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Er war der berühmteste Maler der Renaissance und ist einer ihrer einflussreichsten, aber unbekanntesten Gartenkünstler.
Sein eigentlicher Name war Raffael Santi (Sanzio). Jeder kennt ihn als Maler, in Deutschland oft nur als Maler der Sixtinischen Madonna und gelegentlich auch nur als Maler der süßen Engel an deren Bildrand. Kaum bekannt ist seine bedeutende Tätigkeit als Archäologe und Architekt. Als solcher war er einst nicht nur der oberste Baumeister des Petersdomes sondern vereinte auch als erster ein Gebäude mit einem Garten zu einer Einheit. Ausgehend von seinem Studium der Antike, einem humanistischen Schönheitsideal und harmonischen Kompositionsprinzipien ist er der Schöpfer der klassischen Architektursprache der Hochrenaissance.
An persönlichen Daten ist von ihm u.a. bekannt:
- 1483
- Geboren als Sohn des Malers Giovanni Santi und seiner Frau Magia Ciarla in Urbino. Der Vater arbeitete hier für den Grafen Guidobaldo da Montefeltro und erteilte seinem Sohn ersten Malunterricht.
- 1491
- Tod der Mutter,
- 1494
- Tod des Vaters,
- 1495
- Eintritt in die Werkstatt Timoteo della Vita.
- 1500
- Fortsetzung der Ausbildung (?) bei Perugino. Wahrscheinlich noch von seinem Vater arrangiert. Übernimmt in seinen ersten Bildern dessen Stil. - Nennt sich bereits Meister ("magister"). - Erhält von der Stadt Perugia seinen ersten Auftrag für ein Altarbild.
- 1504
- Gemälde "Die Vermählung der Maria",
- 1504 - 1507
in Florenz (Kennenlernen der Werke Leonardos und Michelangelos; Kontakte zu Humanistenkreisen), - erste Studien römischer Architektur, - mehrere Altar- und bedeutende Madonnenbilder.
- 1508
- Bramante (in einem unbekanntem Verwandtschaftsverhältnis zu ihm stehend; Onkel ?) empfiehlt ihn Julius II., der ihn daraufhin nach Rom kommen lässt. - Auftrag, die päpstlichen Privatgemächer (3 Räume und 1 Saal = Stanzen) mit Wandgemälden auszustatten. Sie werden heute allgemein nach den Motiven ihrer Fresken benannt: + erster mit Fresken geschmückter Raum die Stanza della Segnatura (1508 - 1511, eigenhändig, = Zimmer des Gerichts): Hier sind an der Decke des quadratischen Raumes zunächst die Allegorien der vier mittelalterlichen Fakultäten dargestellt (Theologie, Philosophie, Poesie und Jurisprudenz), zu denen dann an den Wänden in lebhaften Szenen Raffaels "Kommentare" in Form von Fresken bildnerisch dargestellt sind. Er verbindet in ihnen christliches und antikes Gedankengut.
Wahrscheinliche Reihenfolge der Arbeiten:
- "Disputa"
(1509, Westwand; Diskussionsrunde über das Mysterium der Dreifaltigkeit),
- "Schule von Athen"
(1510, Ostwand; antike Philosophen beim philosophischen Disput. Die Vereinigung der Philosophie und Astrologie mit der Geometrie und der Poesie),
- "Parnass"
(Apollon umgeben von Musen und Dichtern).
- 1509
- Ernennung zum "Schreiber der Apostolischen Erlasse" (gut dotiert und mit wenig Arbeit verbunden),
- 1511 - 1512
- einige bedeutende Porträts,
- 1511 - 1514
- Stanza d'Eliodoro (weitgehend eigenhändig; Zimmer des Heliodor; = Audienzzimmer), - Stanza dell` Incendio del Borgo (Zimmer des Borgobrandes; - sollte die Privatbibliothek des Papstes aufnehmen),
- 1512 - 1513
"Sixtinische Madonna" (Vorläuferbild "Madonna di Foligno"), - Rasches Anwachsen seiner Werkstatt (über 20 namentlich bekannte Gehilfen und wahrscheinlich genauso viele namentlich unbekannte. Viele von ihnen waren auf bestimmte Arbeiten spezialisiert).
- 1513
- Papst Julius II. stirbt, Leo X. wird sein Nachfolger, - Raffael wohnt in einem eigenen Palast in Borgo Nuovo (im Erdgeschoss eine Werkstatt und Verkaufsstätte für Kupferstiche; im Geschoss darüber eine gemeinsame Wohnung mit Margherita Luti),
- 1514
- Berufung zum Baumeister des Petersdomes, - Bestellung von zehn Entwürfen für die Wandteppiche der Sixtinischen Kapelle (korrespondierend zu den dortigen Fresken; 9 für die Wände der Altarzone, 1 für die linke Wand außerhalb dieser Zone; 7 der Kartons heute noch erhalten). Sie wurden später zum Vorbild für die nachfolgende Historienmalerei.
- 1514 - 1515
- Porträt des Grafen Baldassare Castiglione,
- 1514 - 1518
- Ausgestaltung der Loggien (Galerie neben dem Belvederehof: 65 m lang, 4 m breit; mit 13 Fresken ausgestattete Kreuzgewölbe. Entwurf von Raffael, Ausführung durch seine Werkstatt; in der Loggia standen die wertvollsten Antiken des Papstes).
