Er schuf den Karlsruher Schlossgarten und war der Gründer seiner einst bedeutenden Pflanzensammlung.
Gewöhnlich wird der Karlsruher Schlossgarten nur als eine interessante Ausgangsgründung der heutigen Stadt Karlsruhe angesehen, was zweifellos richtig ist. Darüber hinaus war er aber mit seinen vier Orangerien botanisch gesehen auch einer der interessantesten in Deutschland gewesen. Dies verdankte er seinem Gründer Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679 - 1738, Markgraf seit 1709) und seinem Hofgärtner Christian Thran. Es gab in Deutschland vielleicht keinen Herrscher, der Pflanzen mehr liebte und kannte als dieser Markgraf und mit Thran den Mann besaß, der für diese seine Leidenschaft aufgrund seiner Kenntnisse die Hintergründe schuf.
Von Thran wissen wir:
- 1701
- geboren ins Sonderborg
(Alsen, heute Dänemark; gehörte von 1669 - 1729 zum Herzogtum Holstein- Plön),
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- wahrscheinliche Gärtnerausbildung am Hof des Herzogs von Holstein in Gottorf. Hier muss er seine großen Pflanzenkenntnisse erworben haben
(die Mutter des Markgrafen war Augusta Maria von Schleswig-Holstein- Gottorp (= Gottorf).
Bereits 1709 waren der Hofgärtner Joachim Sievert und 1710 der "Blumengärtner" Zacharias Gottschalk von Gottorf nach Durlach geholt worden. Dadurch flossen in die Durlacher Gartenanlagen Gottorfer Einflüsse ein),
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- evtl. Aufenthalt in Amerika
(nach einem Bericht des Nürnberger Botanikers Christoph Jacob Trew; er selber hat dies nie erwähnt),
- 1726
- Einstellung in den Karlsruher Dienst als "Glashausgärtner"
(bei gleichem Gehalt wie der Hofgärtner Sievert; unter der Aufsicht des Hofmedicus Dr. Johann Andreas Eichrodt),
- 1731
- Jahresgehalt 200 Gulden,
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- Teilnahme an einer Expedition August des Starken nach Nordafrika
(Algerien, Tunesien, Libyen) zum Sammeln von Pflanzen und Tieren für seinen Dienstherrn Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach
(von dieser Reise bringt er wahrscheinlich Krapp-Pflanzen mit, eine seit der Antike geschätzten Färberpflanze.
Historisch bedeutsam ist heute auch das Tagebuch, das Thran von dieser Reise zurückbrachte),
- 1733
- Mitherausgeber eines Pflanzenverzeichnisses des Karlsruher Schlossgartens
(des "Hochfürstlichen Gartens").
Darin werden ca. 2000 Pflanzenarten genannt: u.a.
- 523 exotische Pflanzen
(darunter 34 Aloe-Arten, 28 Ficoides und 16 Geranium-Arten),
- 639 Stauden
(für die verschiedenen Standorte),
- über 500 Einjährige
(darunter 23 Fuchsschwanzarten (Amaranthus), 8 verschiedene Tomaten und 12 verschiedene Tagetes),
- 1734
- Heirat von Rosina Kummer
(gemeinsam bekommen sie zwei Söhne und drei Töchter),
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- Hofgärtner Sievert und sein Sohn verlassen Karlsruhe und gehen nach Ludwigsburg
(wegen der Kürzung ihrer Besoldung infolge des polnischen Erbfolgekrieges auf die Hälfte).
Thran übernimmt wahrscheinlich Sieverts Aufgaben als Hofgärtner.
- 1737
- Thran wird Oberaufseher über die markgräflichen Gärten
(nach dem Tod des Arztes und Botanikers Johann Andreas Eichrodt),
- 1738
- Tod des Markgrafen Karl Wilhelm,
Thran behält seine Stellung als "Inspektor" über sämtliche fürstliche Gärten,
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- Zeichnung zweier berühmter Karlsruher Stadtansichten,
- 1743
- Bericht über den Anbau von Maulbeerbäumen (zur Seidenproduktion) und der Krapp-Pflanzen (zur Gewinnung eines "türkischroten" Farbstoffs),
- 1747
- erneute Herausgabe eines Pflanzenkatalogs des Karlsruher Schlossgartens:
Thran bearbeitete darin die exotischen Pflanzen, die Stauden und die Einjährigen,
Josua Risler
(Apotheker in Mühlhausen) die Orangen, Zitronen und Limonen in 154 Arten und Sorten.
