9. Francesco Colonna (? (wahrscheinlich im 15. Jahrhundert)) | ||||
Er war der Visionär einer zukünftigen Gartenkunst. Niemand kennt sicher den Autor, niemand kennt einen sicheren Schlüssel für die Interpretation seines Werkes, der "Hypnerotomachia Poliphili". Aber auch niemand kann die großen italienischen Gärten der Renaissance letztlich umfassend verstehen, ohne die Kenntnis seines Werkes. Allerdings ist sein Buch wegen seiner vielen lateinischen und griechischen Zitate innerhalb einer toskanischen Volkssprache (und wegen der wahrscheinlich später hinzugefügten Ergänzungen) nur schwer lesbar. Darüber hinaus gibt es in ihm auch noch hebräische und arabische Textstellen, verschiedenartige Hieroglyphen und Bilderrätsel, die verschiedensten mathematischen und architektonischen Konstruktionspläne und Anmerkungen und die Verwendung von uns heute völlig unbekannten historischen Maßeinheiten des Imperium Romanum und der Städte Florenz und Rom wie z.B.: stadium (= 185,69 m), actus (= 35,65 m), passus (= 1,48 m), braccio Fiorentino (= 0,58 m, Florenz der Renaissance), palmides (= 0,37 m), palmo Romano (= 0,22 m, Rom der Renaissance), digitus (0,019 m). Dabei entsprechen die im Buch genannten Maße oft nicht den Darstellungen auf den Holzschnitten. Außerdem enthält der Text für die dort vorkommenden Architekturen eigene Proportions- und Maßsysteme (große Pyramide, Magna Porta, Pavillons, Tempel der Venus Physizoa und die Insel Kythera). Oft werden dabei der "Goldene Schnitt" oder musikalische Proportionen verwandt. Oft werden genaue Material- und Maßangaben gemacht, und es gibt Vergleiche zu klassischen Vorbildern und Bezugsdarstellungen wie zu Vitruv und Plinius d.Ä. (bei letzterem besonders eine Fülle von aufgeführten Pflanzennamen). Wegen dieser Komplexität hat das Original kaum jemand gelesen, gibt es bis heute keine deutsche Übersetzung. Fast immer beziehen zitierende Autoren sich auf die Sekundärliteratur, wenn sie die sie interessierenden Aspekte beschreiben. (Dies gilt auch für diesen Text). In Deutschland ist die "Hypnerotomachia" weitgehend unbekannt. Hier ist schon ihr Titel bereits nicht ganz korrekt. Er lautet hier "Der Traum des Poliphilo", und es müsste genauer sein: "Der Kampf der Liebe in einem Traum. Von vielen Autoren wird dieses Buch allerdings als das bedeutendstes und schönste literarische Werk der Renaissance angesehen. Wer Francesco Colonna eigentlich war, weiß man nicht. Es gibt eine Vielzahl an Vermutungen:
(Manche Autoren sehen in den beiden vorangegangenen Gestalten nur eine Person. Der römische Adlige und der Mönch aus Venedig seien eine Person. Nach seiner Verdächtigung der Ketzerei sei er in Venedig nach dem Erscheinen seines Buches in den Dominikanerorden eingetreten und dort 1527 gestorben).
Das Ehepaar Kretzulesco vermutet dagegen, dass der Name von Polias abgeleitet sei, dem ältesten Namen der Athene, der Göttin der Polis und hier als eine Allegorie der Weisheit zu sehen sei. Der Roman selber ist inhaltlich sehr vielschichtig. Einerseits enthält er eine fantasiereiche Liebesgeschichte, andererseits wird er als ein "romantischer Vitruv-Kommentar" (Julius v. Schlosser) angesehen. Darüber hinaus stehen in ihm philosophische Aussagen aus dem Bereich des Neu-Platonismus und eine Vielzahl allegorischer Bilder, deren Deutung bisher nur begrenzt gelungen ist und Raum für viele Spekulationen zulässt. Der Roman lässt sich so als eine Wanderung durch antike Ruinen und geträumte Architekturvisionen lesen, als die Darstellung einer einstigen Größe des Landes und der Traum von einem neuen "römischen Reich". Inhaltlich besteht er aus zwei Teilen. Dabei ist der erste Teil viermal so umfangreich wie der zweite. Auf der Suche nach Polia durchwandert Polifilo im ersten Teil in einer Art Initiationsprozess fünf Erlebniswelten (3 Täler, eine Gräberstadt und einen Inselgarten).
