30. Joseph Furttenbach (1591 - 1667) | ||||
Er sprach der Gartenkunst in Deutschland als erster eine gleichrangige Bedeutung wie der Architektur zu und leitete hier dadurch ihre Entwicklung zu einer eignen Kunstdisziplin ein. Furttenbachs große Bedeutung für die deutsche Gartenkunst ist unstrittig. Verschiedene Meinungen bestehen nur über deren Stellenwert auf dem Weg zum deutschen Barockgaren. "Furttenbachs großes Verdienst ist es, die Entwicklung des deutschen Barockgartens als eine selbständige und unabhängige ins Rollen gebracht zu haben …. Es ist sehr fraglich, ob ohne den festen Grund, den Furttenbach gelegt hatte, diese Selbständigkeit in der Entwicklung des deutschen Barockgartens bewahrt worden wäre ….. Die große Blüte der deutschen Gartenkunst gründet auf seiner Leistung ….." (Senta Dietzel, 1928). "Er hielt an alten Formen fest, die er freilich im Einzelnen gelegentlich mit neuen Stilgedanken unbewusst durchsetzte, doch an der großen Entwicklung der barocken Gartengestaltung hat er keinen unmittelbaren Anteil" (M. Berthold, 1952). "Es ist sicher übertrieben zu sagen, Furttenbach habe die Entwicklung des deutschen Barockgartens ins Rollen gebracht. Er hat aber daran mitgewirkt, mehr mittelbar als unmittelbar, vorwiegend als Theoretiker, doch keineswegs ohne Einfluss" (D. Hennebo, 1965). "Wenn Furttenbach in seinen Schriften Bauwerk und Garten, Architektur und Gartenarchitektur als gleichwertige Partner behandelte, so war das ein bedeutsamer Schritt auf dem Wege zu ihrer Vereinigung und endlich zu ihrer Verschmelzung im barocken Gesamtkunstwerk" (D. Hennebo, 1965). Aus Furttenbachs Leben wissen wir:
Furttenbachs Werk ist ganz von den in Italien gewonnenen Eindrücken durchdrungen. Er formte sie für die deutschen Verhältnisse um und schuf so direkt nach dem 30-jährigen Krieg für die Bevölkerung eine erste Orientierungsgrundlage. Auf relativ einfachen Vorlagen erarbeitete er für alle Bevölkerungsstände, vom Bürger bis zum Fürsten, ein einheitliches Konzept für den Wiederaufbau, der dann in den vielen Barockanlagen später seinen Höhepunkt erreichte. (Wie nah es noch von den Schrecken des vorangegangenen Krieges geprägt war, zeigt der Umstand, dass fast alle seine Anlagen noch festungsartige Begrenzungen haben). Er schuf keine neuen Stilrichtungen oder ikonographischen Programme. Er gab einfach praktische Ratschläge und entwarf bequeme Grundrisse und Raumfolgen. Wichtig war ihm allein deren funktionale Nutzung. Dabei legte er keinen Wert auf irgendwelche architekturtheoretischen Systeme oder die Säulenordnung. Im Rahmen seiner städtebaulichen Aufgaben schuf er in diesem Geist auch sozialorientierte Entwürfe für Kirchen, Rathäuser, Schulen, Kasernen, Gefängnisse, Krankenhäuser und im Grünbereich einen baumbestandenen Kirchplatz, einen Krankenhausgarten und einen Stadtpark ("holdseliges Wäldlein"). Er sieht als einer der ersten die Stadt als ein bürgerliches Gemeinwesen. Auf die Gartenkunst als solche geht Furttenbach nirgends direkt ein. Seine Gedanken über sie müssen aus seinen Beschreibungen abgeleitet werden. Aus der Fülle seiner Bücher enthalten gartentheoretische Inhalte:
(durch den Garten "zuvorderst den allein weisen Gott, als den Schöpfer aller Dinge / wie herrlich und zierlich er diese Gewächs bekleydet und ornirt, lernet erkennen / der Mensch hierbey zum eyfrigen Gebett angereizt wird / beneben seines vergänglichen Lebens sich zu erinnern hat"),
um zu ruhen, spazieren zu gehen und zum Spiel.
