Er ist der Begründer der Hochrenaissance in Rom.
(Eigentlicher Name: Donato d'Angelo Lazzari. Er erhielt den Beinamen "Bramante" von seinem mütterlichen Großvater = "der Sehende, Begehrende").
Bramante führte die Architektur der Renaissance, orientiert an antiken Vorbildern und Gedanken des Alberti, zu ihrer höchsten Reife. Sein Stil verkörperte eine ruhige Würde, bzw. erhabene Monumentalität. Sein Einfluss beherrschte die kirchliche und profane Baukunst seiner Zeit. Das Urteil Andrea Palladios: "Er war der erste, der gute Architektur ans Licht brachte". Über sein Raumgefühl im Belvedere-Garten erhob er die Gartengestaltung endgültig in den Rang einer Kunstdisziplin. (Leider sind von ihm keine Bilder und nur wenige Beispiele seiner Architektur erhalten geblieben).
An persönlichen Daten ist von Bramante bekannt (oft mit großen Unsicherheiten und Rückgriffen auf Vasari):
- 1443 od. 44
in Fermignano (bei Urbino) geboren. Eltern wahrscheinlich nicht ganz mittellos (Sie konnten sich für ihr Testament einen Anwalt leisten),
- vom Vater früh in die Malerei eingeführt,
- am Hof des Frederico da Montefeltros in Urbino zum Maler ausgebildet Beeinflusst von (Lehrer ?):
- Piero della Francesco (Maler, führte ihn in die Linearperspektive ein),
- Luciano Laurana (Architekt in Urbino),
- Francesco die Giorgio Martini (Architekt),
- um 1472
- verlässt Urbino, arbeitet in der Lombardei an verschiedenen Orten als Maler,
- 1477
- freskiert die Fassade des Palazzos Ragione in Bergamo (Reste erhalten),
- 1480-99
- in Mailand (lernte hier u.a. den lombardischen Backsteinbau kennen). Hier u.a.:
- Zusammentreffen mit Lucca Pacioli, dem Theoretiker der architektonischen Perspektive,
- beeindruckt von den Architekturstudien Leonardos da Vinci,
- Entdeckung der spätantiken und karolingischen Architektur für sich,
- das Kennenlernen, lokale künstlerische Traditionen mit illusionistischen Raumvorstellungen zu verbinden.
- 1483 - 99
am Hof Ludovico Sforzas (arbeitet hier als Fassadenmaler und Architekt. Sein Stil orientiert sich noch an Mustern der Frührenaissance. Er fand in Oberitalien viele Nachahmer),
- um 1481 - 88
- Entwurf für die Pilgerkirche Santa Maria presso San Satiro (dreischiffige Basilika, als Grablege für Ludovico Sforza gedacht; scheinperspektivische Gestaltung der östlichen Abschlusswand; Langhaus in antiker Monumentalität),
- 1487
- Gewinn des Wettbewerbs um den Entwurf für die Vierung des Mailänder Doms (u.a. gegen Leonarda da Vinci),
- 1488
- Berater beim Wiederaufbau der Kathedrale von Pavia (Entwurf der Krypta),
- um 1492
- Entwurf für den Innenhof der Abteikirche Sant' Ambrogio,
- 1492 - 96
- Gestaltung eines Platzes in Vigevano (12 km westlich von Mailand),
- 1492 - 98
- Bau der Kirche "Santa Maria delle Grazie" (Gebäude mit der besten Raumwirkung seiner Zeit, Kirche von höchster Harmonie),
- 1497
- Entwurf eines neuen Klosterkomplexes für Sant' Ambrogio,
- wahrscheinlich im Umland von Neapel,
- 1499
- Übersiedlung nach Rom (nachdem Mailand von den Franzosen erobert und Ludovico Sforza gestürzt worden war. Bramante war zu diesem Zeitpunkt bereits 56 Jahre alt. Er schulte sich hier auf eigene Kosten an den antiken Ruinen und führte danach seinen Stil an derem Vorbild zu dessen klassischer Reife).
