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Er sah (in der Nachfolge Mollets) die Gartengestaltung als eine Kunstdisziplin, die in ihren Raumfolgen ihre Elemente proportional harmonisch darstellte.
Über das Leben Boyceaus (genauer Name Jacques Boyceau de la Barauderie) weiß man relativ wenig, obwohl er ein wichtiger Vorgänger Le Nôtres gewesen war. Erst Boyceau hat für dessen Arbeiten die beiden entscheidenden Kriterien proklamiert:
- das Denken in Räumen, Raumfolgen und deren Öffnung,
- die harmonische Abfolge der sich darin befindenden verschiedenen Elemente.
Von ihm weiß man:
- um 1562
- geboren in Saint-Jean-d'Angély (oberhalb von Bordeaux) (Hugenotte, kam aus dem französischem Kleinadel), (Nachkomme der Gärtnerfamilie von Jacques Mollet (nach Uerschel / Kalusok)),
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- zunächst eine militärische Ausbildung, (über eine gärtnerische Ausbildung ist nichts bekannt),
- 1587
- Teilnahme an der Schlacht von Coutras auf der Hugenottenseite (die Heinrich von Navarra, der spätere König Heinrich IV. gewann),
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- mit dem Ausscheiden aus der Armee Ernennung zum "königlichen Kammerherrn" und "Gartenintendant des Königs". Er diente unter
- Heinrich IV. (1553 - 1610, ab 1589 König von Frankreich, ermordet),
- Ludwig XIII (1601 - 1643, ab 1610 König, Sohn von Heinrich IV.),
- 1610
- Gestaltung des Gartens von Jacques Nompar de Caumont im Périgord (franz. Marschall, machte sein Schloss zu einer Vergnügungsresidenz in der Dordogne, Südwesten Frankreichs), diese Arbeit begründete seine Anerkennung als Gartenarchitekt,
- um 1620
- Arbeiten
- in Fontainebleau,
- im Jardin des Tuilleries,
- im Jardin du Luxembourg
(für Maria de Medici (1575 - 1642, 1600 Heirat mit Heinrich IV.): Sie förderte den italienischen Einfluss auf die französische Kultur. Besonders durch sie wurde dort die Kunst zu einem Ausdruck der Machtdarstellung. 1612 - Beginn der Bauarbeiten, von 1625 - 1631 wohnte sie in ihrem Palais; danach Reisen im Exil; 1642 verstarb sie verarmt in Köln),
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- Entwurf des "Petit Parc" von Versailles für Heinrich XIII. (dem Vorläuferschloss des heutigen Schlosses, Boyceau legte damit die Grundstrukturen für den späteren Großpark fest. Auf ihn gehen die Voraussetzungen für die nachfolgende proportionale Abstimmung seiner Elemente und die Möglichkeiten den bestehenden Gartenraum nach außen aufzureißen zurück. Le Nôtre hat seine Ansätze später fortgesetzt.
- um 1634
- Tod in Paris,
- 1638
- posthume Herausgabe seines Buches "Traité du jardinage selon les raisons de la nature et du l'art" (in der Regel nur kurz "Traité du Jardinage" genannt).
Boyceau hat unter zwei Königen gedient und galt als der bedeutendste Parterrezeichner seiner Zeit. Am Hof herrschte damals eine Mode der Blumenarabesken (Blatt- und Rankenornamen-te), die auch auf den Garten übertragen wurde. Für die Sticker hatte man zuvor für ihre Vorlagen ganze Pflanzensammlungen zusammengestellt und übertrug sie jetzt - oft als Vorlagengeber und Sticker in der gleichen Person - als Muster auch auf die Parterres. Boyceau entwickelte die Konzepte Mollets weiter und fertigte Parterreentwürfe für
- Saint-Germain
(Lieblingsgarten Heinrich IV., Boyceaus Entwürfe führten über mehrere Terrassen bis zur Seine),
- den Tuileriengarten
(Die Parterres wurden noch lange nach seinem Tod bewundert),
- den Jardin du Luxembourg
(Hier ganz ohne Blumen; nur mit ;Mustern aus Buchs: Die Blumen standen in einem besonderen Garten.
