleiche bescheidene Qualität zu wie denen des gärtnerischen Berufsstandes. Nach Kienast können wir in einem Garten "den sorgsamen Umgang mit der Natur wieder lernen, nicht indem wir sie schützen, sondern indem wir uns tätig mit der Natur auseinandersetzen".
Ein Ergebnis der Alternativbewegung ist auch, dass wir die Prozesshaftigkeit der Natur wieder stärker berücksichtigen, d.h., ihrer Eigenentwicklung mehr Raum lassen, sei es durch
Ein Garten ist zugleich ein naturnahes und eine ästhetisches Objekt. Er bietet für unsere Wahrnehmung die für unsere innere Gesundheit nötigen Naturreize, und er erlaubt gleichzeitig der Natur gegenüber eine kreative Haltung. Er stellt immer ein Gegenüber dar mit einer Vielzahl von Bezugsebenen, intuitive und rationale. Über die Reibungen mit ihm reift das Ich zu dem was es ist (allerdings haben die Reibungen mit dem Objekt Garten den Vorteil, dass man sie nicht als existentiell böse wahrnimmt). In einem Garten schafft man deshalb kein Nachbild der Natur, sondern nur deren, ihrem Gestalter gemäße Idealbild, seine Vision von ihr, sein Paradies. Ursprünglich war die Natur der Gegner im Kampf ums Überleben, heute sichert sie dieses, wenn der Mensch sie schont. Unsere Blickrichtung hat sich verändert. Je mehr wir in unser Inneres sehen, desto mehr sehen wir sie in uns, bzw. auch in unserer inneren Abhängigkeit. Durch die Trennung des modernen Subjekts von der Natur ist dieses relativ orientierungslos, bzw. stark ideologieabhängig geworden. Unsere Umwelt wird durch einen kulturellen Filter als dynamischer Großraum wahrgenommen. Hier findet die Landschaftsplanung ihren Arbeitsansatz, einmal im Sinne eines Naturschutzes und zum anderen, sozialwissenschaftlich orientiert, als rationale Freiraumplanung, für die die "alten" Naturbezüge nur überwindungs-notwendige Vorstellungsrelikte darstellen. Der neue Mensch hat seine biologische Vergewaltigung, besonders durch den modernen Tiefbau, nicht mehr zu bemerken. Kann er sich dieser neuen Welt nicht anpassen, so muss mit Hilfe von Chemikalien seitens der Medizin in seinem Stoffwechsel regulierend eingegriffen werden. Die Gestaltung der Umwelt hat primär funktionalen Bedürfnissen zu folgen, die die Ökologie aus der Sicht der Standortfaktoren und der anzusiedelnden Flora und Fauna dann nur noch begleitet. Der Naturschutz und die Naturgärtnerei gehen heute oft von einer restaurativen, konservativen Grundhaltung aus. Ihr Problem ist, dass sie für zukunftsorientierte Aufgaben kaum aufgeschlossen sind. Sie halten in der Regel nur an kulturell verinnerlichten Bildern fest. Obwohl sie auf viele Missstände berechtigt hinweisen, ist für unsere zivilisatorische Weiterentwicklung eine Trennung der phylogenetischen Naturbezüge und dieser kulturellen Anschauungen bewußtseinsmäßig zwingend notwendig. Die einen können wir biologisch in unserem Menschsein kaum ändern, die anderen müssen wir vor einer kulturellen Erstarrung bewahren. Die Naturgärtnerei bedeutete einst einen weitgehenden Verzicht auf die Ästhetik zugunsten der Ökologie. Da wir die Welt um uns aber immer nur wertend erleben können, d.h., sie immer auch ästhetisch sehen, bedeutet eine solche Grundhaltung nur das Umsetzen einer bestimmten ideologischen Haltung. In jeder Gartenkunst geht es immer auch um eine Balance des Verhältnisses von Natur und Kultur im Verständnis einer bestimmten Zeit, bzw. der des jeweiligen Gartenkünstlers. Und bei der jeweils jüngsten Gartenkunst geht es zudem um das Verhältnis der Sicherung des Identitätsstiftenden, des Traditionellen und zugleich der Befreiung vom überkommenden Erstarrenden. Immer wenn wir von "Natur" sprechen, haben wir ein in uns verinnerlichtes ideologisches Bild vor Augen. Und wegen dieses ideologischen Hintergrundes ist es so schwer, sich über sie zu verständigen, da dies regelmäßig durch einen subjektiven Bezug zu Missverständnissen führt. Jedes Naturerlebnis ist auch das konstruktive Ergebnis eines von einer bestimmten Kultur geformten Gehirns. Wir erleben heute die Natur als einen Sehnsuchtsträger und ihren Mangel als einen Verlust. Unsere Bedürfnisse, bzw. unsere Suche nach ihr begleiten uns ständig bei den Versuchen der Stadtflucht, bei unseren Wander- und Urlaubszielen und sogar bei der Dekoration unserer Wohnräume. Vielen Menschen wird sie erst bei der Gegenüberstellung von Technik in ihrer Wesenseigenschaft bewusst. Zur heutigen Moderne gehört es, die Natur und die Technik in Einklang zu bringen, sie nicht mehr in ihrem Gegensatz zu zeigen, sondern die letztere in natürliche Abläufe zu integrieren. Daneben muss für die Natur in der Gartenkunst eine Sprache gefunden werden, die nicht im Gegensatz zu der der Technik steht. Wir müssen beide Bereiche in unserem Leben in Einklang bringen. Die Natur ist besonders durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet: die eines ständigen Wandels und im biologischen Bereich, die des Todes. Mit beiden ist es schwer, in einem Garten umzugehen. In den bildenden Künsten versucht man hier mit ästhetischen Strategien zu arbeiten. Besonders in der modernen Kunst ist der Verfall und der Tod ein wichtiger Gestaltungsinhalt. Für die Gartenkunst gilt dies nur begrenzt, obwohl beide als Gestaltungsobjekte sie fundamental betreffen. Es scheint mehr als nur eine kulturelle Verinnerlichung zu sein, dass man alles Kranke, alles Abgestorbene in einem Garten zu entfernen versucht. Das latent Lebensbedrohende scheint im Gartenbenutzer eine gewisse innere Abwehr dagegen zu entwickeln. Anders ist es mit kulturellen Todessymbolen (z.B. Ruinen). Sie werden als ein kulturelles Element wahrgenommen und nicht als ein Stück Natur. Die Natur besitzt eigentlich eine einfache Sprache, wenn man ihre Gesetze akzeptiert. In einem Garten, ausgehend von seinem Entstehungsort, erfordert es nur einen klaren, kraftvollen Raum und entsprechende in den Proportionen stimmige Formen. Es kommt auf die Bewusstheit beim Umgang mit der Natur und dem Material an. Das jeweilige harmonische Ergebnis ist dann das angestrebte Paradies. Im Garten wird die Natur als Lebensraum den Bedürfnissen des Menschen angepasst. Man kann zwar in ihn die Wandlungskräfte der Natur einbeziehen, trotzdem wird man dabei immer von einem synthetischen Naturbild ausgehen, da man sie tatsächlich nur noch in den seltensten Fällen kennt. Jeder kulturelle Eingriff durch den Menschen (und jeder Garten ist ein solch kultureller Eingriff) schafft eine neue Definition der Natur, eine neue eigene Interpretation. Einerseits erhält man über einen solchen selber Anregungen, andererseits schafft man dabei immer zugleich auch einen kulturellen Raum (selbst dann, wenn man den Garten im Sinne der Natur anstrebt, da man dies nur über das Bild anstreben kann, das man von ihr hat). Die heutige "Naturplanung" kennt außerhalb der unmittelbaren, wirtschaftlichen Nutzanwendung drei große Arbeitsbereiche:
Die Beziehungen zur "Zeit", zur Gegenwart Jede Gartenkunst ist immer auch ein Ausdruck ihrer Zeit. Neben der Formgebung spielen dabei die Materialien eine wichtige Rolle. Die Materialien unserer Zeit sind Beton, Wasser und Licht, evtl. ergänzt von Stahl und Glas. Wahrscheinlich lässt sich mit ihrer Hilfe der Geist unserer Zeit am leichtesten zum Ausdruck bringen. Ihre oft fehlende, nicht menschengemäße Sinnlichkeit müssen sie über die Form ausgleichen. Jedes Material muss dabei in seinen spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten zum Sprechen gebracht werden. Manchmal kann man seine Aussagemöglichkeiten über ein symbolisches Aufladen noch verstärken. In der Regel verwenden wir in der Gartengestaltung überwiegend Natur-Materialien. Mit ihrer Hilfe kann man
Eine zentrale Ausgangsfrage ist immer: Mit welchen Materialien stelle ich das Gewünschte dar? Die beiden wichtigsten Materialien für die Moderne sind dabei Beton, Wasser und Licht:
Es ist die Zusammenstellung seiner Elemente über die ein Garten zu seinen Besuchern spricht. Erst sie schaffen seine verschiedenen Informationsebenen und machen einen Ort zu einem Kunstwerk. Alle Objekte bringen bestimmte Informationen mit sich. Erst ihre Zusammenstellung, ihre Komposition schafft komplexe Gebilde. Es werden die bestimmenden Informationen, Grundelemente eines Ortes zunächst gesammelt, zu ihnen allen eine spezifische Aussage entworfen, sie dann als Einzelebenen alle über einander gelegt und visuell und funktionell mit einander verbunden werden. Örtliche Baumaterialien erleichtern ein landschaftlich angepasstes Bauen. Auch erleichtern sie die Verbindung zur örtlichen Flora und Fauna. Manchmal sind Objekte auch am Ort vorhanden (alte Bäume, Bauspuren, Ruinen), die in die Anlage integriert, ihr eine besondere Bedeutungsebene schaffen. Letztlich bedeutet ein Garten nichts anderes, als in ein Stück Natur eine bestimmte Kultur hineinzubringen und damit eine lesbare Sprache. Diese Lesbarkeit kann man fördern. Die Sprache muss dem Ort gemäss sein und sich in ihn wie selbstverständlich einordnen. Optisch wird sie über seine Elemente erfasst. Die Bestimmtheit ihres Einsatzes entscheidet weitgehend über die Qualität seiner Gestaltung. So berichtet die Pflanzung eines Gartens z.B. über die Eigenschaften ihres Standortes und die Vorlieben ihres Besitzers, Skulpturen über dessen Zeitbezug. Die Pflanzen sind das wichtigste Gestaltungselement in einem Garten, weil sie dort stellvertretend für die Natur stehen. Dabei liegt ihr eigentlicher Wert als lebender Werkstoff nicht in ihrer Bedeutung als Gestaltungsmaterial sondern in ihrer biologischen Gemeinschaft mit dem Menschen. Ihr oft dekorativer Charakter ist nur ein Nebenaspekt. Oft stellt man an sie zu hohe Erwartungen. So verlieren viele Gärten ihren Kunstcharakter schnell durch das gefürchtete "Vergärtnern", wenn sie pflanzlich überfrachtet werden. Die Gartengestaltung schafft in der Regel funktionale Lebensräume für die verschiedensten Aufgaben, z.B. Nutzgärten oder Sammlergärten. Dabei hat dann die "Form" eigentlich nur noch eine Randbedeutung. Die Liebe zu den dekorativen Blumenbeeten begann erst um die Mitte des 19. Jhs. mit den vielen Neupflanzen aus Südafrika und Nordamerika. Sie wurden kennzeichnend für den viktorianischen Garten. Damit begann aber auch der Niedergang der Gartenkunst als Kunstdisziplin. Es gab danach zwar viele fruchtbare Ansätze, doch war man nicht bereit, sie als Reformgarten in einem neuen Stil zusammenzufassen. Im pflanzlichen Bereich entstanden dabei zwei Strömungen, die man heute gerne als die englische und die deutsche bezeichnet. Die englische Pflanzmethode ist ästhetisch ausgerichtet und steht in der Tradition von William Robinson und der Malerin Gertrude Jekyll. Die deutsche, sie sich primär an den Wuchseigenschaften und Standortbedingungen orientiert, steht in der Tradition Willy Langes und Karl Foersters und der Bornimer Schule. Die Erben der letzteren sind heute Wolfgang Oehme und Piet Oudolf, die aber auch ästhetische Kriterien verstärkt berücksichtigen. Nach Standortkriterien arbeitet man allerdings in England auch in Wisley und bei Beth Chatto. Burle Marx verwendete Pflanzen großflächig wie ein abstrakter Maler mit Farben umgeht. Sein Vorbild waren die "Fragments encadrés" von Jean Arp. Er schuf Bodengemälde und repräsentierte noch den genialen Gartenkünstler. In der heutigen Gestaltung wird dagegen die Farbe gerne dazu benutzt, um sich von der Form zu befreien. Ästhetisch bleiben diese Anlagen in ihrer Aussage in der Regel unbefriedigend. Marx hatte in Deutschland kaum einen Einfluss gehabt. Seit den 70er Jahren wurde in Deutschland der Naturgarten wieder viel diskutiert. Wie in allen Gärten bilden auch hier die Pflanzen die Struktur (allerdings nur heimische). Die Staudenpflanzung wurde von einem sich selbst aussäenden Leitstaudengerüst bestimmt, das jährlich ein sich ständig veränderndes Pflanzenbild bot. Diskutiert wurden im Gartenbereich jetzt die Ruderalvegetation (z.B. zur Betonung des Historischen), das Feuchtbiotop, die Feldhecken oder die artenreiche Blumenwiese. Man forderte eine vom Menschen wenig beeinflusste Gartenkultur (die im Hintergrund der Mensch oft mit einem großen Aufwand steuerte). Allgemein erfordert der Umgang mit Pflanzen große Kenntnisse (wegen der Artenvielfalt und deren jeweiligen Ansprüchen). In der Regel gewinnt sie der einzelne Gestalter selber erst über seine Erfahrungen im Laufe der Zeit. Zu einer guten Gestaltung gehört die Bewusstheit der Maßnahmen (seien sie bewusst erkennbar oder nicht erkennbar). Im Alltagsgarten werden viele Entscheidungen stark von einer Kette von Zufällen bestimmt. Man sieht Pflanzen, die einem gefallen, ohne dass man in diesem Augenblick seine Gartenkonzeption vor Augen hat, man bekommt Pflanzen geschenkt oder man trifft aus Kostengründen Entscheidungen, die zwar ursprünglich als Provisorium gedacht waren, dann aber aus den verschiedensten Gründen beibehalten wurden.
8. Eine Garten-"Vision" Jede neue Kunst wird von einem Paradigmen-Wechsel (Wertewechsel) begleitet. In der Architektur drückt sich dies über eine neue Ordnung aus, einem anderen Blick auf die Welt. Dabei ist es in der Gartenkunst unwahrscheinlich, dass ihre Wertvorstellungen im neuen Informationszeitalter ähnlich weitgehend wechseln werden wie in den anderen Lebensbereichen. Dagegen spricht die (biologische) Programmierung des Menschen
Die Gartenkunst von morgen wird in der Planung weitgehend digital erfolgen, indem bestimmte Bauelemente additiv zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Dabei können die einzelnen Arbeitsschritte völlig losgelöst vom Gartenort von den verschiedensten Enden der Erde aus in kürzester Zeit geplant werden. Der Garten wird hier nur für das kurze Dasein einer Ausstellung oder einer Mode geschaffen. In der traditionellen Gartenkunst konnte er immer nur mit einem Blick auf Dauer gesehen werden. Das erfordert allein schon die Wachstumszeit der Pflanzen. Zwar kann man diese mit finanziellem Aufwand verkürzen, trotzdem wird man bei einem Event-Garten statt einem gewachsenen nur ein dekoratives Bild erhalten. In der Regel sind solche Gärten auch nur auf das Massenpublikum abgestimmt, für ein kurzlebiges Foto in den Fachzeitschriften, das den "Ruhm" ihrer Planer um die Welt trägt. Da die Medien täglich neues Material für ihre Publikationen benötigen, wollen sie bedient werden. Gerne wird heute in dieser Verbindung von "temporären" Gärten gesprochen, "ephemere" (= kurzlebige) wäre richtiger. Vielleicht werden sie in Zukunft eine größere Bedeutung erlangen. Ihr Problem ist allerdings, dass sie als solche eher als Bild und nicht als Raum gesehen werden wollen. Nur dann kommt ihr dekorativer Bezug zum Tragen. Die Event-Gärten sollen im Idealfall schnelle Wahrnehmungsprozesse auslösen, die dann Folgen haben. Dieses können schnelle Bedürfnisbefriedigungen sein wie auch persönliche Haltungsänderungen, d.h. Erziehungsprozesse einleiten. Je schneller unsere Zeit sich im Augenblick weiterentwickelt, desto notwendiger erscheinen allerdings auch sichere Orientierungspunkte zu sein, und die kann nur ein auf Dauer angelegter Garten leisten. (Die "temporäre" Gartenerschließung ist die 3. Möglichkeit gärtnerischer Einkommenserschließung. Die 1. war die Ausdehnung des Berufsfeldes, die 2. die Gewinnsteigerung über die Qualität, bzw. die Kosten und jetzt die 3. über die Kurzlebigkeit, den größeren Verbrauch). Ein anderes Problem der Event-Kultur ist das generelle Problem ihrer Kurzveranstaltungen, das im Gegensatz zu unseren Lebenshoffnungen und damit zu unseren Lebensidealen steht. Im Gartenbereich ergibt sich die Schwierigkeit, dass eine Hauptgruppe der Gestaltungselemente lebende Pflanzen sind - und damit begleitet sie ein ethisches Problem. Es ist schwierig Pflanzen nur als Wegwerfwaren zu sehen, selbst wenn dies für einige Gruppen ihrer Wirtschaftsinteressen wegen besonders interessant ist. Man kann nicht glaubhaft gleichzeitig die Event-Kulur und ökologische Positionen vertreten. Aber bei allen Problemen, unsere Utopien von einem neuen Garten sind so frei, dass sie immer neue Visionen von einem Paradiesgarten schaffen werden. Die Gartenplanung des Reformgartens ist eine offene Planung, da sie von den Bedürfnissen ihrer jeweiligen Nutzer ausgeht, doch besitzt auch sie drei unaufhebbare Vorgaben, die einerseits aus der Natur und zum anderen aus unserer Kultur kommen:
9. Gestaltungskriterien (jede Gestaltung ist eine kulturelle Äußerung). Jede Kunst ist ein Kommunikationsmittel. Große Teile davon sind nonverbal. Die Gartenkunst gehört zu ihnen. Am Anfang steht ein Gedanke, ein innerer Entwurf, der sich dann im Laufe der Zeit weiterentwickelt, bzw. am Ende der Arbeit zu einem Zentrum der mit ihm ablaufenden Kommunikation wird. Zunächst interessieren nur die Syntax, die zur Verfügung stehenden Elemente und deren Verbindungen (die Verknüpfung der elementaren Einheiten zu größeren; abstrakt gesehen, die formalen Beziehungen zwischen ihnen) und dann erst die Semantik, die Details und die Machbarkeit, d.h. zunächst die Gesamtstruktur und dann die Lesbarkeit der einzelnen Inhalte (die Bedeutungen, die sich aus deren Zusammenstellung ergeben). Der Gartenkünstler erhebt seine innere Idee zu einem Kunstwerk, indem er einen bestimmten Ort in einen inhaltsträchtigen Raum verwandelt. Sein Arbeitsergebnis ist ein Objekt mit einer von ihm festgelegten ästhetischen Qualität. Heute ist es der virtuose Umgang mit Bedeutungsebenen, der weitgehend über die Qualität eines Gartenkunstwerks entscheidet. Es sind seine Informationsschichten, die zur Interpretation auffordern. Von vorhandenen Gegebenheiten ausgehend, werden mit Hilfe der Linienführung Strukturen geschaffen, ein Grundgerüst aus Nutzungs- und Blickverbindungen, das sich aus Einzelräumen zu einem Großraum entwickeln. Diese Grundstruktur legt den Rhythmus einer Anlage, eines Parks fest und damit dessen Kompositionshintergrund. Sie ist ein Geflecht aus Funktions- und Informationsebenen, das über eine Ästhetisierung von Elementen die Lesbarkeit ihres Informationsgehalts hebt. Der Betrachter kann sich mit ihnen beschäftigen und sie nacherleben. Der Dialog kann mit jedem der Gartenobjekte oder dem Garten in seiner Ganzheit geführt werden. Dabei wird die Vegetation immer eine zentrale Rolle spielen. Es geht in einem Gartenkunstwerk nicht um etwas Vollendetes, dies würde ihm wesensmäßig widersprechen, sondern immer nur um Annäherungen. Für ein Kunstwerk ist die Pluralität der von ihm ausgehenden Erfahrung entscheidend. Umberto Eco spricht vom "offenen Kunstwerk". Das "Schöne" wird dadurch in eine neue Art von Transzendenz gehoben (als ein gestalterisch anzustrebendes Ziel). Jeder Gartenkünstler entscheidet
Die Tätigkeit eines Gartenkünstlers ist ein weitgehendes Spurenlegen auf einem Weg geistiger Leistungen. Als Gesamtwerk schafft er eine Komposition über einen Pfad ihn begleitender gefühlter und gedachter Assoziationen. Entlang einer klaren Struktur lösen sich die verschiedenen Inhalte ab. Er bezieht sich auf seine Zeit, indem er deren kulturelle Erscheinungen in seine Arbeit integriert. Ein Garten erzählt Geschichten, Geschichten, die auf verschiedenen Bezugsebenen erlebbar sind. In ihm werden alle Sinne angesprochen. Gelungen ist er ein Ort der Poesie, und kein Romantiker braucht sich von denjenigen, die zu einem solchen Gefühl nicht fähig sind, einen solchen Bezug abwerten zu lassen. Der historische Garten war voller Achsen, der heutige besitzt dagegen Tangenten, Berührungspunkte, über die seine Symmetrien gelesen werden. Sie sind es, die ihm seine Lebensdauer sichern können. Seine Planungsentscheidungen müssen nachvollziehbar sein. Die Schwierigkeit in der Gartenkunst ist, dass zum Künstlerischen breite ingenieurtechnische und botanische Kenntnisse gehören, die es in diesem Dreiklang nur selten gibt. So ist in der Praxis jeder gezwungen, seinen Weg selber zu gehen und dort anzusetzen, wo er eine dieser Fähigkeiten besitzt, um sie dann, teilweise einfach über Erfahrungen, zu erweitern. Früher gab es auch in der Gartenkunst klare Orientierungsvorgaben. Durch ihre Individualisierung wurde ihre Konsensfähigkeit aber stark erschwert. In den übrigen Künsten hat sich deshalb eine Welt von Beratern etabliert. In der Gartenkunst mit ihren noch weitgehend unbekannten phylogenetischen Bezügen gibt es diese bis heute noch nicht. Als einzige reale Größe für unsere heutigen Planungen hat sich der "Ort" erwiesen und dort sein geschichtlicher Bezug. Über ihn kann man rational argumentieren und Bezüge schaffen. "Bestehendes" wird freigelegt und ergänzt. Gibt es diesen nicht, dann verwandelt man ihn in einen sinnlichen Ort, einen skulpturalen bedeutungsvollen Raum oder überträgt ein geistiges Programm auf ihn. Daraus ergeben sich dann
10. Gartenästhetik Bis zum 19. Jh. wurde die Ästhetik von der Kunsttheorie mit der Lehre von der Schönheit gleichgesetzt. Und im Bewusstsein der Bevölkerung ist dies alltagssprachlich auch heute noch so. Das Schöne steht dabei für
Die Antike verband die Kunst mit dem Schönen. Sie war das Abbild ewiger Urbilder. Noch Winkelmann forderte für die Klassik die Vernachlässigung des Individuellen, Charakteristischen zugunsten der Herausstellung des Allgemeinen, allerdings eines Ideals, dessen Urbild sich im Menschen selber befand. Bei Paul Klee hieß dies dann "Kunst gibt nichts Sichtbares wieder, Kunst macht sichtbar". Im Mittelalter war an die Stelle der antiken Kosmologie die christliche Heilslehre getreten, für die Harmoniegesetze auch als Gottesbeweise herangezogen wurden (Anselm von Canter-bury). Die freien und technischen Künste dienten der Verherrlichung Gottes. Eine besondere Stellung kam dabei der Architektur zu, weil sie die Ausdrucksformen der göttlichen Gesetze (Proportionen) unmittelbar zum Ausdruck brachte (Vorwegnahme der göttlichen Welt auf Erden). Über das Schöne glaubte man sinnlich die göttliche Wahrheit erkennen zu können. Der Künstler war ein Dienender vor Gott. Kant setzte nach seiner Analyse ästhetischer Urteile die Schönheit von Natur und Kunst als gleichwertig. Hegel dagegen stellte das Kunstschöne über das Naturschöne, weil es aus dem Geist geboren ist und der Geist höher als das Naturschöne ist. Im 20. Jh. trennen sich dann
In allen Kulturen wird das Schöne mit dem Positiven in Verbindung gebracht. Allgemein kann man sagen:
Mit der Rezeptionsästhetik hat unsere Massenkultur ihre Rechtfertigungsästhetik erhalten. Der Orientierungswert ihrer Ergebnisse ist insofern problematisch, weil sich innerhalb der menschlichen Hierarchien die sozial niederen Schichten jeweils an den höher stehenden orientieren und damit in gewisser Hinsicht letztlich auch ihre jeweiligen Oberschichten benötigen, weil deren Statussymbole ihre jeweiligen Orientierungsrichtungen vorgeben. In einer Massenkultur, die ihre politischen Eliten demokratisch wählt, ist diese von der Mehrheitsbevölkerung abhängig, die ihre Meinungen wiederum weitgehend über die Medien erhalten hat. Die sozialen Interessengruppen versuchen deshalb auf diese Einfluss zu nehmen. Dies gilt auch für die Kultur, die Kunst und auch die Gartenkunst. Wer nicht ins Orientierungsschema der Einflussgruppe passt, wird ausgegliedert und nach Möglichkeit totgeschwiegen. Von der Kunst wird erwartet, dass sie ihre jeweilige Gesellschaft auf ihre Weise zu neuen Orientierungswerten anregt, sie zu neuen Wahrnehmungsparadigmen führt und damit hilft, einen jeweiligen Zeitgeist in eine in die Zukunft weisende Richtung emotional und geistig vorzubereiten. Wobei die "Freiheit" der Kunst zwar ein Ideal ist, ihre phylogenetischen Vorgaben und die darauf einwirkenden Umwelteinflüsse aber die eigentlichen treibenden Kräfte sind. Der Hintergrund jeder ästhetischen Wahrnehmung ist deren Aufnahme über unsere Sinne. Ausschlaggebend für die Kunst als solche sind dabei ihr geistiger Gehalt und die Form, in der dieser gebracht wird. Für die Gartenkunst bedeutet dies, dass bewusst oder unbewusst überhaupt ein geistiger Gehalt vorhanden ist. Ein in Form gebrachter, emotional unterlegter Inhalt ist Kunst, ein in eine arbeitende Form gebrachter rationaler Inhalt ergibt Technik (dabei gehören die Arbeiten z.B. von Jean Tinguely auch zu Kunst, weil er die Technik nicht für eine Arbeit sondern das Spiel einsetzt). Alle Ästhetikuntersuchungen im Grünbereich besitzen eine gewisse Oberflächlichkeit, weil sie deren phylogenetischen Anteil nicht vom kulturabhängigen trennen, nicht den ererbten von dem der Sozialisation. Und für beide benötigte man die Kenntnis deren jeweiliger Bandbreite und Schwerpunktbereiche und zum anderen im Kulturbereich die tatsächliche Kenntnis über Möglichkeiten der Einflussnahme, bzw. der Erziehung bei einem unterschiedlichen genetischen Potential. Unsere Gesellschaft billigt der Kunst einen privilegierten Ausnahmezustand zu. Viele möchten deshalb ein Künstler sein. In Ermangelung einer klaren, allgemein anerkannten Definition was Kunst überhaupt ist, wird heute jeder kreative Mensch als ein solcher bezeichnet, oft sogar gegen seinen Willen. Manchmal würde man ihm gerechter, wenn man von ihm als Akteur, Autor oder Werktätigem sprechen würde. Dies gilt besonders für viele zeitlich begrenzte Aussageformen, wie z.B. Aktionen, Installationen oder Improvisionen, die überall aus den verschiedensten Gründen entstehen und sich nach den Gruppen der beteiligten Akteure, aber auch den Zielen und der Dauer unterscheiden. Im Bereich der Gartenkunst gehören dazu:
Die heutige Kunst ist letztlich Intuition, die man nur begrenzt erlernen kann, die man in seinem Inneren besitzt. Man muss sich ihr gegenüber nur öffnen. Sie muss bei einem gesunden Individuum als Teil seiner emotionalen Welt zum Rationalen, zum Sachlichen hinzukommen. Letztere allein schaffen nur funktionale Lösungen, die emotional niemanden positiv erreichen. Wenn wir "große", formbetonte Gärten sehen wollen, fahren wir nach Italien, wenn wir "schöne", farbige Gärten sehen wollen, fahren wir nach England. Beides könnten wir in Deutschland auch haben, auch wir besitzen dafür die pflanzlichen Voraussetzungen, doch fehlen uns dafür in der Regel die Pflanzenkenntnisse.
