Er war der erste Architekt, der frei von anderen Funktionen, reine Gartenarchitektur schuf. Viele Menschen behaupten, dass seine Gärten die schönsten in der europäischen Gartenkunstgeschichte seien. Dies ist umso erstaunlicher, da er gleichzeitig mit Ligorio und Buontalente auch einer der einflussreichsten Architekten in seiner Zeit gewesen ist, - vielleicht sogar der bedeutendste.
Das Hauptmerkmal seiner Gärten ist deren innere Harmonie, gewachsen aus seiner lebenslangen Beschäftigung mit ästhetischen Proportionen. Gewöhnlich wird er nach seinem Geburtsort nur "Vignola" genannt.
An persönlichen Daten sind von ihm bekannt (bzw. werden angenommen):
- 1507
- geboren in Vignola (bei Modena, südlicher Rand der Po-Ebene),
- Ausbildung zum Maler in Bologna,
(lernte hier u.a. den späteren Papst Julius III. kennen, der während dieser Zeit der 1. Vorsitzende des Konzils von Trient gewesen war, das nach 1547 nach Bologna verlegt worden war),
- wendet sich unter dem Einfluss von Serlio der Architektur zu,
- versucht deren Kenntnis durch das Studium der Baukunst der römischen Antike zu vertiefen,
- Anfertigung perspektivischer Schablonen für Einlegearbeiten (Bologna),
- 1530
- Rom (zunächst als Dekorationsmaler im Vatikan),
- 1534 - 1536
- architektonische Weiterbildung unter Baldassare Peruzzi und Antonio da Sangallo d.J. am Neubau der Peterskirche,
- 1539 - 1540
- Vermessung antiker Gebäude,
- 1536
- Zeichnungen für eine illustrierte Vitruv-Ausgabe,
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- Gehilfe Primaticcios (half ihm beim Abguss antiker Statuen),
- 1541 - 1543
- Fontainebleau (Berufung durch Franz I. von Frankreich; gemeinsam mit Francesco Primaticcio; Herstellung von Abgüssen nach Antiken des Belvederes des Vatikans),
(hier auch beteiligt an der Grotte des Pins, am Pomona- und Seepavillon. Sein Arbeitsanteil ist unbekannt. Wahrscheinlich erhielt er hier seine ersten Einblicke in die Hydraulik),
- 1542
- Mitglied der Vitruvianischen Akademie (Gegründet zur systematischen Aufarbeitung der antiken Architektur. Über ein großartiges Programm kam ihre Arbeit aber nicht hinaus. Sie weckt sein Interesse für theoretische Probleme),
- 1545
- Bau des Palazzo Bocchi (Bologna),
- 1546
- Bauleiter von San Petrino (Bologna, 7 J., in der damaligen Zeit das wichtigste Bauprojekt nach St. Peter des Kirchenstaates, wird Architekt der Farnese in verschiedenen Positionen bis zu seinem Tod),
- 1546
- Rom (im Dienst der Familie Farnese),
- Zusammenarbeit mit Michelangelo (der ihn stark beeinflusste),
- 1547 - 1548 (1543 - 1546 ?)
- Errichtung der Tribuna in San Petronio (Bologna),
- 1548
- Vervollkommnung der Kenntnisse in der Hydraulik (Begradigung des Laufs der Navile, Bau mehrerer Schleusen, Weiterführung des Wassers in das Hafenbecken von Bologna),
- 1550
- Baumeister des Papstes Julius III.,
- 1551
- erhält den Titel "Architekt",
- vollendet den Garten des Belvederes (Vatikan),
- 1550 - 1553
- Bau des Tempietto di Sant' Andrea (Rom, mit dem ersten ovalen Grundriss der Kirchenbaugeschichte, stark vom Pantheon und von römischen Mausoleen beeinflusst),
- 1555
- Bau der Villa Giulia für Papst Julius II. (Sommerresidenz des Papstes im Norden Roms in Form einer Villa suburbana; = ein wichtiges Bauwerk der römischen Architektur im Manierismus),
- 1556
- Auftrag, das Castell von Caprarola in einen Palast umzubauen,
- 1559
- Eintritt in den Dienst Alessandro Farneses,
- 1561
- Entwurf der "Villa del Giardino" für Ottavio Farnese (Herzog von Parma),
- Entwurf des Dogenpalastes von Parma für Ottavio Farnese,
- 1562
- Lehrbuch "Regeln der Fünf Ordnungen der Architektur" ("Regola delle cinque ordini d'architettura"). Er bringt darin die architektonischen Gliederungselemente in ein praxisnahes Anwendungssystem. Dadurch wurde es für mehrere Jahrhunderte zum beliebtesten Lehrbuch der Architektur; in 9 Sprachen übersetzt mit ca. 250 Ausgaben.