- kleinere Aufträge von Papst Alexander VI. (evtl. Mitarbeit am Palazzo della Cancellaria (päpstliche Kanzlei)),
- 1500 - 04
- Bau des Innenhofes von Santa Maria della Pace (mit einer besonders ausgewogenen Proportionierung der verschiedenen Bauelemente),
- Tempietto in San Pietro in Montorio (im Auftrag des spanischen Königs. Dieser Bau verkörpert in vollkommener Form den Geist der Antike mit den künstlerischen Bauvorstellungen seiner Zeit. Er gilt als ein Modell künstlerischer Idealvorstellungen),
- 1503
- Julius II. wird Papst (Giuliano della Rovere). Er beauftragt bald nach seinem Dienstantritt Bramante mit dem Umbau der Vatikanischen Paläste und des Petersdoms.
- 1505
- Bau des "Cortile del Belvedere" (Belvedere-Hofes) nach einem Entwurf Bramantes,
- Umbauten im Vatikan,
- Entwurf der Treppe für den Turm nahe des Cortile delle Statue,
- Entwurf der Loggien (1509 mit dem Bau begonnen, von Raffael vollendet),
- 1506
- Grundstein für den Petersdom als einem quadratischen Zentralbau über einem griechischen Kreuz (Setzte sich mit seinem Entwurf für diesen u.a. gegen Giuliano da Sangallo und Michelangelo durch. Von Bramante heute nur noch wenige Teile im inneren Bereich),
- 1507
- Projektierung der Via Giulia (Straße entlang des Tibers),
- 1508
- Bau des Palazzos di Tribunale (wurde 1511 vorzeitig abgebrochen),
- Entwurf von Santa Casa in Loreto,
- wahrscheinlich Errichtung des Nymphaeums in Genazzano (bis 1511; Dorf in der Provinz Rom; erster künstlicher Ruinenbau in Europa),
- 1509
- Erweiterung des Chors von Santa Maria del Popolo,
- Wiederaufbau der Kirche von Santi Celso e Giuliano in Banchi (1513 eingestellt),
- 1514
- Baubeginn des Palazzos Caprini (1517 von Raffael gekauft).
- Tod in Rom (Grabstätte angeblich im Petersdom, aber nicht bekannt).
Obwohl Bramante zunächst als Maler ausgebildet gewesen war und diese Tätigkeit auch am Anfang seiner Mailänder und römischen Zeit hauptsächlich ausgeführt hatte, interessierten ihn immer architektonische Probleme. Bereits in Urbino beeindruckte ihn Luciano Laurana, und in Mailand verwirklichte er eindrucksvoll architektonische Projekte. In Rom angekommen, vermass er auf seine Kosten alle antiken Gebäude Roms und des Umlandes (bis in die Gegend von Neapel; u.a. die Bauten in Tivoli und die Hadriansvilla). Wahrscheinlich lernte er in dieser Zeit den Antiken sammelnden Kardinal Giuliano delle Rovere kennen, dessen Hofarchitekt er später wurde, nachdem dieser als Julius II. Papst geworden war. Besonders beeindruckt war er von den Resten der ehemaligen Residenz Neros und dort von dem inzwischen grottenähnlichen Saal der Domus Aurea. Während dieser Zeit lebte er von seinem Ersparten lange in ärmlichen Verhältnissen.
In dieser Zeit wurde der Kardinal von Neapel auf ihn aufmerksam und erteilte ihm den Auftrag für die Errichtung des Kreuzganges des Pace-Klosters (1500). Er war zu diesem Zeitpunkt bereits 56 Jahre alt. Seine Arbeit erregte damals wegen ihrer Schnelligkeit und Sorgfalt eine allgemeine Bewunderung und er wurde zum zweiten Architekten des Borgia-Papstes Alexander VI.
Zunächst war Bramante nur an kleineren Projekten beschäftigt. Er half beim Bau verschiedener Brunnen (Trastevere, Petersplatz) und bereits beim Bau und der Erweiterung verschiedener Kirchen und Gebäude. Weil er dabei durch seinen Erfindungsgeist, seine Entschlossenheit und schnelle Arbeitsweise auffiel, wurden seine Dienste von den Machtbesitzenden gerne in Anspruch genommen. Er war ein idealer Hofmann: "Angenehm im Umgang, voller Freigibigkeit gegenüber sozial Schlechtergestellten und mit großem Interesse für Dichtung und Musik" (Vasari). Er spielte selber auf der Lyra. Von seinen eigenen Dichtungen aus seiner Mailänder Zeit sind etwa 20 erhalten geblieben. Sie zeichnen sich durch eine deftige Sprache aus. Die damaligen Humanisten in Mailand hielten ihn deshalb für ungebildet. Negativ kann über ihn gesagt werden, er soll sehr ehrgeizig und gegenüber Michelangelo missgünstig und skrupellos gewesen sein. Auch seine Bauten sollen wegen der Schnelligkeit ihrer Errichtung nur eine kurze Zeit gestanden haben.
