Er sprengte für den Kleinadel in Schleswig-Holstein die barocken Gartenregeln der Angemessenheit.
Wer sich mit der deutschen Gartenkunst beschäftigt, erwartet im Bauernland von Schleswig-Holstein während der Barockzeit keine bedeutenden Gärten. Doch ist dies ein Irrtum. Auch hier konkurrierte der Adel im Rahmen der Herausstellung seiner Statusbauten mit Hilfe der Pracht seiner Gärten. Als die schönsten wurden die von Seestermühe, Jersbek und Traventhal angesehen, wobei der Garten von Jersbek als der formal reifste, in seiner Komposition harmonischste galt. Er war die Schöpfung des Gutsbesitzers Benedikt (genannt "Bendix") von Ahlefeldt.
Über sein Leben wissen wir:
- 1678
- geboren in Schloss Seestermühe (nordwestlich von Pinneberg),
(Vater war Hans-Hinrich von Ahlefeldt, Geheimer Rat und königlich- dänischer Gesandter in London, Den Haag, Dresden und Berlin; Oberkammerherr des Kronprinzen, begleitete diesen auf dessen Grand Tour durch Frankreich und Italien; ließ in Seestermühe das Herrenhaus errichten und dessen bedeutenden Barockgarten anlegen; prachtliebend.
Seine Frau war Dorothea Friederike von Ahlefeldt. Bendix war das erste von neun Kindern).
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- Erziehung durch Privatlehrer,
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- begleitete den Vater während dessen Reisen als Gesandter,
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- Bildungsreisen,
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- zeigte früh Interesse für die schönen Künste, Theater und Musik,
- 1704
- Heirat der Witwe Anna Margaretha von Rantzau
(Erbin der Güter Jersbek und Stegen; mit ihr hatte er vier gemeinsame Kinder),
- 1708
- Ernennung zum Kammerjunker,
- 1711
- Wahl zum dänischen Landrat des königlichen Anteils der Herzogtümer Schleswig-Holstein,
- 1712
- Wohnung in Hamburg (Valentinkamp),
- 1715
- Ernennung zum Konferenzrat,
- 1718
- Angebot des Vaters, Gut Seestermühe für 200.000 Reichstaler zu übernehmen. Bendix von Ahlefeld lehnt es ab.
- 1722
- Ernennung zum Kommerzienrat,
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- Pachtung der Hamburger Staatsoper (Jahrespacht 1.200 Reichstaler) und Übernahme deren Direktion für sechs Jahre. Sie besaß damals einen europäischen Ruf. Ahlefeldt verbesserte ihren baulichen Zustand, ihre Ausstattung und förderte ihren Kontakt zu den bürgerlichen Familien Hamburgs.
- 1726
- Freikauf von seinen Verpflichtungen für die Hamburger Oper,
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- Übernahme des Gutes Jersbek (25 km nordöstlich von Hamburg), ohne den Hamburger Wohnsitz aufzugeben (Hamburg blieb im Winter bevorzugter Wohnort),
- 1730
- Tod der Ehefrau Anna Margaretha,
- 1731
- Berufung zum Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landgerichts,
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- Ernennung zum Ritter des Danebrog-Ordens,
- 1732
- Wahl zum Probst des Klosters Uetersen
(ein reines Verwaltungsamt, das ihm jährlich 1.500 Mark einbrachte),
- 1734
- Ernennung zum Geheimen Rat
(damit gehörte er zur ersten der neun Rangklassen der hoffähigen Personen),
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- 2. Heirat mit der Witwe Anna Christine von Blome
(die Ehe blieb kinderlos),
- 1737
- Aufnahme in die Hamburger Freimaurerloge (zwei Wochen nach ihrer Gründung),
- 1739
- Tod der Ehefrau Anna Christine.
