Die vorliegende Arbeit ist als letzter Band einer zwölfbändigen "Geschichte der Gartenkunst" gedacht. Sie erscheint vor dem 4. bis 11. Band weil der Autor auf Grund seines Alters nicht weiß, ob er sein Abschlussthema, den Umriss einer "Theorie der Gartenkunst" für unsere Zeit, später noch schreiben kann. Auch empfindet er das Fehlen einer solchen als einen besonderen Mangel. Wie jede andere Kunstdisziplin benötigt auch die Gartenkunst Orientierungsparadigmen, die auf einem eigenen Wertekanon bauen. Sie können nicht einfach von anderen Disziplinen übernommen werden. Die Tatsache, dass die Gartenhistoriker keine Kunsthistori-ker sind, befreit die ersteren von der Anerkennung durch die letzteren, indem diese nur dann erfolgt, wenn sie die Wertvorgaben der Kunsthistoriker übernehmen. Letztere gehen von theoretischen, kulturabhängigen Wertansätzen aus. Gartenhistorikern scheint dagegen oft das Feingefühl für kunsthistorische Bezüge zu fehlen. Dabei muss man Paradigmen als das sehen, was sie sind, von der Meinungsmehrheit getragene, zeitabhängige Wertvorstellungen, und jede Profession muss sie für ihren Arbeitsbereich immer wieder neu zu formulieren versuchen.
Ausgegangen wird von fünf Fragen:
- Welche Bedeutung, welchen Stellenwert hat die Gartenkunst für den Menschen?
(sei es von seiner Biologie her, seiner psychischen Konstellation, ihrer
sozialen Bedeutung, als Kulturphänomen. Es ist die Frage nach seinem
anthropologischem Bezug zur Gartengestaltung).
- Was macht sie überhaupt zur Kunst?
(hierher gehören die Fragen: Was ist Kunst? Ist die Gartengestaltung
eine Kunstdisziplin? Was macht sie zur Kunst? Welche Kriterien muss
sie dafür erfüllen?).
- Was sind ihre ureigenen Gestaltungselemente?
(seien es die klassischen vier Urelemente Boden, Wasser, Luft und
Feuer, der zu gestaltende Ort oder die Arbeit mit lebendem Material,
d.h. besonders, weil sie standortgebunden sind, mit Pflanzen).
- Was sind ihre kulturellen Vorgaben?
(hier geht es hauptsächlich um ihre geistigen Inhalte, die bei einer
Gestaltung hinter ihr stehen und dabei besonders um ihren ethischen
Gehalt. Hans Schiller vertrat noch besonders diesen Aspekt, und auch
die heutige Naturgartenbewegung betont einen solchen Hintergrund).
- Wie werde ich mit den Antworten auf die vorangegangenen Fragen meiner Zeit
gerecht?
(d.h. den psychischen Bedürfnissen des Einzelnen, bzw. den
allgemeinen Problemen in meinem Umfeld).
Alle Antworten auf diese Fragen zusammengenommen, ergeben dann eine "Theorie der Gartengestaltung" für unsere Zeit. Es gibt keinen Menschen hinter dem in seiner Kulturabhängigkeit nicht eine Philosophie steht. Er ist sich dessen oft nur nicht bewusst.
Diese Arbeit besteht aus drei Teilen: Den
- Grundlagen (= Allgemeiner Teil),
- Theoretischen Überlegungen (Gedanken)
- Ausführungshilfen.