Seine Gärten haben in der Regel eine unmittelbare Beziehung zum Gebäude und bauen sich bei einer entsprechenden Größe nach italienischem Vorbild aus Blumengarten (Parterre), Nutzgarten (Obstgarten, Bosco) und Tiergarten (Selvatico) auf. Sie haben aber noch keine Beziehung zur umliegenden Landschaft (da hier nicht als Terrassengärten geplant, sondern für ein ebenes Gelände vorgesehen; auch wegen ihres befestigten Charakters oft schwer umsetzbar). Er bevorzugte bereits die Längsausdehnung, indem er den Blumengarten durch den Baumgarten und Tiergarten nach hinten ergänzte (gegenüber der bisher bevorzugten quadratischen Form) und legte ihr eine Längsachse zugrunde, die er aber immer wieder durchbrach. Dadurch betonte er an Stelle der demonstrativen Pracht die individuelle Intimität eines Gartens. Erst dadurch wurden seine Gärten zu Gärten der Studien, der Erholung und des Spiels. Er beeinflusste damit den ihm nachfolgenden deutschen Barockgarten zu seiner größeren Bürgernähe und damit zu seiner größeren Vielfalt als die Gärten in anderen Ländern. Alle seine Gärten bauten auf einem Wegekreuz auf und damit auf einer Viereranordnung der Pflanzfelder mit einem Brunnen als Mittelpunkt. Die einzelnen Gartenabschnitte waren noch nicht einem Gesamtplan untergeordnet (wie für den Barockgarten kennzeichnend), sondern waren durch Galerien, Laubengänge oder Wasserläufen voneinander getrennt. Ein Hauptweg bildete zwar eine Symmetrieachse, aber verschiedene gleichrangige Elemente machten den Garten als Ganzes zu einem addierten Erlebnisbereich. Insgesamt stellte Furttenbach neun verschiedene Gärten ausführlich vor:
(aufgerundete Größen nach ihren bemaßten Grundflächen; nach Wimmer)
Zur "Architectura Civilis" (1628) Das Buch gilt als die Beschreibung einer "Friedensarchitektur" im 30-jährigen Krieg. Es ist stark von Furttenbachs Italieneindrücken beeinflusst. In Kurzform stellt er hier eine Gebäudetypologie vor: Beginnend mit einem fürstlichen Palast (orientiert am Palazzo Pitti in Florenz), danach Gebäude für adlige Personen und endend mit Gebäuden für Privatpersonen. Sein Herrschergarten besitzt neben dem Lustgarten auch einen Tiergarten. Den Grottenbereich stellt er allein mit sieben Tafeln vor (Fassade, Grundriss, Querschnitt, Ornament- und Rosettendetails). Danach geht er auf den Kirchen-, Kloster- und Krankenhausbau ein und endet mit dem Entwurf eines Friedhofs. Der Schwerpunkt dieses Werks liegt beim Palastbau mit seinem Garten und Grotten und beim bürgerlichen Wohnbau. Der Garten dient für den Fürsten als Ausgleich nach seiner schweren Arbeit und zur Vertreibung trauriger Gedanken. Für Furttenbach ist der Gartengenuss eine wichtige Existenzform. So schreibt er hier über den fürstlichen Lustgarten: "Das sind 4. von Buchß modulierte Außthailungen zum Gartenwerk / welche samentlich von allerhand schön Blumenwerck besetzt / und solcher gestalt geordnet / daß stätigs etwas newes sich sehen läßt: Wie dann hierinnen der vernünftige Gärtner Lob und Ruhm zu haben desiderirt, dem Herrn und Frawenzimmer fürnemlich in disem wolgefälliges genügen zu schöffen. Jede dergleichen außthailung ist 53 Palmi (Genueser Palmo = 25 cm) in der Vierung groß / an den Ecken derselblen / und auf Postumenter stehn 16. von Metall gegossene / und künstlich gearbeite Statuae, welche nit allein den Garten helffen zieren / sondern sie verurschen auch andere der Kunst angenehme gedanken / damit wirdt das Gemüth erfrewet / und die Zeit kurzt geachtet".
Hugo Koch schreibt 1910 über die "A. Civilis": "Es ist dieses wohl erste architektonische Werk in Deutschland, welches der Gartenkunst ein besonderes Kapitel widmet und damit den Einfluss, den nunmehr die Architektur und die Architekten auf den Gartenbau gewinnen, treffend kennzeichnet".