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- Nach dem Tod seiner Ehefrau und zunehmenden körperlichen Gebrechen übergab er das Gut Jersbek seinem Sohn Adolph Jasper (bei Übernahme seiner Schulden durch diesen, einer jährlichen Zahlung von 2.700 Reichstalern und der Beibehaltung seines Wohnrechts. Seine persönliche Dienerschaft bestand weiterhin aus 22 männlichen und 8 weiblichen Personen (in seiner Glanzzeit hatte er über 50 Hausangestellte gehabt). Der bis dahin aufwendige Lebensstil wurde weitgehend durch den Holzraubbau finanziert. Er ließ dafür fast seinen gesamten Laubholzbestand fällen. Deshalb war er es nicht, der das Gut übermäßig verschuldet hatte. In den Ruin trieben es nach nur 20 Jahren sein Sohn und sein Enkel).
- 1754
- Verzicht auf das Wohnrecht in Jersbek und Umzug nach Uetersen,
- 1757
- Tod in Uetersen nach längerer Krankheit
(Überführung nach Jersbek, Beisetzung im Familiengrab in Sülfeld).
Die wichtigste Lebensleistung Bendix von Ahlefeldt war wahrscheinlich die Schaffung seines Gartens in Jersbek in den Jahren 1726 - 1740. Gleich nach der Verlegung seines Hauptwohnsitzes von Hamburg ließ er daran arbeiten und umgab sich mit Künstlern (Komponisten, Architekten, Schriftstellern) und Wissenschaftlern. Er liebte ein ungezwungenes, fröhliches Leben und war ein begeisterter Jäger. Dafür pachtete er zu seinen eigenen Ländereinen noch weitere Jagdflächen hinzu. Unter ihm gewann dieses Gut eine für seine damalige Zeit außergewöhnliche Bedeutung, deren Spuren noch heute gefunden werden können. Durch seine Förderung der Künste und seinen Lebensstil wurde es zu einem kulturellen Zentrum Schleswig-Holsteins und Hamburgs.
Das Gut Jersbek ist durch Erbteilung (1588) aus dem Gut Borstel entstanden. 1726 gehörten zu ihm drei Höfe und mehrere Dörfer. Ahlefeldt ließ sofort nach dessen Übernahme (ein Erbe seiner Frau) das Herrenhaus umbauen und den berühmten Garten anlegen. Letzterer ist etwa 8,8 ha groß (ohne den Waldanteil = grand parc = heutiges "Gartenholz").
Von wem der Entwurf dafür stammt, weiß man nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit vom Bauherrn selbst, der über die verschiedenen Dienstorte seines Vaters und seine Reisen viele Gärten gekannt hat (genannt wird aber auch als Möglichkeit der damalige Bühnenbildner der Hamburger Oper Jacob Fabris (um 1689 - 1761). Allerdings ist unklar, woher er die nötigen Kenntnisse für eine solche Anlage bezogen haben könnte). Von Fabris stammt die erste bekannte Entwurfszeichnung. Vielleicht ist sie fachmännisch so nach Ahlefeldts Angaben oder Vorzeichnungen geschaffen worden. Der Garten entspricht hier den um 1700 üblichen Stadtgärten in Schleswig-Holstein mit einer Mittelachse und den seitlichen Quartieren, bestehend aus dem Parterre, den Bosketts und dem Nutzgarten. Besonders auffallend ist, dass man hier bereits die lange, noch heute erhaltene Lindenallee vorgesehen hatte, eine Lindenallee wie sie der Bauherr bereits als Kind in Seestermühe kennengelernt hatte. Von diesem Plan hat man später die Grundkonzeption beibehalten, sie aber in vielen Einzelbereichen verändert.
Die zweite erhaltene Zeichnung stammt von 1747 vom Hamburger Architekten Ernst Georg Sonnin und zeigt den fertigen Garten. Zuvor hatte man
- 1736/37
einen Eiskeller gebaut, um dort die Lebensmittel für die Festlichkeiten frisch halten zu können.