Grundlagenteil:
In ihm werden die allgemeinen Hintergründe genannt, auf denen die späteren Aussagen bauen. Wissenschaftlichkeit reduziert sich nicht nur auf das saubere Zitieren (dieses dient zu einem großen Teil, - neben der Überprüfbarkeit der gedanklichen Herkünfte -, der System-stabilisierung, indem man bevorzugt die Gedanken der eigenen Wissenschaftsschule erneut ins Gespräch bringt. Es ergreift damit im Machtkampf der verschiedenen Wissenschaftsschulen Partei. Wahrscheinlich haben wir hier auch eine der Ursachen für den Siegeszug der Hannoverschen Schule über die Bornimer). Zur Wissenschaftlichkeit gehört auch das Erkennen der Wertbindungen die hinter den jeweiligen Aussagen stehen. Wertende Wissen-schaften nennen keine Wahrheiten, sondern nur Inhalte sozialer Orientierungssysteme, d.h. nur Teilaspekte von Ideologien. Um ihre Aussagen bewerten zu können, muss man wissen, welche geistigen Grundhaltungen hinter ihnen stehen. Zu diesem allgemeinen Teil gehören die Bereiche:
- Was ist Kunst?
Es gibt für diesen Bereich eine kaum noch zu übersehende Vielfalt von
Arbeiten. Jede Entscheidung für die eine oder andere Quelle besitzt damit
einen gewissen Zufallscharakter. Bedeutsam ist die Beantwortung dieser
Frage für uns, weil von ihr die Zuweisung der Gartengestaltung zu den
Künsten abhängt. Man kann ihr den Kunstcharakter nicht absprechen,
ohne eine klare Definition und Abgrenzung dieses Kulturbereichs zu
besitzen. Unsere Überlegungen bauen weitgehend auf denen von Eibl-
Eibesfeld / Sütterlin (= Kapitel II). Die gefundenen Antworten bleiben ein
subjektiver Versuch.
- Was wollte die Lebensreformbewegung?
In der Regel besitzt die Bevölkerung kaum noch eine Vorstellung von ihr,
obwohl fast alle unsere heutigen Wertvorstellungen aus ihrem geistigen
Boden gewachsen sind. Meistens denkt man in Verbindung zu ihr nur an
deren Extremvertreter, geistige Irrläufer, nicht aber an den Natur- und
Heimatschutz, den Umbruch in den Künsten seit dem Impressionismus,
ihre Überlegungen zur Gesundheit, Ernährung oder Mode aber auch
das Gesundheitswesen oder den Sport. Alle Gedanken, die vor 1900
zu einem Paradigmenwechsel in unserer Kultur geführt haben, entspran-
gen letztlich ihrer Geisteswelt. Obwohl einer aktiven Naturgestaltung
sehr nahe stehend, ist es der Gartenkunst seiner Zeit nicht gelungen, aus
dieser Gedankenwelt heraus einen bedeutsamen eigenständigen Weg zu
finden. Aufgrund ihrer geringen Personenzahl fehlten ihr die kreativen
Persönlichkeiten, die einen solchen hätten aufzeigen können. Die
meisten ihrer Berufsvertreter gerieten in die Nähe des Nationalsozialis-
mus, der viele seiner tragenden Gedanken auch aus der Reformbewe-
gung bezogen hatte (und deshalb bei der Bevölkerung einen so breiten
Anhang finden konnte). Jede Beschäftigung mit den Orientierungsin-
halten der Gartenkunst kommt um eine Auseinandersetzung mit dieser
geschichtlichen Bewegung nicht herum.
- Der Raum:
Heute wird wissenschaftlich gewichtiger von Topos oder dem Ort
gesprochen. Der Genius loci ist ein zentraler Begriff der Gartengestal-
tung, ohne dass man eigentlich weiß, was darunter zu verstehen ist, bzw.
was man vor seiner heutigen Begriffsverflachung darunter verstand.
Wir orientieren uns bei unseren Überlegungen an den Arbeiten von
Robert J. Kozljanic. Für uns ist der Genius loci ein spiritueller Inhalt, der
nur sinnlich-geistig zu erfassen ist. In der Antike waren es die Stätten
religiöser Verehrung, für uns heute die Ausgangspunkte, die zuvor
sinnlich als solche in einem Raum erfasst werden müssen.