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- (Preislisten besagen, dass Thran einen schwunghaften Handel mit Ablegern und Samen exotischer Pflanzen aus dem Schlossgarten betrieb),
- 1753
- Gründung einer Krapp-Fabrik in Durlach
(Thran erhält das Privileg für den alleinigen Anbau der "Färberröthe" (Rubia tinctoria) für 20 Jahre und wird dadurch zu einem wohlhabenden Mann. Er betätigte sich ab jetzt verstärkt als Unternehmer und weniger als Gärtner. Eine Vermutung besagt, dass er das Verfahren der Krapp-Herstellung erst nach 1746 über Risler in Mühlhausen kennengelernt hat).
- 1757
- Versetzung nach Durlach zur Betreuung des dortigen Schlossgartens
(der Karlsruher Schlossgarten verfällt danach),
- 1761
- Tod der Ehefrau,
- 1765
- Verzicht auf das Privileg der alleinigen Krapp-Produktion gegen eine Vergütung
(und deren Übernahme durch die Markgräfin. Thran durfte seine Krapp- Fabrik behalten),
- 1766
- Thran wohnt mit zwei Töchtern im Durlacher Schlossbereich.
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- Er bleibt bis ins hohe Alter als Gärtner tätig. Mit über 75 Jahren stellt er noch ein Verzeichnis aller Gemüsearten des markgräflichen Küchengartens zusammen.
- 1778
- Tod in Durlach
(seine 3 Töchter erben ein Vermögen von 4800 Gulden; seine Söhne scheinen bereits gestorben zu sein).
Die Geschichte des Karlsruher Schlosses beginnt mit der Zerstörung des Durlacher Schlosses 1689 durch französische Truppen.
- 1709
- Regierungsantritt des Markgrafen Karl Wilhelm von Baden-Durlach;
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- Unstimmigkeiten wegen der Kosten für den Wiederaufbau des Schlosses. Wegen der "Lebensweise" des Markgrafen und Ärger mit seiner Gemahlin führten zu dem Wunsch des Fürsten, sich im Hardtwald ein "Haus ohne Zwänge" (maison sans gêne), eine Eremitage zu errichten.
- 1715
- ließ er dafür in seinem Jagdrevier einen kreisrunden Platz freischlagen und in dessen Mitte einen freistehenden, achteckigen, 51 m hohen Turm errichten. Danach wurden strahlenförmig nach allen Seiten 32 Schneisen angelegt, die waldwärts als Alleen und stadtwärts später als Straßen ausgebaut wurden, die noch heute das Stadtbild von Karlsruhe bestimmen.
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- Innerhalb der 9 südlichen Schneisen wurde dann nach Entwürfen von Jakob Friedrich von Batzendorf noch im gleichen Jahr das Schloss errichtet (zunächst weitgehend nur als Holzkonstruktion und erst nach 1746 durch einen Steinbau ersetzt) und danach davor der Lustgarten angelegt.
(Dies widersprach den üblichen Gewohnheiten, nach denen der Garten hinter dem Schloss zu liegen hatte und langsam in den Park auslief.
Die Pflanzenliebe des Markgrafen ließ ihn diesen an die Südseite anlegen und klimatisch die Pflanzen noch durch Seitenbauten (Schlossflügel, Orangerien und Marstall) besonders schützen. Damit verzichtete er bewusst auf eine repräsentative Zufahrt zur Vorderseite des Schlosses (was für eine zunächst vorgesehene Eremitage hinnehmbar gewesen wäre).
- 1717 - 1718
- zeichnete sich ab, dass Karlsruhe zur ständigen Residenz ausgebaut werden würde.
Danach wurde die Stadtplanung südlich vom Schloss forciert (kostenloser Baugrund, Bauvergünstigungen).
Der Markgraf begann hinter den Hofbeamtenhäusern, sich symmetrisch seine ideale Stadt zu schaffen.
- 1718
- Umzug des Hofes nach Karlsruhe.
Für das Verständnis dieser städtebaulichen Situation muss man wissen, dass der Markgraf zwei Leidenschaften hatte: Frauen und Pflanzen. Salopp kann man sagen, dass er auf der Nordseite seines Schlosses seinen Geschlechtsneigungen nachging und auf der Südseite seiner Pflanzenliebe.