Maria de Medici wollte sich mit dem "Jardin du Luxembourg" einen Garten schaffen, der sie an ihre Heimat Florenz erinnerte. Sie nahm sich deshalb dafür den dortigen Boboli-Garten zum Vorbild. Die verschiedenen Geländevorgaben erlaubten aber nur begrenzt eine Kopie (Florenz bergig, Paris flach). Anstelle des Florentiner Rasenstücks hinter dem Schloss, dem sogenannten Amphitheater, wurde hier in Paris ein großes Parterre angelegt (als abgesenkte, quadratische Fläche mit einer Seitenlänge von mehr als 160 m). Es bestand aus einem
- viergeteilten Innenquadrat mit einer zentralen, großen, achteckigen Brunnenanlage (im Stich runden),
- breiten Außenrahmen, beherrscht von diagonalen Wegen in den Ecken und mittleren, großen Kreisbeeten mit dem Monogramm der Königin.
- Am Ende befand sich eine halbkreisförmigen Beetanlage in der Breite des Innenquadrats.
Die ganze Anlage war mit einem überfeinen, rhythmischen Stickmuster aus Buchs um eine Mittelachse überzogen. Sie galt in ihrer Zeit als der Höhepunkt der französischen Parterrekunst. Seine Hauptaufgabe war es, die Wirkung des dazu gehörenden Gebäudes herauszustreichen.
"Die Parterres sind der flache Schmuck der Gärten. Sie sind sehr anmutig, besonders wenn man sie von erhöhtem Standort sieht. Sie bestehen aus Bordüren von verschiedenfarbigen und unterschiedlich gestutzten Sträuchern und Halbsträuchern, aus Kompartimenten, Blattwerk, Tressen (Borten), Moresken (maurische Ornamente aus stilisierten Blättern und Blüten), Arabesken, Grotesken, Gitterwerk, Rosetten, Glorien (Ehrsymbole), Wappenschilden, Monogrammen und Devisen (Wahlsprüche). Oder aber aus Beeten in Gestalt vollkommener Formen oder ähnlicher, in welche man kostbare Pflanzen, Blumen und Kräuter nach Ordnung pflanzt, wobei dichte Wiesen von einer oder mehreren Farben entstehen wie Teppiche. Man streut auch in die Wege oder in das leere Feld verschiedenfarbige Sande, die sich dort gut ausnehmen" (Boyceau nach Wimmer).
(Wichtig bei diesen Parterres ist es zu wissen, dass sie, anders als in Deutschland, nicht begangen, sondern nur von außen betrachtet wurden. Als Bewegungs-Bereich dienten dort die Bosketts. Deshalb ist es falsch, die französischen Musterentwürfe als verbindliche Vorbilder für die anderen europäischen Gärten, besonders die deutschen, anzusehen. Hier waren die Lebensgewohnheiten anders. Hier wurden die Parterres von ihren Inhabern begehend erlebt. Das hatte zur Folge, dass sie zwangsläufig auch anders angelegt sein mussten. Sie waren anders, nicht weil man konservativer war, verstärkt am Alten festhielt, sondern weil man in ihnen anders lebte. Man nahm die französischen Vorlagen zur Kenntnis, studierte auch deren Besonderheiten, formte dann aber nach seinen persönlichen Lebensgewohnheiten etwas völlig Eigenes).
- Versailles
(das Jagdschloss Ludwig XIII.): Ludwig XIV. liebte es, schonte alle Vorgaben seines Vaters weitestmöglich und machte es später zum Mittelpunkt seiner Residenz. Man erreichte die große Parterreterrasse über eine Zugbrücke. Boyceau entwarf für das Schloss auch das "Parterre des fleurs" oberhalb der Orangerie. Selbst nach der ersten Schlosserweiterung hatte man es bestehen lassen und vom restlichen Schlossgarten nur durch ein Holzgitter getrennt.