- Das Paradies:
Das Paradies ist eine höchste Orientierungssetzung für einen idealen
Raum. Wir projizieren in dieses all unsere Wunschvorstellungen und
Wünsche. In irgendeiner Form gibt es das in jeder Kultur, nur dass es in
jeder mit anderen, der jeweiligen Kultur entsprechenden Inhalten
ausgekleidet wird. Wir transferieren es in unserer europäischen Welt
meistens in ein schwer definierbares Jenseits als Erlösungswelt und
Lohn für unsere irdischen Leiden, bzw. für die Schwierigkeiten in
unserem sozialen Dasein. In anderen Kulturen ist es diesseitsbezogener,
und der Garten verkörpert dort im Idealfall naturelementbetonte
Gestaltungen mit kulturbezogenen, geistigen Inhalten. Vielleicht am
deutlichsten herausgearbeitet in den islamischen Gärten mit ihren
Höhepunkten in Granada oder den historischen japanischen Gärten.
Letztlich ergibt sich unsere Sehnsucht nach dem Paradies und dessen
Inhalten aus unserer biologischen Programmierung. Ihr gerecht zu
werden, bedeutet unseren Paradiesvorstellungen gerecht zu werden.
Theorieteil (Gedanken):
Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit theoretischen Überlegungen um die Gartenkunst. Immer wieder liest man von solchen, bzw. wird eine Gartentheorie für unsere Zeit angekündigt, doch konnte der Autor bisher keine deutschsprachige lesen (sehr wohl viele gute Gedanken zu Einzelthemen). Wir beschäftigen uns in diesem Teil mit drei Gedanken:
Da wir die Gartengestaltung auch als eine Kunstdisziplin ansehen, wird der Umgang mit ihren Elementen für uns zu einer Frage ihrer Zusammenstellung, bzw. ästhetisch zu einer Frage der Komposition. Damit arbeitet sie kulturell nach den gleichen Gesetzen wie die anderen Künste, nur hier in ihrer speziellen disziplinorientierten Ausprägung. Als Raumkunst schafft sie in einem naturnahen Umfeld mit Hilfe von kulturabhängigen Symbolen inhaltliche Zeitaus-sagen. Räume, Formen, Linien und Funktionen werden in einer harmonischen Einheit verbunden. Proportionen und Perspektiven bestimmen ihr ästhetisches Bild. Ihr Stil ist ein jeweiliger kultureller Zeitausdruck, der immer auch einen sozialen und zivilisatorischen Hintergrund besitzt.
Die Gartenkunst schafft, wie eigentlich jede Kunst, eine sinnliche Gegenwelt zu unserer rationalen Alltagswelt. Dabei bildet sie einen Mittelbereich zwischen der Natur und der Kultur, der jeweils nach den Bedürfnissen der betroffenen Menschen mehr zu der einen oder anderen Seite neigen kann. Ihre Besonderheit ist, dass sie wie keine der anderen Künste seine phylogenetische Programmierung aufgreift. Daraus erwachsen ihr ihre Aufgaben, und daraus entstehen ihre Beziehungen zur Kunst. Der ideale Garten wird damit zu einer Projektion eines persönlichen Paradieses. In einem Garten wird die persönliche Kultur über eine inhaltliche Aussage naturnah in eine Beziehung gebracht.
In diesem Abschnitt beschreiben wir den Weg des Reformgartens bis zu seinen heutigen Ausdrucksformen. Dabei werden die Beziehungen zu den anderen Kunstbewegungen und die heutigen Stilgruppen in der Gartengestaltung dargestellt. Nach einigen allgemeinen Aussagen über seine Planung, Geschichtsbezüge, seinen Ort und seinen Raum werden in Stichwortkatalogen seine heutigen Gestaltungskriterien herausgestellt, wie
- Komposition
- Texturen,
- Struktur
- Raster,
- Rhythmus,
- Körper,
- Linienführung,
- Raum (u. seine Begrenzungen),
- Proportionen / Harmonien,
- Form,
- Achsen,
- Perspektiven,
- Flächen,
- Bedeutungsebenen,
- Farben,
- Experiment,
- Normen.
