Er "war der bedeutendste deutsche Gartenkünstler im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts" (Hennebo). Seine Stärke war sein geniales Einfühlungsvermögen in die Möglichkeiten eines Geländes.
Welsch war in erster Linie Soldat, ein Ingenieurarchitekt für das Festungsbauwesen. Den Zivilbau und die Gartenkunst deckte er für seinen Dienstherrn Kurfürst Lothar Franz von Schönborn praktisch nur als Nebenaufgabe ab, weil er in dessen Umkreis zunächst als einziger dessen Gedanken und Wünsche zeichnerisch festhalten, weiterentwickeln und umsetzen konnte. Besonders zugute kam ihm dabei sein geschultes Auge für Geländegegebenheiten. Ein Ergebnis davon war eine stärkere Betonung von Querachsen als in Frankreich, die zu völlig neuen, eigenständigen Gestaltungslösungen führte. Diese war nicht das Ergebnis einer gewissen Rückständigkeit, einem Festhalten an konservativen Bindungen, weil es eine solche bereits während der Renaissance gegeben hat, sondern besonders in der Mainzer Favorite ein Ausdruck einer Weiterentwicklung, wie selbst französische Besucher eingestanden haben. Daneben war er für seinen Kurfürsten auch der "Maitre de Plaisir", der für ihn Festlichkeiten organisierte, Feuerwerke entwarf und hohe Gäste durch dessen Gärten führte.
Leider gibt es von Welsch heute kaum noch ein Bauwerk, keine Gartenanlage, selbst kaum noch Pläne oder Skizzen, so dass er inzwischen weitgehend vergessen ist. Über seine Biographie wissen wir:
- 1671
- geboren in Kronach
(Vater: Bamberger Feldwebel, Kaufmann, im kurfürstlichen Dienst),
- 1676
- Kindheit in Bamberg,
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- Besuch der Lateinschule,
- 1690 - 1692
- Studium an der Jesuitenschule
(zum Magisterabschluss fehlte 1 Jahr; starke Betonung der wichtigsten Fächer für das Befestigungsbauwesen Mathematik, Geometrie und Physik. Architekturlehrer war der fürstbischöfliche Festungsbaumeister Christein. Im technischen Bereich waren für einen bürgerlichen Offizier die Berufsaussichten am besten).
- 1692 - 1699
- Leutnant in einem sächsisch-gothaischen Kürassierregiment
(Erfahrungen als Frontoffizier und Ingenieur am Oberrhein, in Savoyen und Ungarn (Türkenkriege)),
- 1699
- Eintritt in den Dienst des Prinzen Johann Wilhelm von Sachsen-Gotha (den er seit 1693 kannte). Er lernte in dessen Gefolge große Teile Europas kennen:
- 1699 - 1700:
Ungarn, Wien, Gotha, Holland, Belgien, England, Frankreich
(In dieser Zeit war er besonders an dem Festungsbau zwischen Frankreich und den spanischen Niederlanden interessiert).
- 1700 (als Hauptmann):
Hannover, Celle, Berlin, Stockholm, Hamburg, Tallin, Breslau und mehrmals Wien,
- 1704
- in der schwedischen Armee,
- 1704
- Eintritt in den Mainzer Dienst als Major einer Infanteriekompanie zur Sicherung der dortigen Befestigungsanlagen
(mit dem Gehalt eines Hauptmanns; nach erfolgloser Bewerbung im fränkischen Kreis)
(Damit "beginnt dann recht eigentlich erst Mainz, sich zu dem künstlerischen Mittelpunkt eines Landes aufzuwerfen und seinen Einfluss in Bau- und Gartenkunst, im Zivil- und Militärwesen weithin geltend zu machen (K. Lohmeyer nach Hennebo),
- 1704/07
- hauptsächlicher Einsatz als Fachmann für Befestigungsfragen
(seine Festungsleistungen beruhten auf der gelungenen Ausnutzung des jeweiligen Außengeländes für Außenforts)
- 1704/05
- Entwurf der Reichsfestung Philippsburg (wurde nicht ausgeführt),
- 1705
- Eroberung von Drusenheim (Festung im Elsass), Ernennung zu ihrem Kommandanten, Befestigungsarbeiten,
- 1706
- Obristwachtmeister und Fürstbischöflich-Bambergischer Baudirektor
(damit u.a. auch zuständig für die Bauvorhaben des Kurfürsten in Gaibach, Seehof, Pommersfelden und Mainz)
- Ausbau der Landesfestungen von Forchheim und Kronach,
- 1707 bis 1724/25
- Ausbau der Landesfestung Erfurt
(Zitadelle auf dem Petersberg),
- 1712
- Direktor des Militärwesens im Kurstaat Mainz und des Fürstbistum Bamberg
(d.h.: die Aufsicht über 4 Festungen, über Kasernen, das Schanzwesen und Kompaniechef im Range eines Majors),
- 1714
- Abschluss der Planungen für die Festung Mainz,
- 1716
- Oberstleutnant;
- 1720
- Oberst,
- 1729 - (1730 ?)