- 1564
- Übernahme der Leitung für den Bau des Palazzos Farnese (Piacenza),
- 1564
- Arbeiten am Petersdom (unter der Leitung Ligorios, nach dem Tod Michelangelos),
- 1565 - 1568
- Bau des Palazzos dei Banchi (Bologna),
- Gespräche mit Vicini Orsini über die Anlage des "Heiligen Waldes" von Bomarzo, den dann Orsini alleine ausführt (hier wurde erstmals ein "boschetto", der ursprünglich in keinem italienischen Garten am Rande fehlen durfte und der einen gewissen Wildwuchs zuließ, zu einer eigenen "Gartenform" ausgebaut),
- 1567
- leitender Architekt am Petersdom (Fortsetzung des Baus im Sinne Michelangelos; wegen der Ernennung von Pius V. zum Papst und die Entlassung Ligorios),
- Schaffung der Farnesischen Gärten,
- 1568
- Beginn mit dem Bau von "Il Gesu`". Wahrscheinlich der einflussreichste Kirchenbau seit der Renaissance.
- Auftrag für die Gartenarbeiten der Villa Lante ( Umbau eines Jagdgeheges in einen Park),
- 1572
- Entwurf von Santa Anna di Palafrenieri (Wiederholung seines ovalen Grundrisses des Tempietto di S. Andrea in Rom. Sie wurde zum Vorbild für viele Barockkirchen).
- 1573
- Tod in Rom (bestattet im Pantheon).
- Hinterließ unvollendet "Zwei Regeln der praktischen Perspektive" ("Le due regole di prospettiva pratica").
Seine beiden architektonischen Hauptwerke sind
- die Villa Farnese in Caprarola,
- die Kirche "Il Gesù" in Rom.
Sein literarisches Hauptwerk ist sein Lehrbuch über die
- "Regeln der fünf Ordnungen der Architektur".
Seine bedeutendsten Gärten sind
- die "Orti Farnesiani" (Rom),
- das Kasino der Villa Giulia (Rom),
- die Gärten der Villa Farnese (Caprarola),
- die Konzeption für den Garten der Villa Lante (Bagnaia).
Darüber hinaus soll er auch an folgenden Gärten im unbekannten Umfang beteiligt gewesen sein:
- Belvederehof (Vatikan, 1550 - 1555),
- Soriano nel Cimino (1561-1563),
- herzogliche Gärten in Piacenza und evtl. Parma (1564),
- Villa Tuscolana (Frascati, 1568)
- "Heiliger Wald" von Bomarzo (nach 1560, als Gesprächspartner von Vicino Orsini).
Die Kirche "Il Gesù" (Mutterkirche des Jesuitenordens) hat vielleicht wie keine andere den Kirchenbau seit der Renaissance beeinflusst. Vignola vereinigte in ihr die beiden Grundtypen der europäischen Architektur zu einer Einheit, das mittelalterliche Langhaus und den Zentralraumgedanken der Renaissance, umgeben von einem Kapellenkranz, der sich zum Hauptschiff hin öffnet. Mit Hilfe der Beleuchtung und der Pfeiler (= Pilaster, die mit der vorgegebenen Säulenordnung übereinstimmen) wurde die ganze Aufmerksamkeit auf den Hochaltar gelenkt. Seine Raumvorstellungen wurden seiner Zeit von einer aufgelockerten Monotonie bestimmt, die dem Kirchenraum noch eine großzügige Weite gab. Die heutige Fassade wurde nicht mehr von Vignola geschaffen, und auch der jetzige Innenraum wurde von 1668 - 1673 hochbarock umgestaltet. Bauen ließ diese Kirche der Kardinal Alessandro Farnese, der damals der Protektor der Jesuiten und ein Enkel des Papstes Paul III. gewesen war. Als Kirchentyp wurde sie u.a. auch so populär, weil sie den liturgischen Erfordernissen des Trienter Konzils besonders entsprach.
Vignolas Architekturtraktat über die Säulenordnung, in der Regel nur kurz als die "Regola" bezeichnet, umfasste nur 32 Seiten. Als Mappenwerk wurde es so populär, weil es
- primär auf visuelle Darstelllungen baute,
- leicht nachvollziehbar von einem jeweiligen Säulendurchmesser ausging (seinem "modulo") und danach die Berechnung aller anderen Maße mit Hilfe eines für jede Ordnung besonderen Multiplikators ermöglichte.