In diesem Buch stellt er u.a. seinen Idealgarten vor, in den er der "Ordnung der Kunst" die "Unordnung der Natur" gegenüberstellt. Die gestalterische Spannung in diesem Garten entstand durch die Gegenüberstellung von Formalem und Nichtformalem. Zur "Architectura Recreationes" (1640) Dieses Buch kann als ein Buch der "Friedenssehnsucht" und eine Architekturbeschreibung des Wiederaufbaus, der Lust und der Erholung gelesen werden und wendet sich besonders der Gartenkunst zu. Fast alle seine Gartenabbildungen sind hier enthalten. Er orientierte sich bei ihrer Anlage nach dem sozialen Stand ihrer Besitzer (er sagte aus Kostengründen). Die Gärten sollten nach Möglichkeit im Süden des Hauses gelegen und vor Winden geschützt sein. Ihr schematisches Aufbauprinzip ist: Parterre
(= Blumenparterre oder Lustgarten direkt am Haus. Es kann bei geringen Platzverhältnissen den ganzen Garten ausmachen), Bosco (bestehend aus Küchen-, Obst- und Pomeranzengarten), Selvatico (bestehend aus dem Tiergarten; dem Adel vorbehalten). Der Blumengarten bestand fast immer aus vier bretter- oder buchsgefassten Beeten, die durch ein Wegekreuz entstanden waren. In ihrer Mitte stand ein Schalenbrunnen. In der Regel waren die Beete auf drei Seiten von einem Laubengang umgeben. Zum Haus hin wurde der Garten durch eine Balustrade abgegrenzt, deren Pfeiler mit Pflanzgefäßen geschmückt waren.
Größere Gärten hatten daneben, in der Verlängerung der Hausflügel auf einer Seite einen Fischteich und auf der anderen Volieren (schmale Vogelhäuser). Der Küchen- und Obstgarten war bis auf einen einfachen Brunnen schmucklos. Die Gemüsebeete lagen der leichteren Nutzung wegen an der Hauptachse und wurden von den Obstbäumen eingerahmt. Im Obstgarten konnte sich ein Vogelherd zum Fangen von Vögeln befinden. Das Ende dieses Gartenteils schloss der Pomeranzengarten vor einer Südmauer ab.
Nach der sozialen Zugehörigkeit der Besitzer unterschied Furttenbach den Bürgerlichen Lustgarten: Er war von einem Wassergraben und einer geschnittenen Hecke umgeben. In den Graben reichten Bastionen hinein, auf denen Baumlauben standen. Das dazu gehörende Gartenhaus war dreiflügelig und einstöckig. In seinem Hauptflügel befand sich der Sommersaal und darüber ein Taubenschlag. Zwischen diesem Gebäude und dem Parterre war ein breiter Vorplatz. Das Rückgrat dieses Gartens bildete eine Mittelachse, die vom vorderen Eingang durch den Sommersaal und die brunnenbetonten Hauptwege zum hinteren Gartentor führte. Um sie ordneten sich symmetrisch die einzelnen Gartenelemente.
Lustgarten für den niederen Adel: Seine Befestigungsanlagen waren umfangreicher. Nach hinten wurde der Garten durch eine Mauer abgeschlossen, in deren Mitte sich ein Grottenbau befand. Hinter dieser Mauer war das "Garten-Palästlin" (Casino), in das man sich zurückziehen konnte. Den Gartenabschluss bildete ein Tiergarten, der vom restlichen Garten durch einen Graben getrennt war (wie auch in Italien üblich, in Deutschland aber selten, behandelte er ihn als Teil der Gesamtanlage).
Freiherrlichen oder gräflichen Lustgarten: Seine Befestigungsanlagen waren noch umfassender (u.a. mit Wällen versehen und mit Kanonen bestückt!). Die Gartenabfolge folgte seinem Gartenschema. Der Garten bestand jetzt aus fünf Bereichen (Terminen):
Fürstlichen Lustgarten: Er ähnelte dem gräflichen Garten, nur dass er größer war. Hier befand sich im abschließenden Kanal eine Insel mit einer Kaninchenbehausung (das "Berglin" mit dem "leporarium"). (Auf den fürstlichen Lustgarten war Furttenbach auch in seinem "A. Civilis" eingegangen).
Zur "Architectura Privata" (1641) Dieses Buch zeigt am deutlichsten seine Denkweise. Hier beschreibt er sein eigenes Haus und den eigenen Garten in Ulm. Er war klein und an der Südseite des Hauses gelegen. Eine Hälfte (auch am Haus) war von Laubengängen umgeben. In diesen lag in einer Schmalseite mittig seine Muschelgrotte und hinter dieser ein Gartenhaus mit einem Speisesaal. In den unteren drei Geschossen befanden sich die Geschäfts- und Wohnräume, im Obergeschoss seine berühmte Kunst- und Modellsammlung (entsprechend den damaligen Wunderkammern). Eventuell war es der einzige Garten, den er selber angelegt hat (und der von seinem Bruder Abraham bepflanzt wurde). Es war der Garten eines Pflanzensammlers, eines Renaissancegelehrten (in der Nachfolge des italienischen Humanismus und seinen Bildungsansprüchen), der hier die Natur beobachten und auch hier der damaligen Hesperidenmode folgen konnte. Bevorzugt wurde in der Ausstattung und Bepflanzung das "Fremdartige - Kostbare". In der Bepflanzung waren dies
Wichtig war hier für seinen Besitzer, dass er aus dem Garten
Zum "Mannhaften Kunstspiegel" (1663)
(enhält auch Manuskripte seines Sohnes Joseph)
Hier sind u.a. enthalten:
Der Blumengarten liegt im Osten. Eine Galerie trennt ihn vom Grottengarten. Auf der Südseite befindet sich ein Casino. Auf der Nordseite liegt in einem Wäldchen der Vogelfang. Auf dem Dach der Grotte und der Galerie kann man spazieren gehen und hat einen schönen Überblick über den Garten.