- 1515
- Ernennung zum offiziellen Vorsteher der römischen Altertümer,
- 1515 - 1516
- für Leo X. in Florenz (Entwurf einer Fassade für die Kirche San Lorenzo), - Ausgestaltung von 2 Gemächern des Kardinals Bibbiena nach Vorbildern der römischen Antike, - Gemälde "La Fornarina" (Modell ist seine Lebensgefährtin "Donna Margherita"),
- 1515 - 1520
- Großaufträge von Agostino Chigi (u.a. Planung, Bau und Ausgestaltung der Kapelle Santa Maria del Popolo), - Bau und Ausgestaltung der Villa Farnesiana (hier u.a. das Fresko "Triumph der Galatea"),
- 1517
- Kauf des Palazzos Caprini in der Via Giulia für 3000 Dukaten (einst von Bramante geplant gewesen, Baubeginn 1514),
- 1518
- Fresken in der Loggia der Psyche (Villa Farnesiana),
- Beginn mit den Arbeiten für die Villa Madama (mit Anregungen aus den Büchern von Vitruv und von Plinius d.J.), - Brief an Leo X. zur Rettung der römischen Antiken (wahrscheinlich gemeinsam mit Baldassare Castiglione verfasst), - letztes Gemälde "Transfiguration" ("Verklärung Christi"; Geschenk des Papstes für Franz I. von Frankreich),
- 1520
- Tod in Rom (mit 37 Jahren; wahrscheinlich an Malaria, die er sich in sumpfigen Ausgrabungsstätten zugezogen hat).
Raffael war zweifellos ein besonderer Mensch gewesen, der in seinen letzten Lebensjahren wie ein Fürst aufgetreten ist und wie ein Gott verehrt wurde. Dazu Vasari (sein erster Chronist, 1550):
"Man sagt, dass er für jeden Maler, der ihn gekannt hatte, und auch für den, der ihn nicht gekannt hatte, wenn er ihn um eine Zeichnung bat, die er brauchte, sofort seine Arbeit ruhen ließ, um ihm zu helfen. Und er gab Unzähligen Arbeit, half ihnen und lehrte sie mit jener Liebe, die nicht Künstlern, sondern seinen eigenen Söhnen angebracht gewesen wäre. Aus diesem Grunde sah man ihn nie zu Hof gehen, ohne eine Begleitung von fünfzig Malern, alle tüchtig und gut, die ihm Gesellschaft leisteten, -----. Er lebte in der Tat nicht als Maler, sondern wie ein Prinz."
"Die Natur gab ihn der Welt zum Geschenk, als sie, durch Michelangelo Buonarroti von der Kunst bezwungen, sich durch Raffael von Kunst und Umgangsformen zugleich besiegen lassen wollte".
"Es war deshalb nur recht, dass sie (die Natur) im Gegensatz dazu in Raffael all jene außergewöhnlichen Tugenden der Seele hell erstrahlen ließ, begleitet von so viel Anmut, Fleiß, Schönheit, Bescheidenheit und besten Umgangsformen, die genügt hätten, jedes noch so hässliche Laster und jeglichen Makel, sei er noch so groß, zu verdecken. Deshalb darf man gewiss behaupten, dass diejenigen, die so außergewöhnliche Gaben ihr eigen nennen, ---, nicht einfach nur Menschen sind, sondern --- sterbliche Götter". (Dies im Verständnis antiker Vorstellungen. So sah Ficino die Gottgegebenheit eines Menschen in dessen schöpferischer Tätigkeit. Raffaels Verehrung als Halbgott setzte schon bald nach dessen Tod ein. Dazu auch Tebaldeo (ein Freund Raffaels): "Christus ist der Gott der Natur gewesen, Du der Gott der Kunst".
Für Vasari stellte Raffael die Verkörperung eines vollendeten Malers dar. Bereits er beobachtete bei ihm drei Entwicklungsphasen:
- In der Nachfolge Peruginos (der "maniera secca") bis etwa 1505: Er übernimmt von diesem Motive und Kompositonsprinzipien. Aber bereits seine ersten Arbeiten zeigen eine bis dahin nicht gekannte emotionale Tiefe. Es ist die Zeit seiner "mathematischen Harmonievorstellungen".
- Nach dem Studium Leonardos und Michelangelos in Florenz (der "maniera moderne"): Dabei befreite er sich vom Stil Peruginos, verbesserte seinen Bildaufbau, seine Farbigkeit und seinen bildnerischen Erfindungsgeist und überbot durch das Studium des Stils Michelangelos "sogar die Natur". Es ist die Zeit seiner "Naturnachahmung".
- Erreichen der "Vollkommenheit" über dem "Wettstreit" mit den Werken der Antike: Es gelingt ihm bei vollkommener Natürlichkeit durch die Darstellung der Handlungen und Emotionen psychische Zustände zu schildern. (Darin lag später seine Bedeutung für die Gegenreformation). Dies ist die Zeit seiner klassischen Formensprache. In den Wandbildern der Stanzen und seinen Kartons für die Wandteppiche der Sixtinischen Kapelle erreichte er seine bildnerischen Höhepunkte.