- um 1738/39
das Gartenschlösschen errichtet (geschaffen hatte es Jasper Carstens (1705 - 1759, Leibeigener und Hausarchitekt von Ahlefeldt, von 1740 - 1745 hatte er auch den Neubau von Schloss Traventhal errichtet)). Zuvor (1738) hatte man die Hamburger Oper geschlossen. Jetzt konnten die Opern und Konzerte hier aufgeführt werden. Dies Gartenhäuschen wurde zum Mittelpunkt der Jersbeker Hofhaltung. Ausgehend von diesem Gebäude ("maison de plaisance") führte die Hauptachse durch das Parterre, die Heckenquartiere der Bosketts und ein Rondell vor zwei Torhäusern hin zum entfernten Park.
- Weiterhin gehörten zum Garten eine "Wildbahn" und eine "Fasanerie".
- 1744
besuchte der Kurfürst Clemens August von Köln diesen Garten.
Zum Gut fuhr man einst durch eine dreifache Allee. Ihre erste Reihe bestand aus Linden, die zweite aus Erlen ("Ellern") und die dritte aus Kastanien.
Das Herrenhaus (als Wasserschloss) war über eine Brücke mit dem Garten verbunden. Die Hofanlagen befanden sich seitlich davor.
Die Hauptachse des Gartens war auf das Gartenhaus bezogen. Von seiner Treppe, flankiert von zwei Sphingen, blickte man auf ein prächtiges Parterre, bestehend aus
- einem in Muschelformen aufgelösten "parterre de pieces coupées" (flächige Blumenrabatten),
- einem vertieften achteckigen Becken mit einer kleinen Fontäne,
- einen durch die Mittelachse zweigeteilten "parterre de broderie" (Beete mit kunstvollen Stickmustern),
- einem vertieften Becken mit einer Titanengruppe um eine hohe Fontäne,
- einem "parterre de compartiment" mit Broderien aus Rasenflächen und Blumenrabatten, symmetrisch durch eine Längs- und eine Querachse gegliedert.
Seitlich war es gefasst von schmalen Blumenrabatten (platebandes).
Darüber hinaus gab es hier:
- 6 vergoldete Götterstatuen,
- Vasen aus Sandstein und Marmor,
- wertvolle Kübelpflanzen
Dieses Parterre umfasste die ganze innere Breite des Gartens. Besonders im Frühjahr und Sommer war es wegen seines Blumenschmucks berühmt gewesen.
In der Verlängerung des Parterres folgten auf beiden Seiten der Hauptachse die Bosketts, bestehend aus kleinen, verschieden geformten Heckengängen und Heckenräumen. In ihnen befanden sich schöne Ansichten ("points de vue") und niedliche Skulpturen.
Neben dem Parterre und den Bosketts befanden sich auf beiden Seiten die Obst- und Gemüsegärten:
Der südöstliche Bereich
bestand aus einem Obstgarten, an den Seiten gefasst von Lindenalleen. Ein Teil von ihnen war in Arkadenform geschnitten oder mit Zinnen versehen. Die verschiedenen Quartiere trennten Lindengänge. In einem von ihnen wurden sogar Feigen gezogen.
Im nordwestlichen Bereich befanden sich
- auf der linken Gartenseite der Gemüsegarten, an den Seiten begleitet von Obstbäumen. Auch Blumenbeete konnte man hier finden.
- An einer Seite stand ein Orangenhaus, das wegen einer viel bewunderten Agave auch einen Turm besaß (sie hatte nach fünf Jahren geblüht). An seiner Seite waren Weinstöcke gepflanzt. Im Haus befand sich außerdem eine Reihe exotischer Gewächse. Orangerien gehörten damals in adligen Gärten zum Standard. Wie hier in Jersbek standen die Pflanzen im Sommer in der Regel in einem Orangerieparterre.
- In einem zweiten Haus wurden Feigen gezogen.
- In einem besonderen Gartenteil wuchsen Pfirsiche (es sollen 56 Sorten gewesen sein).
- Außerdem konnte man in diesem Gartenteil verstreut (unordentlich) Nelken und Primeln finden.
Obwohl Nutzflächen, waren die einzelnen Quartiere ästhetisch mit einer besonderen Sorgfalt ausgeführt worden. Es muss ein positives Lebensgefühl hervorgerufen haben, durch diese Nutzanlagen hindurch zu schlendern.