- Generalmajor
(Chef der Mainzer Infanterie und eines eigenen Regiments mit ca. 2000 Mann; Befehlshaber von insgesamt ca. 5000 Mann; nach dem Oberkommandierenden der Gesamtstreitkräfte der ranghöchste Offizier im Kurstaat)
- 1734
- Intensivierung der Festungsarbeiten im Rahmen des polnischen Erbfolgekrieges.
Benennung eines Forts nach Welsch (als General und Militärbaumeister),
- 1707
- Entwurf des Mittelteils und des Gartens von Schloss Biebrich
(1709 - Bau der Orangerie von Biebrich),
- 1707
- Entwurf des Gartens und Beginn der Arbeiten an der Mainzer Favorite,
1711 - mit dem Entwurf für den Brunnen "chateau d'eau" sind die Planungen für diesen Garten abgeschlossen (danach beginnen die für Pommersfelden),
- 1708
- Heirat der wohlhabenden Witwe eines Kollegen
(Er erhielt dadurch sein Wohnhaus am Markt, in dem er bis zu seinem Tode lebte),
- 1710
- Entwurf der Orangerie von Schrattenhofen
- Entwurf des Hochaltars von Ellwangen,
- 1711
- Entwurf des Kurmainzer Statthalterpalastes in Erfurt,
- Gartenplan für Schloss Usingen (Taunus),
- 1713 - 1714
- Entwurf des Gartens und Marstalles von Pommersfelden,
- 1714
- Entwurf des Gartens für die Residenz in Würzburg (wird so nicht umgesetzt),
- 1715
- Entwurf des Gartens und der Orangerie von Gaibach,
- 1714
- auf Empfehlung des Kurfürsten vom Frühjahr bis Herbst in Wien tätig, Zusammenarbeit mit Lucas von Hildebrandt an Projekten des Reichsvizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn,
Erhebung in den Adelsstand (vier Jahre vor Hildebrandt), Ernennung zum Ritter (für die Befestigungen von Mainz) und zum kaiserlichen Obristleutnant und Direktor der kaiserlichen Festungen Kehl und Philippsburg,
- 1715
- Entwurf eines Gartenhauses in Neisse (Schlesien),
- 1716
- Errichtung der Pavillons in der Favorite,
- 1719
- Entwurf der Würzburger Residenz (mit Kurfürst Lothar Franz),
- Entwurf der Würzburger Domfassade (wird nicht ausgeführt),
- 1720
- Entwurf des Schlosses in Bruchsal (wird so nicht ausgeführt),
- 1720 - 1722
- Entwurf von Orangerie und Garten in Würzburg,
- 1721
- Entwurf von Orangerie und Garten in Fulda
- 1727
- Entwurf und Ausführung des Grabmals des Grafen Georg August von Nassau- Idstein (Stadtkirche von Idstein),
- 1729
- Ernennung zum Generalmajor,
- 1730
- Oberinspektor über alle staatlichen Bauwerke im Kurfürstentum Mainz,
- 1734
- Entwurf eines großen Befestigungsplans für Mainz,
- 1741
- Entwurf der Abteikirche von Amorbach,
- 1744
- Entwurf der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen (wird so nicht ausgeführt),
- 1745
- Tod (begraben hinter dem von ihm entworfenen Hochaltar (1739) von St. Quintin (Mainz)).
