4. Plinius d. J. (ca. 61/62 - 113 n.Chr.) | ||||
Der Anfang der bewussten europäischen Gartengestaltung.
Genau: Caius Plinius Caecilius Secundus d.J.. In zwei Briefen liefert er die anschaulichste und ausführlichste Schilderung eines Luxusgartens während der römischen Antike. Sie wurde die Orientierungsgrundlage für die ersten Gärten der Renaissance und da bis Ende des 19 Jhs. (u.a. Muthesius) für die formale Verbindung von Haus und Garten.
Heute bekannt von ihm sind noch:
Brief II/17 (an Gallus - Person heute unbekannt): Garten der Villa Laurentiana (Die Gartenbeschreibung ist ca. 5 Seiten lang; die Villa befand sich in Ostia (bei Rom)).
Brief V/6 (an Domintius Apollinaris - Statthalter der Provinz Lykien, danach Konsul): Garten der Villa Tusci (von seinem Onkel geerbt). (Die Gartenbeschreibung ist ca. 8 Seiten lang. Die genaue Lage der Villa ist heute unbekannt. Vermutet wird ein Hügel von San Guistino im Ort Colle Plinio im Tibertal. Er wurde im 17. Jh. Von der Villa Cappelletti überbaut (ca. 50 km nordwestlich von Perugia, heute zu Umbrien gehörend; ca. 220 km von Rom entfernt. In der Nähe lag Tifernum Tiberonum (heute Citta Di Castello))).
Villa Laurentiana = Landsitz am Meer mit großartigen Ausblicken
"Was Vitruvs "Zehn Bücher" für die allgemeine Architekturtheorie und -praxis bedeuten, das gilt bei Villa und Garten für die Villenbriefe des jüngeren Plinius" (Forchert, S. 126). Es gab von den beiden beschriebenen Villen und Gärten unzählige Rekonstruktionsversuche bis weit ins 19. Jh.. Obwohl die Briefe erst 1419 wiederentdeckt und 1464 neu gedruckt wurden, baute man bereits 1487/88 in der Villa Poggia Reale (bei Neapel) viele seiner Elemente nach (u.a. das Hippodrom). Noch 1845/46 folgte man im Paradiesgarten des botanischen Gartens in Potsdam seinen Beschreibungen (dieser Bereich wurde erst 1937 umgebaut). Es gab idealistische Rekonstruktionsversuche wie die durch Schinkel oder texttreue wie die von Gustav Meyer. Und es gab den Nachbau vieler Einzelelemente, besonders bekannt der des steinernen Esstisches in der Villa Lante oder im Schloss Hellbrunn oder die Vielzahl der Gartenhippodrome während der Zeit des Historismus. (Hier besonders als Verknüpfungsbereich formaler und landschaftlicher Gartenteile). Aber alle diese Versuche blieben als Rekonstruktionsversuche unbefriedigend:
"So ausführlich auch die Plinianischen Beschreibungen in der Angabe der Teile dieser Villen sind, so ist es doch unmöglich, sich daraus eine ganz bestimmte Vorstellung von diesen Gebäuden zu machen, und die richtige und wirkliche Lage aller ihrer Teile zu finden. Wenigstens geben diese Beschreibungen Anlass, dass jeder die Anlage des Ganzen sich anders vorstellen und die einzelnen Teile nach seinen Gedanken und Einfällen anordnen kann, wie dies die angeführten Entwürfe beweisen, die alle voneinander abweichen, und so wenig miteinander übereintreffen, dass man gar nicht glauben sollte, dass sie nach einer und eben derselben Beschreibung gemacht sind" (Christian Ludwig Stieglitz 1801 in Forchert oder Wimmer).
Gothein kritisiert das Fehlen von plastischem Schmuck in den Beschreibungen des Plinius und erklärt dies mit seinem Unverständnis für die bildende Kunst. Wir halten dies für unwahrscheinlich. Denn selbst wenn es so wäre, so gehörte dieser Schmuck damals zur Mode und war ein wichtiges Prestigeobjekt. Bei seinem Hang zur Selbstdarstellung hätte sich Plinius diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht entgehen lassen. Wir vermuten eher, dass sein Skulpturenbesitz sich konzentriert in einem seiner anderen Villengärten befand (evtl. in Como).