Wegen seiner schnellen Bauweise und seiner Bereitschaft, vorhandene Gebäude abzureißen, übernahm ihn Julius II. (1503 - 1513) als Architekt und beauftragte ihn sofort mit dem Umbau des gesamten vatikanischen Komplexes:
- der Errichtung einer neuen Basilika,
- der Erweiterung des Palastes (bei Integration der Vorgängerbauten),
- der Gestaltung der Freiflächen zwischen Palast und einem höher gelegenen Belvedere (hier: kleinerem Gebäude mit einer schönen Aussicht).
Die Aufgabe dabei war, sich von den lokalen Traditionen zu befreien und - an der Antike orientiert - einen päpstlichen Sitz zu schaffen, der mit dem Kaiserpalast von Byzanz konkurrieren konnte.
Dieser Auftrag ist nur zu verstehen, wenn man sich die damalige Situation in Rom vor Augen führt. Durch die lange Abwesenheit der Päpste lebten in der Stadt nur noch wenige Menschen (etwa 17.000, 1525 dann wieder 33.000). Sie glich einer Geisterstadt voller großartiger Antiken. Die wenigen, oft hungernden Menschen wohnten in dünnbesiedelten Zonen um die damaligen sieben Hauptkirchen. Sie benutzten die vorhandenen Ruinen als Materiallieferant für ihre Bauten. Allerdings waren sich die damaligen humanistisch orientierten Gelehrten und Künstler bewusst, dass die Stadt einst eine Wiege der europäischen Kultur gewesen war. Nachdem die Päpste 1420 wieder nach Rom zurückgekehrt waren, versuchten sie die Stadt - lange Zeit vergebens - wieder neu aufzurichten.
Die Päpste lebten nach ihrer Rückkehr aus Avignon in den Häusern ihrer Familien und nutzten für die zu vollziehenden religiösen Zeremonien die jeweils nächstliegende Kirche, da die traditionelle Papstkirche San Giovanni in Laterano baufällig geworden war. Papst Paul II. (1464 -1471) versuchte diese Situation zu ändern, indem er die einsturzgefährdete Basilika umgestalten ließ und einen päpstlichen Wohnbereich in der Nähe der Engelsburg (ehemaliges Hadrian-Mausoleum) errichtete. Damit schuf er die Voraussetzungen für eine neue päpstliche Residenz. Er integrierte dabei in sie mehrere bereits vorhandene Gebäude. Unter den Nachfolgepäpsten wurde dann diese Bautätigkeit fortgesetzt. Innozenz VIII. (1484 -1492) ließ sich im Rahmen dieser Tätigkeiten 300 m oberhalb des Vatikanpalastes, außerhalb der Zitadelle eine Villa errichten, in die er sich nach seinen offiziellen Pflichten zurückziehen konnte, sein "Belvedere". Es öffnete sich in seiner stadtabgewandten Seite in einer Loggia, die seine ganze Breite einnahm, zur Landschaft (entsprach damit einer antiken Portikusvilla) und bot einen schönen Blick ins Tibertal. Das Belvedere bot Kühle in den heißen Sommermonaten und war ein Ort der Ruhe.
Julius II. (1503 -1513) begann nun diese Situation radikal zu ändern. Er ordnete zunächst durch seine wechselnde Bündnispolitik die politischcn Machtverhältnisse militärisch in seinem Sinne, ordnete die katastrophalen Staatsfinanzen, bekämpfte den Hunger der Bevölkerung und förderte die Künste. Er machte Rom wieder zum neuen Kunstzentrum Europas. Die bedeutendsten Künstler seiner Zeit umgaben ihn: u.a.
- Bramante
(dem es gelang, die antike Architektur über die Einführung der Perspektive neu zu interpretieren),
- Raffael
(der die Ideale der Renaissance zu ihrem Höhepunkt führte),
- Michelangelo
(der sie in seiner Genialität zu überwinden vermochte).
Bereits als Kardinal hatte Julius II. angefangen, Antiken zu sammeln, die er nun als Papst in seiner Nähe aufgestellt wissen wollte.