Er hatte seine Werte aus den eigenen Messungen der antiken Bauten abgeleitet (nur bei der toskanischen Ordnung orientierte er sich an Vitruv, weil ihm dafür in Rom die entsprechenden Beispielbauten gefehlt haben). Mit Hilfe seines Modulsystems konnten Bauten von einer besonderen ästhetischen Ausstrahlung entstehen. Das Problem dieses seines Systems war später, dass es für mehrere Jahrhunderte dann dogmatisch zur Doktrin erhoben wurde, zu einem Vorgänger des Akademismus, der dann erst im 20. Jh. durch Corbusier überwunden werden konnte, indem dieser das gebaute Objekt unverstellt durch Dekor dem Betrachter darbot.
Die "Orti Farnesiani"
Die "Farnesianischen Gärten" waren das Lieblingsprojekt des Papstes Paul III. (1534 - 1549), der ein begeisterter und kenntnisreicher Botaniker gewesen war (und der Bruder einer der Mätressen des Borgia-Papstes Alexander IV., der ihn auf Grund deren Einflusses zum Bischof gemacht hatte. Auch er machte dann später zwei seiner Enkel (Nepoten, Neffen) selber zu Kardinälen. Einer von diesen und dessen Bruder Ottaviano, Herzog von Parma führten später die von ihm begonnenen Bauten zu Ende. Er bestätigte 1540 die Statuten des Jesuitenordens, eröffnete 1545 das Trienter Konzil, setzte den Bau des Peterdomes fort und bestellte Michelangelo zu dessen Baumeister).
Dieser Garten war einer der bedeutendsten botanischen Gärten der Renaissance und lag über den Palästen von Tiberius und Domitian an einem Hang über dem Forum Romanum mit einem fantastischen Blick auf dieses. Erste Ansätze dafür hatte bereits Raffael vorgesehen. Vignola war ihr erster Planer. Auf ihn gehen sehr wahrscheinlich das dreifache Terrassensystem und die Aufstiegspromenade mit ihren Treppen und Rampen zurück. Charakteristisch für ihn sind seine Großzügigkeit und die perspektivische Achse. Mit Sicherheit entwarf er das Eingangsportal. Seine Arbeiten wurden nach seinem Tode von Giacomo del Duca und Girolamo Rainaldi (1570 -1655) fortgesetzt
Das mächtige Eingangsportal zu diesem Garten war in eine hohe Mauer integriert gewesen, die von Fenstern für den Ausblick auf das Forum unterbrochen war.
- Auf der untersten Terrasse gelangte man über einen halbkreisförmigen Vorraum (Exedra) durch eine säulentragende Durchgangshalle (Portikus) in einen "Raum des Regens" (dem "Ninfeo della Poggia", dem "Regen Nymphäum", weil hier ständig von den Stalaktiten Wassertropfen auf die Besucher fielen), in dem sich 8 Statuen und 12 Büsten befanden (teilweise aus der Villa Hadriana). Er ähnelte dem Nymphäum der Villa Giulia.
- Steile seitliche Rampen führten von hier auf die 2. Terrasse mit ihrem Wassertheater (Die Beete waren hier in Hecken gefasst und mit Blumen bepflanzt gewesen) und von dort zur
- 3. Terrasse mit ihren beiden Vogelhäusern, getrennt durch die Mittelachse (zwei schräg zueinander stehende Volieren, die die Gesamtanlage perspektivisch vertiefen sollten). Von hier hatte man einen großartigen Blick über ganz Rom (heute noch die einzige erhaltene Terrasse).
Hinter den Vogelhäusern führte ein Mittelweg zu einem Aussichtspunkt über dem Circus Maximum. Das Gelände war in Viereckbeete aufgeteilt, in denen sich die berühmte Pflanzensammlung befand. Darüber hinaus gab es in der Nähe der Vogelhäuser
- einen Springbrunnen, zwei Fischteiche und eine Grotte,
- in einer hinteren Ecke ein kleines Casino mit einem "Giardino segreto" und
- im hinteren Bereich eine Sammlung antiker Baureste.