Mit ihrer Hilfe wird versucht, das heutige Gedankenspektrum, das um die Gestaltung eines Gartens kreist, in etwa zu erfassen.
Ausführungsteil:
In diesem Teil versuchen wir aus der Praxis verschiedene Erfahrungsbereiche zusammenzutragen. Gemäß der Bindung des heutigen Gartens an die Gedanken der Reformbewegung, bezieht sich der größte Teil der Ausführungen auf den Umgang mit Pflanzen, besonders mit Stauden. Auch diese Ausführungen gliedern sich in drei Abschnitte:
- die allgemeinen Aussagen zur Gestaltung eines Gartens,
- die Materialien und Elementen eines Gartens,
- die Arbeit mit Pflanzen
Zunächst werden noch einmal die Aufgaben eines Gartens genannt, besonders seine sinnlichen Bezüge. Danach werden volkstümliche Gestaltungskriterien ausgeführt (z.B. das Mondgärtnern), phänologische Überlegungen und geschichtliche Entwicklungsstränge. In die anschließenden Abschnitte fließen die persönlichen Ansprüche, örtliche Gegebenheiten und die Vorgehensweisen ein. Oft sind es Zusammenfassungen der vorangegangenen Ausführungen. Zum Schluss werden auch hier in Stichworten noch die Vielzahl von Gartenelementen aufgeführt, die auf die Gestaltung eines Gartens Einfluss nehmen können (und die in ihren einzelnen Stichwortbereichen für ganze Bücher stehen können).
Im zehnten Kapitel werden jetzt die einzelnen Materialien und Elemente näher beschrieben. Zunächst werden verschiedene Bepflanzungstypen genannt und danach die einzelnen Arbeiten und Elemente in der Reihenfolge ihres Einsatzes, bzw. ihres Ablaufs. Für viele Fachleute vielleicht banale Selbstverständlichkeiten, können ihre Zusammenstellungen für manche Laien doch eine Hilfe darstellen. Bei verschiedenen Elementen wird besonders auf deren geschichtliche Gartenbedeutung eingegangen (z.B. beim Wasser im Garten, bei den Gartenpfaden und -wegen oder den Gartenskulpturen).
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Pflanzenverwendung. Pflanzen sind das eigentliche Gestaltungsmaterial unserer heutigen Gärten. Selbst solche, die sich vom Minimalismus beeinflussen lassen, leben atmosphärisch von den wenigen Solitären in ihnen. Zunächst wird auf die raumbildenden Gehölze eingegangen und dann auf die Vielfalt der krautigen Pflanzen, besonders der Stauden.
Die gesamte Arbeit ist weniger als ein streng geführter Sachtext zu lesen, sondern vielmehr als ein ständiges gedankliches Umkreisen des Themas Garten aus immer neuen Blickwinkeln. Viele Inhalte werden dabei immer wieder genannt. Der Autor verbindet damit die Hoffnung, dass Grundgedanken auch in einem Text, der für das Internet geschrieben wurde, durch ihre ständigen Wiederholungen die Leser erreichen und einige der Gedanken auf eine mögliche Diskussion einen fruchtbaren Einfluss nehmen werden (evtl. auch über deren Ablehnung).
Der erste Band dieser Reihe wäre im Verständnis des Buchhandels ein Bestseller (über 10.000 heruntergeladene Exemplare) und ist wahrscheinlich inzwischen die am meisten gelesene deutschsprachige "Geschichte der Gartenkunst" (trotz ihres Bildmangels). Die ursprüngliche Vorstellung, dass diese von Ausbildungsinstitutionen eingebaut würden, ließ sich nicht realisieren (Öffentliche Institutionen, denen die Bildrechte gehören, verlangen von Schulen in der Regel keine Gebühren; beim Autor als Privatmann, der damit kommerziell arbeiten könnte, verlangte man dagegen für die Veröffentlichungssrechte eines Bildes bis zu 700,- DM).