Durch die ganze Kunstgeschichte läuft seit Vasari die Gegenüberstellung (Wettstreit = Paragone) von Michelangelo und Raffael, oft, um dadurch die Qualitäten des eigenen Idols besonders hervorzuheben. Dabei geht es um das Primat dieser beiden Künstler:
- Michelangelos als der Verkörperung des "männlichen Prinzips, des "disegno", (als "Vaters der Künste"):
Der Künstler schafft hier über eine intellektuelle Durchdringung eines Materials sein Werk. Michelangelos Arbeiten zeichnete eine klare Farbigkeit und eine heroische Auffassung vom menschlichen Körper aus. Dabei war er als Mensch introvertiert, bäuerlich-plump und gegenüber gesellschaftlichen Pflichten ablehnend.
- Raffael als Vertreter von weiblichen Eigenschaften:
Anmut (grazia), Zartheit (dolcezza) und Lieblichkeit (vaghezza) in Verbindung mit Angemessenheit und Mannigfaltigkeit (invencione). Wie Leonardo liebte er Licht- und Schattenkontraste und dunkle Farbtöne. Er überbot die Natur durch seine Farben. Dabei war er bescheiden, gutwillig, anmutig, der ideale Hofmann.
Nach Vasari wurde Raffael zu dem großen Künstler, der er war, durch das Studium der alten und neuen Meister, durch deren langes Nachahmen und dem Suchen eines eigenen Weges danach. Souverän gelang es ihm, seine Vorbilder geistig zu durchdringen, sie in seinen eigenen Werken zu assimilieren und in einer außerordentlichen Spannweite fortzusetzen. Wie kein anderer Künstler verkörpert er den Übergang zur Hochrenaissance.
Zur Vorbereitung seiner Bilder fertigte er oft eine Vielzahl von Zeichnungen an (so sind z.B. für seine "Disputà" über 40 bekannt). In ihnen entwickelte er seine Figuren, deren Platzierung und den Gesamtaufbau seiner Kompositionen. Er entwickelte dabei seine anfängliche Kompositionsidee formal und ikonographisch ständig weiter bis hin zu seiner Idealvorstellung. Nach seinem ersten Bildgedanken fertigte er mehrere Varianten an, fixierte Grundformen und spielte alternative Bewegungen durch. Das Ziel, das er immer vor Augen hatte, war seine geistig durchdrungene Idealvorstellung. Schön einmal von ihm selber in einem Brief an Castiglione (1519) ausgedrückt:
"Um eine schöne Frau zu malen, müsste ich mehrere sehen, unter der Bedingung, dass Euer Gnaden bei mir wären, um die Beste auszuwählen. Da jedoch sowohl an scharfem Urteilsvermögen, als auch an schönen Frauen Mangel herrscht, bediene ich mich einer bestimmten Idee, die mir im Geist vorschwebt". (Diese Vorgehensweise ist bei ihm auch bei der Planung seiner "Villa Madama" anzunehmen".
Raffael hat sich von Jugend an für Architekturfragen interessiert. Bereits 1503 wurde er für die Planung des Freskenzyklus in der Libreria Piccolomini in Siena eingestellt, weil er besonders gut Architekturen zeichnen konnte. Später wurde er diesbezüglich besonders von Bramante gefördert und durch sein Studium der Antike angeregt. Seinen ersten Architekturauftrag erhielt er von Agostino Chigi für seine Grabkapelle in Santa Maria del Popolo (räumlich folgte er darin den Vorstellungen Bramantes, im inneren Dekor dem Pantheon). Seine Arbeit zeichnete sich hier bereits durch ein völliges Verschmelzen aller architektonischen und dekorativen Elemente aus.
Die Gründe für Raffaels enge Beziehung zu Bramante ist ungeklärt. Wahrscheinlich ist sie im verwandtschaftlichen Bereich zu suchen. Beide kamen aus Urbino.
- Bramante
- holte ihn nach Rom,
- unterrichtete ihn im Bereich Architektur,
- entwarf für ihn Gebäude, die dieser dann in den päpstlichen Räumen perspektivisch darstellte,
- bestimmte ihn 1510 zum Gutachter zwischen vier Laokoon-Kopien,
- bestimmte ihn zu seinem Nachfolger beim Bau des Petersdomes.
- Raffael
- malte ihn in seiner Schule von Athen als eine zum Boden sich bückende Figur,
- kaufte sich einen Palast, den Bramante einst gebaut hatte.
Nachdem Raffael 1514 zum Nachfolger Bramantes beim Petersdom ernannt worden war, plante er bis zu seinem Tode (d.h. innerhalb von sechs Jahren) eine Vielzahl von Bauten (die teilweise auch fertiggestellt wurden):
- Chigi-Kaspelle in santa Maria del Popolo,
- Umbau und Ausgestaltung der Loggien im Vatikan,
- Kirche Sant` Eligio degli Orefici,
- Palazzo Alberini,
- Paläste für
- Jacopo da Brescia (päpstlicher Leibarzt),
- Giovan Battista Branconiodell' Aquila
(Antikenforscher und Berater Leo X..; angeregt vom halbkreisförmigen Trajansmarkt, von Motiven vom Pantheon, der Krypta Balbi und den Triumphbögen. Die Fassade wurde beherrscht von horizontalen und vertikalen Elementen und einer Fülle von Statuen und Schmuckreliefs. Den Abschluss nach oben bildete eine Balustrade. Hier wurde zum ersten Mal eine Palastfassade derart aufwendig geschmückt).