11. Die Gartenkriterien Ein Garten ist ein Ort, in dem Emotionen ihren Ausdruck gefunden haben. Im Reformgarten nutzten ihn deshalb manche bürgerliche Hausfrauen (besonders in England) für ihre Identitätsfindung. Im Laufe ihres Tätigseins gaben sie ihm mit Hilfe der von ihnen bevorzugten Elemente eine Struktur, die dem bearbeiteten Ort auch eine Raumdefinition gab, die in gewisser Hinsicht auch ihrem Inneren entsprach.
Zum Verständnis des Erkennens eines Gartens als Kunstwerk gehört das Erkennen seiner Struktur. Intellektuell ist er, ähnlich der Musik, allerdings nie ganz zu erfassen. Er kann rational inhaltlich immer nur umkreist werden, ohne seinen eigentlichen Kern (den emotionalen, intuitiven, sakralen) jemals ganz treffen zu können. Jede Kunst abstrahiert und in der Gartenkunst gelangt man über die abstrakte Form wieder zum Archaischen, zu der im Menschen phylogenetisch angelegten inneren Strukturvorgabe. Die Gedanken in einem Garten müssen klar ausgedrückt werden. Dafür benötigt man einen bestimmten Rahmen. Eine gestalterische Handschrift entsteht dadurch, dass Ausdruckselemente betont oder zurückgehalten werden. Das Niveau einer Anlage fließt dann als Spiegelbild der inneren Ordnung seines Schöpfers in die Anlage ein. Da wir die Kompositionskriterien eines Gartens im Rahmen dieser Arbeit nur umkreisen können, ohne sie fest zu erfassen, möchten wir sie nur mit begleitenden Fragen und Orientierungsstichworten versehen:
12. Die Gartenelemente in der Kunst Jede Kultur hat ihre Kunst, in der sie ihre nichtrationale Welt auszudrücken versucht. Geschieht dies in Form von Handlungen, dann sind es die "darstellenden" Künste, erfolgt dies über Objekte, handelt es sich um "bildende" Künste. Für den Betrachter ist immer der agierende Künstler oder ein "Werk" vorhanden. Im Gegensatz zur Natur ist dieses immer ein Ausdruck einer Kultur. Für die Gartenkunst ergibt sich damit wegen ihrer Naturnähe für manche Betrachter ein Problem. Aber auch sie ist hier zunächst ein Ausdruck einer Kultur, einer Kultur allerdings, die mit Elementen der Natur arbeitet, mit Elementen, die wegen seiner eigenen biologischen Herkunft dem Menschen besonders nahe stehen und auf die er im Rahmen seiner Gesundheit mit seinen Sinnen stoffwechselmäßig und damit emotional angewiesen ist. Das Problem des Kunstzuganges ist sein emotionaler Hintergrund und damit die Subjektivität des Dargestellten. Innerhalb einer Kultur ist er deshalb nur über einen Verständniskonsens erfahrbar, bzw. kommunikationsfähig. Als die Künste noch Fertigkeiten eines Handwerks waren, spielte diese Emotionalität noch keine Rolle. Erst nach ihrer inhaltlichen Trennung von derselben in unserer Hochkultur haben wir das rational hinterlegte, technische "Können" der Funktionsbeherrschung unserer Zivilisation einerseits und das existentiell wichtige emotionale Ausdrucksbedürfnis andererseits. In der Gartengestaltung haben wir beide Bereiche, den des Gärtners, des Handwerkers und den des Künstlers, des Gartenkünstlers, der sich in seiner Emotionalität zum Ausdruck bringt. Im Rahmen der Kultur ist dies nur über die Kommunikation des im Garten zum Ausdruck gekommenen Gedankens erfahrbar. Die tragenden Elemente, Grundbausteine eines Gartens sind zunächst dessen elementare Wahrnehmungsbausteine. Damit greifen wir Gedanken der Assoziationspsychologie auf, die später in die Gestalt- und Ganzheitspsychologie eingeflossen sind und die wir bereits in Goethes "Gestaltbegriff" in Ansätzen vorfinden. Von hierher gesehen kann der Garten ein Ort unserer "Tiefengefühle" sein. Seine Grundelemente, bzw. Kriterien sind:
Gedanken:
Allgemein:
Der Ort:
Die Natur:
Der Mensch:
Die Gestaltung:
Die Gartenelemente:
13. Die Gartenkriterien 1. Kriterium: Komposition Unter einer Komposition versteht man den formalen Aufbau eines Kunstwerks, wenn dieses ästhetischen Gesetzmäßigkeiten zu folgen versucht. Folgt deren Wahrnehmung akustischen Gesetzen, handelt es sich um Musik und folgt sie visuellen, dann handelt es sich bei einer Raumgestaltung um Architektur oder Skulptur und bei einer Flächendarstellung um Malerei oder Zeichnung. Zu ihren Ausdruckmitteln gehören u.a.