Bezüglich seiner Frauenleidenschaften ist bekannt, dass er für seinen ständigen Bedarf einen "Harem" von 43 bis 70 jungen Mädchen mit deren Bediensteten unterhielt (Wiener Gerüchte sprachen sogar von bis zu 500 Mädchen), die in den 24 Räumen des Turmes und in den Häuschen um den Turm wohnten. Offiziell als Sängerinnen eingestellt, wurden sie gelegentlich in Heiducken- oder Husarenuniformen gesteckt (viel später, ab 1928, nannte man sie auch "Tulpenmädchen"). Diese Frauen kamen aus einfachen Verhältnissen, stiegen hier in gewissem Sinne sozial auf und wurden, wenn man sie auswechselte, mit niederen Bediensteten verheiratet, ihre Markgrafentöchter (im Alter von 12 - 15 Jahren) wurden mit wohlhabenden Hofangehörigen verheiratet und die Söhne vorzugsweise zum Militär geschickt.
Die andere große Leidenschaft des Markgrafen galt den Pflanzen. Gleich nach seinem Amtsantritt kaufte er große Blumenzwiebelmengen in Holland und stellte zwei Gärtner aus Gottorf ein.
- 1711
- fuhr er persönlich zum Tulpenkauf nach Holland (manche von ihnen kosteten 10 Gulden; das entsprach dem halben Jahresgehalt einer Magd),
- 1713
- besaß er ca. 2100 verschiedene Blumenarten (unter ihnen 1163 verschiedene Tulpen),
- 1726
- Fahrt nach Frankfurt zur Besichtigung einer dort blühenden Agave (danach Einstellung Thrans als zusätzlicher Gärtner),
- 1728
- Kauf eines kleinen Schlösschens bei Haarlem zum Erleben der dortigen Tulpenblüte.
Das Interesse des Markgrafen umfasste einerseits die Farbenpracht seiner Blumen, aber andererseits auch deren botanische Vielfalt. Er besaß umfassende Botanikkenntnisse und strebte in seinem Garten eine große Artenvielfalt an. Das Sammeln von Pflanzen dafür war eine der Hauptaufgaben seines "Kunst- und Lustgärtners" Thran. Dafür schickte er ihn sogar mehrfach (?) auf Sammelreisen. Um dem Karlsruher Garten gerecht zu werden, muss man von dieser Leidenschaft des Markgrafen wissen und darf den Garten nicht mit Versailler Maßstäben messen. In vielerlei Hinsicht war der Fürst sogar fortschrittlicher als man es in Paris war, in jedem Fall war er gartenbesessener.
Der Markgraf hatte seine Gartenliebe zunächst im Durlacher Schlossgarten ausgelebt und seine Karlsruher Garteninteressen aus Kostengründen bis ca. 1723 zurückgestellt (Kosten des Schlossbaus, alchemistische Interessen). Ab 1724 begann er sich auch um den dortigen Garten zu kümmern. 1725 blühten hier bereits 559 Tulpensorten, 1736 4769 Tulpensorten. In der Regel mit ca. 10 Exemplaren, in einzelnen Fällen aber auch mit mehr als 10.000 Exemplaren, z.B. die Sorte "Bosuel" mit 84.665. Bei den Hyazinthen gab es 1733 750 Sorten mit teilweise tausender Stückzahlen (ähnlich war es bei den Crocus- und Iris hispanica-Sorten).
Der Markgraf verschaffte sich seine Pflanzen hauptsächlich im Handel und gelegentlich über Expeditionsbeteiligungen (wie die Thrans nach Nordafrika). Manche der Pflanzen waren sehr prestigeträchtig. Dazu gehörten neben den Tulpen besonders die Agaven (weil zu ihrer Blüte ein besonders hoher zeitlicher Aufwand notwendig war). Für diesen Fall und wegen der Höhe der Blüte gab es in Karlsruhe hinter den Orangerien einen eigenen Agaventurm.
Die Karlsruher Grundkonzeption des Gartens soll von dem Markgrafen persönlich stammen. Einen ersten Entwurf hatte dafür 1717 nach französischen Vorbildern Berceon erstellt. Der eigentliche Garten ist dann in der Zeit von 1731 - 1746 von Thran angelegt worden.
Der Turm war der Bezugspunkt zur allumgebenden Landschaft. Vom barocken Grundgedanken einer gedanklichen Einheit der Gesamtanlage wurde hier bereits bei seiner Errichtung und den nachfolgenden Schneisen ausgegangen. Die nachfolgenden Szenerien füllten nur noch, vom repräsentativen Parterre abgesehen, die jagdbezogenen Zwischenräume (Volieren, Menagerien) und die Räume für die Pflanzensammelleidenschaft des Markgrafen. Von der Aussichtsterrasse des Turmes hatte man einen grandiosen Fernblick.