- sein eigenes Haus in der Via Giulia,
- Palazzo Pandolfini (Florenz),
- Villa Madama (Rom),
- Wettbewerb-Entwürfe für
- die Fassade von San Lorenzo (Florenz),
- San Giovanni die Fiorentini (Rom),
- Theaterdekorationen für eine Komödie von Ariost (1519, "Die Untergeschobenen" als Karnevalsaufführung).
Zur "Villa Madama" (so genannt nach ihrer späteren Besitzerin Margarethe von Österreich (= Margherita von Parma), uneheliche Tochter Karl V.):
Eigentlich müsste man sie als den Höhepunkt der Medici-Villen ansehen. Ganz aus einem humanistischem Geist entstanden, aus einem Medici-Auftrag sich ergebend, hat sie die europäische Wohnkultur wie nur wenige andere beeinflusst - oft nicht über ihre Kenntnis, sondern ihren einstigen Ruhm. Sie wurde beispielgebend für die
- Lage einer Villa an einem Hügel,
- Durchdringung von Villa und Garten,
- Aneinanderreihung von Gartenräumen.
1516 kaufte sich Leo X. am Nordhang des Monte Mario (2 km nördlich des Vatikans) ein Grundstück, das sich auszeichnete durch
- seine schöne Aussicht (eine schöne Ebene entlang dem Tiber bis zum Tor des Petersdomes),
- sein angenehmes Gefälle,
- sein fließendes Wasser,
- seine Umgebung durch Wälder.
Zunächst plante er hier ein bescheidenes Gebäude (25 m Fassadenlänge), doch dann mit seinem Neffen Giulio de Medici (spätere Papst Clemens VII.) eine große, antikisierende Villenanlage für den Empfang und die Unterkunft der kirchlichen und politischen Gäste bevor sie in das offizielle Empfangsprotokoll des Hofes eingespannt wurden. Raffael beschäftigte sich während dieser Zeit neben der Projektierung der Villa Madama mit der Villa Hadriana. Die dort gefundenen Statuen waren für die Ausschmückung der oberen Terrasse vorgesehen. Zur Vergrößerung des ursprünglichen Projekts trug auch eine päpstliche Verordnung bei, die die Kardinäle dazu anregte, im Rahmen einer Förderung der Stadtentwicklung (= Steuer- vergünstigungen) sich Sommersitze zuzulegen.
1518 endete die Planungsphase, und die Bauarbeiten begannen. Zum Zeitpunkt ihrer Planung stellte sie die "weitreichendste Auseinandersetzung mit der antiken Villenarchitektur dar". In einem Brief (1519) an Castiglione beschrieb Raffael die Herkunft seiner Anregungen und seine Intentionen:
- die Briefe des Plinius d.J. mit dessen Beschreibungen seiner Villen von Laurentina bei Ostia und Tusci in der Toskana,
- die Bücher des Vitruv,
- seine Kenntnis der antiken Bauten in der Campagne (u.a. der Villa Hadriana, Villa des Domiton; von diesen wurde er wahrscheinlich zu seinen Terrassen angeregt).
In diesem Brief geht er konkret auf den Grundgedanken einer Villa all` antica ein und begründet seine eigenen Bauentscheidungen. Dieser Brief und zwei Zeichnungen von 1518 und 1519 ((U 273A u. U 314A) erlauben heute eine klare Vorstellung von den damaligen Planungen.
Vorbild für Raffael waren besonders gewesen:
- die Anlagen aus der römischen Kaiserzeit am Abhang des Palatins (der Tempel des Neptun, ein Nymphäum, das "Goldene Haus" von Nero),
- wahrscheinlich die Horti Acilorum auf dem Pincio (eine riesige Gartenanlage, die den Garten des Lucullus ergänzt hat).
Aus ihnen können übernommen worden sein:
- das Konzept zweier sich kreuzender Achsen,
- die Dreieraufgliederung der Räume um einen Hof,
- die Kombination von Halbkreis- und Rechteckhöfen,
- ihr Terrassensystem.
Es gab direkte Bezüge
- zur Villa Laurentina von Plinius: z.B.
- abgesonderte Rückzugsräume (Ausruhen, für Gespräche, zum Studium),
- am Winterappartement (rundes Turmzimmer mit Fenstern nach allen Seiten; schöne Ausblicke),
- als Loggia seitlich am Hang, zum Sommerappartement hin (Blick zum Garten, ein Brunnen und Dauerschatten; ähnlich einem Nymphäum),
- zwischen Rundhof und Theater (gegen die Tageshitze; ähnlich einem Nymphäum),
- zu Vitruv:
- Eingangsbereich vor dem Haus und Eingangsbereich des Winterappartements (Die Aufteilung durch Säulen in 3 Schiffe war das Ergebnis einer falschen Vitruv-Interpretation. Sie wurde so später von vielen Nachfolgebauten übernommen, besonders von Palladio in Vicenza),
- Theater am Hang.
- zur Villa Hadriana:
- die Bade-, Auskleideräume und der Salbraum.
Insgesamt griff Raffael bei seinen Planungen zurück auf
- antike Fachbegriffe,
- antike Planungsmethoden,
- Vorgaben damals noch bekannter antiker Bauten,
- klassische antike Architekturelemente.
Er richtete die ganze Villa darauf aus, in ihr wieder antike Lebensformen pflegen zu können.
Vorgesehen waren u.a.