Zwei Positionen der ersten Bände scheinen auf die Ablehnung verschiedener Berufsvertreter gestoßen zu sein: Dazu gehören:
- das Kapitel über die "Nationalsozialistischen Gärten", obwohl der Autor
eigentlich nichts Neues gebracht hat. Nach diesen jetzigen Erfahrungen
gehören zur Untersuchung des Wirkens Wiepkings auch die Umstände,
wie die Studentenaktionen gegen ihn um 1970 in Hannover "niedergeschlagen" wurden (bzw., was danach aus deren Wortführern, bzw. seinen
Unterstützern beruflich geworden ist).
- die Forderung nach einer Rekonstruktion des Heidelberger Schlossgartens.
Sie widersprach dem Credo der heute führenden Gartendenkmalschützer. Auf einem Symposion in Heidelberg (2008) versicherte man sich in
einer Abstimmung zu diesem Problem noch einmal seiner geschlossenen
Meinung (Andersdenkende waren nicht geladen).
Hierzu noch einmal die Position des Autors:
- Auf dem Gelände gibt es keine schützenswerten andersartigen
Relikte. (Dafür wurde der Garten in seiner Geschichte zu häufig
verändert, bzw. anderen Funktionen zugeführt).
- Erhalten sind aber die Ausführungspläne von de Caus und eine
Gesamtübersicht des damaligen Gartens von Jacques Fouquier
(1629). Selbst wenn diese evtl. nur eine idealisierte Darstellung
zeigen sollte, so stammt sie doch aus dieser Zeit und wurde von den
damals Verantwortlichen inhaltlich getragen.
- Es kann nicht sein, dass Autoren den einstigen manieristischen
Garten zu den 50 weltweit wichtigsten Gartenschöpfungen zählen,
die uns heute noch bekannt sind, andererseits seine heutige Situation
realistisch folgendermaßen beschreiben:
"Allmorgendlich ziehen dort Heidelberger Geschäfts- und Hausfrauen ihre Fitnessrunden, alte Männer führen ihre kleinen Hunde
spazieren und schütteln den Kopf über die ersten lärmenden
Schulklassen, die unmotiviert zur Scheffelterrasse trollen".
Im nächsten Satz kommt dann die Intention der Autorin, weshalb
sie sich in anderen Texten vehement gegen die Rekonstruktion
dieses Gartens wendet: "Der Heidelberger Schlossgarten gehört zum
Stadtleben".
Das ist zweifellos richtig, aber er ist auch, wie sie selber in ihrem
Buch indirekt sagt, ein Kulturdenkmal, das der ganzen Menschheit
gehört.
- Man kann dieses Kulturdenkmal heute gerne als eine "Fiktion"
ansehen und dabei verschweigen, dass dies in seiner Zeit weitgehend
fertiggestellt war. Man kann weiter verschweigen, dass der jetzige
Ruinenzustand primär ein Denkmal des reaktionären deutschfranzösischen Völkerhasses ist, ein Denkmal darüber, was uns Frankreich
einst kulturell angetan hat. Man muss nicht sagen, dass alle
denkmalpflegerischen Arbeiten an zeitgenössische Wertvorstellungen gebunden sind und in diesem Fall einem Paradigmenwechsel
um 1900 folgen. Vorher wurde stark historisierend nachempfunden.
Fehlendes wurde gemäß den damaligen Vorstellungen ergänzt, um
ein "vollständiges" Bild vom Gewesenen zu erhalten. Nach 1900
legte man dagegen einen besonderen Wert auf das Konservieren
verbliebener Dokumente. Einer der Hauptvertreter dieser neuen
Richtung war Dehio gewesen. Doch bezog dieser seine Aussagen
nicht auf die gärtnerischen Anlagen. Davon verstand er nichts. Er
war Historiker. Ihm ging es primär um das eigentliche Heidelberger
Schloss, um das Bauwerk. Die heutigen Architekturpaläste über
alten Ruinen werden in der Baugeschichte, d.h. nach dem nächsten
Paradigmenwechsel auch nur als Denkmäler unserer heutigen
Architekten und nicht als Nachweise unserer vorangegangenen Vergangenheit gelten.