Die gesamte Anlage wirkte, vom Forum aus gesehen, wie eine architektonisch sich steigernde Palastfassade, ein gewaltiges Spiel verschiedener Bauelemente, verbunden zu einem in sich geschlossenen Architekturbild, als eine großartige Konzeption der Horizontalen, die untereinander durch Balustradentreppen verbunden waren. Ihr Reiz lag in ihrem Bezug zum Ruinenfeld des Forums, dem Blick auf die Skulpturen- und Blumenfelder. Ihre Funktion ergab sich allein aus dem ästhetischen Genuss seines Umfeldes und dem ihrer Pflanzen. Die Brunnen plätscherten und verschafften Kühlung, die Alleen boten Schatten, und die Vogelhäuser schützten in ihrem unteren Bereich vor Regen und Wind.
Mit dieser Anlage hatte sich Vignola in Ansätzen bereits von den Prinzipien der Antike befreit. (Viele Besonderheiten dieses Gartens werden heute auch dem Umfeld um Antonio da Sangallo zugesprochen).
Am Anfang des 19. Jhs. wurden diese Anlagen durch Ausgrabungsarbeiten weitgehend zerstört. Doch hat man auch heute noch von hier (dem Palatin) einen der schönsten Ausblicke auf Rom.
Die "Villa Giulia" (Rom)
Die Villa Giulia sollte die Sommerresidenz des Papstes Julius III. werden. Wie keine andere Villa entsprach sie in ihrer Form einer "Villa suburbana", der klassisch-römischen Peristylvilla. In der Nähe der Villa Borghese gelegen, bestand sie aus einer Folge von Gebäuden, Gartenhöfen und einem Garten, der einst bis zum Tiberufer reichte. Früher umgaben sie Weingärten, und man konnte sie vom Vatikan aus mit einem Schiff erreichen.
Für ihre Planung war zunächst Vasari vorgesehen gewesen. Doch wegen Differenzen mit dem Papst wurde er durch Vignola ersetzt, der dann zum eigentlichen Schöpfer dieser Anlage wurde. Ursprünglich bestand sie aus drei Gebäudekomplexen. Das Casino wurde in den Jahren 1551 - 1553 gebaut. Zur Straßenfront bestand es aus einem Gebäude mit einer zweistöckigen Fassade und einem mächtigen Torbogen in der Mitte. Auf seiner Rückseite waren die Hoffolgen und der Zugang zum Garten. Die gesamte Anlage baute auf den Grundfiguren Quadrat und Halbkreis auf. Von einer Mittelachse ausgehend baute sich ein Komplex von Räumen auf. Vom Portikus des Casinos gelangte man zunächst zu einem hufeisenförmigen Gartenraum, danach in einen Innenhof mit einem um ein Geschoss abgesenkten Grottengarten, dem Ninfeo und dem Herz der Anlage. Von der umlaufenden Brüstung konnte man auf sein schönes Mosaikpflaster herabsehen. Sein zentraler Brunnen wurde von Ammannati geschaffen. Als Wassertheater gestaltet, befand sich hier der Zufluss aus der Acqua-Virgine-Quelle, bewacht von vier das Gebälk tragenden Frauenfiguren (Karyatiden) in der Mitte. Julius III. liebte dieses Nymphäum besonders. Hier veranstaltete er seine prunkvollen Feste, hier tafelte er umrahmt von Lorbeer- und Orangenkübeln und hier beendete er gichtgeplagt sein Leben. In der Loggia zwischen diesen beiden Räumen befand sich einst die Antikensammlung des Papstes.
Die ganze Anlage bestand aus einem Wechsel von Architektur und Gärten. Sie war (ist) vielleicht das wichtigste Ausgangswerk in Italien innerhalb der Villenarchitektur hin zum Manierismus mit seinen Überraschungseffekten, seiner Liebe zu gegenläufigen Formen und zur Vielgestaltigkeit. Vignolas hier gemachten Erfahrungen fanden ihren schriftlichen Niederschlag u.a. in seiner "Regola".
Nach dem Tod des Papstes beschlagnahmte und teilte sein Nachfolger die Anlage. Heute sind davon nur Gebäudeteile (u.a. auch das Ninfeo) übriggeblieben, in denen sich Italiens Nationalmuseum für etruskische Kunst befindet.
Die Gärten der "Villa Farnese" in Caprarola
Diese Villa war für die Gothein "das bedeutendste Landhaus der Renaissance". Nach Clifford besaß sie einst den bedeutendsten Skulpturenpark der Welt. Ursprünglich war sie im Auftrag von Papst Paul III., als er noch der Kardinal Alessandro Farnese war, als fünfeckiger Festungsbau mit einer jeweiligen Seitenlänge von 60 m errichtet worden. Sein Enkel, der Kardinal Alessandro Farnese der Jüngere gab dann
- 1556
- Vignola den Auftrag das bisherige Kastell zu einem Palast umzubauen.