Neben Mollet hat Boyceau entscheidend zur Vereinheitlichung des Parterres beigetragen. Er kannte bereits alle seine Arten, hielt sich aber noch weitgehend an deren traditionellen Rahmen (Unterteilung eines Quadrats oder Rechtecks in vier gleich große Flächen. Im Stich von Perelle vom "Jardin du Luxembourg" (Zustand um 1640) sieht man, dass er aber die Vierfelderaufteilung in Ansätzen bereits überwunden hatte. Erst durch Le Nôtre wurden dann auch diese Vorgaben noch weiter aufgebrochen). Seine Muster bestanden aus AQrabesken, fließenden Formen. Darüber hinaus trug er in Frankreich entscheidend dazu bei, die Gartengestaltung aus dem Bereich des Handwerklichen in den des Kunstbereichs zu heben. Orientiert an der damaligen Architekturausbildung, forderte er auch für die zukünftigen Gartenkünstler eine solide Ausbildung in den Künsten, der Mathematik und besonders der Perspektive. Für ihn war die Gartenkunst eine raumkünstlerische Disziplin. Le Nôtre war sein bedeutendster Schüler, der aus diesem Programm hervorgegangen ist.
In seinen letzten Lebensjahren fasste Boyceau seine Erfahrungen in seinem Buch "Traité du jardinage" zusammen, das erst posthum (1638), vier Jahre nach seinem Tod erschien. Es war eines der ersten Bücher über die Gartengestaltung in Frankreich und bestand aus 87 Seiten, war in drei Bücher aufgeteilt und Ludwig XIII. gewidmet gewesen. Nach seinem Erscheinen erreichte es noch fünf Folgeauflagen. Wichtige Themen seines Inhalts sind:
- 1. Buch, 13. Kap.:
Anforderungen an einen Gärtner "Ebenso wie wir für unseren Garten junge Bäume mit aufrechtem Stamm, von gutem Wuchs, allseits von Wurzeln gut gestützt und von guter Rasse, auswählen, so nehmen wir auch einen jungen Burschen von gutem Charakter und gutem Verstand, den Sohn eines guten Arbeiters, der nicht schwächlich ist, sondern erwarten lässt, dass er mit dem Alter starke Körperkräfte entwickelt. Während wir diese Kraft abwarten, wollen wir ihn lesen und schreiben lehren, zeichnen und entwerfen. Denn von der Zeichnung hängen Kenntnis und Beurteilung der schönen Dinge ab, und sie ist die Grundlage der Mechanik. Ich verlange nicht, dass er es bis zum Maler oder Bildhauer bringt, aber dass er sich grundsätzlich mit den Teilbereichen beschäftigt, die seine Kunst betreffen, wie mit Kompartimenten, Blattwerk, Moresken und Arabesken usw., aus denen gewöhnlich die Parterres bestehen". (Boyceau nach Wimmer).
- 3. Buch, 4. Kap.:
Alleen (aus Bäumen ohne verwertbare Früchte),
- 5. Kap.:
Parterres,
- 6. Kap.:
Anforderungen an einen Lustgarten in
- seiner Oberflächengestaltung,
- seinen Elementen,
- seiner Vielfalt,
- 7. Kap.:
Wasserflächen,
- 8. Kap.:
Beete und Gitterwerk,
- 9. Kap.:
Fontänen,
- 12. Kap.:
Volieren,
- 13. Kap.:
Inhaber der Lustgärten (in Abgrenzung zu den Gärten der weniger begüterten Inhaber: "Wir aber wollen Gärten machen, die zugleich Vergnügen und Nutzen bringen. Sie sind nicht Leuten niedrigen Standes angemessen, sondern nur Fürsten, Edelleuten und Geldadligen. Denn schöne Gärten sind aufwendig herzustellen und zu unterhalten. ….. Ich meine, dass diese verschiedenen Teile, zusammen und gut geordnet, in ihrer Vielfalt eine größere Zierde sind als einzeln. Und doch fordere ich, dass man nicht vermischt und wirr durcheinanderwirft, sondern sie, die Harmonie oder Dissonanz der Sachen untereinander abschätzend, nähert oder entfernt und alle Bäume zu den Verschönerungen nimmt, zu denen sie geeignet sind und sich ihrer so bedient, wie es sich gebührt" (Boyceau nach Wimmer).