Im Alter große familiäre Belastungen:
- der älteste Sohn starb nach einem Pistolenduell,
- ein Schwiegersohn verriet im polnischen Erbfolgekrieg die Mainzer Befestigungsanlagen,
- eine Tochter war der Mittelpunkt des Mainzer Klatsches,
- eine andere wurde entführt.
Seine steile Karriere machte Welsch wegen
- seiner breiten Ausbildung (die sein Vater in ihren Ansätzen weitsichtig vorbereitet hatte),
- seiner höfischen Gewandtheit,
- seines Ehrgeizes (stark unterstützt von seiner Frau).
Die wichtigsten Bauwerke von Welsch im Zivilbereich waren:
- der Mittelbau von Schloss Biebrich (1707/08). Wahrscheinlich seine erste zivilarchitektonische Arbeit. Er griff dabei Gedanken der Kasseler Orangerie und von Wiener Bauten auf.
- der "Wambolter Hof" (1710) in Worms für einen Neffen des Kurfürsten Lothar Franz. Welsch orientierte sich hier stark an Wiener Vorbildern. Erhalten geblieben sind nur das Treppenhaus und die Toreinfahrt.
- die "Deutschordenskommende" (1710) in Frankfurt-Sachsenhausen. Welsch folgte hier beim Treppenhaus einem Entwurf für das Schloss Gaibach.
- der "Statthalterpalast" (1711) in Erfurt für den Schwager einer Schwester des Kurfürsten. Welsch war ab 1707 wegen seiner Festungsarbeiten häufig in Erfurt gewesen.
- das "Mainzer Zeughaus" (1738 - 1741). Heute Sitz des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz.
- die "Abteikirche" zu Amorbach (1741).
Neben diesen Arbeiten fertigte er auch Entwürfe für
- den Würzburger Dom,
- die fürstbischöfliche Residenz in Würzburg,
- das Bruchsaler Schloss,
- die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen,
die zwar nicht nach seinen Plänen ausgeführt wurden, aber bei deren Ausführung Gedanken von Welsch übernommen wurden.
Außerdem entwarf er noch
- Altäre: Wallfahrtskirche Ellwangen, Mainzer Kartause, St. Quintin in Mainz,
- das Grabmal des Grafen Georg August von Nassau-Idstein,
- Rahmen von Wappenkalendern für verschiedene Körperschaften.
Für den Gartenbereich hat er entworfen:
- den Schlossgarten und die Orangerie in Biebrich:
Die Pläne für die Orangerie stammten von 1707. Wie später in Gaibach sollte sie halbkreisförmig im hinteren Gartendrittel stehen. In ihrer Mitte öffnete sie sich für die Mittelachse (Der Gedanke stammte von Daniel Marot im Schloss Het Loo, 1685). Vom Garten und der Orangerie gibt es heute keine Pläne oder Ansichten mehr.
- das Belvedere in Schrattenhofen (1713 errichtet, 1737 abgebrochen):
Durch Aufrisse des Hauptmanns P. Th. Edel besitzt man davon Vorstellungen. Halbkreisförmig angeordnete Arkadenreihen öffneten sich zur Mitte und machten Platz für einen Brunnen. Über ihn konnte man in die Ferne blicken. Die Anlage soll der Biebricher Orangerie geähnelt haben. Die Bauleitung hatte Johann Christian von Lüttich, der später (ab 1719) nach dem gleichen Prinzip die Weikersheimer Orangerie errichtete (allerdings hier mit einem Reiterdenkmal des Bauherrn im Zentrum).