Die moderne Kunst zielt auf eine Überwindung des Kompositionsgedankens. Hierarchische Elemente werden abgelehnt. Die Wahl der Elemente einer Komposition entspringt der inneren Strukturgeschichte ihres Schöpfers und dessen Beziehungen zum Ort der Gestaltung. Alle Kompositionen folgen letztlich mathematischen Prinzipien, die seit Pythagoras bekannt sind. Dies gilt sowohl für die Musik wie auch für die Architektur. Sie gelten als gelungen, wenn unser phylogenetisches Erbe sie als angenehm empfindet. Als eine Komposition kann man sehen: Ein / eine
In der Architektur entsteht eine Komposition durch das bewusste, ästhetischen Gesetzen folgende Zusammenstellen von Elementen in einem Raum, der dann das ästhetische Gesamtwerk bildet. Jede Zeit hat dabei ihre eigenen Vorlieben und Gesetzmäßigkeiten. In der Gartenkunst erfolgt dies weitgehend durch Offenheit und Verdichtungen (z.B. Rasen- und Gehölzflächen), Vervielfachungen (nichtrhythmische und rhythmische, Reihungen, Cluster u.ä.). Die Bewertungskriterien für eine Komposition sind deren
Mit Hilfe von Rhythmen, Farbgebungen und Lichteinsatz werden Elemente in visuellen Raumfolgen zusammengestellt. Dies kann primär erfolgen:
Zu unseren phylogenetischen Vorgaben bestimmen auch kulturell beeinflusste Sehgewohnheiten unser künstlerisches Sehen. Früher wurde als Kunst nur akzeptiert, was bestimmten Regeln folgte. Heute gibt es diese nicht mehr, doch wird der bestehende Missbrauch wahrscheinlich eher oder später zu einer gewissen Begriffsklärung führen müssen. Für uns sind verbindliche Vorgaben: Kunst kann nur sein, was
"Es ist ganz gleich, ob ein Garten klein oder groß ist. Was die Möglichkeiten
seiner Schönheit betrifft, so ist seine Ausdehnung so gleichgültig, wie es
gleichgültig ist, ob ein Bild groß oder klein, ob ein Gedicht zehn oder hundert
Zeilen lang ist. Die Möglichkeiten der Schönheit, die sich in einem Geviert,
umgeben von vier Mauern, entfalten können, sind einfach unmessbar". (Hugo von Hofmansthal, aus "Lob des Gartens"). "Sie (bezogen auf die Arbeiten Ernst Cramers) .... bringen eine neue Landschaft. Sie erzeugen ein Raumgefühl, das ich bisher unter freiem Himmel noch nie empfunden habe. Sie beweisen, dass mit klugem Geist und genauer Hingabe des Handwerks mit dem kostbaren Material Erde nicht unbedingt so geschaffen werden muss, wie dies die Kräfte der Naturelemente tun. Sie schaffen nicht die Imitation einer natürlichen Geborgenheit, sondern sie erzeugen ein Werk wie wir abstrakten Maler und Bildhauer dies mit konkreten Mitteln seit Jahren versuchen" (Hans Fischli, 1959). In einer Komposition vereinen sich alle beteiligten Elemente zu einem homogenen Ganzen. Stichworte:
2. Kriterium: Struktur
Dieser Begriff hat verschiedene Bedeutungsbezüge:
Unter einer Struktur versteht man allgemein das Muster von (System-) Elementen und deren Wechselwirkung untereinander. Durch die Naturwissenschaften ist aber auch die Vorstellung vom räumlichen Aufbau dieser Elemente verbreitet. Nach Foucault bestimmte der Begriff das Denken der Botaniker des 17. Jhs., die für die Einordnung der Pflanzen vier Kriterien heranzogen:
Wir verstehen unter einer Struktur die Erfassung eines Ordnungssystems, die Erfassung der Logik eines Systems, mit dessen Hilfe wir über ein Objekt (in unserem Fall einem Garten) kommunikativ umgehen können. Es gehören dazu u.a. die Ordnung seiner Elemente in einem System und die Erfassung ihrer Zusammenhänge. Stichworte:
3. Kriterium: Rhythmus Unter einem Rhythmus versteht man regelmäßig wiederkehrende oder sich verändernde Zustände, bzw. Elemente. In der Gartenkunst können sie jeweils für eine Inhaltsebene stehen und durch ein gezieltes Zurückstellen oder Betonen zu einer Komposition führen. Ein regelmäßig betontes Element gibt dabei den Takt an. Regelmäßigkeiten, Rhythmen begleiten uns unser ganzes Leben, sei es unser Herzschlag, das einfache Zähneputzen oder die komplizierten Arbeitsrhythmen. Sie gehören zu den Urformen unserer Wahrnehmung überhaupt. In der Gestaltung finden wir sie bereits bei den frühesten Ornamenten. Für die Musik und die Architektur sind sie das wichtigste Charakteristikum. Die Wahrnehmung eines Rhythmus erfolgt zwar subjektiv, doch ist seine Ausführung stark kulturabhängig. In der Gartengestaltung spielen bei seinem Einsatz die Reihenfolge der eingesetzten Elemente, der Nutzung, der Farben und des Lichts (z.B. des Schattenspiels in einer Pergola) eine Rolle. Rhythmen schaffen Atmosphären mit ihrem Spiel von Weite und Enge, Ruhe und Belebtheit (z.B. Farbigkeit). Sogar der schwierige Einsatz von Disharmonien erweist sich letztlich nur als ein Bruch mit ihnen. Keine Ästhetik in der Musik oder Architektur kann auf eine gewisse Rhythmik verzichten. Sie haben einen gemeinsamen Hintergrund. Die Musik ist abhängig vom Abstand ihrer Tonfolgen, die Architektur von ihren Elementfolgen. Erst deren Zusammenspiel macht aus einem Gebäude Architektur. Beide bauen auf verwandten mathematischen Prinzipien und Ordnungsbeziehungen. Beide beeinflussen das Bewusstsein mit ihren Harmonien und Proportionen. Es ist ein Merkmal der Renaissance, dass in ihr räumliche und musikalische Beziehungen als gleichwertig angesehen wurden. Und es war selbstverständlich, dass ein Architekt auch Musik studierte. Die geforderte Schönheit der Bauwerke ergab sich aus der Harmonie ihres Proportionssystems, ihres Rhythmus. Damit besaßen sie auch einen kommunikationsfähigen, rationalen Ansatz. Gartenrhythmen können sein: Sich wiederholende
Stichworte:
4. Kriterium: Linien / Linienführungen Eine Linie ist eine einfache, gedachte Dimension, die durch in sie gestellte Objekte deutlich gemacht werden kann (z.B. Kantensteine, Rasenkanten, Gehölze). In der Regel ist es eine Länge (vom Strich unterscheidet sie sich, weil dieser immer gerade ist). In der Gestaltung kann der Begriff drei Bedeutungen haben:
Bei der Betrachtung eines Kunstwerks (besonders eines Bildes) orientieren wir uns an seiner Linienführung. Wir erfassen sie bereits weitgehend unbewusst. Für eine Gestaltung gilt:
5. Kriterium: Proportionen / Harmonien
Harmonien haben für uns eine emotionale Bedeutung. Sie bewegen, begeistern uns, versetzen uns evtl. aber auch in eine Verteidigungshaltung. Unter Proportionen verstehen wir angenehme Größen- und Längenverhältnisse, bzw. das Verhältnis von Teilobjekten zu ihrem Ganzen. Sie sind ein entscheidendes Kriterium der Ästhetik und damit eng mit dem "Schönen" verbunden. Für die Pythagoräer spielte dabei deren Proportionslehre eine bedeutende Rolle. In der Renaissance ging man vom "gesetzmäßig Schönen" der Natur aus, über deren Nachahmung, ihren Proportionen wollte man ihr "wissenschaftlich" nahe kommen (u.a. über die Anwendung der Perspektive). Die Kunst galt damit allgemein als lehrbar (Alberti). Man konnte, sollte sie mit Hilfe der Bildung "erlernen". Francis Bacon (1561 -1626) stellte dann der Abstraktheit des Schönen der Hochrenaissance die "Ungewöhnlichkeit der Proportionen" im Schönen gegenüber. Er entsprach damit eher der allgemeinen Vielfalt in der Realität. Damit begann über die Aufklärung der geistige Weg zum Landschaftsgarten. Der Graf von Shaftesbury (1671 - 1713) erkannte im Schönen in der Ordnung und in der Proportionalität einen Ausdruck der Weltseele. Im Rückgriff auf Platon war er der Meinung, dass die menschliche Seele deshalb nach ihnen verlange und stellte deshalb die Erziehung zur Kunst als eine Erziehung zum Guten, Wahren und Schönen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Im 20. Jahrhundert begann man dann die Ästhetik mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden zu untersuchen. Entscheidend für unsere Wahrnehmung sind danach Informationsverarbeitungen in unserem Gehirn. Schön ist, was im Menschen phylogenetisch angelegt und danach kulturell vernetzt ist. Man geht heute davon aus, dass an unseren Schönheitsvorstellungen mehrere Zentren im Gehirn und besondere "Belohnungssysteme" mitwirken. Unser Proportionsgefühl scheint dabei weitgehend zu unserem phylogenetischen Erbe zu gehören (siehe z.B. "Goldener Schnitt"). In der Architektur hat es immer Proportionslehren gegeben, und zu allen Zeiten hat es die verschiedensten Proportionssysteme gegeben:
6. Kriterium: Symmetrien Es scheint im Menschen einen angeborenen Sinn für Symmetrien zu geben. Gemeint ist damit eine "Gleichmäßigkeit", Gleichheit zwischen zwei Wahrnehmungen, z.B. bei einem Spiegelbild. In der Gartenkunst ist sie ein Kennzeichen des Barockgartens, dessen beide Parterrehälften links und rechts von der Hauptachse sich symmetrisch gegenüberliegen. (in der Physik versucht man heute mit Hilfe von drei bekannten Ladungssymmetrien unser Universum zu erklären: der elektrischen Ladung, einer "starken Farbladung" (Quarks) und einer "schwachen Ladung"). In der Biologie scheinen sie ein wichtiges Bauprinzip zu sein. Man kennt dort:
7. Kriterium: Achsen Für die Erfassung einer visuellen Grammatik benötigt man ein gewisses Vokabular. Ohne dieses ist ein Gedankenaustausch über ein Kunstwerk nicht möglich. Es ist die Grundlage jeder disziplinbezogenen Kompositionslehre. Zu den zentralen Begriffen der Gartenkunst gehören auch die "Achsen". Sie können für die Erfassung der Struktur eines Kunstwerks sehr hilfreich sein, weil sie den Aufbau einer Anlage entscheidend strukturieren helfen, einen wesentlichen Ordnungsbestandteil ihrer Elemente darstellen. Achsen sind in der Gestaltung Mittel-, Dreh-, Kreuzungs-, Schnitt- bzw. Knotenpunkte. Sie führen zu einem organisatorischen Kern, sei er gedanklicher, gestalterischer oder wegetechnischer Art. Von ihnen entschlüsselt sich oft eine Struktur am leichtesten. Vom Barockgarten her kennt man allgemein die Längs- und die Querachsen als senkrechte und waagerechte Achsen. Man kann sie aber auch in allen Symmetrien (Mittelachsen), Parallelen und Ornamenten (Spiegelungen) finden. Einen besonderen Erfassungswert besitzen dabei die Raumachsen in Bezug zu den senkrechten Gartenebenen. Neben diesem raumbezogenen Kriterium gibt es auch Bewusstseinsachsen, d.h. Bewusstseinsebenen mit ihrem geistigen Gehalt. Sie bestimmen die geistige Komplexität einer Anlage. Zunächst bietet sich einem Betrachter immer eine Oberflächenstruktur an, hinter der er dann je nach persönlichem Vermögen deren Tiefenebenen erkennen kann. Dieses Erkennen ist von seinen phylogenetischen und kulturellen Vorgaben abhängig. Stichworte:
8. Kriterium: Flächen Flächen sind zweidimensionale Gebilde (Dimensionen: Länge und Breite). Sie sind also immer eben. In der Gestaltung kann der Begriff u.a. folgende Bedeutungen haben:
In der Gartenkunst ist die Fläche die Grundlage für die Raumgestaltung. Zu ihrer Wahrnehmung setzen wir als Hilfsmittel ein:
9. Kriterium: Farben Erst die Farben in einem Garten verbinden die einzelnen Elemente zu einem Bild und erzeugen in uns Stimmungen. Sie entscheiden über seine Atmosphäre und seine räumliche Wirkung (d.h., sie können ihn verkleinern und vergrößern). Daneben besitzt jede Farbe ihren eigenen Charakter mit einer natürlichen Hell- oder Dunkelwirkung. Außerdem bringt jeder Betrachter noch seinen eigenen Geschmack und jede Kultur ihre eigenen Sehgewohnheiten und Moden mit. Es gab eine ganze Reihe von Malern, die mit der Farbe im Garten spielten. Gertrude Jekyll übertrug ihr Farbverständnis in den Garten, Claude Monet und Emil Nolde ihre Gartenfarben auf ihre Bilder. Von Charles Hayter stammte die Aufteilung in
Wichtige Naturfarben sind u.a.: Die Farbe
Farben sind neben dem Wasser die wichtigsten Stimmungsträger im Garten. Erst sie verleihen seinen Räumen einen Charakter. In der Regel denken wir bei der Gestaltung unserer Gärten viel zu wenig von den Farben her. Eigentlich müsste am Anfang ihrer Raumgestaltung ein Farbkonzept stehen. Doch wer hat dies schon. Die Analyse einer Gartengestaltung kann allerdings auf dessen Überprüfung nicht verzichten. Stichworte:
10. Kriterium: Texturen In der Gartengestaltung kennt man den Texturbegriff eigentlich nur bei der Staudenpflanzung. Er ist dort ein Hilfsmittel, neben der Blüte weitere Pflanzeigenschaften ins Spiel zu bringen. Genau genommen versteht man in der Gestaltung darunter jede Oberflächenbeschaffenheit von Objekten für unsere Wahrnehmung. (in anderen Kulturbereichen hat der Begriff noch andere Bedeutungen: z.B. in der Computergrafik, Geologie, Chemie, Musik oder Lebensmittelkunde). Texturen geben die Eigenschaften, den Charakter von Oberflächen an. Durch ihre geschickte Nutzung kann man einem Raum sogar mehr Tiefe verleihen. Für die Gartengestaltung können Texturen bedeutsam sein z.B. beim
Stichworte:
11. Kriterium: Raster Raster sind Muster in gleichmäßig unterteilten Flächen. In der Gestaltung können sie als ein Schema, Muster oder Ornament auftreten und gehören damit zu den ältesten Formen menschlicher Kunst. In der modernen Gartengestaltung finden wir sie z.B. als Blumenbeete oder bei Pflanzensammlungen. Aber auch ganzen Parkanlagen können sie zugrundegelegt sein (z.B. der "Parc de la Vilette". Hier als Hintergrund für die verschiedenen Gestaltungsebenen). Raster können eine Anlage überschaubar machen, weil sie dem Betrachter ein Rahmengerüst zu seiner Orientierung vorgeben. Sie können sogar zu einem eigenen Ausdrucksmittel werden. Raster helfen:
Stichworte:
12. Kriterium: Körper Der Begriff Körper kann für uns u.a. folgende Bedeutungen haben:
Stichworte:
13. Kriterium: Der Raum (und seine Begrenzungen) Die Frage nach dem "Raum" wurde schon in der Antike gestellt. Aischylos verstand unter einem "Topos" einen Ort, bzw. ein Gebiet. Unter der Topologie verstehen wir noch heute die "Lehre vom Raum". Für die Griechen war er der Hintergrund ihrer rationalen Orientierung. Mit Hilfe der Geometrie glaubten sie die Welt erfassen zu können. Mit dem Beginn der Neuzeit ging diese Sicherheit allerdings verloren. Kant erkannte klar, dass ein Raum nur ein Teil unserer Anschauungswelt sei und damit, dass es nicht "den" Raum gibt, sondern nur Räume in der Vielfalt möglicher Anschauungen. In der modernen Auffassung wird ein Raum in Verbindung mit der Zeit und der Materie gesehen, als Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit und Materie. Das heutige Problem allerdings ist, dass man bei der möglichen Vielfalt mathematischer Räume keine klare Definition mit einfachen Zuweisungskriterien mehr kennt. Mathematisch und philosophisch ist es damit heute relativ unklar, was ein "Raum" überhaupt ist. Für die Architektur mag dies zunächst unwichtig erscheinen, da sie sich nur im euklidschen, "naiven" Raumbereich bewegt. Unter dem Begriff der Architektur fasst man alle Raumkünste zusammen. Dabei wird er wegen der historischen Bedeutung heute oft auch synonym für den Hochbau verwendet. Die Gartenkunst beschäftigt sich innerhalb der Architektur mit der Gestaltung der bewohnten Außenräume. Sie gehört damit zu den Raumkünsten. Unter einem Raum verstehen wir den Lebensbereich für unsere äußere Existenz. Er wird von den drei Dimensionen Länge, Breite und Höhe bestimmt (lokale, euklidische Fläche und Höhe). In ihm bewegen und entfalten wir uns. Er ist der bedeutendste Orientierungsbereich für uns. Wir erfassen ihn weitgehend nur abstrakt (mathematisch) oder indem wir den in ihm enthaltenen Objekten Eigenschaften zusprechen und sie zu einander in eine Beziehung setzen. Für ihr Verständnis ist deshalb jeweils unser Standort, bzw. der Bezugspunkt zu ihnen entscheidend. Seit Einstein (spezielle Relativitätstheorie) wissen wir, dass die Erfassung eines Raumes vom Beobachter abhängig ist und nicht von den im Raum enthaltenen Objekten (seine "Raumzeit" der Allgemeinen Relativitätstheorie dürfte allerdings für unsere Alltagsorientierung keine Rolle spielen). In der Architektur beschäftigt man sich mit bewusst gestalteten Räumen, indem man sie je nach kulturellen Vorgaben erfasst, gliedert und ergänzt. Durch sein Orientierungsverhalten steht der Mensch zu ihnen und seinen Objekten immer in einer Wechselbeziehung. Er formt zwar die Räume, die Räume formen aber auch ihn, die Schaltungen in seinem Gehirn. Damit wird in ihnen seine Individualität entscheidend mit ausgeformt. Jeder Mensch erfasst einen Raum anders. Dabei spielen seine genetischen Vorgaben und deren kulturelle Ausformungen eine entscheidende Rolle. Kinder sehen Räume anders als ältere Menschen, Frauen anders als Männer. Wichtig sind auch Vertrautheit und Erfahrungen, aber auch jeweilige Umweltfaktoren wie Temperaturen, Gerüche, Farben oder Texturen. Wir können einen Raum nur so wahrnehmen wie es unsere Neuronen, Gehirnschaltungen und Stoffwechseleinflüsse zulassen. Die wichtigsten Gestaltungsmittel in einem architektonischen Raum sind seine vertikalen und horizontalen Elemente. Durch sie erhält er seine Tiefe und damit für seine Erfassung seinen Charakter. Über die Analyse ihrer Beziehungen zu einander (Komposition, Rhythmus, Addition, Durchdringung, Reihung u.a.) kann er formal erfasst und beschrieben werden. Für die Gartenkunst sind heute weitgehend die Sicht- und Blickbeziehungen die entscheidenden Elemente, während die Gerüche und akustischen Reize in unserer Zeit nur noch selten eine Rolle spielen. Eine besondere Gestaltungsaufgabe kommt dem "leeren Raum" wegen seines großen meditativen Gehalts zu. Seine Elemente korrespondieren im Rahmen religiöser Vorgaben mit einem pantheistischen Weltbezug oder Weltordnungsvorstellungen. Die Zen-Gärten müssen zu ihm gezählt werden. Begrifflich unterscheidet man bei den Räumen einen "örtlichen" Bezug und Wirkungsfelder. Im Einzelnen gehören zu den örtlichen Räumen Begriffe wie (Bedeutungen neben anderen):