Bramante begann nun den Vatikan radikal umzugestalten. Er plante dafür
Mit letzterem, der sich in Terrassen über ein Treppensystem erschloss, schuf er eine Anlage, die für die gesamte Gartenarchitektur ihrer Zeit und die Folgezeit beispielhaft wurde. Keine andere besaß in der Renaissance einen solchen Einfluss
- für die Gestaltung von Terrassen,
- die Überwindung von Höhenunterschieden und
- von Platzanlagen.
Die Gesamtanlage galt als so gelungen, dass man glaubte, seit der Antike sei nichts Besseres entworfen worden (und dies, obwohl die Anlage zu Lebzeiten Bramantes erst angefangen gewesen war und seine Vorstellungen nur von derem Modell abgeleitet werden konnten).
Der Auftrag des Papstes war es gewesen, den Platz zwischen Papstpalast und dem Belvedere so zu gestalten, dass
- er ein quadratisches Theater aufnahm,
- zwei seitliche Loggiengänge die beiden Gebäude verbanden
(Ursprünglich (1504) nur zweigeschossig in zwei Ordnungen gedacht: Die untere Ebene als dorische Loggia (ähnlich dem Kolosseum der Savelli), dann ein Geschoss in ionischer Ordnung, das die vorderen Räume des Papstpalastes und das Belvedere verband. Diese Pläne änderten sich, als der Papst in den 2. Stock des Vatikanpalastes zog. Das erforderte bei den seitlichen Belvedere- Korridoren ein 3. Geschoss. Die dafür vorgesehene Ordnung (korinthische ?) ist heute unbekannt. (Planwechsel 1505 und 1508). Das dazwischen liegende Gelände teilte Bramante in drei Terrassen auf. Die untere Ebene sollte für die "Inszenierung von Spektakeln" (Vasari, = Inszenierungen) und festliche Veranstaltungen genutzt werden).
- Treppen auf ihm einen bequemen Aufstieg ermöglichten.
Bei seinen Überlegungen nutzte Bramante seine Erfahrungen aus seinen antiken Architekturstudien. Dabei ahmte er sie nicht einfach nach, sondern schuf durch seinen freien Umgang mit ihnen etwas völlig Neues. Damit stand er am Beginn einer neuen Architektur und für die Gartenkunst am Anfang ihrer neuzeitlichen Entwicklung. Zum ersten Mal erfolgte hier die Gestaltung eines Freiraumes nach einem übergeordneten, durchgehenden Konzept: Er schuf
- einem weiträumigen Fest- und Turnierplatz für "Lustbarkeiten";
- eine schmale, mittlere Terrasse (als Verbindungs- und Vermittlungsebene),
- ein großzügiges Areal vor der Villa für die Kunst
und ergänzend den Belvederehof, in dem der Papst seine Skulpturensammlung aufstellen wollte.
Funktionsbezogen ausgedrückt: Ein Theater - ein architektonischer Garten - ein Antikenmuseum.
Die Gesamtfläche war 300 x 75 m groß gewesen (mit Loggien 90 m breit), sumpfig und besaß einen Höhenunterschied von 23 m. Damit entsprach sie in etwa der Größe des Circus Maximus (300 x 100 m), die Vitruv und Alberti als ideal empfohlen hatten. Antike Stadien besaßen einst einen rechteckigen Grundriss im Verhältnis 3 : 1 und an ihren Seiten mehrstöckige Galerien. Evtl. wurden sie von den Hippodromen angeregt, die einst reine Gartenanlagen gewesen waren (wie bei Plinius beschrieben) und die erst von Caligula für Wagenrennen genutzt und dadurch sehr populär geworden waren.
Bramante ging zunächst von seinen Beobachtungen an den antiken Kaiserpalästen aus (Neros "Domus Aurea", der Hadrian-Villa in Tivoli und dem Fortuna-Tempel in Palestrina). Er löste die Forderungen des Papstes in seinem Entwurf, indem er die Gesamtfläche je nach Funktion in drei unterschiedlich tiefe Terrassen mit einer gemeinsamen Mittelachse unterteilte (solche Terrassenanlagen kannte man von den römischen Villen und Heiligtümern her). Diese Vorgehensweise erlaubte ihm, das gesamte Gelände mit Hilfe eines einheitlichen Konzepts zu gestalten:
Unterste Terrasse:
Sie war als ein Festraum gedacht und etwa 140 m tief. In ihren Proportionen folgte sie einem antiken Theater. Die Seiten boten tribünenartig für etwa 60.000 Zuschauer Sitzplätze: Vor dem Hauptpalast in halbrunden Reihen, an den Längsseiten in den Loggien (28 m hoch) und auf der breiten, geraden Treppe zur nächsten Terrasse (Höhenunterschied 12 m).