Nach hinten schloss eine Querallee den "petit parc" ab. In ihr befanden sich vier Lusthäuser aus Gitterwerk. In ihrer Kreuzung mit der Hauptachse befand sich ein Lindenrondell.
Diese Hauptachse setzte sich als eine 500 m lange, vierreihige Lindenallee bis zu einem Waldquartier (Jagdpark) fort. Eine solche ausgreifende Mittelachse war im Barock in Schleswig-Holstein ein traditionelles Motiv gewesen. In ihrem Mittelbereich befanden sich Bänke und Pyramiden (?). An ihrem Ende gelangte man zu einer Vase, gehalten von zwei Hunden. Diese Wegachse war perspektivisch angelegt gewesen (im Vordergrund 3 m schmaler als im Hintergrund). Das Waldquartier (Gartenholz) war von einer Allee umgeben. Der Wald selber wurde symmetrisch von zwei Wegsternen erschlossen. Am Ende jedes der Wege befand sich eine Skulptur.
Die Kenntnis über die Ikonographie solcher Gutsgärten ist sehr gering. Von Jersbek glaubt man, dass dort der Kampf der Giganten gegen die Götter dargestellt gewesen war (übertragen als ein Hinweis darauf, dass ein Aufstand gegen die Obrigkeit vergebens ist). Hier im Garten wurde dies durch eine Titanengruppe mitten im Brunnenbecken und sechs vergoldete, sie umgebende Götterfiguren deutlich gemacht. Diese Figuren hatte der Permoser-Schüler Johann Christoph Ludwig von Lücke (um 1703m- 1780) geschaffen. Von ihm stammten auch die beiden Sphingen, die symbolischen Tempelwächter der Natur im Reich des Freimaurers Ahlefeldt. Dieser muss Lücke 1724 in Hamburg kennengelernt haben, als dieser dort eine Zwischenstation auf seiner Fahrt nach England einlegte. Etwa 20 Jahre später gab er ihm dann seinen Großauftrag. In dem Garten hatte es außerdem noch mehrere andere Skulpturen und Vasen aus Sandstein und Marmor gegeben, so von Lücke noch eine Puttengruppe, eine Poseidonherme und mehrere Vasen.
Von dieser einstigen Gartenpracht ist heute nur noch wenig erhalten:
- Zunächst hatte man aus Kostengründen mehrere Gartenbereiche pflegetechnisch "vereinfacht".
- Der Lindensalon wuchs zu einem Lindendom aus.
- Das Gartenhaus wurde 1820 oder 1821 wegen Baufälligkeit abgebrochen.
- Im 19. Jh. wandelte man den Garten in mehreren Stufen in einen Landschaftsgarten um (unter Beibehaltung der barocken Grundform).
- Die meisten Skulpturen und Vasen wurden in alle Winde zerstreut, von den Verbliebenen viele im Mai 1945 mutwillig zerstört.
Heute kann man von diesem einst berühmten Garten noch finden:
- die Lindenallee
(besonders anziehend im Frühjahr, wenn auf dem 500 m langen Rasenstreifen der Hauptallee unzählige Primeln blühen, die "Jersbeker Primelpracht"),
- die alte Quartiereinteilung,
- einige fragmentierte Skulpturenreste (u.a. die Sphingen),
- einen gewölbten Heckengang.
Einst war der Jersbeker Barockgarten der vielleicht prächtigste seiner Art in Schleswig-Holstein gewesen. Sein kunstliebender Schöpfer überschritt mit ihm die damals ungeschriebenen Regeln für die Angemessenheit eines Gutsgartens mit einer seltenen Harmonie und Pracht. Er schuf eine selten gelungene Anlage unter der Berücksichtigung heimischer Traditionen und vorwiegend holländischer Anregungen.
Quellen
- Buttlar, Adrian v. / Meyer, Margitta Marion (Hrsg.) "Historische Gärten in Schleswig- Holstein", Heide 1996
- Hennebo, Dieter / Hoffmann, Alfred "Geschichte der deutschen Gartenkunst", Bd. II, Hamburg 1965