- ein Baukörper von 180 m Länge auf halber Höhe des Monte Mario quer zum Hang,
- zwei Geschosse zur Talseite,
- gegenüber den Repräsentationsräumen (Piano nobile) in den Hang hinein ein weiter Halbkreis für ein "antikes Theater",
- nordwestlich des Gebäudes eine 220 x 18 m große Terrasse (von Raffael als Hippodrom bezeichnet; unterhalb von ihr sollten sich zunächst Stallungen für 400, später nur für 156 Pferde befinden).
Gemäß den Empfehlungen Vitruvs folgte die Gesamtanlage zwei senkrecht zueinander verlaufenden Achsen:
- einer ansteigenden Mittelachse:
Beginnend an der Ruine des antiken Pons Milvius, der Brücke, an der Konstantin seine entscheidende Schlacht gewonnen hat, die später zur Anerkennung des Christentums führte (damit eine ideelle Verbindung zum Rom der Päpste). Von hier führte die Achse über das Hippodrom zum Haupteingang der Villa (unterhalb der Repräsentationsräume)
- überquerte den Mittelhof (schnitt hier die zweite Achse),
- durchquerte das Theater,
- endete in der "Via Triumphales".
- einer Achse quer zum Hang:
Im Sinne Plinius vom Vatikan her kommend leicht ansteigend. Sie führte über mehrere Abstufungen durch den Baukörper mit seinen drei kleinen Höfen:
- einem Vorraum (vestibulum),
- einem zentralen, nach oben offenen Raum (atrium)
(von ihm wurde nur die Hälfte fertig; heute eine Fassade der Villa),
- einem runden Hof (vom Atrium gelangte man durch eine Loggia in einen Xystos, einen mit schattenspendenden Bäumen bepflanzten Hof).
Gemäß den Empfehlungen des Vitruvs, Plinius und Columellas bestand der gesamte Gebäudekomplex aus drei Teilen:
- Repräsentationsräumen im Zentrum,
- dem Winterappartement auf der Südseite,
- dem Sommerappartement auf der Nordseite.
Die gesamte Anlage bestand aus einer Folge offener und geschlossener Räume, die so beeindruckend von keinem anderen Renaissancearchitekten wieder geschaffen wurden. Neben den drei gebäudebezogenen Außenräumen gab es im Gartenbereich:
- 1 Pomeranzengarten (ca. 45 x 12,5 m; = 11 x 5,5 canne; 1 canne = 2,3 m),
- nach den Seiten Gärten:
im Südosten, unterhalb der Villa (den Plan dafür hatte Raffael noch persönlich gezeichnet). Sie sollten aus drei abfallenden Terrassen bestehen (mit einer Tiefe von jeweils 67 m):
- einem oberen, quadratischen Gartenraum (mit 4 quadratischen Beeten und einem quadratischen Brunnen in der Mitte). Er sollte einen Ziergarten aufnehmen.
- einem mittleren, runden Gartenraum mit drei Nischen,
- einem unteren, länglichen Gartenraum in der Form eines Hippodroms mit je einem Brunnen in den endenden Halbkreisen. (Verbunden sollten sie über Rampentreppen werden).
Im Nordwesten (laut Zahlungsbelegen wahrscheinlich in einem Weinberg gelegen):
- einen Gartenraum mit einem Springbrunnen in einem Halbkreis,
- einen Gartenraum mit einem Nymphäum.
Am Nordwesthang sollten sich weitere Terrassen befinden:
- Auf einer Zeichnung (U 789A) sollte auf den Xystos eine Terrasse folgen (134 x 56 m), die in einem Halbkreis endete (und mit Kastanien und Fichten bepflanzt gedacht war).
- Auf einer tieferen Ebene (120 x 26 m) sollten Orangenbäume stehen,
- danach war ein quadratisches Feld mit regelmäßigen Beeten und einem halbrunden Abschluss (wahrscheinlich als Blumen und Kräutergarten) gedacht.
Die vorhandenen Unterlagen erlauben keine eindeutige Rekonstruktion. Sie sind aber wahrscheinlich
- die ältesten gartenarchitektonischen Entwürfe, die es gibt.
Sie zeigen erstmals das Einfügen einer Gartenarchitektur
- in ein räumliches Koordinatensystem einer bestimmten Umgebung und
- verweisen auf die inzwischen größere Bedeutung des Gartens.
(Alle diese Gärten waren wahrscheinlich noch in mittelalterlicher Tradition von Mauern umgeben gewesen. Ihr Schmuck bestand weitgehend aus Skulpturen, dem Reiz ihrer Bauelemente, den Loggien und den Nischen und Mosaiken).
Eine besondere Rolle sollte bereits das Wasser spielen (dabei dienten die vorgesehenen Höfe auch der Isolierung der Villa vor der Feuchtigkeit des Hanges):
- für die Nymphäen, Becken und Brunnen der Höfe und Gärten,
- für die Bäder und Ställe.
Bekannt wurde u.a. der "Elefantenbrunnen", der sich in der bergseitigen Mauer des Dachgartens (giardino pensile) befand und durch die Loggia des Sommerappartements erreicht wurde. Nach Vasari wurden diese Anlagen aus Tuff- und Tropfsteinen errichtet, angereichert mit antiken Fundstücken und nach antiken Vorbildern mit Muscheln, wie man es im Saal einer antiken Kaiserruine, im "Tempel des Neptuns" gesehen hat. Hier kündigte sich bereits die spektakuläre Wasserverwendung der italienischen Gärten der zweiten Jahrhunderthälfte an.