- 1549
- Kardinal Alessandro II. übernimmt Caprarola.
- 1557
- Beginn der Bauarbeiten (auch an den Geheimgärten mit der Planierung ihrer Terrassen),
- 1569
- Anlage eines Jagdparks mit Waldpartien, Weideflächen und einem See. Oberhalb von diesem Errichtung eines zweistöckigen Jagdpavillons mit einem Mittelturm durch Vignola (= in verschiedenen Bereichen Vorbild für die Villa Lante),
- 1573
- Palast und Geheimgärten sind weitgehend fertig,
- 1584
- Errichtung des Kasinos und seines Gartens,
- 1620
- Umgestaltung der Geheimgärten.
Vignola schuf hier auf den einstigen Grundmauern eine völlig neue Gebäudekonzeption mit vier Stockwerken (Grundsteinlegung 1554). Beibehalten wurde nur deren fünfeckiger Grundriss. Neu waren jetzt
- Alle Repräsentationsräume wurden zur Fassade ausgerichtet und hatten einen direkten Zugang zur Loggia im Innenhof.
- Die Privaträume des Kardinals befanden sich auf der Rückseite.
- Die Decken der Räume dienten der Verherrlichung der Großtaten der Familie Farnese (entworfen von mehreren Hofhumanisten unter Annibal Caro), der Großtaten von Herkules, der Bibel und der Mythologie. Es gab an den Wänden keine Freiflächen mehr. Alle wichtigen Ereignisse des Pontifikats Paul III. wurden dargestellt (immer mit dem Kardinal im Vordergrund). Jeder Saal besaß ein eigenes Thema, in der Regel auf eine der Tugenden des Kardinals bezogen. Ihren Höhepunkt erreichte die Gesamtanlage im Freskenzyklus der "Sala die Fasti Farnesiani".
An drei Seiten orientierte sich die Villa zum Tal hin, die beiden anderen sind zum aufsteigenden Hügel ausgerichtet. Vor die Hauptfassade setzte Vignola anstelle der bisherigen Zugbrücken einen riesigen Vorplatz mit einer eindrucksvollen Mittelachse zum Ort hin und einer Staffelung in drei Ebenen, so dass die Monumentalität des Gebäudes besonders hervorstach. Auf der Rückseite schuf er hinter dem Festungsgraben zwei quadratische Gärten (als Gegenstück zum himmlischen Kreis im Palazzo), die zum Tal hin durch starke Mauern abgestützt wurden und zu denen man vom zweiten Stockwerk des Palastes über eine Brücke gelangen konnte. Auf diese Weise gelangte man aus den Repräsentationsräumen ohne Treppen in den Garten. Im Palast gab es zwei Appartements, eins für den Sommer und eins für den Winter mit jeweils einem Ausblick auf den eigens dafür thematisch gestalteten "Giardini segreti". Beide waren sie, von hohen Mauern umgeben, weitgehend noch im Stil des Mittelalters gestaltete Parterregärten.
- Der Zutritt zum Sommergarten wurde von den Schutzgöttinnen Thallo (Göttin des Frühlings) und Carpo (Göttin des Sommers) bewacht. Zur Kühlung der Luft gab es drei Springbrunnen. Sie glichen einer Lilie (Symbol der Farnese). Dieser Garten war der Venus gewidmet (ausgedrückt durch den größeren der Brunnen und ihren Symbolpflanzen auf den neun Beeten, u.a. Rosen).
- Im Wintergarten besaßen die beiden Brückenfiguren Sonnenuhren. Er wurde von einem mit Efeu und Wein überwachsenen Weg geteilt, der vor einer Laube endete, die von sechs Satyrn getragen wurde. In ihr befand sich der Regenbrunnen. Auf den Gartenflächen standen Obstgehölze mit Früchten, die auch im Winter dekorativ waren.
- Zwischen diesen beiden Gärten lag ursprünglich ein kleiner dritter, wahrscheinlich als ein "Giardino segreto" geplant, den Odoardo Farnese mit Rosen bepflanzen ließ (heute Kamelien).
Hinter den Parterreanlagen befand sich der Park, der sich heute als ein verwilderter Wald darbietet und der die einst bestehende Verbindung zum auf der Höhe liegenden Kasino völlig auflöst. Einst war dieses vom Kardinal für sich als Rückzugsgebäude gedacht gewesen. Nach der mehrere km entfernten Jagdhütte (1569) errichtete man 1573 (Todesjahr Vignolas) zunächst ein kleines Gebäude 400 m hinter dem Sommergarten in einem Steineichen- und Zypressenhain. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer selbständigen architektonischen Einheit mit wunderschönen Räumen in einer Abfolge von Terrassen.