- Es gibt keine historischen Gärten, die als solche keine vollständigen
Rekonstruktionen darstellen. Allerdings nicht in einem Arbeitsgang,
sondern in vielen "unauffälligen" Teilschritten. Die heutige
Gartendenkmalpflege hat die Aufgabe übernommen, die Ausführung
dieser Teilschritte zu überwachen. In Heidelberg würden bei einer
Rekonstruktion die Teilschritte allerdings fortfallen, weil der Garten
dann in einem Arbeitsgang fertiggestellt würde.
Ein Polemisieren gegen seine Rekonstruktion übersieht, dass er bei
seiner Fertigstellung einer der bedeutendsten deutschen Gärten sein
würde. Vielleicht finden die Heidelberger Hausfrauen dann eine andere
Strecke für ihre Fitness-Runden. Es geht hier nicht um eine
Heidelberger Tradition, sondern um eine historische europäische
Gartentradition, die sich immer auf diesen Garten berufen hat. Es gibt
weltweit kaum eine "Geschichte der Gartenkunst", in der das Bild von
Fouquier nicht veröffentlicht ist.
Ein Garten als Kunstwerk ist mit Werken anderer Kunstdisziplinen nicht vergleichbar, da er immer auch lebende Elemente beinhaltet, deren Existenz zeitlich begrenzt ist. Ein Erhalt dieser Gärten als Ausdruck zeitlicher Lebensformen, Kulturleistungen unterliegt deshalb anderen Gesetzmäßigkeiten als der Erhalt von Kunstwerken anderer Disziplinen. Die Gartenkunst benötigt einen eigenen Wertekanon. Er kann nicht einfach von anderen kulturnahen Disziplinen übernommen werden. Der Umstand, dass Gartenhistoriker keine Kunsthistoriker sind, erzwingt nicht die Notwendigkeit, im Wunsch von diesen anerkannt zu werden, deren zurzeit mehrheitlich getragenen Normen zu übernehmen. Sie müssen für ihren Bereich ihre eigenen Orientierungsinhalte aufstellen.
Diese Arbeit ist nicht darauf angelegt, in einem Zug gelesen zu werden. Sie ist letztlich nur eine offene, lose Gedankensammlung, in der sich der Leser mit Hilfe eines Inhalts- und Stichwortverzeichnisses interessenmäßig orientieren kann. Vielleicht empfindet man, dass manche Bereiche zu breit ausgeführt wurden. Das mag für den Außenstehenden in Einzelfällen stimmen. Doch bestehen viele Probleme der Gartenkunst meiner Meinung nach heute nur deshalb, weil man oft zu wenig über ihre Abhängigkeiten und Verbindungen zu anderen Problembereichen weiß. Unbefriedigend ist vielleicht auch, dass die Arbeit nur begrenzt einem klaren Ordnungssystem folgt. Sie besteht zu einem großen Teil aus Umschreibungen und immer wieder neu angesprochenen Wiederholungen. Hintergrund dafür ist, dass es für die angesprochenen Sachverhalte oft keine wünschenswert eindeutigen Antworten gibt, bzw. sie in einem so kurzen Übersichtsrahmen nur facettenhaft dargestellt werden können. Dieses (Internet-) Buch will eine Grundlage für verschiedene Ansätze sein. Der Autor hofft, dass eines Tages kreative Menschen einen neuen kreativen Weg für sich daraus ableiten können.