- die Mainzer Favorite (nach 1707 /08):
- den Garten von Pommersfelden (ab 1714),
- Die Gartenanlagen und die Orangerie von Fulda (ab 1721 ?):
1722 Grundsteinlegung und 1724 Eindachung der Orangerie. Letztere gilt als die reifste Schöpfung von Welsch und als eines der schönsten Barockbauten in Deutschland. Ihre schlichte Fassade beruht in ihrer Wirkung auf dem Spiel ihrer tragenden und ruhenden Teile. Ihr Mittelteil ragt nur wenig hervor. Das Gesamtgebäude wirkt sehr harmonisch. Früher gab es noch zwei zusätzliche Pavillons, die die Orangerie einrahmten und als Treibhäuser dienten. Vom Garten gibt es heute keine Pläne mehr.
Die Fuldaer Orangerie wies Ähnlichkeiten mit der der "Favorite" auf (als querstehendes Gebäude mit den beiden seitlichen Treibhäusern). Über den Garten weiß man wenig. Ein zweiter erstreckte sich dazu im rechten Winkel auf der Ostseite des Schlosses. Zwischen der Orangerie und dem Schloss gab es eine Vielzahl von Skulpturen.
Die beiden herausragenden Gärten von Welsch waren die Mainzer Favorite und der Garten von Pommersfelden.
Mainzer Favorite
Von der Mainzer Favorite gibt es heute weder vom Schloss noch vom Garten irgendwelche Spuren. 1793 wurden beide von französischen Truppen zerstört. Jetzt führt eine Bahnlinie durch das Gelände, und ein Teil gehört zum Stadtpark der südlichen Altstadt. Einst bildete sie aber einen der herausragenden deutschen Gärten. Monsieur Voyer d'Argenson (der spätere französische Kriegsminister, Freund Voltaires) sagte von ihr 1724, dass man selbst in Frankreich nichts dergleichen besäße.
1700 hatte der Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (1655 - 1729, Zentralgestalt der Schönborner Kirchenfürsten) den Ausgangsgarten von einem Mainzer Domdekan gekauft. Er lag neben einer Fahrstraße, eingefasst von einer Mauer, am Rheinufer außerhalb der Stadtmauern südlich der Stadt. Zunächst ließ sich der Kurfürst am Südende des Geländes ein Schlösschen bauen, bestehend aus zwei Flügeln (einem kurzen parallel zum Rhein und einem längeren senkrecht zu ihm; wahrscheinlich von Joh. Leonhard Dientzenhofer). Von der Treppe im Mittelteil hatte man eine großartige Aussicht auf den Rhein und dann bis zum Taunus.
Bauzeiten:
- 1705
- Welsch übernimmt die Planung für die Gesamtanlage,
- 1711
- Die Wasserspiele sind fertig.
- 1722
- Die Gesamtanlage ist fertig.
Zunächst gab es für die Anlage des Gartens in dem schwierigen Hanggelände kein schlüssiges Konzept. Als erstes wurde die Boskettzone im Nordgarten geschaffen und erst dann von Welsch ein Generalplan entworfen (1708).
Das vorhandene Gelände (400 x 400 m) wurde dabei in drei völlig eigenständige Teile aufgeteilt. Kennzeichnend für die Gesamtplanung war die Unterbrechung der Längsachse durch drei ausdrucksstarke Querachsen, die dann das Rückgrad der jeweiligen Teilgärten bildeten. Welsch besondere Leistung bestand dabei in seiner grandiosen Nutzung des Geländes:
"Nordgarten":
Er war der früheste Teil der Gesamtanlage. Bereits 1702 wurden dafür die Bäume gekauft. In seiner unteren Mitte befand sich ein abgesenktes, von Kastanien umstandenes Wasserbecken in einem "salle de verdure". In seinem oberen Drittel war die "Grande promenade", bestehend aus vier Kastanienreihen (dem Modebaum der damaligen Zeit), unter denen man, Gedanken austauschend, im Schatten spazieren konnte. In seinen Heckennischen befanden sich Statuen und Brunnen. Von diesem Gartenteil besaß man keine Blickverbindung zum Rhein.