Mittlere Terrasse:
Ca. 30 m tief (damit entsprachen ihre Außenmaße dem "goldenen Schnitt"). Von unten war sie über eine gerade aufsteigende Treppe, von oben über eine symmetrische Doppeltreppe, die auf mittlerer Ebene ihre Laufrichtung wechselte, zu erreichen. In der Futtermauer zwischen den seitlichen Treppen befanden sich Nischen für Skulpturen (Sie waren das 1. neuzeitliche Beispiel für eine antike Grotte)
Obere Terrasse:
Ca. 100 m tief. Als Parterre angelegt, bildete sie einen "echten" Garten mit rechteckigen, mit Buchsbaum gefassten Beeten, Brunnen und Statuen. Sie bildete einen "locus amoenus", einen Ort zum Aufenthalt in der Natur und zum Meditieren. Aufgewertet wurde sie durch sinnvolle Bereicherungen wie Düfte, Wasser, Schatten und mythologische Bezüge. In ihrer Mitte stand eine prächtige Brunnenschale, und ihren Abschluss bildete eine Dekorationsmauer mit einer Apsis vor dem Belvedere, da dieses dafür zu klein erschien. (An ihre Stelle setzte später Ligorio eine riesige Nische in Form eines Nymphäums. In diese wurde dann im 17. Jh. der "Pinienzapfen aufgestellt, der diesem Garten später seinen Namen gab: "Giardino della pigna"). Sie bildete sozusagen den Brennpunkt der gesamten Anlage.. Die beiden seitlichen Türme vor der unteren Treppe sollten den Blick über die Mittelachse auf sie als Ende des Gartens richten. Ein solcher Halbkreis war in den antiken Terrassenanlagen beliebt gewesen. Plinius hatte ihn bereits beschrieben.
Zwei seitliche, mehrgeschossige Loggien bildeten zwischen dem Vatikanspalast und dem höher gelegenen Belvedere direkte und bequeme Verbindungen. Die Anregungen dazu hatte Bramante vom "Septizodium" erhalten, einem Nymphäum mit einer aus 3 Ordnungen übereinander gesetzten Schaufassade. (Ihre Ausmalung erfolgte durch Raffael und seine Gehilfen im Sinne der antiken Groteskenmalerei, wie man sie von Neros "Domus Aurea" her kannte). Auf der Theaterebene waren sie dreigeschossig, auf der mittleren Ebene zweigeschossig und auf der oberen eingeschossig. Von unten nach oben folgten sie der dorischen, ionischen und der korinthischen (Säulen-) Ordnung.
Hinter einer vorgelagerten Treppe (zur Überwindung eines Höhenunterschiedes von 3 m) waren in der Apsis Nischen mit Türen vorgesehen gewesen. Durch sie sollte man in einen "giardino segreto", einen quadratischen Statuenhof gelangen, der sich nach einem Wandelgang zu einem achteckigen Garten hin öffnete, in dessen Nischen der Papst die wertvollsten Stücke seiner Antikensammlung aufgestellt hatte. Die Arbeiten dafür waren relativ früh abgeschlossen gewesen: Aufstellung
- 1506:
Laokoon-Gruppe
(aus den früheren Titus-Thermen stammend; bereits von Vergil und Plinius beschrieben, in einem Weinberg gefunden),
- 1511:
Apollo
(von Belvedere) als vollendete Götterfigur gefunden in den Theatern von Pompeji; seit 1490 im Besitz des Papstes; Kopie einer hellenistischen Bronzeplastik; berühmtestes Bildwerk der Sammlung),
- 1513:
Ariadne
(liegend; oft als "Kleopatra" bezeichnet; hier als Teil eines Brunnens. Sie wurde zu einem Prototyp der Verbindung von Wasser und Statuen. Später besonders in Verbindung mit Flussgöttern).