"Ziel ist es, charakteristische Raumkompositionen und Gestaltungsqualitäten zu
entwickeln mit einem hohen Selbstverständlichkeitsgrad,
Stichworte:
14. Kriterium: Form Formen dienen nach innen zur Abgrenzung eines Körpers und nach außen zur Abgrenzung eines Raumes. Nach dem Internet-Lexikon "woxikon" gibt es dazu 33 Bedeutungen mit insgesamt 477 Synonymen (inhaltsgleichen Bedeutungen). Die bedeutendsten für die Gestaltungsbereiche sind davon:
Im Bauhaus hat man bei der Formgebung auf einen ornamentalen Dekor verzichtet. Seine Ausdrucksstärke lag weitgehend in der Nutzung der ästhetischen Materialeigenschaften einerseits und dem Einsatz neuer Werkstoffe andererseits. Zur Formdiskussion gehört auch das Kiss-Prinzip (ursprünglich aus der Informatik abgeleitet), dass für die Lösung eines Problems immer deren einfachste Lösung forderte. Es wird heute bei einer Vielzahl von Gestaltungsaufgaben eingesetzt, bei denen man für bestimmte Funktionen möglichst viele Formen und Konturen in Hinblick auf ihre Interaktionen zwischen den Menschen und den Objekten realitätsgetreu überprüft, um für den Nutzer zu einem Optimum zu gelangen. Zur Formgebung unserer Zeit gehört stilmäßig der Minimalismus. Er reduziert in der Gestaltung seine Objekte auf (meist geometrische) Grundstrukturen mit eigenen Regeln und Gesetzen. Künstler, die ihm zugerechnet werden, sind u.a. Donald Judd, Walter de Maria oder Frank Stella. Judd hat u.a. versucht, die Farbe plastisch in einem Raum wirken zu lassen, was einen großen Einfluss auf die Aktionskunst gewann. Neben der Land-Art hat der Minimalismus einen großen Einfluss auf die Architektur und die Gartenkunst des 20. Jhs. gehabt. Die Besonderheit des Minimalismus in der Architektur ist, dass er bei einer einfachen Formensprache auf alle zusätzlichen Dekorationselemente verzichtet. Allein entscheidend ist eine Formenreinheit und klare Geometrie. (Gegenpositionen vertreten die "Organische Architektur" und der Dekonstruktivismus). Zu dieser ästhetischen Reduktion hat auch seit den 60er Jahren die Farbe Weiß als alleiniges Gestaltungsmittel gehört. Heute ist man großzügiger geworden und akzeptiert auch Grau- und Beige-Töne. Stichworte:
15. Kriterium: Perspektiven (Fluchtlinien) Die Perspektive war in der Kunst den Römern schon vor 2000 Jahren bekannt (z.B. in Pompeji). Dann geriet sie aber in Vergessenheit und wurde erst in der Renaissance wieder zu einem wichtigen Mittel der Raumgestaltung. In der Gartenkunst kann man mit ihrer Hilfe über die Fläche und die Staffelung der Objekte entscheidend das Raumerlebnis beeinflussen. Für die Praxis sind drei Formen bedeutsam:
Die Farb- und Helligkeitskontraste nehmen nach hinten ab. Dadurch wird der
Tiefeneindruck des Raumes erhöht. Die Farben werden heller und verschieben sich
zum Blauen. Man kann den Tiefeneindruck auch durch verschiedene Farbtöne im
Vorder-, Mittel- und Hintergrund verstärken.
Man kann in der Gestaltung eine perspektivische Wirkung erreichen durch:
Zu welchen Leistungen perspektivische Arbeiten in der Lage sind, zeigen illusionistische Darstellungen, wenn z.B. auf flachen Decken die Vorstellung gewaltiger Kuppeln gezeigt wird (gerne im Barock angewandt). Auch die Reliefperspektiven täuschen oft Tiefen vor, die es real gar nicht gibt. Stichworte:
16. Kriterium: Bedeutungsebenen Allen Objekten, die wir wahrnehmen, schreiben wir unbewusst und bewusst eine Bedeutung zu - unbewusst schon lange bevor sie uns bewusst überhaupt beschäftigen. Erst dadurch werden sie für uns zur Wirklichkeit, zur realen Welt. Seit Kant erkannt hat, dass unsere Welt ohne Begriffe blind ist, bzw. die Begriffe ohne Anschauung leer seien, wurde unser Dasein zu einem ständigen kulturabhängigen Interpretieren unserer Umwelt. Wir begegnen ihr einerseits sinnlich und andererseits rational und dazwischen bildet sie sich als unsere Realität in unserem Gehirn. Es ist die Welt in ihrer jeweiligen Bedeutung für uns (selbst wenn wir glauben, dass wir dies allein kulturell vermittelt bekommen haben). Die Welt unserer Wahrnehmungen ist die Welt des für uns Bedeutsamen. Und für die Welt des Bedeutsamen schaffen wir Begriffe und können mit ihrer Hilfe über diese Welt mit einander kommunizieren. Unsere Sprache ist damit eine entscheidende Grenze unserer Welt. Ihr Rahmen ist das Zuhause unseres rationalen Daseins. Beginnen wir dann das für uns Bedeutsame zu hinterfragen, beginnen wir dafür nach Ordnungen zu suchen, die wir jeweils in den verschiedenen Bedeutungsebenen finden. Bei den verschiedenen Bedeutungsebenen der Objekte kann man bei deren Analyse von verschiedenen Ansätzen ausgehen. Genau genommen bleiben diese Ebenen mit einander eng verbunden, doch lässt sich auf diese Weise der jeweilige Betrachtungsgegenstand besser erfassen:
In der Kunst (besonders in der Malerei) hat sich auch eine andere Vorgehensweise bewährt. Sie führt einen vom spezifischen Erscheinungsbild zu dessen allgemeinen Aussagen:
Gedanken: Nach Mondrian ist der Ausdruck der Moderne die Abkehr vom Natürlichen,
verbunden mit einer Hinwendung zur Abstraktion. Damit beginnt für die
Gartenkunst mit ihrem Naturbezug der innere, bis heute nicht gelöste Konflikt.
Es ist wahrscheinlich für sie als Kunst weder die Abstraktion, noch ein
Elementenbezug oder ein Universalismus entscheidend, sondern allein der aus
persönlicher Sicht zum Ausdruck gebrachte Inhalt, unabhängig davon wie er
zum Ausdruck gebracht wird. Als Bekundung des im Reformgarten vertretenen
Individualismus erlaubt er so jede Möglichkeit vom abstrakten Minimalismus
bis zur universalen Romantik.
Die klassische Moderne forderte eine strenge Architektur in einer idealisierten Landschaft (einer naturhaft gestalteten Umgebung). Das offene Kunstwerk "lebt vom
Stichworte:
17. Kriterium: Experimente
Experimente sind Versuche
Bei einem Experiment (Versuch) verändert der Gestalter die bisher üblichen Gestaltungselemente, bzw. deren Anordnung zu einer eigenständigen, neuen Aussage. Gegenüber den Anordnungen in einem Labor haben wir es in den Außenräumen allerdings in der Regel mit Feldexperimenten zu tun, deren Störvariablen kaum vollständig erfassbar sind und damit immer eine Erklärung für ihr Nichtgelingen liefern. Viele der dortigen Versuche sind nur zeitabhängig ideologisch und wie man sie auch anlegt, wird man sie immer positiv begründen können (vergleichbar dem Ptolomäischen Weltbild, dass auch jahrhundertelang zu richtigen, berechenbaren Ergebnissen und Sternenkonstellationen führte. In der Gartenkunst im vergangenen Jahrhundert z.B. besonders deutlich bei den Aussagen zur Entwässerung, bzw. in der Gegenwart zur Denaturierung der begradigten Flussläufe, Gewässer und Moore; eine Umkehrung der jeweiligen Argumentation). Die Beurteilung jedes Versuches ist abhängig von dessen Beobachtern, in der Gartenkunst z.B. ob die benutzten Elemente oder deren Anordnung ihnen gefallen. Eine besondere Beachtung finden in der Regel neue Pflanzenzusammenstellungen - meistens nicht wegen ihrer inhaltlichen, sondern allein wegen ihrer ästhetischen Aussage. Wird ein Experiment angenommen, kann es von seinen Beobachtern als Mode, oder tiefer greifend, als Teil einer neuen Kultur übernommen werden. Die großen Gartenausstellungen in England (z.B. Chelsea Flower Show, die ein gesellschaftliches Ereignis darstellt) und Frankreich (z.B. die Gartenausstellung im Schlosspark von Chaumont-sur-Loire, in dem jährlich 25 Gartenschaffende auf 3 ha ihre Vorstellungen zeigen) haben eine solche anregende Bedeutung. In den Naturwissenschaften ist für die Akzeptanz eines Versuchs seine Wissenschaftlichkeit und Messbarkeit entscheidend. Dabei handelt es sich dort allein um quantifizierbare Größen. Die Kunst hat einerseits mit ihnen ihre Hinwendung zum Neuen gemein und zum anderen den Wunsch, deren neueste Erkenntnisse aufzugreifen, bzw. sie aus ihrer Sicht als Ausdruck des gesellschaftlichen Daseins zu interpretieren. Dabei stößt sie häufig auf die Ablehnung der Bevölkerung. Das kann an der mangelnden Bildung und Erneuerungsbereitschaft der Betrachter liegen, das kann aber auch an Fehlentwicklungen im Kunstbetrieb liegen. Man kann den Kunstbegriff aber nicht erweitern, ohne seine Überprüfbarkeit zuzulassen. Zurzeit wird allein dem Betrachter sein Unverständnis angelastet und die Kunstseite aus Ermangelung an einem Kriterienkonsens auf ihre Kunstrealität nicht hinterfragt. (so hat auch der Autor Schwierigkeiten, eine Notdurftentleerung auf einem Teller als ein Kunstwerk zu akzeptieren. Sie lässt sich bestenfalls als eine Protesthandlung vertreten. Gesehen in Bielefeld 2009, Ausstellung "1968. Die Große Unschuld"). Stichworte:
18. Kriterium: Normen Jede Kultur besitzt ihre festen Normen. Sie sind die Grundlagen der inneren Beziehungen ihrer Mitglieder unter einander. In ihnen ist ihre Geschichte in Form von Traditionen und Wertvorstellungen eingebunden. An der Reibung mit ihnen führt aber auch der Weg in die Zukunft. Sie stehen deshalb immer in einem Spannungsfeld von Geschichte und Vision. In der Gartenkunst geben sie die ungeschriebenen und geschriebenen Ordnungsvorstellungen unserer Gesellschaft wieder. Zu den Normen zählen wir neben anderen
Als der Individualismus mit der Reformbewegung die Gartenkunst erreichte, verlor diese weitgehend ihre Kommunikationsfähigkeit als Kunstdisziplin, weil niemand in der Lage war, in ihr die für sie notwendigen neuen Normen aufzuzeigen. Orientierungsanleihen bei anderen Wissenschaften stellten dafür keine Hilfe dar. Sie halfen zwar bei der beruflichen Perspektiverweiterung, ließen aber die Gartenkunst innerlich ausbluten. So entdeckte man z.B. für die Gartendenkmalpflege die Archäologie, ohne dadurch letztlich ein ernstzunehmender Archäologe werden zu können. Sie mag zwar bei manchen Reproduktionen durchaus hilfreich sein, bei der Rekonstruktion des Hortus Palatinus (für die es ausreichend historische Pläne gibt) wird sie aber nur als ein Verhinderungsargument seiner Gegner benutzt. Die Kunst erfasst emotionale Befindlichkeiten in einem sozialen Raum. Wird dieser von sich ständig überlagernden Reizen und Informationen überfüllt, hilft manchmal nur ein Skandal, um Aufmerksamkeit zu erringen (um in der Regel danach sofort wieder vergessen zu werden, wenn man nicht die Skandalfolge zur Methode macht). Gelernt, die Individualität im Rahmen der Selbstverwirklichung in irgendeine Banalität führen zu müssen, reicht in der Regel die Kraft nicht einmal für einen solchen Skandal. In einem Garten ist eine Person allerdings an Normen gebunden, die sie nicht aufgeben kann, z.B. die Vorgaben eines Standortes und der Wachstumsfaktoren der Pflanzen. Dadurch ist die Skandalmöglichkeit von vornherein stark eingeschränkt. Die Belohnungen erhält die Person hier aus anderen Wertbezügen, die nur begrenzt sozialabhängig sind. Sie liegen weitgehend in der Befriedigung seiner phylogenetischen Vorgaben und entsprechen damit seinen tieferen biologischen Anlagen. Stichworte:
14. Probleme der Gartengestaltung Da wir heute weitgehend nur noch in kurzfristigen Zeitprojektionen leben und auch keine Vorstellungen von der Entwicklung unserer Kultur besitzen, es in der traditionellen Gartengestaltung aber wegen der natürlichen Entwicklungszeit der Pflanzen mit längeren Zeitphasen zu tun haben, verlegen wir uns zunehmend auf zeitlich kürzere Gartenphasen, auf modische "temporäre Gärten". Mit diesen sind aber (so man überhaupt darüber nachdenkt) ethische Fragen verbunden, das Problem unserer gärtnerischen Wegwerfkultur. Wir haben es hier auch mit etwas Lebendem zu tun, und deshalb bleiben auch bei aller Brutalität unserer Naturausbeutung die Kriterien der Ehrfurcht und Demut zentrale Gedanken unserer Hochkultur. Da passt die Reduzierung des Gartens auf eine "Event"-Ebene nur schwer hinein. "Um einen Garten fühlen, erleben und sehen zu können, sind erst gewaltige Investitionen an Zeit erforderlich. Die volle Rendite erfolgt zum Teil erst mit erheblichen Verzögerungen. Diese Zeitspanne zwischen Arbeit und Belohnung ist für heutiges Empfinden zu lang. Die Soziologie spricht von der "Erlebnisverdichtung" in der Moderne, d.h. auf jeden Aufwand folgt der unmittelbare Kick der Befriedigung. Und das in immer kürzeren Abständen und in immer schnellerem Tempo. Der Wunsch, sich diesem stets rasanter drehenden Rad zu entziehen ist da. Er manifestiert sich in dem Wunsch nach Orten der Entschleunigung. Der Garten wird als solcher Raum des Bewährten, des "wahren" Lebens abseits des real gelebten, gedacht". (Jörg Pfennigschmidt, 2007 in "Blätterrauschen"). Niemand kann sagen, was die Globalisierung und die neuen Informationstechnologien für unser Weltverständnis in der Zukunft bringen werden. Eine relativ feste Konstante ist für die nächste Zeit vielleicht nur die phylogenetische Vorgabe des Menschen in ihrer Ganzheit - und diese bedeutet, auch weiterhin Sehnsüchte nach einer vergangenen Naturwelt zu haben. Sie zu befriedigen, ist eine Aufgabe zu seiner psychischen und physischen Gesundheit und zugleich eine Möglichkeit, sich kreativ gestaltend nach seinen persönlichen Bedürfnissen in seine Umwelt einzubringen. Gelegentlich wird die Gartenkunst als Kunstdisziplin abgelehnt, weil man die Wachstumsprozesse ihrer lebenden Elemente nur begrenzt kontrollieren kann. Doch inzwischen gehören die sich selbst steuernden Abläufe auch voll zur Kunstwelt. Jede Kultur benötigt für ihre Entwicklung Reibungspositionen, evtl. sogar eine Gegenkultur. Die gibt es zurzeit in der Landschaftsarchitektur kaum. Man richtet sich in seinen Traditionen ein und beklagt die fehlenden Innovationen. Bereits 1953 hat Max Frisch in einem Vortrag beklagt (dort bezogen auf die Schweizer Architektur): Die Diktatur des Durchschnittlichen mit ihren Kompromissen, ihrer Flucht ins Detail, dem Heimweh nach dem Vorgestrigen und dem Kult des Niedlichen. Zur gleichen Zeit hat Otto Valentin eine Tendenz zur Überladung und zu einer falschen Romantik beanstandet. Für ihre Weiterentwicklung kann auch eine kleine Berufsgruppe es sich nicht leisten, wenn sie nur eine Grundhaltung toleriert. Zurzeit scheint es in der Landschaftsarchitektur folgende Tendenzen zu geben:
Der moderne Mensch ist das einsame Individuum. Bereits 1948 sagte Gustav Ammann (Schweizer Gartenarchitekt): "Es ist, als ob der heutige Mensch im Garten alles jenes suchen würde, was er in seiner sonstigen Geschäftigkeit nicht zu realisieren vermöchte. Es ist die Flucht vor sich selber und Ausdruck eines "paradiesischen Zustandes", wenn man es so nennen darf". Er konnte in seiner Zeit noch nicht die phylogenetischen Hintergründe kennen, aus denen heraus diese Sehnsüchte kommen. Es ist für den modernen Menschen in seiner Einsamkeit für seine Gesundheit geradezu schicksalhaft, sich auf die Suche nach seinem "Paradies" zu begeben. Ein Garten ist sozusagen unsere Leinwand für eine Umsetzung unserer Träume und Sehnsüchte. Er kann die Übertragung unserer inneren Paradiesvorstellungen in die Welt des Realen sein, eine Verwirklichung von Bildern, die tief in uns ruhen, die Umsetzung einer persönlichen Utopie. Dies ist in keinem anderen Lebensbereich so gut möglich wie hier: Eine Rückkehr in die naturbezogene Welt, aus der der Mensch kam, umgesetzt in eine Architekturutopie und damit einen Kulturausdruck. Unser Problem dabei ist nur, dass wir innerlich für diesen Weg oft nicht mehr offen genug sind, kaum Vorstellungen von den dazu gehörenden Gestaltungsmitteln und auch keinen sozial anerkannten Kriterienkatalog besitzen. Nach Magnus Enzensberger ergibt sich der Luxus der Zukunft aus einer "Verabschiedung vom Überflüssigen und Streben nach dem Notwenigen". Er ergibt sich aus den Faktoren "Zeit, Aufmerksamkeit, Raum, Ruhe, intakte Umwelt und Sicherheit". D.h., der wahre Luxus ergibt sich erst aus einer Kombination dieser Faktoren und der Garten ist dafür der ideale Raum. Auch Kienast sah dies so, als er seinen berühmten Satz formulierte: "Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er fordert das, was in unserer Gesellschaft am seltensten und kostbarsten ist: Zeit , Zuwendung und Raum". |