"Mittelgarten" (zwischen 1708 - 1712 errichtet, orientiert an italienischen Vorbildern; der prächtigste Teil der Anlage):
Er baute sich um eine Wasserachse vom Rhein über drei Terrassen auf. Von einer oberen großzügigen Loggia, dem "chateau d'eau", dem Wasserschloss, in dem sich eine Skulpturengruppe "Pluto und Proserpina" befand, führte eine geschwungene Wassertreppe zu einem Wasserbecken. Zur nächsten Terrasse gelange man dann über zwei seitliche Treppen, die eine Kombination von drei Wasserketten mit zwei Wassertreppen begleiteten. Hier befand sich ein Rasenparterre mit einem runden Becken in seiner Mitte und einer großen Springbrunnenanlage. Die dritte Terrasse endete nach einem großen Wasserbecken in der Neptun-Kaskade (die einem Vorbild von St. Cloud nachempfunden war). Trotz ähnlicher Ausführungen in Italien (Bagnaia) und Frankreich (Versailles) hatte Welsch hier völlig eigenständige Akzente für eine Wasserachse gefunden.
"Pavillon-Garten":
Er begann oben als gestaffelte Pavillonanlage mit einer Orangerie (= Sommerfestsaal). Sie bildete als Querriegel deren oberen Abschluss. Der Ausgangsgedanke dafür war nach Aussagen des Kurfürsten von Marly angeregt worden (die perspektivische Staffelung stammte jedoch von Welsch). Zur Seite der Orangerie standen kulissenartig nach vorne auseinandergerückt und in der Höhe gestaffelt auf jeder Seite drei Pavillons (Kavaliershäuser), die ihr eine rhythmisch-perspektivische Stellung gaben. (Die Fassaden dieser Gebäude waren nicht aus Stein, wie die Darstellungen suggerieren, sondern als solche nur aufgemalt gewesen). Von ihnen öffnete sich der Blick zur Landschaft. Auf der Terrasse standen um ein großes mittleres Wasserbecken in Reihen die verschiedenen Kübelpflanzen. Über eine schmale Zwischenterrasse um den Thetisbrunnen gelangte man zur untersten Terrasse, auf der sich das Broderie-Parterre befand.
Der seitliche Blick über die unteren Terrassenebenen (= Hauptachse) verlief vom Schloss über das Broderie-Parterre des Pavillon-Gartens und die Anlagen der beiden anderen unteren Teilgärten parallel zum Rhein bis hin zu den Türmen des Mainzer Doms.
Von seinen vier Gärten (Gaibach, Seehof, Favorite, Pommersfelden) liebte der Kurfürst diesen Garten am meisten. Den Namen "Favorite" gab er seiner Anlage nach der Wiener "Favorita", um dadurch seine Verbindung zum Wiener Hof deutlich herauszustellen. Durch eine Kupferstichfolge aus Grundrissen und Ansichten von Salomon Kleiner haben wir heute eine relativ gute Vorstellung von dieser Anlage.
Die kunsthistorische Bedeutung des "Favorite"-Gartens liegt in dem Umstand, dass hier der Beginn der Auflösung der großen Barockform in ein Nebeneinander von Einzelgärten deutlich wird. Einerseits ganz auf Intimität ausgerichtet, andererseits sich ganz der Landschaft öffnend, folgt er italienischen Vorbildern unter Aufnahme und Weiterentwicklung französischer Gestaltungsdetails. Er war der Ausdruck einer anderen Lebenshaltung als in Versailles, in der ein Gespräch wichtiger war als die dortige überzogene Prunksucht.
Pommersfelden
Dies ist der einzige Garten, von dem man weiß, dass Welsch dafür vom Beginn der Planungen an einen Gesamtplan gezeichnet hat.
- 1710 -
Der Kurfürst erbt von seinem Vater die "Herrschaft der Truchsesse von Pommersfelden.
- 1711 - 1718
- wurde das Schloss nach Plänen von Johann Dientzenhofer (und der Beratung durch Lucas von Hildebrandt) gebaut. Der Kurfürst nannte das Bauwerk wegen seines hellen Baumaterials "Weißenstein". Für die Gesamtkonzeption, die Einbindung des Schlosses in seine Umwelt und für die Gartenanlagen war Welsch zuständig.