Venus
("Venus Felix"; spätestens seit 1509 im Besitz des Papstes; evtl. Darstellung der "Faustina der Jüngeren"; 2. Jh. n.Chr.),
"Flussgott Tiber"
(1512 bei Rom gefunden; 1513 im Skulpturenpark aufgestellt; 1523 als Brunnenfigur),
- 1523:
"Flussgott Nil"
(wahrscheinlich 1513 in Rom gefunden; 1523 als Gegenüber des "Tibers" im Belvedere-Garten aufgestellt).
Der Garten bestand hier zur einen Hälfte aus Gehölzen und Rasen und zur anderen aus einem Backsteingeviert in dessen Mitte ein Orangenbaum stand. (Wahrscheinlich war er auf Herkules und den Garten der Hesperiden bezogen, die Lorbeerbüsche und der Apoll dagegen auf den Parnass).
Von außerhalb gelangte man zum Statuenhof über eine viel bewunderte Wendeltreppe um einen zentralen Brunnen (für sie soll die Wendeltreppe im Campanile von San Nicolo in Pisa das Vorbild gewesen sein). Nach Vasari konnte man auf ihr bequem hinaufreiten.
Der Belvederehof war eine nach innen orientierte Anlage und grenzte an die vatikanische Mauer. Ein Ausblick in die umliegende Landschaft war nur von den oberen Loggien möglich. Die Arbeiten an ihm begannen wahrscheinlich 1504 und gingen schnell voran:
- 1504:
Aufstellung eines Brunnens aus den Titus-Thermen im Zentrum der untersten Terrasse.
- Schneller Abschluss der Terrassierung und der Treppenarbeiten.
- Zunächst Fertigstellung der Loggien auf der Stadtseite (auf der gegenüberliegenden Seite waren beim Tod des Papstes (1513) nur die Fundamente fertiggestellt),
- 1514:
Tod Bramantes (danach zunächst Stillstand der Arbeiten),
- 1559 - 1565:
Vollendung der Arbeiten durch Ligorio
- vervollständigte die Ostseite (zur Stadt hin),
- errichtete die Westseite,
- baute im Norden die große Nische ein,
- schuf auf der Südseite den Bogenabschluss.
(Vollständig bestand diese Anlage danach nur knapp 25 Jahre).
- um 1590:
Papst Sixtus V. ließ durch Domenico Fontana quer durch die Anlage auf der Höhe der mittleren Terrasse die vatikanische Bibliothek errichten.
- 1822:
Erfolgt ein 2. Querbau.
Die Schnelligkeit mit der die Anlage zunächst begonnen wurde, führte bald zu schwerwiegenden Schäden. Die Fundamente waren ohne eine Beaufsichtigung verlegt worden, so dass alle Gebäude Bramantes bald Risse bekamen. Während der Zeit Clemens VII. (1523 - 1534) brach der Belvederekorridor zusammen. Sein Nachfolger Paul III. ( 1534 - 1549) ließ daraufhin die Fundamente erneuern.
Im Sinne der Renaissance-Philosophie wurden im Belvederehof "Körper" und "Geist" zu einer Einheit geführt. Dabei stand die untere Terrasse mit ihrer Nähe zur Vergnügungswelt für den Körper und die obere Terrasse mit ihrer Nähe zur Kunst für den Geist. Dieser stand damit über dem Körper. Zwischen beiden fand auf einer eigenen Ebene ein Vermittlungsprozess statt, der durch die Treppen dargestellt wurde.