Die Nymphen erzählen hier die Vorgeschichte des Traumes. Am Ende des Dargestellten entpuppt sich dieser als solcher und Polifilo erwacht.
Gärten werden in der Hypnerotomachia an mehreren Stellen beschrieben. So gibt es im Palast der Königin vier runde Gärten:
Nach innen ist sie, bis auf das Inselherz, radial durch Wege in zwanzig gleichgroße Sektoren aufgeteilt, die jeweils kreisförmig in drei Hauptzonen aufgeteilt sind: einer Waldzone, einem Wiesenring und dem Inselherz (= Parterre). Der erste, äußere Gartenring bestand aus zwanzig verschiedenen, artenreinen Wäldchen. Es gab in ihnen blumenreiche, duftende Wiesen, die verschiedensten zahmen Tiere (u.a. ungefährliche Löwen), Satyre und Faune. Besonders eindrucksvoll waren die Topiaris in denen die zwölf Heldentaten des Herkules dargestellt wurden. Die Wege waren von Marmorwerk eingefasst, das von den verschiedensten Schlinggehölzen umrankt war. Der Wiesenring selber wurde wiederum durch drei Ringe unterteilt, deren Wege von Pergolengängen eingefasst waren. An ihren Kreuzungen wölbten sich über vier Ecksäulen Kuppeln, die von Rosen überrankt waren.
Das Inselherz (hinter dem Säulengürtel) wurde zunächst von einem Wiesenring mit einem Kanal in seiner Mitte eingeleitet. Es gab hier die verschiedensten Duftkräuter, Hyazinthen und Gladiolen. Eine Vielzahl prächtiger Vögel sang ihre Lieder und schöne Menschen beiderlei Geschlechts spielten miteinander, musizierten und umarmten sich. Der Kanal selber war in Marmor gefasst und besaß einen goldenen Sandboden. Sein Wasser duftete nach Moschus. Über ihm wölbten sich pergolenartig Orangen- und Zitronenbäume. Kostbare Brücken verbanden beide Ufer. Die sich anschließende Herzzone (= Parterrering) wurde jeweils durch Treppenringe mit sieben Stufen gebildet. Sie begann mit einer doppelten Kolonnade auf der sich prächtige Pfauen befanden. Danach folgte ein breiter Marmorweg, dann wieder ein Treppe und auf sie folgend eine Buchseinfriedung mit Türöffnungen. Zwischen diesen befanden sich Topiari-Darstellungen (z.B. Triumphzüge, Schlachtenbilder, Jagdszenen). Diese Zone wurde von einem Weg abgeschlossen. Der nächste Parterrering wurde mit verschiedenen Gehölzen eingefriedet. Er bestand weitgehend aus verschiedenen zu Topiari geschnittenen Gehölzen und abwechselnd aus zwei verschiedenen Gruppen von Knotenbeeten. Im 3. Herzring (wieder beginnend mit einer siebenstufigen Treppe) waren die Hecken und Topiari aus Myrte geschnitten. Die beiden wechselnden Beetformen waren aufwendiger und mit Umschriften versehen. Der 4. und letzte Ring hatte dann als Eingang nur noch einen Einlass. Er führte zum Triumphweg der Liebenden. In diesem Bereich wuchsen duftende Kräuter, befanden sich singende Vögel und musizierende Nymphen und Jünglinge. Eine letzte Treppenfolge mit einer nachfolgenden Kolonnade führte dann ins Gartenzentrum. Es bestand aus einem Amphitheater, umgeben von einer mosaikartigen Pflasterfläche. Beide aus kostbarsten Steinen geschaffen. Im Inneren des Theaters gab es drei Ränge mit jeweils vier Stufen (auf jeder wuchs eine andere Blumenart). Die Bepflanzungen und Darstellungen wurden, je weiter man ins Innere des Gartens gelangte, immer wertvoller. Das ganze Buch ist angefüllt mit Beziehungen zu antiken Mythen. So z.B.: Weshalb es einen Frühling und Winter gibt (die Aufenthaltszeit des Adonis bei der Venus oder der Göttin der Unterwelt Proserpina auf der Erde) oder rote Rosen ( durch das Blut der Venus). Der Wert der Hypnerotomachia für die Gartenkunst ist, dass hier die verschiedensten charakteristischen Züge des italienischen Renaissance-Gartens bereits genannt werden:
Noch fehlen in Colonnas Beschreibungen die
In Colonnas Buch erlangten die Gärten ihre Bedeutung durch eine Steigerung des Natürlichen. Über die Ästhetik wurden ihre verschiedenen Elemente miteinander verbunden. Rationale und Sinnenwelt ließen sich so zusammenbringen. Über die gestaltete physische Welt glaubte man zu Kenntnissen über die metaphysische gelangen zu können. Symbolische Andeutungen ermöglichten dabei gedankliche Tiefgänge und das Auflösen formaler Vorgaben in die Welt der Fantasie. Auf diese Weise konnte aus einem rationalen Bewusstsein gegenüber der Natur eine harmonische Beziehung werden, ihr der menschliche Wille in einer positiven Grundhaltung aufgezwungen werden, Der Weg des Poliphilos durch die Stationen des Buches, bzw. des Gartens ist ein Initiationsweg voller Prüfungen. Er begegnete dabei schrecklichen Ungeheuern, musste gefährliche Prüfungen bestehen. Auf seinem Weg kam er mit den Elementen der Natur in der Form von olympischen Göttern, Nymphen und Faunen zusammen. Dabei wurde er in deren Schöpfung eingeweiht. Das ganze Buch kann als ein Versuch des Autors gesehen werden, einem Leser einen Zugang zur Antike aufzuzeigen. Dafür werden ständig in einer ermüdenden Fülle Bauwerke genannt und Texte zitiert. Wahrscheinlich kannte der Autor die Villa Hadriana, da viele der Bildtafeln in der Hypnerotomachia starke Ähnlichkeiten mit deren Architekturen aufweisen. Polia kann hier als für die Antike stehend gesehen werden, die Poliphilo zu derem Verständnis führt. Er unternimmt hier eine symbolische Reise, in der sie seinen Schutzgeist darstellt. Dabei stößt er immer wieder auf römische Ruinen (besonders den Tempel der Fortuna Primigenia in Praeneste), nimmt an heidnischen Zeremonien teil und verjüngte sich in einem Jungbrunnen. Am Schluss erwartete ihn dann die Liebe. "Das Buch ist voller Reflexe der Architekturtheorie des Quattrocento, die jedoch den Charakter der Geheimlehre gewinnt. Die Totalität einer als vollkommen verstandenen Antike verbindet sich mit den Initiationen des Venus-Kults und findet ihren Niederschlag in einer Traumarchitektur" (Kruft). Der Gräbertempel "Polyandron" steht als Ruinenarchitektur als Zeuge des "Goldenen Zeitalters". Auf der Insel Kythera finden Natur und Kultur (Architektur) als Reich der Venus zu ihrer Einheit. In ihrem Mittelpunkt steht ein Amphitheater (nachgedacht dem Amphitheater In Rom). In ihrer Beschreibung kommen zusammen
Im Roman kommen die philosophischen Träume des 15. Jhs. zum Ausdruck. In dieser Zeit hatten die Humanisten für sich den Traum als eine Gegenwelt zur realen Welt entdeckt. Seine Bedeutung erhält er dann erst im 16. Jh. in dem man anfängt, den Garten symbolisch für das Universum zu sehen. Das Altertum wird hier nicht mehr allein historisch betrachtet, sondern gezielt als ein Traum, als eine Welt, die mit antiken Mythen belebt ist. Und die Aufgabe dieser ersten Anfänge der europäischen Gartenkunst ist es dann, diesen Mythen Gestalt zu geben. Zunächst war das Buch in Italien nicht sehr erfolgreich gewesen. Erst nach einer Neuauflage 1545 änderte sich dies. Leandro Alberti (ein Neffe von Leon Battista Alberti und Freund des Colonna) hatte es an den Hof der Medici nach Florenz gebracht. Seit 1546 gab es dann auch eine viel beachtete französische Ausgabe. In Deutschland soll Albrecht Dürer schon sehr früh eine Ausgabe besessen haben (1507 in Venedig gekauft). Das Buch ist hier aber nie übersetzt worden. Quellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Hypnerotomachia_Poliphili (6.3.1012)
http://de.wikipedia.org/wiki/Francesco_Colonna (6.3.2012) http://www.seshat.ch/home/alberti.htm (6.3.2012) |