- 1718
- Die "Grundarbeiten" waren so weit fortgeschritten, dass an ihrer Gesamtkonzeption nichts mehr geändert werden sollte.
- 1719
- Bau der Orangerie (an beiden Seiten des Schlosses),
- 1720
- Anlieferung der Kübelpflanzen aus Österreich und Bamberg (u.a. 166 Pomeranzen),
- 1721
- Beginn des Baus der Umfassungsmauern,
- 1727
- Abschluss der Arbeiten an den Wasserkünsten, den Treppen und der Terrassenmauer,
- 1729
- Tod des Kurfürsten. In seiner Gesamtkonzeption war der Garten fertig.
(Danach sollte durch Balthasar Neumann eine Erweiterung erfolgen).
Das Besondere an Pommersfelden ist, dass es, bei der Vielseitigkeit seiner verschiedenen Gartenbilder gelungen ist, diesem Garten einen gemeinsamen Ausstrahlungscharakter zu geben. Im Garten überlagerten sich italienische und französische Gestaltungsprinzipien. Der Palast steht am höchsten Punkt des Geländes. In seinem Mitteltrakt befindet sich zur Gartenseite eine grottenartige "Sala terrena" (= Gartensaal, wie in Prag und Wien). Von ihr gelangt man zur Übersichtsterrasse des Gartens. Diese Sala terrena" bildet den Ausgangspunkt der Hauptachse. In vier Ebenen fällt nun der Garten von der Nordseite des Schlosses zum Dorf hin ab.
Von der Übersichtsterrasse aus gelangt man über eine großzügige Treppenanlage zum "Großen Parterre", bestehend aus vier Broderiestücken auf zwei Ebenen (= zwei Terrassen), beherrscht von einem Neptunbrunnen als deren Mittelmotiv. Auf der oberen Ebene befanden sich an deren Seiten die Stellflächen für die Orangerie, auf der unteren Ebene noch je ein Boskett.
Auf der dritten Terrasse war in der Mitte ein doppeltes Kastanienrondell mit einem abgesenkten Wasserbecken und seitlichen Nutzgärten.
Die vierte Terrasse sollte von zwei großen Becken beherrscht werden, zwischen denen die Hauptachse zu einem Gartenhaus als "Point de vue" führte (Es wurde nie fertiggestellt. Dieses Gartenhaus sollte als Belvedere auf das dahinter liegende Dorf und die Landschaft dienen. An die Stelle der Teiche wurden später zwei Baumquartiere gepflanzt).
Statt der sonst üblichen Orangerie errichtete Welsch in Pommersfelden einen halbrunden Marstall als Gegenüber für das Schloss (evtl. von einem Londoner Marstall angeregt).
Den Höhepunkt dieses Gartens sollte eine Kaskadenanlage mit seitlichen Treppen zwischen den beiden Broderieparterres bilden. Sie hätte derjenigen der Wasserachse der Favorite geähnelt. Der Tod des Kurfürsten verhinderte aber deren Fertigstellung.
Das Besondere des Gartens von Pommersfelden war:
- Das geniale Einfühlungsvermögen von Welsch in die bestehenden Geländeverhältnisse.
- Sein Umgang mit der Mittelachse:
- Zunächst deren Dynamisierung durch den vorstehenden Mitteltrakt und die Treppen
(Normalerweise erlaubte das starke Gefälle vom Schloss aus keinen Überblick über alle Terrassen. Erst durch den Vorbau des Mitteltraktes ließ sich die Mittelachse mit all ihren Höhepunkten bis zum Ende des Gartens erfassen).
- Dann das Auffangen dieser Bewegung durch das runde Boskett kurz vor dem Ende des Gartens.