Bramantes Verdienste für die Gartenkunst sind: Er
- überwand Albertis Harmonieprinzip,
- verband die umliegenden Gebäude und die Freiraumanlage zu einer harmonischen Einheit, zu einer Gesamtanlage,
- sah den Garten als eine Folge von Räumen
(die er mit Hilfe einer Achse untereinander verband. Die bisherigen Gärten bestanden weitgehend aus einer Anhäufung eingefasster Blumenbeete),
- ordnete die Räume nicht mehr zweidimensional zueinander, sondern perspektivisch, dreidimensional
(Zum Effekt der ansteigenden Perspektive kann er durch den Tempel der Fortuna Primigenia in Praenestre angeregt worden sein. Im manieristischen Garten wurde sie zum wichtigsten Gestaltungselement),
- fixierte den Gesamtraum auf einen Endpunkt an dessen Ende
(die Exedra. Die Fluchtpunkte aus den Perspektiven der Terrassen endeten im Halbrund der Mauernische),
- schuf in den Räumen ein Spiel von Längs- und horizontalen Querachsen, ein Bezugssystem von Hauptweg und horizontalen Balustraden,
- entdeckte die Horizontale als gestalterisches Mittel für die Gestaltung von Gärten,
- zeigte eine gartennahe Technik zur Überwindung großer Höhenunterschiede auf
(Die bereits in der Antike vorhandenen Treppenanlagen waren Bramante wahrscheinlich nicht bekannt gewesen),
- nutzte die Höhenunterschiede für eine bewusste architektonische Raumgestaltung, ein System von Terrassen und Treppen,
- verteilte die Vegetation nach einem bewussten Gestaltungsgedanken,
- integrierte das Wasser nach antikem Vorbild in seine Treppenarchitektur,
- gab dem Garten einen eigenen Inhalt, indem er ihn hier aus dem kirchlichen Bereich, einer Vorbereitung auf den Gottesdienst, löste und ihn zum Privatbereich des Papstes schlug
(in dem dieser seine antike Skulpturensammlung aufstellen konnte. Seine Kritiker haben dies durchaus erkannt ( Einer der Gründe für dessen späteren Umbau). In der Frührenaissance war der Garten der Ausdruck von Lebensansprüchen einer städtischen Oberschicht auf ihren Landsitzen gewesen. Jetzt emanzipierte er sich zu einer eigenen Architekturform).
Unter Bramante wurde der Garten zu einer selbständigen, monumentalen Gartenarchitektur. Perspektive und Achse wurden zu seinen bestimmenden Ausdruckselementen. Ausgehend von Vorbildern der Antike, belebte er viele der alten römischen Traditionen und zeigte der nachfolgenden Gartenentwicklung eine mögliche Zukunft auf. Sie wurde von den nach ihm bauenden Kardinälen als Vorbild angenommen.
1506 begann man mit dem Neubau des Peterdomes. Zuvor hatte Julius II. die alte Basilika aus dem 4. Jh. abreißen lassen und Bramante unzählige Entwürfe gemacht. Er übernahm dabei nicht deren alte Grundform, sondern entschied sich für ein griechisches Kreuz mit einem gewaltigen Kuppelbau und einem großen Vorhof. Zum Zeitpunkt seines Todes (1514) waren nur die vier Stützpfeiler, die Scheidbögen der Kuppel und der Chor im Rohbau fertig gewesen. (Michelangelo hat dann später diesen Kuppelbau beendet und nach mehreren vorangegangenen Konzeptionsänderungen (der Proportionen und der Bezüge der verschiedenen Raumteile untereinander) das Gesamtgebäude zu seiner heutigen Schönheit geführt.
Neben seiner Tätigkeit als Architekt bereicherte Bramante das Bauwesen auch mit vielen Techniken, die er beim Studium der antiken Ruinen wiederentdeckt hatte (so z.B. das Gießen von Gewölben und Stuckarbeiten aus einem Kalksandsteingemisch).
Allgemein kann man Bramante als den Begründer der modernen Architektur in Rom ansehen. Er ist einer ihrer zentralen Eckpfeiler in ihrer nun kulturellen Führungsrolle in Europa.
Quellen
- Bazin, Germain "DuMont's Geschichte der Gartenkunst"", Köln 1990
- Clifford, Derek "Geschichte der Gartenkunst", Reutlingen 1966
- Enge / Schöer u.a. "Gartenkunst in Köln 1990
- Gothein, Marie Luise "Geschichte der Gartenkunst", Jena 1926
- Mader, G. / Neuberbert-Mader, L. "Italienische Gärten", Stuttgart 1989
- Mosser, M. / Teyssot, G. Die Gartenkunst des Abendlandes", Stuttgart 1993
- Russel, Vivian "Literarische Reise durch die Gärten Italiens", München 1999
- Saudan, M. / Saudan-Skira, S. "Zauberwelt der Gartenkunst", Köln 1987
- Schnack, Friedrich "Der Traum vom Paradies", München 1965
- Vasari, Giorgio "Das Leben des Bramante und des Peruzzi", Berlin 2007
- Vercelloni, Virgilio "Historische Gartenatlas", Stuttgart 1994
- Visentini, Margherita Azzi "Die italienische Villa", Stuttgart 1997