- Durch einen hohen Bestand alter Bäume erreicht man einen quadratischen Rasenplatz mit einem runden Wasserbecken.
- Zwischen zwei Seitenmauern, entlang an einer mittleren Wasserkaskade (catena d'aqua) führen breite Treppen nach oben.
- Oberhalb der Treppe empfängt einen zunächst ein ovaler Gartenraum mit einem muschelförmigen Becken. Das dafür vorgesehene Wasser fließt aus einem steinernen Kelch, der an beiden Seiten von je einem riesigen Flussgott flankiert wird.
- Über zwei Rampentreppen erreicht man endgültig das Gartenparterre, das von einer halbhohen Mauer umgeben ist, die als Sitzbank dient. Auf ihr stehen 28 vasentragende Hermen als Gartengötter.
- Neben dem Palazzino steigt man auf breiten, mit Wasserkaskaden gesäumten Treppen zur hinter dem Gebäude gelegenen Terrasse. Das Wasser mündet dort in eine muschelförmige Schale und fließt in ein rundes Becken weiter, das von einem schönen achteckigen Kieselmosaik umgeben ist.
- Ein leicht ansteigender Weg führt weiter zu vier übermannsgroßen Steinmonumenten in Form einer Exedra, die die vorherigen Terrassen zum Waldhintergrund abgrenzen.
Im Gegensatz zum Palast fehlt diesem Gartenteil jede Symbolik. Im Schloss gibt es viele Götter, hier keine.
1573 war die Raumfolge weitgehend fertiggestellt gewesen. 1583 erfolgte dann der Umbau des Gebäudebereichs zu einem "Speisesaal im Freien" und danach durch Giacomo del Duca zu einem festen Sommerhaus (wahrscheinlich noch nach einer Planung Vignolas), indem man nun im Schutz einer Loggia essen konnte (Fertigstellung 1584 - 1586).
In dieser Anlage sollte eine domestizierte Natur innerhalb einer unberührten Natur vorgeführt werden, d.h. eine architektonische Anlage mit ihrem gestalteten Schmuck innerhalb einer (sorgfältig ausgewählten) Vegetation. Das hier zum Ausdruck gebrachte Raumgefühl ging bereits über die rationalen Raumentwürfe der 2. Hälfte des 16. Jhs. hinaus und kündete den kommenden Barockgarten an.
(Seit 1948 ist die Villa Farnese in Caprarola die Sommerresidenz des italienischen Staatspräsidenten).
Die "Villa Lante"
Der Garten der Villa Lante wird oft als der "vollkommenste", "harmonischste" der Welt beschrieben (gemeint Europas). Als Gründe dafür werden seine Harmonie zwischen seinen Elementen und seine intime Atmosphäre angegeben. Ursprünglich ging er aus einem ummauerten Jagdgehege hervor.
Für die Schöpfung durch Vignola gibt es keine eindeutigen Beweise. Sie gilt aber als gesichert. Es sprechen dafür
- seine anderen Arbeiten für den Kardinal Gambara in Viterbo,
- die Freundschaft zwischen dem auftraggebenden Kardinal und dem Kardinal Alessandro Farnese (die Villa Lante enthält mehrere Verweise auf ihn, evtl. aus Dankbarkeit); (1568 schrieb Farnese in einem Brief an Gambara bezüglich dessen Baupläne: " … da Vignola Euer Hochgeboren schon dort besucht hat, um Eure Anordnungen anzuhören …").
- viele Ähnlichkeiten der Villa Gambara mit der "Villa del Giardino" des Herzogs von Parma (entworfen 1561): würfelförmige, verglaste Loggia im Erdgeschoss, Rhythmik der Fassade, Aufbau des Daches - so auch das Gartenhaus von Caprarola.
- Ähnlichkeiten zwischen dem Jagdkasino von Caprarola (nicht zu verwechseln mit dem dortigen Casino) und der Villa Lante,
- viele Ähnlichkeiten mit dem Garten der Orti Farnesiani und dem von Caprarola: u.a. der Umgang mit der Perspektive und die Führung der Hauptachse durch ein "zweigeteiltes" Gebäude,
- die Art seines Fassadenumgangs,
- seine Neigung zum Eklektizismus.
(Heute geht man davon aus, dass die wesentlichen Gestaltungsgedanken von Vignola kamen und später deren Ausführung, besonders im Wasserbereich, von Ghinucci übernommen wurden).