Plinius- Texte
(Zum Naturbezug):(aus Plinius "Sämtliche Briefe", Stuttgart 1998) "Die Gegend ist sehr schön. Stelle Dir ein unermessliches Amphitheater vor, wie es nur die Natur schaffen kann. Eine weite ausgedehnte Ebene wird von Bergen eingeschlossen, die Berge haben auf ihren Gipfeln hohe, alte Wälder. ….. Unterhalb der Wälder dehnen sich auf der ganzen Seite Weinberge aus und geben der Gegend weit und breit ein einheitliches Aussehen; an ihrem Ende und gleichsam an ihrem untersten Rand beginnen Baumpflanzungen. ….. Die blumenreichen, wie mit Edelsteinen übersäten Wiesen lassen Klee und andere Kräuter wachsen, immer zart und weich und wie neu. ….. Du wirst dein großes Vergnügen empfinden, wenn Du die Lage dieser Gegend von einem Berg aus betrachtest. Denn Du wirst glauben, kein wirkliches Land zu sehen, sondern ein außergewöhnlich schönes Gemälde einer Landschaft".
(Zur Villa Tusci): "Das Landhaus liegt am Fuße eines Hügels und schaut gleichsam doch von der Höhe herab: So sanft und allmählich, in kaum merklicher Neigung erhebt sich der Hügel, dass, obwohl man nicht zu steigen meint, man schließlich doch merkt, dass man gestiegen ist."
(Zur Villa Laurentiana):
"Aber bei weitem übertrifft die Reitbahn die.. Anordnung und Annehmlichkeit der Gebäude. Sie ist in der Mitte offen und bietet sich sofort beim Eintritt den Blicken ganz dar; sie ist von Platanen umgeben. Diese sind mit Efeu bewachsen, und wie sie oben mit eigenem, so grünen sie unten mit fremden Laub. Der Efeu windet sich um Stamm und Äste und vermählt durch seine Ranken die benachbarten Platanen miteinander. Zwischen ihnen wächst Buchsbaum; Lorbeer umgibt die äußeren Buchsbäume und vermischt seinen Schatten mit dem der Platanen. Der gerade Kurs der Reitbahn biegt am Ende in einen Halbkreis ein und verändert sein Aussehen. Sie wird von Zypressen umgeben und bedeckt und ist infolge ihres dichteren Schattens dunkler und schwärzer; in den inneren Kreisen - es gibt nämlich mehrere - empfängt sie das reinste Tageslicht. Daher wachsen dort auch Rosen, und die Kühle des Schattens wechselt mit dem recht angenehmen Sonnenschein ab. Ist diese mannigfache und vielfache Krümmung zu Ende, kommt man wieder in einen geraden Weg, aber nicht nur in einen einzigen: denn mehrere Wege teilen sich durch den dazwischen stehenden Buchsbaum. Dort stößt man auf eine kleine Wiese, hier auf den Buschsbaum selbst, der in 1000 Formen geschnitten ist, bisweilen in Buchstaben, die bald den Namen des Herrn, bald den Namen des Künstlers abgeben: Abwechselnd erheben sich kleine Pyramiden, abwechselnd sind Obstbäume eingefügt, und in dieser ganz großstädtischen Anlage findet sich plötzlich eine Nachbildung eines gleichsam hierhin verpflanzten ländlichen Bildes. Der Raum in der Mitte wird auf beiden Seiten durch ziemlich niedrig gehaltene Platanen verschönert. Hinter diesen wächst hier und da weicher und biegsamer Akanthus, dann kommen mehrere Figuren und mehrere Namen. Am oberen Ende wird eine halbkreisförmige Bank aus weißem Marmor von Weinreben bedeckt; vier kleine karystische Säulen stützen die Reben. Aus der Bank fließt Wasser in kleinen Röhren hervor, als würde es durch das Gewicht der darauf Liegenden herausgepresst; es wird in einem gehöhlten Stein aufgefangen, in einem zierlichen Marmorbecken festgehalten und auf verborgene Weise so reguliert, dass es das Becken füllt, aber nicht überlaufen lässt. Das Geschirr mit den Vorspeisen und die schweren Gerichte werden auf den Rand gestellt, leichtere schwimmen in Gefäßen in Gestalt kleiner Schiffe und Vögel umher. Gegenüber spritzt eine Fontäne Wasser und fängt es wieder auf; denn nachdem das Wasser in die Höhe getrieben worden ist, fällt es in sich zurück, und durch verbundene Öffnungen wird es eingesogen und wieder in die Höhe getrieben. Der Bank gegenüber ist ein Zimmer, das ihr ebensoviel Reiz zurückgibt, wie es