Wie in allen Schönbornschen Gärten (die Familie Schönborn bestimmte lange Zeit das Kulturleben im Fränkischen Bereich) wurde der Stellenwert der Zentralachse durch eine stärkere Betonung der Querachsen als in Frankreich abgewertet. Der Kurfürst und Welsch haben in ihren Gärten Anregungen aus Holland, Italien und Frankreich aufgegriffen und sie zu eigenen Gartenbildern zusammengefügt, zu Gartenbildern, die es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat. Anders als in den Renaissancegärten, mit ihrem additivem Grundcharakter, durchdrangen sich hier die verschiedenen Gartenteile gegenseitig. Es kamen aus
- Holland:
- der gestaffelte Halbkreis der Orangeriegärten (Het Loo),
- das vertiefte Ovalbassin (Heemsteede u.a.),
- die Verbindung von Zier- und Nutzgarten (hier der Nutzgarten oft als Trennungselement zwischen dem Schloss- und dem orangerienahen Teil),
- die Art der Bosketts (auf quadratischer Grundfläche am Gartenende,
- Italien (über den Wiener Einfluss),
- der Aufbau über Terrassen,
- die Achse mit ihren Kaskaden,
- das Belvedere,
- Frankreich: die Kavaliershäuser (Marly).
Typisch für die Schönbornschen Gärten war
- eine gewisse Dreiteilung (mit einem Nutzgartenbereich in der Mitte, oft als Obst- und Pflanzensammelgarten),
- der Abschluss der Hauptachse durch ein "Filialgebäude",
- eine starke Betonung der Quergliederung (durch Wege und Böschungen),
- ihre Abgeschlossenheit nach außen.
Die architektonischen Arbeiten von Welsch zeichnete eine klassisch-kühle Formensprache aus. Er behandelte dabei seine Wände flächig, ohne sie plastisch hervorzuheben (wie es im italienischen Barock beliebt war). Wie später im Klassizismus löste er gerne das System der lastenden Bauglieder durch hohe, rundbogige Fenster auf.
Nach 1720 konzentrierte Welsch sich wieder verstärkt auf seine militärischen Aufgaben. Im zivilen und kirchlichen Bereich entsprach er in seiner frühbarocken Monumentalität auch nicht mehr dem Lebensgefühl des Rokokos. Als ehrgeiziger, bürgerlicher Emporkömmling sollen seine Auftritte relativ großspurig gewesen sein, was ihn nicht sehr beliebt gemacht hat. Über seine Mitarbeiter weiß man wenig. Man geht davon aus, dass er bei der Vielzahl seiner Pläne (es gibt heute kaum noch welche) selber nur die Entwurfsskizzen gefertigt hat, die Zeichner dann ins Reine übertragen haben. Meistens soll er sich nach der Fertigstellung des Entwurfs nur noch selten um dessen Umsetzung gekümmert haben (Ausnahme Biebrich), was seinen Bauleitern große Freiräume ermöglichte.
Welschs Künstlertätigkeit ergab sich aus seiner Zugehörigkeit zum Beraterstab des Kurfürsten Lothar Franz. Letzterer wirkte in dieser Gruppe als "Primus inter pares" Er nannte seine Baugedanken, zu dem dann eine Fülle Alternativentwürfe gemacht wurden. Aus deren Konzentrat wurde dann ein Endplan gefertigt. Diese Arbeitsweise war zwar in der Barockzeit üblich gewesen, doch wurde sie als "kollektive Planung" nirgends so intensiv betrieben wie hier. Der Kurfürst stand dafür in einer ständigen Gesprächsverbindung mit vielen Persönlichkeiten, besonders mit den Angehörigen seiner Familie.
Quellen
- Arens, Fritz "Maximilian von Welsch", München / Zürich 1986
- Bazin, Germain "DuMont's Geschichte der Gartenkunst", Köln 1990
- Clifford, Derek "Gartenkunst", Reutlingen 1966
- Gothein, Marie Luise "Geschichte der Gartenkunst", Jena 1926
- Hansmann, Wilfried "Gartenkunst der Renaissance und des Barocks", Köln 1983
- Hennebo, Dieter / Hoffmann, Alfred "Geschichte der deutschen Gartenkunst", Bd. II, Hamburg 1965