Die Gartenanlagen waren so vorgesehen gewesen, dass man sie vom Fuße des Berges als Ganzes übersehen konnte. Von dort führte eine Allee zu einer Loggia, danach in einen runden Hof und endete in einem Amphitheater (Diese Konzeption wird Raffael persönlich zugeschrieben. Ebenso die Abfolge der drei Gartenräume und ihre Verbindung durch Treppen).
Die Gesamtanlage besaß noch nicht die gestalterische Geschlossenheit späterer Anlagen und deren enge Verbindung zur Villa. Ihre Treppenanlage war noch nicht auf die Hauptachse bezogen gewesen. Besonders die Verwendung des Wassers entsprang noch keiner verbindenden Idee (sondern war aufgeteilt auf die verschiedenen Gartengruppen).
Das Gebäude und der Garten der "Villa Madama" wurden nur zum Teil ausgeführt, das Gebäude nur knapp zur Hälfte. Die Arbeiten kamen nur langsam voran. Wechselnde Schwierigkeiten verhinderten ihre endgültige Fertigstellung:
- 1519
- Wegen bautechnischer Schwierigkeiten bei der Terrassierung (bröckliger Untergrund) wird Antonio da Sangallo d.J. verstärkt zur Hilfe herangezogen. Er wird an der weiteren Projektierung verstärkt beteiligt. (Seit 1516 bei Raffael Gehilfe. Nach den vorhandenen Dokumenten weitgehend nur an technischen Aufgaben interessiert).
- 1520
- Tod Raffaels (Fortführung der Arbeiten durch seine bisherigen Mitarbeiter; Bauleitung: Antonio da Sangallo d.J., Giulio Romano (?, damals erst 20 Jahre alt) und Giovanni da Udine, zuständig für die Ausgestaltung der Räume),
- 1523
- weitere Unterbrechung,
- 1524
- Wiederaufnahme der Arbeiten,
- 1527
- Kaiserliche Truppen stecken den noch unvollendeten Bau in Brand (im Rahmen der Sacco die Roma, der Plünderung Roms) teilweise initiiert durch den rivalisierenden Kardinal Pompes Colonna.
- Danach schnelle Instandsetzung.
- 1534
- Villa geht in den Besitz von Alessandro de Medici über, nach dessen Ermordung in den seiner Witwe Madama Margharita da Parma (deshalb heute "Villa Madama"; durch den Kauf vom Kapitel von S. Eustachio).
- 1940
- Besitzübernahme durch den italienischen Staat (Außenministerium). Dient heute dem Empfang und der Unterbringung von Staatsgästen.
Viele der heutigen Aussagen über die Villa Madama basieren auf Vermutungen. So gibt es keine Unterlagen mehr über ihre Verbindung zu ihren Gärten. Auch sollen nach Vasari in ihr nicht nur formale Gartenteile vorgesehen gewesen sein, sondern auch "naturbelassene", wilde, worunter man damals eine engere Verbindung von Natur und Kunst verstand. Hierzu gehörten besonders Nymphäen und Grottenbereiche. Sie wären seit der Antike ihre ersten Beispiele gewesen.
Gesichert ist ihr großer Einfluss auf fast alle Folgegärten des 16. Jhs. in Italien. Besonders auf
- die Villa Imperiale (1522, Pesaro),
- den Palazzo del Té (nach 1524, Mantua),
- die Gartenloggia des Palazzo Doria (nach 1527, Genua).
In dieser Villa vereinigten sich alle bautheoretischen Überlegungen der Renaissance. Zu ihrem frühen Ruhm trugen bei
- die Berühmtheit der an ihr beteiligten Künstler (heute ist es oft schwierig, ihren jeweiligen Anteil an den Arbeiten abzugrenzen),
- ihre gewaltige Konzeption: "Die Villa Madama, eines der ersten Bauvorhaben der Neuzeit, das einen wahrhaft großen Atem erkennen lässt, sollte die weitere Entwicklung dieses Bautyps entscheidend prägen" (Visentini).
- Nach Claude Lorrain wurden Haus und Garten zum Wallfahrtsort der Landschaftsmaler.
Vom ehemaligen Garten sind heute noch zwei Terrassen erhalten:
- die obere schließt mit einer dreibogigen Loggia zur südlichen Schmalseite ab. Sie war wahrscheinlich einst als ein Statuengarten vorgesehen gewesen.
- Auf der gegenüberliegenden, nördlichen Seite steht eine Mauer mit einem Pforte, die seitlich von zwei Giganten eingefasst ist (teilweise verfallen, einst trugen sie Waffen).
- In der Futtermauer befinden sich drei große Nischen. In der mittleren befindet sich der wasserspeiende Elefantenkopf, in den beiden anderen standen einst antike Skulpturen.
Außerdem gibt es noch ein altes Fischbecken.
Noch heute beeindrucken an der Villa Madama, Raffaels Umgang mit den römischen Vorbildern, das Ganzheitliche ihrer antiken Konzeption, ihre streng gestalteten Proportionen (und - wenn man ihre Geschichte kennt - ihr fragmentarischer Charakter, vergleichbar der Ausstrahlungskraft antiker Ruinen).