von ihr empfängt. Es glänzt von Marmor, mit Flügeltüren öffnet es sich und führt hinaus ins Grüne; auf anderes Grün schaut man von den oberen und unteren Fenstern hinauf und hinab. Dann springt eine kleine Veranda vor, gleichsam dasselbe Zimmer und doch ein anderer Raum. Hier steht ein Bett, und an all den Seiten sind Fenster, und doch herrscht gedämpftes Licht, da Schatten darauf liegt. Denn ein sehr üppiger Weinstock rankt sich um das ganze Gebäude und klettert bis zum Dach empor. Man liegt dort nicht anders als in einem Wald, nur spürt man nicht, wie in einem Wald, den Regen. Hier entspringt auch eine Quelle und verschwindet zugleich wieder unter der Erde. An mehreren Stellen sind Marmorsitze angebracht, welche die vom Spaziergang Ermüdeten ebenso wie das Zimmer selbst erfreuen. Neben den Sitzen befinden sich kleine Quellen. Durch die ganze Reitbahn rauschen Bäche heran und fließen, wohin die Hand sie führt: Von diesen werden bald jene, bald diese Grünflächen, bisweilen alle zugleich, bewässert". "Hier hast Du nun die Gründe, weshalb ich mein tuskisches Landgut meinen Gütern in Tusculum, Tibur oder Praeneste vorziehe. Denn außer den schon berichteten Vorzügen herrscht dort eine tiefere und behaglichere und deshalb ungestörtere Ruhe: kein Zwang, die Toga anzulegen, kein Mensch in der Nähe, der mich stört; alles ist friedlich und still, was an sich schon zur Gesundheit der Gegend ebenso beiträgt wie der klarere Himmel und die reinere Luft. Dort befinde ich mich in einer sehr guten körperlichen und geistigen Verfassung. Denn meinen Geist übe ich durch studieren, meinen Körper durch die Jagd". "Die Promenade ist mit Buchsbaum oder, wo der Buchsbaum nicht wächst mit Rosmarin eingefasst; denn wo der Buchsbaum durch Gebäude geschützt wird, grünt er üppig; steht er aber unter freiem Himmel und ist dem Wind und der Gischt ausgesetzt, mag sie auch fern vom Meer nur noch ganz fein sein, so verdorrt er. Längs der Innenseite der Promenade schließt sich ein junger, schattiger Weinlaubengang an, auch für bloße Füße weich und elastisch. Im Garten wachsen zahlreiche Feigen- und Maulbeerbäume; für sie ist jener Boden besonders fruchtbar, während er für andere Bäume ziemlich ungünstig ist".
"Auf beiden Seiten (der Wandelhalle) sind Fenster, zum Meer hin mehr, zum Garten hin nur einzelne, und zwar um die Hälfte weniger. Ist der Tag heiter und windstill, stehen alle ohne Nachteil offen; wenn der Wind aber von der einen oder anderen Seite weht, dann die nur auf der windstillen Seite. Vor der Wandelhalle befindet sich eine von Veilchen duftende Blumenterrasse". "Am oberen Ende der Terrasse und sodann der Wandelhalle und des Gartens befindet sich ein Gartenhaus, mein Lieblingsaufenthalt, ja wirklich mein Lieblingsaufenthalt! Ich selbst habe es angelegt. In ihm befindet sich ein Raum für Sonnenbäder, wo man auf der einen Seite die Terrasse, auf der anderen das Meer, auf beiden Seiten die Sonne sieht; ferner hat man vom Wohnzimmer durch die Flügeltüren einen Ausblick auf die Wandelhalle, durch das Fenster auf das Meer". "Wenn ich mich in mein Gartenhaus zurückziehe, habe ich den Eindruck, gar nicht auf meinem Landgut zu sein; und es macht mir, besonders während der Saturnalien (Fest zu Ehren des Gottes Saturn. Bei diesem Fest waren die Standesschranken zwischen den Herren und Sklaven aufgehoben = 17. Dezember), ein großes Vergnügen, wenn der übrige Teil des Hauses von der Ausgelassenheit dieser Tage und dem festlichen Lärm widerhallt; denn weder störe ich die Vergnügungen meiner Leute noch sie meine Studien". Quellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Plinius_der_Jüngere (16.3.2011)
http://lexikon.freenet.de/Botanischer_Garten_Potsdam (26.11.2011) http://www.bunse-latein.de/Latein-Homepage/autoren/plinius/plinius-vita.htm (26.11.2011) http://www.lingualatina.de/biographiae/plinius.htm (26.11.2011) |