- 14. Kap.:
Lustgärten,
- 15. Kap.:
Nutzgärten.
Neben mehreren Parterreentwürfen zeigt er auch einige seiner Boskettvorstellungen. Dabei orientiert er sich in seiner Wortwahl an Raumvorstellungen, die er aus der Innenarchitektur entnimmt. In diesem Sinne beschreibt er Säle, Zimmer usw., Räume, die wir heute menschenleer, wie leere Zimmer oft als langweilig empfinden.
Für Boyceau iat ein Garten eine in sich geschlossene Einheit, in der in seiner Gestaltung nichts verändert werden darf, ohne dass sich nicht gleichzeitig das Ganze verändert. Alle Gartenteile hatten sich einem Gesamtkonzept zu unterwerfen. Er verlangte, dass bei deren Planung gewisse Grundregeln einzuhalten sind. Besonders wichtig sind ihm dabei die
- Symmetrie,
- Harmonie (Proportionsverhältnisse)
zwischen allen seinen Teilen "Denn die Natur beachtet das in ihren so vollkommenen Werken auch. Die Bäume zeigen in ihrem Wachstum oder an den Spitzen ihrer Zweige gleiche Proportionen, ihre Blätter sind auf beiden Seiten gleich, und die Blumen aus einem oder mehreren Teilen sind so harmonisch aufgebaut, dass wir nichts Besseres tun können als versuchen, dieser großen Meisterin nachzueifern" (Boyceau nach Wimmer). So ist die Breite der Wege ihrer Länge anzupassen und dann die Höhe der Alleebäume und der Hecken wiederum der Länge und Breite der Wege. So sollten
- bei einer Alleelänge von 600 - 800 m eine Alleebreite von ca. 12 - 15 m bestehen, d.h. ein Proportionsverhältnis von 1 : 50,
- bei einer Alleelänge von 60 m eine Alleebreite von 5 m; d.h. einem Proportionsverhältnis von 1 : 12.
- Vielfalt (Abwechslung, Variation)
"Es ermüdet mich außerordentlich, wenn ich alle Gärten nur in geraden Linien angelegt finde, die einen nur in Quadrate, die anderen in neun oder sechs, und niemals etwas anderes". Er versuchte dies mit Hilfe seiner geschwungenen Linien und Arabesken zu erreichen.
Das Parterre und das Buch von Boyceau haben auf die nachfolgenden Gärten nicht nur in Frankreich einen großen Einfluss gehabt. So wurde z.B. in Deutschland der Garten von Salzdahlum (bei Wolfenbüttel) in seiner Grundkonzeption einst entscheidend von ihm beeinflusst).
Quellen
- Clifford, Derek "Gartenkunst", Reutlingen 1966
- Gothein, Marie Luise "Geschichte der Gartenkunst", Jena 1926
- Hansmann, Wilfried "Gartenkunst der Renaissance und des Barocks", Köln 1983
- Hansmann, Wilfried / Walter, Kerstin "Die Geschichte der Gärten", Köln 2006
- Laird, Mark "Der formale Garten", Stuttgart 1994
- Mader, Günter "Geschichte der Gartenkunst", Stuttgart 2006
- Thacker, Christopher "Die Geschichte der Gärten", Zürich 1979
- Uerscheln, G. / Kalusok, M. "Kleines Wörterbuch der europäischen Gartenkunst", Stuttgart 2001
Wimmer. Clemens, Alexander "Geschichte der Gartentheorie", Darmstadt 1989
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