Während in der deutschen Klassik immer Raffaels Werk im Vordergrund der Betrachtungen stand, war es in der Zeit der Romantik seine Biographie. Viele Künstler haben sich damals mit ihr beschäftigt (u.a. E.T.A. Hoffman, Achim von Brentano, Paul Heyse oder Heinrich Wackenrode). Besonders seinen erotischen Abenteuern galt ihre Aufmerksamkeit. Seit Vasari galt seine angeblich ungezügelte Liebeslust als sein einziges Laster. Sie wurde sogar für seinen frühen Tod verantwortlich gemacht (wahrscheinlich ist er an einem Malariafieber gestorben). "Raffael war --- den Frauen sehr zugetan ---. Dafür wurde er, während er sich weiterhin der fleischlichen Lust erfreute, von seinen Freunden mehr als es sich geschickt hätte, respektiert und darin ermuntert. Als sein lieber Freund Agostino Chigi in seinem Palast die erste Loggia ausmalen ließ, konnte Raffael wegen der Liebe, die er für eine seiner Frauen empfand, der Arbeit nicht ausreichend nachgehen. Agostino war darüber so verzweifelt, ---, so dass er schließlich bewirkte, dass diese Frau mit ihm ständig im Haus wohnte, und zwar dort, wo Raffael arbeitete". Wahrscheinlich war mit dieser Frau seine Geliebte Margherita Luti, eine Bäckerstochter aus Trastevere gemeint, die er mehrmals in seinen Werken verewigt hat und die unter dem Namen "La Fornarina" bekannt geworden ist. Raffael malte sie noch 1520 mit einem Armreif auf dem sein Namen stand (Das Bild wurde nach seinem Tod von Giulio Romano vollendet).Er hat sich in seinem Leben immer einer Heirat entzogen. Als er starb, hat er zuvor seine Geliebte, nachdem er sie großzügig bedacht hatte, aus seinem Haus geschickt, damit sie danach noch ein "ehrenvolles Leben" führen konnte.
Zu Lebzeiten schätzte man Raffael gleichermaßen als Maler und Architekt. Dabei war er in seinen letzten Lebensjahren hauptsächlich als Architekt beschäftigt. Seine "Villa Madama" wurde die bedeutendste Renaissancevilla ihrer Zeit. Durch seine Ernennung zum Konservator der römischen Antiken ist er darüber hinaus auch der Vater der heutigen wissenschaftlichen Archäologie. Er versuchte als erster eine systematische Erfassung und Rekonstruktion aller antiken Strukturen. Und - nach Jacob Burckhardt - ist er der Begründer der modernen vergleichenden Kunstwissenschaft. Für die Gartenkunst liegt seine Bedeutung in dem Umstand, dass er wie kein anderer die Antike in die Außenraumgestaltung einbezog, die dann die formale Gartengestaltung bis zu ihrem Ende und den Landschaftsgarten in wesentlichen Aspekten beherrschte.
Raffael - Texte
Auszug aus einer seiner Sonette (als hingeworfene Emotion auf einem der Studienbläter zur "Disputa" der Stanza della Segnatura, 1509 / 10):
"Liebe, mit den Lichtern zweier Augen
locktest du, daran ich vergehe, mit dem Ganze
weißen Schnees und frischer Rosen, mit dem Kranze
holder Worte, die dem Weibe taugen.
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Süß ist` den Ansturm zu erinnern in Gedanken,
doch bitter der Abschied, da sie ging.
Ich blieb zurück, wenn ich es recht auffing,
gleich denen auf dem Meer, die sternlos schwanken" (Übersetzung Kurt Gerstenberg).
Aus dem berühmten Brief Raffaels an Leo X. zum Zustand der römischen Altertümer (1529; wahrscheinlich gemeinsam mit Castiglione. Bereits vorausgegangen waren Vermessungsarbeiten von Brunelleschi, Alberti und verschiedenen Humanisten und Architekten):
"Nachdem ich all diese Altertümer reichlich studiert und nicht wenig Sorge darauf verwandt habe, sie genau zu erforschen und aufmerksam zu vermessen, und nachdem ich ständig die guten Autoren gelesen und die Werke mit ihren Schriften verglichen habe, glaube ich einige Kenntnis der antiken Architektur gewonnen zu haben. Die Kenntnis einer so hervorragenden Sache erfüllt mich einerseits mit größter Freude, andererseits mit größtem Schmerz, wenn ich gleichsam den Kadaver dieser hehren, edlen Stadt, die die Königin der Welt war, so elend zerrissen sehe. Daher - wie jeder den Eltern und dem Vaterland Liebe und Ehrerbietung schuldig ist - fühle ich mich verpflichtet, all meine geringen Kräfte daran zu setzen, dass dieses Wenige an Bildern am Leben bleiben kann, das sozusagen ein Schatten dieser Stadt ist, die in Wirklichkeit die universale Heimat aller Christen darstellt und die zu einer Zeit so edel und mächtig war, dass die Menschen schon zu glauben begannen, sie allein unter dem Himmel stehe über dem Schicksal und sei entgegen dem Lauf der Natur vom Tode ausgeschlossen, um ewig zu dauern".