Im Südgarten befinden sich die Nutzpflanzen: Gemüse, Kräuter und Obstbäume, außerdem Geflügelställe und Fischteiche. Der Obstgarten schließt mit einer großen Grotte ab.
Der Nordgarten besteht aus zwei laubengefassten Heckengärten, an deren Ecken Pavillons stehen. Der eine dieser Gärten ist als Irrgarten, der andere als "Haaggarten" mit einer Quincunx-Pflanzung gestaltet.
Im "Schul-Paradeiß-Gärtlin" nimmt Furttenbach bereits eine spätere Entwicklung vorweg. Der Garten sollte hier für die Schuljugend zur Erholung und zur Erziehung dienen. Aus dem Gelehrtengarten der Renaissance machte er einen Lehrgarten für Schüler. Allseitig von Mauern umgeben, hatte er in seiner Mitte einen achteckigen Raum, dessen vier Türen in je einen Gartenteil führten, in dessen Mitte wiederum ein Brunnen stand. Durch Darstellungen (z.B. Adam und Eva) und Schrifttafeln mit moralischen Hinweisen sollten die Erziehungsziele unterstützt werden.
Außer in den genannten Schriften geht er noch in folgenden Büchern auf Gärten ein: "A. Universalis" (1635): Hier beschäftigt er sich mit öffentlichen und halböffentlichen Gartenanlagen: z.B.:
- den Binnenhöfen eines Schulgebäudes als Küchen-, Obst- und Blumengarten, - zwei Krankenhausgärten, "Newes Statt (1650): - Grünanlagen um eine Kirche,
- Garten an einem Krankenhaus, - Garten für Waisenkinder, - Wäldchen um ein Platz für das Scheibenschießen. Furttenbach entwickelte für seine Gärten eine fast kanonische Ausstattung (verbindliche Gesetzmäßigkeit), die er begrenzt nach der sozialen Stellung der jeweiligen Auftraggeber variierte. Seine Gärten unterschieden sich weitgehend nur in ihrer Größe und Ausstattung. Das als zweckmäßig Anerkannte wurde nur im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten variiert. In seinen Gärten fand man häufig: Grotten (ursprünglich angeregt durch eine Grotte in Genua): Ihr Grundkonzept war:
- Die Wände und Decken waren aus Tuffstein, angereichert mit Muscheln, Schnecken und Korallen. - In den Grottenwänden befanden sich Nischen mit Figuren (in der Mitte der hinteren Wand z.B. Orpheus und daneben Satyrn, in den Seitenwänden Verkörperungen der vier Erdteile), - vor den Wänden ein Graben mit Fischen, - belebt wurden sie durch Wasserspiele (ohne dass die Besucher nass wurden). Gartenfiguren gab es nur in den Grotten, an den Brunnen und in den Gärten der höheren Stände. (Dort z.B. in der Umfassungsmauer und in den fürstlichen Gärten 16x in den Ecken der Blumenbeete).
Oft gab es in seinen Gärten auch kleine Rückzugsgebäude (Casinos) mit Übernachtungs-möglichkeiten. Furttenbach hatte seine Anregungsquellen weitgehend in Italien kennengelernt, besonders die Laubengänge, Galerien, Volieren und Grotten. Er kannte dort den Garten der Principe Doria in Genua und die der Medici, Farnese und Borghese in Rom. Er verband sie mit deutschen Traditionen und konnte hier deshalb als Vorbild dienen. Zu seinen Verdiensten gehört, dass er deutsche Interessen mit den bereits bestehenden Leistungen der italienischen Baukunst bekannt machte, die Architektur mit der Gartenarchitektur zu einer Einheit verband und sich als erster deutscher Autor intensiv mit dem gesamten Aufgabengebiet der Gartenkunst beschäftigte. Quellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Furttenbach (6.12.2013)
http://www.ub.tuwien.ac.at/publikationen/2010/08.html (6.12.2013) |