Nach der Errichtung des Turmes projizierte man um diesen drei Kreise:
- Den ersten Kreis bildeten nach Süden das Schloss und im Restkreis 24 kleine Häuschen mit je einem Gärtchen (je ein Häuschen zwischen zwei Alleen. In drei von ihnen hat es zeitweise alchemistische Laboratorien mit bis zu 15 Angestellten gegeben, die mit den Versuchen beschäftigt waren, "Silber" und "Gold" herzustellen).
(Auf dem Platz davor befanden sich vier große Fontänen, die sich als Motiv im Waldbereich wiederholten).
- Den zweiten Kreis bildete ein Rundweg hinter den Gärtchen,
- den dritten Kreis bildeten die "Zirkelhäuser" mit ihren Verwaltungseinrichtungen, Beamten- und Kavalierswohnungen
(damit wurden in Karlsruhe erstmals die Verwaltungsgebäude losgelöst vom Residenzgebäude errichtet).
Nach Süden besaß das Schloss zwei Seitenflügel, die in der Verlängerung der Radien im Winkel von 45 Grad abknickten. Ihnen folgten im Osten die Marställe und im Westen die Orangeriegebäude. Den gesamten Gartenbereich schlossen dann nach außen die arkadengeschmückten Zirkelhäuser.
Dieser Garten bestand
- in seiner Mitte aus einem prächtigen Broderieparterre (in dessen Mitte sich wiederum die Hauptalleen kreuzten),
- daneben, vor den Arkadenhäusern, befanden sich die Bosketts,
- vier abgesenkte, rechteckige Quartiere waren für die Pflanzung von Blumenzwiebeln (einer Leidenschaft des Markgrafen) vorgesehen. In ihnen standen verschiedene kleinere Gebäude:
- zwei Glashäuser für seltene exotische Gewächse,
- eine Voliere (u.a. mit 300 Kanarienvögeln),
- eine Menagerie mit einem mehreckigen, mittleren Pavillon für intime Geselligkeiten.
- In einem orangerienahen Dreieck befand sich ein Gartenhäuschen umgeben von Blumenbeeten.
"Nebst der eigentlichen Botanik, suchte Markgraf Karl Wilhelm, dem dahier damals in seiner Art einzigen Blumenflor, womit alle Quartiere des vorderen großen Schlossgartens prankten, den zahllosen kostbaren und prachtvollen Tulpen, Narzissen, Hyazinthen, Tacetten, Jonquillen, Tuberosen, Anemonen, Ranunkeln, Grasblumen (Nelken), Aurikeln, Primeln, Levkojen, Rosen und dergleichen die größte Vollkommenheit und Zierde zu verschaffen" (Carl Christian Gmelin 1809).
Die Orangeriegebäude lagen im Nordwesten des Gebäudekomplexes (heute der Bereich der Pavillons des Bundesverfassungsgerichts). Die Gebäude dienten für frostempfindliche Pflanzen als Winterquartiere. Es gab ca. 2700 Orangen-, Pomeranzen- und Zitronenbäume und außerdem noch Oleander-, Palmen- Lorbeer- und andere Kübelpflanzen. In der großen dieser Orangerien wurde im Sommer gespeist. Hinter diesen Gebäuden lagen die Anlagen des botanischen Gartens.
Eine vierte Orangerie befand sich im Halbrund der zirkelgebäude ("Zirkelorangerie") mit zwei Gewächshäusern (im Zirkelquadrat zwischen der Kronen- und Adlerstraße). In ihr wohnte Thran. 1808 wurde sie abgebrochen und durch vier neue Häuser ersetzt.
Mit der Versetzung Thrans nach Durlach verkam die Karlsruher Pflanzensammlung. Neuplanungen erforderten eine Verlegung der Glashäuser und den Fortfall des Mittelparterres.
Nach 1784 erlebte der botanische Garten dann unter Carl Christian Gmelin und Michael Schweyckert einen neuen Aufschwung. 1791 wies ihr Katalog bereits wieder über 4000 Arten auf. Später wurden die Anlagen in einen Landschaftsgarten umgewandelt und 1967 hier eine Bundesgartenschau durchgeführt.
Quellen
- Clifford, Derek "Gartenkunst", Reutlingen 1966
- Gothein, Marie Luise "Geschichte der Gartenkunst", Jena 1926
- Hennebo, Dieter / Hoffmann, Alfred "Geschichte der deutschen Gartenkunst", Bd. II, Hamburg 1965
- Stadtarchiv Karlsruhe (Hrsg.) "Eine Afrikareise im Auftrag des Stadtgründers", Karlsruhe 2008