"Aber warum beklagen wir uns denn über die Goten, die Vandalen und all die anderen Feinde des lateinischen Namens, wenn diejenigen, die wie Väter und Beschützer die armen Reliquien Roms verteidigen sollten, wenn diese selbst seit langem mit allem Eifer sich befleißigt haben, sie zu zerstören und auszulöschen? Wie viele Päpste, Heiliger Vater, die dasselbe Amt wie Eure Heiligkeit hatten, aber nicht schon dasselbe Wissen, nicht denselben Wert und die seelische Größe, wie viele Päpste, sage ich, haben das Verderben und den Abbruch der antiken Tempel, der Statuen, Triumphbögen und all der anderen Bauwerke erlaubt, die der Ruhm ihrer Gründer waren! Wie viele haben gestattet, dass man allein um Pozzolanerde zu entnehmen, die Fundamente aushöhlte, so dass die Gebäude in kurzer Zeit einstürzten! Wie viel Kalk hat man aus Statuen und anderen antiken Ornamenten hergestellt! Ich bin so kühn zu sagen, dass das ganze neue Rom, das man jetzt sieht, so groß und schön es ist, so geschmückt mit Palästen, Kirchen und anderen Gebäuden, aus Mörtel erbaut ist, den man aus antikem Marmor gewonnen hat. Nicht ohne großes Bedauern erinnere ich mich, dass, allein seit ich in Rom bin - das heißt in kaum zwölf Jahren -, zahlreiche schöne Werke in Ruinen verwandelt worden sind, wie die Meta in der Via Alexandrina, der Bogen am Eingang der Diokletiansthermen, der Cerestempel an der Via Sacra; ein Teil des Forum Transitorium, der in wenigen Tagen verbrannt und zerstört und dessen Marmorfiguren in Mörtel verwandelt wurden; auch die Basilica auf dem Forum ist zum größten Teil zur Ruine geworden. Außer dem allen: Wie viele Säulen sind gefallen und in der Mitte zerborsten; wie viele Architrave, wie viele schöne Friese sind zerstückelt! Es ist eine Infamie unserer Zeit, dies zugelassen zu haben, und man könnte wirklich sagen, dass selbst Hannibal und andere im Vergleich dazu mehr Ehrfurcht bewiesen haben".
"Da Eure Heiligkeit mir befahlen, in Zeichnungen all das festzuhalten, was man, ausgehend von dem noch Sichtbaren, vom antiken Rom noch erkennen kann: mit allen Bauwerken, von denen sich genügend Spuren erhalten haben, um eine logische und korrekte Rekonstruktion ihrer ursprünglichen Erscheinung herzustellen und die zerstörten oder verschwundenen Partien so ersetzen zu können, dass sie mit den noch sichtbaren, aufrecht stehenden Teilen korrespondieren - habe ich mich dieser Aufgabe mit allem mir möglichen Eifer gewidmet".
"Es muss noch die Methode erklärt werden, der wir uns zur Vermessung und Zeichnung der antiken Gebäude bedient haben. Sie ist so, dass jeder an Architektur interessierte weiß, wie sie im Einzelnen fehlerfrei zu handhaben ist, und erkennen wird, dass wir uns bei diesem Unternehmen nicht vom Zufall oder nur von praktischer Erfahrung haben leiten lassen, sondern von reiner Vernunft".
" ---- und obwohl die Literatur, die Skulptur, die Malerei und fast alle anderen Künste längst im Niedergang begriffen waren und sich zur Zeit der letzten römischen Kaiser noch verschlechterten, behielt allein die Architektur ihre guten Prinzipien bei, und man baute in demselben Stil weiter wie vorher. So war sie unter den anderen Künsten die letzte, die absank. Dies kann man aus vielen Objekten erkennen, unter anderem aus dem Konstantinbogen, dessen Komposition schön und befriedigend in allem ist, was die Architektur betrifft. Dagegen sind die Skulpturen des Bogens "sciochissime" (höchst töricht, banal), ohne Kunst und ohne jede gute Zeichnung. Die dort eingefügten Spolien von Trajan und Antonius Pius dagegen sind ausgezeichnet und von vollkommener Art. Ähnliches sieht man in den Dioklethiansthermen, wo die Skulpturen aus ihrer eigenen Zeit "malissima maniera" (von schlechtestem Stil) und miserabel gemacht sind und die Reste der Malerei, die man dort sieht, nichts mit denjenigen aus der Zeit des Trajan und Titus zu tun haben, und nur die Architektur edel und gut verstanden ist".
(entnommen De Vecchi, S. 326 -331).
Quellen
- Bajard, S. / Bencini, R. "Paläste und Gärten Roms", Paris 1996
- Bazin, Germain "DuMont's Geschichte der Gartenkunst", Köln 1990
- Chatfield, Judith "Die schönsten italienischen Gärten", Köln 1991
- Clifford, Derek "Gartenkunst", Reutlingen 1966
- "Die schönste Frau der Welt", "Vernisage"-Ausstellungen 2/2012
- Gothein, Marie Luise "Geschichte der Gartenkunst", Jena 1926
- Meyer zur Capellen, Jürg "Raffael", München 2010
- Pizzoni, Filippo "Kunst und Geschichte des Gartens" Stuttgart 1999
- Saudan, M. / Saudan-Skira, S. "Zauber der Gartenwelt", Köln 1987
- Schnack, Friedrich "Der Traum vom Paradies", München 1965
- Vasari, Giorgio "Das Leben des Raffael", Berlin 2004
- Vecchi, Pierluigi De "Raffael", München 2002
- Visentini, Margherita "Die italienische Villa", Stuttgart 1997
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