Städtebaulich hatte bereits vorher Tommaso Ghinucci (Priester aus Siena) im Rahmen eines Straßenplans für eine Stadterweiterung von Bagnaia wichtige Vorgaben geleistet. Dieser Ausgangsplan wurde von Vignola aufgegriffen und führte nun in dem seinen von der Piazza von Bagnaia (zentraler Ortsplatz) über die
- "Via Palla Corda" zum Eingang des Gartens, die in der Verlängerung seinen formalen von seinem "wilden" Teil trennte,
- mittlere Straße zum Hauptportal. Sie bildete in der Verlängerung seine Gartenachse.
- "Via die Condotti" entlang der Ostgrenze des Gartens zur Straße nach Caprarola.
Die gesamte Anlage besteht aus
- zwei spiegelsymmetrisch gestalteten Pavillons, zwischen denen die Hauptachse vom unteren Parterre hoch zum Sintflutbrunnen führt,
- einem formalen Gartenteil, in dem mit Hilfe von fünf Terrassen ein Höhenunterschied von 15 m in einer Abfolge von Quadraten und Halbkreisen überwunden wird.
Der Garten ist voller Bezüge zur Antike: So z.B.
- die Brunneninsel zur Villa Hadriana,
- die Volieren neben dem Musentempel zum Vogelhaus des Varro
und zu Bramantes Belvederehof: So z.B.
- die Terrassierung entlang der Mittelachse,
- das konkav-konvexe Treppensystem,
- der Gedanke des Flüssebrunnens.
- dem "boschetto", dem Wald- und Obstgarten. Er steht für das Goldene Zeitalter und die Gaben der Natur. Die ehemaligen Brunnen dieses Teils, die einst auf dieses Zeitalter verwiesen, sind bis auf den Pegasusbrunnen heute nicht mehr erhalten.
Von oben aus gesehen baut sich der Garten in folgender Abfolge auf:
- Terrasse:
Hier beginnt die Zentralachse des Gartens mit der Sintflutgrotte, die für das Ende der Sintflut steht. Eingefasst wird sie von den beiden "Pavillons der Musen" (in denen überraschte Besucher mit dem Wasser der "Sintflut" nassgespritzt werden können (ihre Fassaden sind mit Krebsdarstellungen geschmückt, dem Wappentier des Kardinals).
Von dort sammelt sich das Wasser in einem achteckigen Delphinbrunnen, um auf der
- Terrasse:
durch den Kettenbrunnenn der Krebse, eine Wassertreppe herabzulaufen.
- Terrasse:
Hier sammelt sich das Wasser zunächst in einem "Brunnen der Giganten", einem eingefassten Rundbecken mit den Flussgöttern Tiber und Arno. Es folgt der "Steinerne Tisch", dessen Durchflussrinne einst auch zum Kühlen der Getränke benutzt werden konnte. Auf der
- Terrasse:
durchfloss das Wasser den "Brunnen der kleinen Lampen" mit einer Vielzahl kleiner Fontänen (Er wurde von seinen Zeitgenossen als einer der schönsten in Europa angesehen!). Er erinnert an die "Allee der 100 Fontänen" von Tivoli. Zwischen den beiden Palazzi befindet sich dann der Abstieg zur
- Terrasse:
Hier endet das Wasser im "Brunnen der Mauren", in dem vier Knabenfiguren das Wappen des Kardinals Montalto (= Berge) hochhalten und aus dessen Sternspitzen sich ein zarter Wasserschleier über die Figuren legte. Sie stellt das Hauptparterre des Gartens dar. Insgesamt ist es in 16 gleich große Quadrate aufgeteilt: 12 äußere, eingefasst mit Buxus (früher mit einfachen Flechtzäunen und bepflanzt mit Blumen) und 4 mittlere Fischteiche mit je einem kleinen Boot und dem Mohrenbrunnen in ihrer Mitte.
Das Wasser ist in diesem Garten in allen seinen Erscheinungsformen dargestellt, von der rauschenden Kaskade bis zur stillen ruhigen Fläche. Es war in Becken eingefasst und von Statuen umgeben.
Eingerahmt wurde dieser Garten von einem Waldteil, der seine einst unterstützende Wirkung für den Architekturteil durch dessen eigenen Gehölzwuchs heute nicht mehr besitzt. In diesem "Bosco" gab es früher verschiedene Wasserspiele, 1 Labyrinth und 1 Pergola (von all dem ist heute nur noch der Pegasusbrunnen übrig geblieben.