Neben der Wohnung ist der Garten in unserer Gesellschaft vielleicht zum letzten Refugium des Privaten geworden. Aber anders als erstere kann er kein schnelles Ergebnis bieten. Seine Komposition, Ausformung lässt uns Zeit. Dabei ist der Garten für viele Menschen der einzige Bereich, der sie noch mit der Natur verbindet. Darin liegt zunächst sein grundsätzlicher Wert. In unserem zivilisationsgeprägtem Leben ist er oft noch die einzige Institution, die uns mit der Welt verbindet, aus der wir phylogenetisch gekommen und auf die hin wir biologisch ausgerichtet sind. Sie ist der Haupthintergrund unseres Stoffwechsels, unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens. In unsere Kultur eingebracht, kann der Garten zu einem Ausdruck großer Kunst werden.
Bisherige Gartengeschichten orientieren sich in der Regel nur an den "Großgärten" der historisch Mächtigen und enden folgerichtig vor dem ersten Weltkrieg. Damit wird aber die Geschichte unserer heutigen Hausgärten völlig außer acht gelassen. Ihre Geschichte beginnt eigentlich erst mit dem Biedermeiergarten. Die bisherige Geschichte der Großgärten führt dazu, dass die Geschichte der Gartenkunst mit dem Ende des Landschaftsgartens endete und ihre Fortsetzung immer nur unbefriedigend beschrieben wurde. In diesem Rahmen galt ein "gemischter Stil" immer als ein Anfangs- und Endstil einer Gartenepoche. Heute ist er zu unserem Hauptstil geworden, mit einer zunehmenden Tendenz zum Naturnahen, d.h. zur Welt, die wir emotional glauben verloren zu haben.
Die Gartenkunst stand immer im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur:
- Während sie in ihrer formalen Phase zunehmend zur Kultur neigte, indem
sie deren architektonische Ausdrucksweisen als ein Spiegelbild der
göttlichen Ordnung ansah und zum Schluss in absolutistischer Erstarrung
endete,
- betonte sie in ihrer landschaftlichen Phase zunächst die göttliche
Vollkommenheit des Naturschönen, um am Ende zu erkennen, dass diese zu
groß ist, um gestalterisch in eine Kultur übertragen werden zu können. (Mit
dieser Erkenntnis begann die Ablehnung mancher Personen, die Gartenkunst noch als eine Kunstdisziplin zu sehen: u.a. von Goethe; der sich im
Alter zunehmend nur noch auf das visuell Wahrnehmbare konzentrierte:
z.B. die Farben, die Botanik).
- Bei den heutigen Reformgärten besteht die Gefahr, dass sie zunehmend im
Design erstarren, der kulturabhängigen Formschönheit (z.Z. besonders bei
den "Eden"-Gärtnern). Die Naturgartenbewegung war ein erstes Aufbegehren dagegen. Unser heutiger Garten verlangt bei aller Kulturbezogenheit
wieder ein "Zurück zur Natur" in einer vom betroffenen Menschen
erlebbaren Größe. Sein größtes Hilfsmittel dabei sind die krautigen
Pflanzen, insbesondere die Stauden.
Und dort gibt es wiederum die Variante eines natur- oder eines kulturnäheren Gartens:
- den Garten des Wachsenlassens mit menschlichen Eingriffen (je
nach psychischer Bedürfnislage seines Besitzers),
- den verstärkt ordnungsorientierten Garten, dessen Ordnungssystem aber immer wieder durch die biologischen Naturbezüge
des Menschen durchbrochen wird (z.B., indem er mit immer
neuen, ihm gefallenden Pflanzen das formale Designersystem aus
seiner Erstarrung löst).
Der Autor hofft, dass diese Arbeit für den Leser eine Bereicherung sein wird und ihm hilft, kreativ seine eigene Gartenwelt im Sinne einer Gartenkunst zu schaffen, d.h. eine ästhetische Naturwelt im Sinne seiner kulturellen Orientierung.
(Mehrmals wurde beim Autor angefragt, ob die ersten Bände nicht auch als Buch erhältlich seien. Leider nein. Wer die Texte trotzdem in Buchform besitzen möchte, kann sie sich für seinen privaten Gebrauch ausdrucken und von jedem Buchbinder binden lassen).