Ikonographisch stellt der ganze Garten den Entwicklungsgang vom "Goldenen Zeitalter" zur Zivilisation dar, den Weg von einer unkultivierten Natur zum Triumph der Kunst, einen Lobgesang auf die menschliche Kultur. Er steht für eine Welt der Proportionen, in die sich alle Details harmonisch einfügen. Zugleich ist auch der "Sündenfall" sein Thema (der Kardinal Gambara war lange Zeit beim Vatikan für die Inquisition tätig, indem er für diese die Literatur nach ketzerischen Inhalten durchsuchte). Das Programm für diesen Garten wurde von Fulvio Orsini entworfen (Bibliothekar von Alessandro Farnese). Die beiden "Pavillons der Musen" stehen z.B. für das "Goldene Zeitalter. Der Tropfregen in den Grotten z.B. evtl. für die Höhle auf dem Aigaion (Berg in Kreta), in der Rhea Zeus vor Kronos versteckt haben soll. Mit der Sintflut beginnt dann die Evolution hin zur Kultur. Auf der untersten Ebene hat dann der Mensch mit seiner Vernunft sein Ziel erreicht. Das Wasser begleitet dabei den Besucher auf seinem Initiationsweg von den Musengrotten durch die Quellen der Erinnerung hin zum "Lustgarten". Das Wasser stellt dabei zugleich das Dahinfließen der Zeit dar, die der Mensch nicht festzuhalten vermag.
Der gesamte Garten ist aufgebaut auf den Kontrasten Natur und Kultur, Hell und Dunkel, Unschuld und Sünde. Mit Hilfe der Musen, d.h. der Künste und Wissenschaften, ist der Mensch hier in der Lage, über seinen Intellekt seine Erlösung zu finden.
Das Besondere am Garten der Villa Lante ist dessen Vorrang vor der baulichen Architektur. Sein Wohnbereich ist ganz in den Garten eingeordnet. Er war ein Garten des "vollendeten Maßhaltens". Hier wurde in eine "Wildnis" ein gestaltetes Ganzes gesetzt. Hier begann die Ablösung des Gartens des Architekten durch den Garten des Bildhauers.
Mit dem Garten der Villa Lante erreichte die italienische Architektur durch Vignola einen ihrer Höhepunkte. Nichts in ihm ist zufällig. Alles strahlt die Rationalität seiner Zeit aus. Alle Elemente ordnen sich harmonisch in die Herrschaft des Menschen über die Natur ein, dem großen Ideal des Humanismus. Mit dieser Villa ist Vignola der große Entwurf einer italienischen Sommerresidenz gelungen. In seinen frühen Jahren gehörte er dem Manierismus an, in seinen späten strahlen seine Arbeiten eine sachlich-harmonische Ruhe aus. Sie sind nicht mehr auf eine bombastische Repräsentation ausgerichtet. Seine Werke stellen harmonische Struktursysteme dar, in die sich deren Einzelteile einzuordnen haben. Er "lügt" in seinen Formgebungen nicht. Besonders über seine Gärten versucht er auch den Raum perspektivisch zu beherrschen.
Quellen
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- Barth, Fritz "Die Villa Lante in Bagnaia", BD. 1, Stuttgart 2001
- Bazin, Germain "DuMont's Geschichte der Gartenkunst", Köln 1990
- Bredenkamp, Horst "Vicini Orsini und der Heilige Wald von Bomarzo", Worms 1991
- Chatfield, Judith "Die schönsten italienischen Gärten", Köln 1991
- Clifford, Derek "Gartenkunst", Reutlingen 1966
- Enge / Schroer u.a. "Gartenkunst in Europa", Köln 1990
- Gothein, Marie Luise "Geschichte der Gartenkunst", Jena 1926
- Listri, M. / Cunaccia, C. M. "Italienische Gärten", Neuhausen 1998
- Mader,, G. /Neubert-Mader, L. Italienische Gärten", Stuttgart 1989
- Mosser, M. / Teyssot, G. "Die Gartenkunst des Abendlandes", Stuttgart 1993
- Pizzoni, Filippo "Kunst und Geschichte des Gartens", Stuttgart 1999
- Ruggieri, Gianfranco "Villa Lante", Florenz 2001
- Russel, Vivian "Literarische Reise durch die Gärten Italiens", München 1999
- Saudan, M. / Saudan-Skira, S. "Zauber der Gartenwelt", Köln 1987
- Vercelloni, Virgilio "Historischer Gartenatlas", Stuttgart 1994
- Visentini, Margherita Azzi "Die italienische Villa", Stuttgart 1997